Bibel als Geschichtsbuch

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Beitragvon stine » Mo 2. Aug 2010, 08:23

Nach einiger Überlegung bin ich zu der Meinung gelangt, dass dieses Thema nicht in die Ruprik Religion gehört, sondern der Poltik und Gesellschaft zuzuordnen ist.
Ich frage mich: kann es prinzipiell ein politisches Interesse daran geben, die Geschichte der Bibel bis heute als wahr zu erklären?
Wäre die Leugnung der Bibel per se antisemitisch, weil sie dem Volk der Israeliten den Status der Auserwählten nimmt?

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Re: Bibel als Geschichtenbuch

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mo 2. Aug 2010, 14:19

stine hat geschrieben:kann es prinzipiell ein politisches Interesse daran geben, die Geschichte der Bibel bis heute als wahr zu erklären?
Ja
stine hat geschrieben:Wäre die Leugnung der Bibel per se antisemitisch, weil sie dem Volk der Israeliten den Status der Auserwählten nimmt?
"Falsch" und nein.
Falsch, weil die Bibel nicht "geleugnet" wird. Die Bibel existiert, wie Millionen andere Bücher auch. Mir wäre nicht bekannt, dass irgendwer bestreitet, dass es ein Buch in hoher Auflage und Varianz gibt, dass u.a. "Bibel" genannt wird.
Wenn du auf die Inhalte des Geschichtenbuchs abzielst, so ist deine Wortwahl "falsch", da "Leugnung" wertend ist und meist auf das Verneinen, eines Abstreitens einer wahren Begebenheit, einer Tatsache oder ähnlichem ist. Dies ist aber hier nicht der Fall. Auch ist kein Mensch, keine Gruppen von Menschen (Volk, Saat, Religionsgemeinschaft) ist von irgendwas (einer höheren Macht o.ä.) "auserwählt", dies bilden sich Nationalisten und religiöse Fanatiker nur ein. Also kann dieser Status nicht wirklich entzogen werden (er existiert nämlich nicht), es wird allerhöchtens diesem lächerlichem Selbstbild widersprochen. (Lächerlich, weil eben so gut wie alle Nationalisten und sonstige Fanatiker ihre Gruppe, ihre Nation als "auserwählt" sehen.)
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Re: Bibel als Geschichtsbuch

Beitragvon Bionic » Mo 2. Aug 2010, 14:54

Dein Thread-Titel ist aber etwas komisch. :/
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Re: Bibel als Geschichtenbuch

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mo 2. Aug 2010, 15:07

Ja, ich sehe den Zusammenhang mit den Fragen auch nur sehr peripher-tangential, aber so ist "stine" eben, ein bisserl Bild muss sein (und dies ist tendenziell auch ganz in Ordnung)
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Re: Bibel als Geschichtsbuch

Beitragvon stine » Mo 2. Aug 2010, 17:57

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Bild
Seh ich auch so :mg:

Aber ernsthaft: Heute morgen, als wieder einmal Raketen ins "heilige Land" fielen, kam mir der Gedanke, dass das "heilige Land" eigentlich nur heiliges Land aus der Geschichte des alten Testaments ist. Es gibt sonst keine Geschichtsschreibung, die Israel genau dort festmacht. Oder doch? (Ich geb zu, ich habe noch nicht recherchiert, hatte noch keine Zeit dazu)
Wenn nun die Bibel also ihren Status als Wort Gottes verloren hat, wieso sollte dann inhaltlich gerade die Geschichte Israels der Wahrheit entsprechen? Wer, außer Israel selbst, legt so einen Status fest?
Was ist die Bibel an der Stelle: reale Geschichte oder niedergeschriebene Wunschvorstellung?

Ich dachte, jemand hier könnte dazu etwas sagen.
Die Überschrift muss schon so lauten: Die Bibel ein Geschichtsbuch?

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Re: Bibel als Geschichtsbuch

Beitragvon stine » Mo 2. Aug 2010, 18:32

[i]Juda (hebräisch יְהוּדָה Jehūdāh) war ein eisenzeitliches Königtum in den Judäischen Bergen um Jerusalem. Seine Gründung geht nach biblischer Darstellung auf König David zurück. Da über weite Strecken die biblischen Texte, deren Wert für eine historische Auswertung umstritten ist, die einzigen Quellen darstellen, liegen zahlreiche Abschnitte der Geschichte Judas im Dunkeln und sind in der kritischen Wissenschaft umstritten. Die Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar II. im Jahr 587 v. Chr. bedeutete das Ende der Eigenstaatlichkeit. Die Region wurde Teil des neubabylonischen Reiches, später im Achämenidenreich die persische Provinz Jehud. Erst unter den Makkabäern kam es wieder zu einem selbstverwalteten jüdischen Leben in der Region.

Das ist es was ich meine: Die einzige Quelle ein umstrittenes Buch!

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Re: Bibel als Geschichtsbuch

Beitragvon ujmp » Mo 2. Aug 2010, 18:51

Werd doch mal konkret, was ist dein Problem? Meinst du, der Papst soll aus dem Vatikan ausziehen, weil sein Amt und sein Reichtum auf einer erfundenen Geschichte beruht? Oder was meinst du?
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Re: Bibel als Geschichtsbuch

Beitragvon stine » Mo 2. Aug 2010, 19:30

Ich meine, dass die Bibel kein Fundament sein dürfte, auf das sich ein Volk berufen kann und wenn doch, dann wäre die Bibel als wahr zu respektieren. Die Politik ist sich hier nicht einig, denn selbst Bibelgegner und Atheisten respektieren heute die Entscheidung, Israel sein biblisches Land zuzugestehen, trotz aller arabischen Widerstände und trotz der Zerschlagung des jüdischen Reiches bereits vor 2900 Jahren.
Das wäre in etwa so, als würde man heute versprengten Galliern ein eigenes Land mitten in Frankreich abgrenzen, um sie dort wieder zusammenzuführen.

Was den neuzeitlichen Vatikanstaat betrifft, so ist er längst nicht so groß wie Israel und gilt innerhalb Roms für die Italiener als Geldquelle. Der Vatikan wird in der Bibel auch nicht erwähnt, oder doch? :erschreckt:

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Re: Bibel als Geschichtsbuch

Beitragvon Bionic » Mo 2. Aug 2010, 20:17

stine hat geschrieben:Ich meine, dass die Bibel kein Fundament sein dürfte, auf das sich ein Volk berufen kann und wenn doch, dann wäre die Bibel als wahr zu respektieren. Die Politik ist sich hier nicht einig, denn selbst Bibelgegner und Atheisten respektieren heute die Entscheidung, Israel sein biblisches Land zuzugestehen, trotz aller arabischen Widerstände und trotz der Zerschlagung des jüdischen Reiches bereits vor 2900 Jahren.

Naja aber viele Israelis glauben ja daran, oder? Das ist Diplomatie.
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Re: Bibel als Geschichtsbuch

Beitragvon stine » Di 3. Aug 2010, 11:04

Ich bezeichne das als politisches Interesse, die Bibel nicht sterben zu lassen. Das hat zwangsläufig zur Folge, dass Religion nie ein ziviles Freizeitvergnügen werden kann. Wer sich auf biblisches Recht beruft, was seine Staatsgrenzen betrifft, der kann nicht andererseits die Bibel zum Geschichtenbuch erklären.

http://www.spiegel.de/wikipedia/V%C3%B6lkerbundsmandat_f%C3%BCr_Pal%C3%A4stina.html

Das ist ein weites Feld...

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Re: Bibel als Geschichtenbuch

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Di 3. Aug 2010, 11:31

stine hat geschrieben:Wer sich auf biblisches Recht beruft, was seine Staatsgrenzen betrifft, der kann nicht andererseits die Bibel zum Geschichtenbuch erklären.
Diejenigen die sich auf "biblisches Recht" berufen, werden dies auch nicht machen. Du magst also daraus rückschließen, dass eine Person die die Bibel als Geschichtenbuch ansieht, von "biblischem Recht" recht wenig hält (im Sinne von heutigem Recht, was als maßgebliche und entscheidende Rechtsgrundlage die alte Bibel ansieht).
Dies berührt aber das heutige Existenzrecht von Israel keinen Deut, nur die Begründung.
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Re: Bibel als Geschichtsbuch

Beitragvon ujmp » Di 3. Aug 2010, 12:02

Stine, worüber redest du eigentlich? Welcher Politiker erzählt etwas von bilbischen Geschichten? Das ist doch bloß Spiegelfechterei!
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Re: Bibel als Geschichtenbuch

Beitragvon stine » Di 3. Aug 2010, 19:22

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Dies berührt aber das heutige Existenzrecht von Israel keinen Deut, nur die Begründung.
Eben: Die Begründung!
Weltgeschichtlich und weltpolitisch gab es mE keinen Grund, einen israelischen Staat an genau dieser Stelle zu positionieren, wo über hunderte von Jahren ethnische Vielvölkerei herrschte. Trotz vielfachen Widerstandes der dort lebenden Bevölkerung und mehrfacher Bedenken wurde aber trotzdem genau dort der Staat Israel gegründet, wo man alttestamentarisch sein Heilgtum zu wissen glaubte.

@ujmp: Was will ich?
Ich will gar nichts. Ich wollte nur sagen, dass es durchaus auch politisches Interesse gibt die Bibel am Leben zu erhalten. Da können die Naturalisten der ganzen Welt nicht gegen an. Die Bibel ist eben viel mehr als ein Märchenbuch!
Deine nächste Frage wird sein, ob ich das gut finde? Nein, tue ich nicht, weil der Konflikt im nahen Osten so niemals zu lösen ist. Da stehen sich die religiösen Geschichtsbücher im Weg, Gott hat offensichtlich verschiedenen Völkern unterschiedliche Verheißungen gemacht und alle im selben Land.

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Re: Bibel als Geschichtenbuch

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Di 3. Aug 2010, 19:33

stine hat geschrieben:Trotz vielfachen Widerstandes der dort lebenden Bevölkerung und mehrfacher Bedenken wurde aber trotzdem genau dort der Staat Israel gegründet, wo man alttestamentarisch sein Heilgtum zu wissen glaubte.
Ist doch ein nettes Beispiel für den "Segen" von Religionen.
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Re: Bibel als Geschichtsbuch

Beitragvon stine » Mi 4. Aug 2010, 09:43

Ja, aber auch ein Beispiel dafür, dass man gar nichts dagegen machen kann, weil ganz andere Interessen dahinter stehen, als religiöse Gottesanbetung.

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Re: Bibel als Geschichtsbuch

Beitragvon ujmp » Mi 4. Aug 2010, 11:06

Stine, du bekämpfst mal wieder Meinungen, die du dir selbst ausgedacht hast, die aber kein Mensch vertritt. Die Gründung des Staates Israel wurde niemals biblisch gerechtfertigt. Sicher spielten die Traditionen und die jüdische Identität bei der Wahl des Ortes eine Rolle und sicher gibt es auch Fundamentalisten, die sich auf die Bibel berufen wollen. Das spielte aber gegenüber der Staatengemeinschaft, die der Gründung des Staates Israel mit großer Mehrheit zustimmte, überhaupt keine Rolle.
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Re: Bibel als Geschichtsbuch

Beitragvon Nanna » Mi 4. Aug 2010, 12:41

ujmp hat geschrieben:Die Gründung des Staates Israel wurde niemals biblisch gerechtfertigt.

Naja, ich wäre da vorsichtiger mit einem Urteil. Es wird sogar in der israelischen Unabhängigkeitserklärung ein direkter Bezug zu biblischen Zeiten, Judentum und zu Gott hergestellt. Es wird auch von jüdisch-orthodoxer Seite genau so argumentiert, wie stine das hier skizziert und die religiösen Parteien erreichen regelmäßig 10-20% der Stimmen in Israel. Du machst einen Fehler, wenn du dich, was biblische Rechtfertigung angeht, nur darauf berufst, was offiziell in irgendwelchen Dokumenten festgehalten wurde (und selbst da gibt es, wie ich im Nachfolgenden kurz zeigen werde, so einige eindeutig-zweideutige Anspielungen). Entscheidend dafür, dass ein politisches Unternehmen, wie beispielsweise eine Staatsgründung gelingt, ist immer die politische Großwetterlage, die sich allzuoft zwischen den Zeilen und in öffentlich nicht klar sichtbarer Einflussnahme allerlei interessierter Gruppen äußert. Wenn für nicht-marginale politische Gruppen oder Bevölkerungsanteile irgendwo auf der Welt die Verbindung von Israels Existenzrecht und Bibel hergestellt wird, dann hat das einen politischen Einfluss, es gibt ein entsprechendes politisches Interesse und damit wäre stines These bestätigt.

Es ja auch nicht nur um die Staatsgründung, sondern auch um das Aufrechterhalten des Staates Israel, der sich de facto in einem Dauerkriegszustand mit seinen Nachbarn befindet (mit Syrien herrscht bis heute nur ein Waffenstillstand!) und dessen Existenzrecht daher permanent in Frage gestellt wird und neu begründet werden muss. Israels Zukunft wird maßgeblich auf der politischen und ideologischen und nicht nur der militärischen Bühne entschieden.
Nur auf die offiziellen Dokumente der UN und der 1948 zustimmenden Staaten zu blicken, macht keinen Sinn, die UN ist eine schwache Institution. Man muss sich schon ansehen, welche politischen Interessen den Staat Israel am Leben erhalten, und da darf man die religiöse Komponente nicht außer Acht lassen, die gerade beim einfachen Volk der Schutzmacht USA durchaus gut ziehen könnte. Gerade die Evangelikalen und die evangelischen Kirchen lassen sich von dem biblischen Kontext immer wieder durchaus beeindrucken, fast überflüssig hier auf US-Politiker vom Typ eines G.W. Bush hinzuweisen.
Die Unterstützung für Israel und die interne politische Auseinandersetzung dort, die sich stark um die Frage dreht, welchen Stellenwert Religion im politischen Kontext haben darf, sind ebenfalls Sachen, die immer wieder neu begründet und ausgefochten werden müssen. Man darf das nicht unterschätzen: In dem Augenblick, in dem einer politischen Gruppe oder einem Regime die Legitimationsgrundlage abhanden kommt, hat sie/es ein massives Problem. Von daher ist stines Grundthese durchaus zuzustimmen, die ja nicht mehr sagt, als dass es politische Gruppen gibt, die ein Interesse daran haben, die Bibel als eine Quelle höherer, überlegener Legitimation darzustellen und diese Überzeugung zu verbreiten.

Nun noch zu der Referenz auf "jüdische Identität", Rückbezug auf biblische Zeiten und Gott in offiziellem Zusammenhang:
Die israelische Unabhängigkeitserklärung beginnt mit folgendem Absatz (Hervorhebungen des religiösen und biblisch-historischen Kontextes durch mich):
ERETZ-ISRAEL [(Hebrew) - the Land of Israel, Palestine] was the birthplace of the Jewish people. Here their spiritual, religious and political identity was shaped. Here they first attained to statehood, created cultural values of national and universal significance and gave to the world the eternal Book of Books.

After being forcibly exiled from their land, the people kept faith with it throughout their Dispersion and never ceased to pray and hope for their return to it and for the restoration in it of their political freedom.

Impelled by this historic and traditional attachment, Jews strove in every successive generation to re-establish themselves in their ancient homeland.

Hier wird also sehr klar zum einen auf die religiös-spirituelle Verbindung zu diesem Stück Land hingewiesen, es wird sogar explizit die Bibel genannt, wenn auch nicht als direkte Rechtfertigung für den rechtmäßigen Besitz des Landes, sondern nur als eine Art Bestandteil des kulturellen Erbes - aber immerhin, die Bibel steht im zweiten Satz der Unabhängigkeitserklärung! Dann ist weiterhin sehr viel von Glaube, Gebet und von der Restauration und Wiedergründung der alten Heimat die Rede, es wird also sehr klar die Linie zu den biblischen Zeiten gezogen.

Auch wenn es hier nicht explizit gesagt wird, die Bibel (Thora) ist selbstverständlich DIE verbindende Komponente der Israelis bzw. Juden. Die gesamte nationale Identiät beruht auf dem Judentum (ergo auch auf der Bibel). Du musst nur mal in der Berichterstattung verfolgen, wie oft darauf hingewiesen wird, dass israelische Politiker, gerade die von der konservativen, religiös-orthodoxen Seite, eine Ein-Staat-Lösung, also eine Vereinigung mit den Palästinensischen Gebieten, ablehnen, weil dadurch der "Charakter als jüdischer Staat gefährdet" sei. So gut wie alle hohen israelischen Politiker haben diese Floskel bisher regelmäßig in den Mund genommen, wenn die Rede auf dieses Thema kam.

Eine einfache Methode, wie man die Bedeutung eines Faktors in politischen Systemen ermessen kann, ist, dass man ein Gedankenexperiment macht und so tut, als gäbe es den Faktor nicht. Stell dir vor, es gäbe die Bibel nicht oder keiner würde Notiz davon nehmen. Das Judentum wäre seiner zentralen Quelle beraubt und wäre eine selbst in den Maßstäben religiöser Wirrköpfe sinnlose Karnevalsveranstaltung. Israel, das sich selbst explizit als jüdischer Staat begreift und seine Politik stark an diesem Thema ausrichtet, kann, so wie es derzeit (!) verfasst ist, nicht ohne Judentum und damit auch nicht ohne Bibel als Legitimationsgrundlage und verbindendes Element existieren, das ist eine ziemlich triviale Erkenntnis. Natürlich hat der israelische Staat andere Quellen von Legitimation, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, wirtschaftlichen Erfolg und die Unterstützung anderer mächtiger Staaten, aber es wäre wesentlich komplizierter, eine gute Begründung vorzubringen, weshalb Israel unterstützt werden soll, wenn es den jüdischen Bezug nicht mehr gäbe.

Es gibt auch einen expliziten Gottesbezug in der Unabhängigkeitserklärung:
PLACING OUR TRUST IN THE "ROCK OF ISRAEL",...

Mit "Rock of Israel" ist Gott gemeint. Man hat sich auf diese verschlüsselte Form geeinigt, weil säkuläre und religiöse Juden sich nicht über eine explizite Aufnahme des Gottesbezuges in die Unabhängigkeitserklärung einig werden konnten. Im Grunde ist das auch nur zweitrangig; wesentlich ist, dass es tatsächlich Gruppen gab und gibt - und das sind in Israel keine Randgruppen -, die klar den Bezug auf die biblischen Zeiten und auch auf die Thora pflegen, beispielsweise die religiöse Partei Mafdal, die ultraorthodoxe Schas-Partei und natürlich die Extremisten von Agudat Jisra’el (Unser Haus Israel). Wie man sieht, hatten Personen dieser Gesinnung sogar einen spürbaren Einfluss auf die Unabhängigkeitserklärung und hätten sicherlich auch ähnliche Formulierungen in der Verfassung durchgesetzt, so Israel denn eine hätte.
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Re: Bibel als Geschichtsbuch

Beitragvon ujmp » Mi 4. Aug 2010, 14:09

Nanna hat geschrieben:Eine einfache Methode, wie man die Bedeutung eines Faktors in politischen Systemen ermessen kann, ist, dass man ein Gedankenexperiment macht und so tut, als gäbe es den Faktor nicht. Stell dir vor, es gäbe die Bibel nicht oder keiner würde Notiz davon nehmen. Das Judentum wäre seiner zentralen Quelle beraubt und wäre eine selbst in den Maßstäben religiöser Wirrköpfe sinnlose Karnevalsveranstaltung. Israel, das sich selbst explizit als jüdischer Staat begreift und seine Politik stark an diesem Thema ausrichtet, kann, so wie es derzeit (!) verfasst ist, nicht ohne Judentum und damit auch nicht ohne Bibel als Legitimationsgrundlage und verbindendes Element existieren, das ist eine ziemlich triviale Erkenntnis. Natürlich hat der israelische Staat andere Quellen von Legitimation, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, wirtschaftlichen Erfolg und die Unterstützung anderer mächtiger Staaten, aber es wäre wesentlich komplizierter, eine gute Begründung vorzubringen, weshalb Israel unterstützt werden soll, wenn es den jüdischen Bezug nicht mehr gäbe. .


Das ist nicht ganz trivial, da Jüdischsein nicht nur eine religiöse Frage ist, sondern auch eine kulturelle Identität darstellt wie Deutschsein. Die Juden sind im Schnitt nicht religiöser als andere Völker und die meisten von ihnen werden wohl die Bibel selbst als Märchenbuch ansehen. Die Wahrheit der Bibel ist für ihre Identität sowenig maßgeblich, wie für uns die Wahrheit der Werke Goethes.

Der Punkt ist aber, dass eine biblische Legitimation des Staates Israel nicht erforderlich war, nie verlangt wurde und auch heute keine wirkliche Relevanz hat. Spätestens 1945, als die Juden knapp der Ausrottung entgangen waren, waren sie in der Situation für ihre Sicherheit selbst sorgen zu müssen, weil sie ihnen weder jemand garantieren konnte noch wollte. M.E. hatten sie das moralische Recht, ihre Sicherheit herzustellen wo und wie sie es nur für richtig hielten - auch mit Gewalt. Von wem hätten sie sich denn die Erlaubnis holen sollen? Du sagst selbst, die UNO war schwach. Die Briten hatten jüdische Flüchtlinge mit Stacheldraht und Wachtürmen eingezäunt. Die Franzsosen hatten 1946 mit ehemaligen SS-Leuten den Indochina-Krieg angefangen. Damals herrschte eine völlig andere Denkweise vor, die z.T. noch kolonialistisch war. Und unzählige SS-Leute dienten in der Nachkriegszeit in Ägypten, Syrien u.a. Ländern in deren Armeen uns Polizeien. Ganz zu schweigen von Deutschland, dass noch bis in die 60er voll war von Nazibonzen, bis in die höchsten Kreise.

Von der Historizität der Bibel hängt also nichts ab, wie es die reaktionäre Denke von Stine gern konstruieren möchte. Ihr Vergleich mit den Galliern ist spricht Bände. Ihre Frage nach dem "Status von Israel" klingt für mich schon sehr nach der "Judenfrage".
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Re: Bibel als Geschichtsbuch

Beitragvon stine » Mi 4. Aug 2010, 18:52

ujmp hat geschrieben:Ihre Frage nach dem "Status von Israel" klingt für mich schon sehr nach der "Judenfrage".
Ist mir schon klar, dass ich für dich stigmatisiert bin und du deswegen keinerlei Diskussion zulassen kannst. Ärgerlich ist auch, dass du alles in einen Topf wirfst, aber vielleicht kannst du auch nicht anders... :ka:
Die Verfolgung der Juden im dritten Reich war mit Sicherheit ein Verbrechen, aber deswegen einen Staat Israel neu zu begründen, war etwas weit hergeholt, man könnte die Juden ja auch einfach nur in Ruhe lassen. Schließlich waren die meisten sowieso auf der ganzen Welt zu Hause, genau wie andere Volksstämme auch. Und dass das neue Israel dann auch noch ausgerechnet rund um Jerusalem sein musste, war wohl Zufall, oder wie?
Außerdem zwang man dadruch mehr oder weniger weltweit alle Juden sich dort hin zu begeben, um sich in "ihrer Heimat" nieder zu lassen, was einen wahnsinnig großen Zuzug einer einzigen Volksgruppe zur Folge hatte und in diesem ehemaligen Vielvölkerland zu extremen Spannungen führte.

Um bei Beispielen zu bleiben: Nimm die Sinti und Roma: Wer würde ihnen irgendwo einen eigenen Staat gründen wollen? Sie haben keine Lobby und schon gar nicht werden sie im Buch der Bücher erwähnt.

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Zuletzt geändert von stine am Mi 4. Aug 2010, 19:19, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Bibel als Geschichtsbuch

Beitragvon stine » Mi 4. Aug 2010, 18:56

ujmp hat geschrieben:Die Juden sind im Schnitt nicht religiöser als andere Völker und die meisten von ihnen werden wohl die Bibel selbst als Märchenbuch ansehen. Die Wahrheit der Bibel ist für ihre Identität sowenig maßgeblich, wie für uns die Wahrheit der Werke Goethes.
Woher weißt du das?

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