ganimed hat geschrieben:Ich habe ein Argument gegen deine Behauptung, es sei "widersprüchlich und falsch".
Bin gespannt.
ganimed hat geschrieben:Singer sagt, auch nach meinem Eindruck, implizit, dass die objektive Perspektive alles subjektive "umfasse".
Den Punkt können wir abhaken, das schreibt er sogar ganz explizit, zur Not könnte ich es zitieren.
ganimed hat geschrieben:Soweit ich das verstehe, meint er damit, dass alle subjektiven Erlebnisse auf objektiv beschreibbare neuronale Vorgänge zurückzuführen sind.
Ja, so verstehe ich ihn auch.
ganimed hat geschrieben:Und dann schreibt er, da stimme ich auch zu, dem Gehirn zu, Einstellungen zu haben, die nur ein Subjekt haben kann. Nur ist dein Widerspruch kein Widerspruch. Singers Aussage ist praktisch: das Subjekt hat Dinge, die nur ein Subjekt haben kann, und dieses "haben" wird durch objektiv beschreibbare, neuronale Vorgänge realisiert.
Was auch immer realisiert in diesem Zusammenhang heißt.
Das Problem ist Folgendes: Ich kann z.B. Emotionen haben. Emotionen sind simpel. Ich könnte wütend sein, oder erfreut, traurig oder was auch immer.
Möglicherweise gibt es für jeden meiner inneren Zustände eine neuronale Entsprechung.
Tatsächlich weiß man aber nicht mal für ein Krankheitsbild wie die Depression was „die“ Ursache oder die neuronale Entsprechung ist. Es ist ein wenig genetisch und etwas Serontoninmangel, vielleicht etwas Dopaminmangel, wie, wann und warum, weiß man nicht.
Und wie gesagt, Emotionen sind simpel. Die hat auch ein Flusspferd.
Ein Flusspferd hat aber keine Meinung über die Diskussion über den freien Willen.
Wir können z.B. bestimmten Systemen die Fähigkeit zuschreiben Absichten zu haben.
Oder Theorien zu entwickeln, also die Fähigkeit zuschreiben.
Meinst Du, jemand kann mir da neuronale Modelle liefern, die meine Gedanken zu dieser Diskussion abbilden, naturwissenschaftlich erklären (Ursachen, statt Gründe) und mein Verhalten prognostizierbar machen?
ganimed hat geschrieben:Mir schwant deshalb, dass du möglicherweise auch aus unserer Diskussion über Reduktionismus wenig gelernt hast.
Ich habe auch nicht den Eindruck von Dir bisher sonderlich viel gelernt oder angenommen zu haben, das stimmt. Das hat aber seine Gründe, Du hast mich bisher nicht überzeugen können und wenn ich es richtig verfolgt habe, ist Dir das auch bei vielen anderen nicht gelungen.
ganimed hat geschrieben:Nur weil subjektive Vorgänge durch objektive Vorgänge realisiert werden, heißt das nicht, dass die subjektiven Vorgänge plötzlich objektive Vorgänge sind.
Was verstehst Du unter realisiert werden?
ganimed hat geschrieben:Ein Elefant ist nicht ein Zellhaufen, obwohl er durch Körperzellen realisiert ist. Du verwechselt einfach zwei Dinge, in meiner Begrifflichkeit setzt du die Verben "ist realisiert durch" und "ist gleich mit" gleich.
Worin siehst Du den Unterschied?
ganimed hat geschrieben:Ein Abwassersystem ist aber kein Rohr, obwohl es durch Rohre realisiert wurde.
Ich verstehe, was Du mir sagen willst, Du redest von emergenten Phänomenen.
Ich gehe aber auch davon aus, dass eine dynamische Beschreibung innere Zustände nicht restlos abbildet.
Bis auf Weiteres berufe ich mich auf das empirische Faktum, dass sie es nicht tun, da es nicht verifiziert wurde.
ganimed hat geschrieben:Oder zurück zu Singer: ein subjektiver Vorgang im Gehirn ist aber kein objektiver Vorgang, obwohl er durch objektive Vorgänge realisiert wurde. Singer widerspricht sich deshalb gar nicht.
Wenn Du von Emergenzphänomenen sprichst – oder meinst, dass Singer das tut – kannst Du aber auch eine Objektivierung knicken, oder müsstest eben das, was das Emergenzphänomen objektivierbar ausmacht darstellt. Das könnte z.B. eine spezifische räumliche Anordnung sein, vermutlich kommt eien Bewegungskomponente hinzu und es spricht auch kein einziger Grund dafür, warum diese Vorgänge auf das Gehirn allein beschränkt sein sollte.
Es gibt noch einen relativ komplizierten, aber prinzipiellen, Einwand dagegen, warum man von einer Beobachtung neurologischer Zustände nicht auf eine semantische Theorie schließen kann.
Kurz gesagt, betrachtet man bei einem Blick auf neuronale Zustände (also z.B. ein fMRT des Hirns) neuronale Endzustände, aber bspw. keinen Begründungsweg.
Man kann vom gereizten Erfolgorgan nicht auf den Reizauslöser zurückschließen.
ganimed hat geschrieben:Aber was würde das jetzt für einen Diskurs mit Resultaten bedeuten?
Was jetzt?
ganimed hat geschrieben:Du hast mit Widerspruch argumentiert. Ich habe das widerlegt. Jetzt müsstest du entweder meine Widerlegung anerkennen oder die Fehlerhaftigkeit meiner Widerlegung aufzeigen, oder?
Ich habe das ja oben versucht, bringe es der Einfachheit halber aber noch mal gerne auf den Punkt:
Singer verspricht etwas, was er nicht halten kann, weil die Übersetzung innerer Empfidungen in objektivierbare Zustände wohlwollend gesprochen rudimentär existiert. Die emprischen Fakten sind: Es gibt diese Übersetzung bis zu heutigen Tage schlicht nicht. Insofern ist Singer hier bereits falsiziert.
Ich habe auch prinzipielle Einwände, aber die halte ich erst mla zurück.
ganimed hat geschrieben:Das wäre jedenfalls das, was ich selber unter Resultaten verstünde. Dass wir diese einfache ja/nein-Frage klären: gibt es bei Singer den von dir beschriebenen Widerspruch oder gibt es ihn nicht?
Ja klar. Das ist kein Widerspruch, sondern eine Behauptung die er nicht einlösen kann.
Die Widersprüche kommen an anderer Stelle, aber die gibt es auch reichlich.
ganimed hat geschrieben:Und das unterscheidet sich nach meinem Eindruck von stines Diskurs-Auffassung, wo eben nicht entschieden wird, ob Schulmedizin oder Hömöopathie recht haben, sondern man die armen Patienten einfach weiter mal so mal so oder sogar gleichzeitig mit beidem maltretiert. Das ist für mich aber die Abwesenheit von Resultat.
stine hat hier wirklich mindestens mal ein unglückliches Beispiel ausgepackt.
(Dafür ist ihre kleine Anekdote, die ich gerade erste gelesne habe, ein ausgesprochen gutes Beispiel.)
Diskurs ist auch keine Mischung oder ein „Lass uns mal beides gleichzeitig machen“.
Wenn die Frage lautet Kino oder Länderspiel, muss man sich eben entscheiden.
Diskurs heißt bspw. zu verstehen, warum für jemanden dieses Reisemittel und kein anderes das richtige ist, auch wenn es für mich nicht das richtige ist, obwohl wir in der gleichen Stadt wohnen.
Wenn ich nach Rom will, kommt es eben drauf an ob ich primär
… viel erleben will.
… Flugangst habe.
… kosteneffizient reisen will.
… klimafreundlich reisen will.
… schnell ans Zielkommen will und so weiter.
Wenn ich schnell ans Ziel kommen will, aber Flugangst habe, ist mich der Schnellzug das Mittel der Wahl.
Für jemanden der keine Flugangst hat, wäre der Flieger das Mittel der Wahl, wenn Schnelligkeit die oberste Prämisse ist.
Ich könnte sagen, dass ich verstehe, dass der Flieger schneller wäre, aber die dumme Flugangst und Du könntest verstehen, dass Du zwar keine Flugangst hast, aber wenn Du an meiner Stelle wärst auch den Zug nehmen würdest.
Da das nicht mit sonderlich viel Emotionen verknüpft ist und auch nicht wahnsinnig komplex ist, ist diese Empathieleistung so die Grundschule.
Wenn es in den Bereich Wirtschaftskonzepte geht, muss man halt auch „nur“ sehen, dass der andere zwar sogar nicht mal sonderlich abweichende Prämissen haben wird, aber diese ggf. unterschiedlich gewichtet.
Soll man Schulden machen und investieren oder Schulden abbauen und den Ball flach halten?
Ist es eine Katastrophe wenn Griechenland die Eurozone verlässt oder halb so wild?
Man muss halt verstehen, welche weiterreichenden Befürchtungen beim anderen dranhängen – und sich diese erklären lassen, dann wird man viel besser verstehen, was der andere meint.
Neurologisch ungeheuer anspruchsvoll zu erklären, warum das ganz geringe Abweichungen sehr unterschiedliche Wirkungen haben, wenn jemand z.B. „einen“ oder „keinen“ sagt.
Wie kann man es reiz-reaktionsmäßig erklären, dass ein und derselben Botschaft von unterschiedlichen Menschen ein unterschiedlicher Gehalt zugeschrieben wird. Und noch 20 andere Fragen.