Kirchliche Trauung boykottieren?

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Kirchliche Trauung boykottieren?

Beitragvon nil80 » Sa 21. Jan 2012, 14:35

Im Juli findet die kirchliche Trauung meiner Schwägerin statt und ich bin immer ratloser, wie ich damit umgehen soll.
In den letzten Jahren habe ich mich bereits bei zwei anderen Hochzeiten dazu durchgerungen, in die Kirche zu gehen. Jedesmal saß ich da und kochte innerlich. Eigentlich will ich die Veranstaltung boykottieren. Zumal im Zuge der Trauung, für die sich die Brautleute zumindest (im Rahmen ihrer kognitiven Fähigkeiten und des stark begrenzten Willens, sich überhaupt mal ernsthaft mit dem Thema Religion und Glauben auseinanderzusetzen) noch selbst entschieden haben, auch noch das dann ein Jahr alte Kind der beiden getauft werden soll, was ich persönlich geradezu als Verbrechen gegen die Menschlichkeit empfinde.
Versuche, denen meinen absoluten Widerwillen begreiflich zu machen, sind natürlich von Misserfolg gekrönt. Wie es bei Kirchlingen meist der Fall ist, fühlen sie sich persönlich beleidigt und angegriffen, wenn ich dort tatsächlich nicht erscheine (gleiches gilt für meine Schwiegermutter). Meine Freunde und auch mein Mann, die alle grundsätzlich gegen Religion sind, kommen leider auch nicht darüberhinaus zu meinen, ich solle mich 'nicht so anstellen' und 'dem Hochzeitspaar zuliebe' eben 'über meinen Schatten springen'. Aber je näher der Termin rückt, desto mehr wird mir schlecht, wenn ich an die unerträglichen Lieder und die Auslassungen des Pastors denke. Für mich geht es da um weit mehr, als um eine 'Gefälligkeit' gegenüber meiner Schwägerin, meinem Schwager und meiner Schwiegermutter; mich da rein zu setzen würde im Grunde bedeuten, meine stillschweigende Zustimmung zu einem Prozedere und zur 'Lebenseinstellung' einer Gemeinschaft zu geben, die ich aus Gründen von Vernunft und Moral für vollkommen unvertretbar halte.

Hat jemand von Euch schonmal einen guten Ausweg aus einem solchen oder ähnlichen Dilemma gefunden? Vielleicht kann ich aus Euren Erfahrungen den einen oder anderen Tipp ziehen...
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Re: Kirchliche Trauung boykottieren?

Beitragvon Nanna » Sa 21. Jan 2012, 16:38

Liebe (?) nil80, herzlich willkommen bei den Brights!

Deine Frage ist tatsächlich kompliziert. Die Religionsfreiheit ist sowohl eine positive Freiheit, also eine Freiheit zur Religion wie auch eine negative, also eine Freiheit von Religion. Von der rein theoretischen Seite her hast du jedes Recht, auf die Rücksichtnahme deiner persönlichen Gefühle zu pochen. Praktisch ist das natürlich nicht so einfach, weil du nicht nur die Ahnung hast, sondern anscheinend auch die Erfahrung gemacht hast, dass dir aus dem Freundes- und Verwandtenkreis für deine Haltung Ablehnung entgegenschlagen wird, wenn du sie offen zeigst. Solche Dilemmata sind in pluralistischen Gesellschaften häufig, weil wir in unseren Rollen als Partner, Familienmitglieder, Freunde, Verwandte, Berufstätige, Lernende, (Nicht-)Glaubende, Spielkameraden, Vereinsmitglieder usw. eine Reihe verschiedener Rollen einnehmen (der Soziologe nennt das "Mehrfachidentitäten"). Wenn diese unterschiedlichen Lebenswelten, zwischen denen man als Individuum pendelt, plötzlich integriert werden müssen, z.B. bei einer solchen Familienfeier, können Probleme entstehen, falls nicht alle Beteiligten mit einer großen Portion Gelassenheit und Toleranz gesegnet sind.

Darin sehe ich im Grunde das Hauptproblem: Dein Umfeld scheint sich mit einer offenen Anerkennung deines Andersdenkens schwer zu tun (und du tust dich - verständlicherweise - schwer damit, unter Rechtfertigungs- und Anpassungsdruck zu stehen). Um das Unangenehme vorwegzunehmen: Du wirst nicht darum herumkommen, dich entweder für dein Fernbleiben zu rechtfertigen oder dich an die Erwartungen anzupassen, auch wenn ich persönlich das ursächliche Problem tatsächlich bei deinem unzureichend toleranten Umfeld sehe. Einen eleganten Ausweg ohne jemandem auf die Füße zu treten, und sei es dir selber, gibt es da trotzdem nicht. Allenfalls kannst du versuchen, einen erträglichen Kompromiss zu finden, bei dem der äußere und/oder innere Konflikt nicht so schlimm ausfällt.

Was heißt das jetzt alles konkret?
Deine Ablehnung gegenüber dieser Zeremonie ist ziemlich vehement. So intuitiv würde ich deshalb eher zu einem Fernbleiben raten, weil es ziemlich ungesund ist, solchen Ärger permanent in sich reinzufressen. Je nachdem wie impulsiv du bist, läufst du sogar noch Gefahr, einen Wutausbruch zu kriegen und ruinierst die Feier erst recht. Falls du dich für ein Fernbleiben entschuldigst, würde ich dir in jedem Fall raten, dem Brautpaar deine Entscheidung schriftlich mitzuteilen und in einem versöhnlichen Ton zu erklären, dass du dir die Entscheidung nicht leicht gemacht hast, dass du eine Beteiligung an der Feier aber vor dir persönlich nicht verantworten kannst und darunter leiden würdest. Wichtig wäre, dass du betonst, dass du das Brautpaar nicht verletzen möchtest und dass du um Verständnis bittest. Es muss in jedem Fall rüberkommen, dass du die Leute als Personen absolut respektierst. Falls die das nicht verstehen wollen, ok, dann kann ihnen keiner helfen, aber du hast dir nichts zuschulden kommen lassen.
Das Problem daran ist eben nur, was die Konsequenzen sind, falls dieser Fall eintreten sollte. Dann musst du unter Umständen damit leben, dass zwei Menschen aus deiner Verwandtschaft, für die die Trauung ja ein sehr emotionales Erlebnis ist, dies überinterpretieren und dir sehr lange nachtragen werden. Bevor du den konfrontativen Weg einschlägst, solltest du deshalb auf alle Fälle klären, ob du die innere Stärke besitzt, ein über Jahre abgekühltes Verhältnis hinzunehmen.

Was mich besonders stört, ist die undiplomatische Herangehensweise deines Umfeldes. Hätte das Brautpaar gesagt "Wir respektieren, dass du mit der Zeremonie ein Problem hast und wir wären dir nicht böse, wenn du weg bleiben würdest, aber wir würden uns sehr freuen, wenn du kommen würdest!", dann wäre ja vielleicht alles halb so schlimm. Aber dir Vorwürfe zu machen, weil du nicht traditionsgerecht spurst, das finde ich ziemlich daneben. Vielleicht kannst du zumindest bei den anderen religionsfernen Menschen erreichen, dass die dir etwas mehr Verständnis entgegenbringen? Man hat in diesem Land schließlich keine Sonderrechte, nur weil man heiratet...

Ich bin nicht sicher, inwiefern ich dir weiterhelfen oder etwas Klarheit reinbringen konnte, aber bis Juli ist ja noch ein wenig Zeit, (z.B. hier) über das Thema zu sprechen und eine Entscheidung reifen zu lassen.
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Re: Kirchliche Trauung boykottieren?

Beitragvon ujmp » Sa 21. Jan 2012, 17:35

Echter Atheismus wird bestimmt nicht gefährdet, wenn er eine Kirche betritt. Wenn du dich auf sie einlässt, werden sie sich auch auf dich einlassen - so bekommst du eine prima Gelegenheit, über deinen Unglauben zu sprechen. Außerdem sind solche Traditionen eine Realität, die man ruhig mal aus der Nähe betrachten kann.
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Re: Kirchliche Trauung boykottieren?

Beitragvon Lumen » Sa 21. Jan 2012, 18:07

nil80 hat geschrieben:Hat jemand von Euch schonmal einen guten Ausweg aus einem solchen oder ähnlichen Dilemma gefunden? Vielleicht kann ich aus Euren Erfahrungen den einen oder anderen Tipp ziehen...


Ich kann mit deiner Ansicht schon sympathisieren, würde es allerdings nicht so hoch hängen. Es gibt immer mal wieder unangenehme Termine oder Sachen, die ich nicht gerne tun möchte, aber eben getan werden müssen. Ich persönlich mag Familienfeiern, aber für manch andere sind das eher Pflichttermine.

Du kannst es mit Humor nehmen, und dir das Ganze als Schauspiel angucken. Jedenfalls ist deine Identität, oder deine Einstellung nicht dadurch verraten, weil du einen Familientermin wahrnimmst. Und genau in dieser Sichtweise würde ich es auch sehen-- nicht als pflichtgemäßen Kirchenbesuch, sondern als Familienfeier die eben aus gegebenen Anlass eine religiöse Zeremonie enthält. Auch kirchliche Hochzeiten sind im Grunde stark säkularisiert, wo die Kirche und die Zeremonie mehr dem Ambiente und der Kulisse dient. Das bezaubernde märchenhafte, einmal Prinzessin sein, Kutschen, Blumenblütenblätter und vieles mehr sind eher fantastisch-romantische Zutaten als ernstzunehmende religiöse Elemente.

Mein durchaus mitfühlender Vorschlag wäre dich zu fügen und dort im Rahmen einer Familienfeier eben zu erscheinen. Die Hochzeit ist für die Leute ein sehr wichtiger Tag. Sie wollen dich dabei haben und du möchtest durch dein Nicht-Erscheinen und "Drama Queen" Verhalten nicht den Tag versauen. Es geht da nicht um Dich und auch nicht um deine Befindlichkeiten. Das ist auch nicht die Gelegenheit um Meinungsverschiedenheiten und politisch-ideologische Konflikte auszutragen.

Ich würde dir auch anraten, es nicht zu einer Identitäts-Sache aufzubauschen, wo dir dann einreden kannst, du würdest deine Ideale verraten. Es ist eine wichtige Familienfeier von nahen Angehörigen und du gehst da gefälligst hin :)
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Re: Kirchliche Trauung boykottieren?

Beitragvon stine » Sa 21. Jan 2012, 18:37

Hallo nil80,

wenn du das Prozedere nicht als kulturelle Veranstaltung abhaken kannst, dann würde ich dir raten einfach zu spät zu kommen.
Blöderweise ist halt der Bus nicht rechtzeitig da gewesen oder deine Strumpfhosen hatten alle Laufmaschen oder das Geschenk ist in die Brüche gegangen und du musstest noch schnell ein anderes besorgen, usw.
Notlügen sind durchaus auch unter Glübigen erlaubt und besser, als die lieben Anverwandten mit seiner persönlichen Meinung zu belästigen. Also jedenfalls nicht an diesem Tag, vielleicht hinterher mal...

Nach der Kirche wirds ja meistens ganz unreligiös lustig. Das solltest du dir nicht entgehen lassen!

:wink: stine
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Re: Kirchliche Trauung boykottieren?

Beitragvon Nanna » Sa 21. Jan 2012, 19:35

Lumen hat geschrieben:Es geht da nicht um Dich und auch nicht um deine Befindlichkeiten. Das ist auch nicht die Gelegenheit um Meinungsverschiedenheiten und politisch-ideologische Konflikte auszutragen.

Ein klein bisschen fühle ich mich hier genötigt zu widersprechen: Das Brautpaar zeigt ja nun offensichtlich überhaupt kein Verständnis dafür, dass nil80 sich mit der Zeremonie schwertut. Nicht aber nur, nein, es wird offenbar auch sozialer Druck auf sie ausgeübt, trotz ihrer bekannten Ablehnung des religiösen Zeremoniells bei der Feier zu erscheinen und sich "normal" zu verhalten. Würde man, wie ich oben skizziert habe, zumindest diplomatisch Verständnis zeigen und davon absehen, Druck auszuüben, wäre es für nil80 wahrscheinlich deutlich einfacher, zu sagen "Na gut, geh ich halt hin, weil ihr's seid.".

Was mir an der Situation nicht gefällt, ist, dass da jemand in die Ecke gedrängt wird und so, wie es gerade ist, eigentlich nur verlieren kann, ohne sich aber von außen betrachtet tatsächlich falsch verhalten zu haben. Ich vermute, wir teilen die Erfahrung, dass das Ausüben weiteren Drucks in so einer Situation nicht zielführend ist, weil es den Empfänger des Drucks zunehmend kommuniziert, dass er in dieser Frage ohnmächtig ist und seine Meinung nichts zählt. Auch wenn ich dir zustimme, dass eine Trauung ein ausgesprochen schlechter Zeitpunkt für politische Grabenkämpfe oder Auseinandersetzungen "aus Prinzip" ist, so kann man das Brautpaar meiner Meinung nach nicht so mir nichts dir nichts aus der Verantwortung entlassen, sich darüber Gedanken zu machen, was andere Leute denn so empfinden. Die Feier dreht sich zwar um das Brautpaar, aber die Gäste sind keine Verfügungsmasse! Man bietet den Vegetariern beim Festessen ja auch nicht nur Fleischgerichte an. Insofern fände ich eine wenigstens kleine Geste des Verständnisses schon im Rahmen des Erwartbaren.

Ich persönlich habe übrigens relativ wenig Probleme, einer kirchlichen Trauung beizuwohnen, wobei ich bei meiner letzten in einer ausgesprochenen Atheistenecke in der Kirche saß und wir uns schrecklich Mühe geben mussten, bei dem ganzen Zinnober nicht einfach loszuprusten. Da gab es einige gefälschte Hustenanfälle, mitten im Sommer. ;-) Allerdings muss man auch sagen, dass das Brautpaar, v.a. die Braut tiefreligiös war und das ganze deshalb nicht nur Ornamentik war, sondern eine gewisse Authentizität ausstrahlte. Das macht es irgendwie leichter, dem ganzen sowas wie Achtung entgegenzubringen, weil man sieht, dass die Gefühle der Leute echt sind. Außerdem geht es mir ähnlich, ich mag Familienfeiern einfach. Aber ich habe auch großes Verständnis für jeden, der das nicht so empfindet. Man kann halt nicht einfach Dinge voraussetzen, nur weil man selber eine Vorliebe für sie hat.


Übrigens, wie wäre es mit einem Anstecker oder Kettenanhänger mit einem atheistischen oder sonstwie weltlichen Symbol? Damit kann man dezent kommunizieren, dass man nicht zu der religiösen Gemeinde gehört, aber trotzdem gerne der Familienfeier beiwohnt, ohne lange Begründungen abgeben zu müssen. Und wenn dann wirklich jemanden interessiert, was das Ding bedeutet, kann man es ihm ja ganz ruhig erklären, ohne dass man es ihm aufgedrängt hätte.
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Re: Kirchliche Trauung boykottieren?

Beitragvon mat-in » So 22. Jan 2012, 14:02

Also ich sehe das mit kirchlichen Hochzeiten, Taufen, usw. so, daß ich zum Akt selbst nicht hingehe (die Leute wollen ja nicht, daß ich die ganze Zeit vor mich hin kicher), gehe aber zur Feier danach.

Ich kann das "Scarlet A" der Atheist-Out Kampagne nur empfehlen. Günstiger Button für ein par Cent und man hat was zu reden.
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Re: Kirchliche Trauung boykottieren?

Beitragvon nil80 » So 22. Jan 2012, 17:40

Vielen Dank für die zahlreichen und teils sehr ausführlichen Antworten. Besonders an Nanna! Und vielen Dank auch für den Tipp von mat-in und Nanna, mit einem Button o.ä. meine Ablehnung zu kommunizieren - eine gute Idee, wenn man sich schon Buh-Rufe verkneifen muss. Ich werde das in Erwägung ziehen.

An einigen Stellungnahmen ist mir aufgefallen, dass ich mich ein wenig unklar bzw. nicht ausführlich genug ausgedrückt habe, daher folgendes erstmal zur Ergänzung: meine Ablehnung bezieht sich nicht auf die anschließende Feier (bei einer reinen Tauffeier muss ich sagen, würde mir allerdings auch das nochmal überlegen müssen) und auch nicht um Familienfeiern als solche, sondern ausschließlich um die Zeremonie in der Kirche. Und es ist nicht mein Anliegen, das Ganze am Tag der Hochzeit zur Diskussion zu bringen, wovon mir hier ja schon der eine oder andere (also unnötigerweise) abraten möchte. Auch verstehe ich mich außerhalb der Glaubensdiskussion mit dem Brautpaar sehr gut und würde, sofern ich es tatsächlich so gar nicht über mich bringen kann, in die Kirche zu gehen, die Sache wohl vorher nochmal versuchen, das mit ihnen zu klären. Verständnis, im Sinne einer differenzierten und distanzierten Betrachtungsweise, ist zwar nicht zu erwarten, aber es würde auch - zumindest nehme ich das an - nicht in einer Fehde enden, wie das so oft vor allem bei US-Christen zu beobachten ist. Einen gewissen 'Knacks' würde es aber sicher verursachen, zumindest für ein Weilchen. Dies allerdings, das muss ich leider schon sagen, bereits dadurch, dass ich meine Meinung zu dem Religonskram deutlich zum Ausdruck bringe. Im Großen und Ganzen hat es sich bereits als 'besser' erwiesen, das Thema auszusparen. In Ermangelung von Argumenten seitens der Gläubischen haben Diskussionen über das Thema bislang immer dazu geführt, dass die 'Kirchenseite' entsetzlich beleidigt und angepisst gewesen ist und zu mauern angefangen hat, sobald sie den Argumenten der Vernunft nichts mehr entgegenzusetzen hatte - und der Punkt ist schnell erreicht.
Was ich mir, auch wenn ich am Ende doch mit den Gottesbau marschiere nicht werde vekneifen können, ist zumindest vorher nochmal klar zu machen, dass ich im Falle meines Erscheinens dort ausschließlich aus Gefälligkeit gegenüber dem Brautpaar und nur unter allergrößter Überwindung auftauchen werde. Und auch dies noch zu dem 'Hinweis' von lumen, es gehe nicht um meine persönlichen Befindlichkeiten: natürlich geht es das nicht. Mir jedenfalls nicht. Mir geht es, gelöst von meiner Person, um das große Ganze, dem ich mit meiner Anwesenheit schweigend zustimme - ich lauf ja auch nicht bei einer Demo mit, deren Aussage ich nicht unterstütze. Und wenn ich sage, dass ich bei den letzten Christenveranstaltungen denen ich beigewohnt habe innerlich gekocht habe, dann auch nicht 'bloß' meinetwegen, sondern weil dort den Leuten diese angeblichen Wahrheiten suggeriert werden, die das eigene Denken und Empfinden teils lenken, teils unterdrücken und verbieten sollen und mit denen zugleich die Missachtung 'Andersdenkender' einhergeht (ich weiß, das ist jetzt sehr knapp gefasst, aber ich kann das jetzt hier nur kurz anreißen, sonst schreib ich in drei Tagen noch).

Hier im Forum, wie auch im Privaten begegnet mir immer wieder die Auffassung, bei der ganzen Chose auf Durchzug zu stellen oder es mit Humor zu nehmen. Kann ich 'leider' nicht so recht. Gerade gestern abend hatte ich mal wieder eine private Diskussion zu dem Thema in der mir gesagt wurde, dass man es sehr hochachte, dass ich in ethisch-moralischen Fragen so eine klare Linie und Prinzipientreue (nicht zu verwechseln mit Unverbesserlichkeit ;-) nicht nur im Reden sondern auch in meinem Verhalten und meinen Handlungsentscheidungen walten lasse - aber, dass es eben auch manchmal anstrengend ist. Ist es auch, gerade für mich selbst, ich hab ja dauernd Gegenwind... Ich nehme die Dinge nunmal ernst, vielleicht, in Anbetracht der Selbsterschwernis des Lebens, für viele 'zu ernst'. Aber ich kann es nicht 'nicht ernst' nehmen, weil die Gegenseite es nunmal auch ernst nimmt, und weil sie dies tut, gibt es ja letztlich den ganzen Mist - man sollte das meines Erachtens nicht unterschätzen, indem man es mit Humor nimmt. Was nicht heißen soll, dass man sich nicht darüber lustig machen sollte.
Es gefällt mir daher auch einerseits die Vorstellung einer solchen 'Szene', wie Nanna sie beschrieben hat, mit anderen Atheisten/Agnostikern über die Veranstaltung zu kichern, während man drinsitzt. Andererseits würde es mir selber schwer fallen, weil Leute um einen herumsitzen, denen das Ganze tatsächlich was bedeutet - mit solchen Leuten außerhalb der Veranstaltung darüber zu diskutieren oder zu streiten oder auch, sie offensiv auszulachen, ist eine Sache, sie in ihrer 'heiligen' Veranstaltung zu stören und zu beleidigen ist für mich eine andere - schließlich kann man dem ja auch fernbleiben. Womit ich wieder bei meinem ursprünglichen Problem bin...
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Re: Kirchliche Trauung boykottieren?

Beitragvon stine » So 22. Jan 2012, 18:32

nil80 hat geschrieben:Aber ich kann es nicht 'nicht ernst' nehmen, weil die Gegenseite es nunmal auch ernst nimmt,
:up:
Da ist was dran.
Darüber sollte ich auch nochmal besser nachdenken.
Ehrlich gesagt dachte ich immer, dass die meisten Taufchristen religiöse Veranstaltungen auch relativ gelassen lediglich als kulturelles Erbgut sehen. Aber vielleicht habt ihr da draußen ja alle recht und es gibt mehr Hardliner, als wir denken.
Ich hoffe, der Tag gelingt für euch trotzdem, @nil80!

LG stine
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Re: Kirchliche Trauung boykottieren?

Beitragvon Darth Nefarius » So 22. Jan 2012, 20:28

nil80 hat geschrieben:
Hat jemand von Euch schonmal einen guten Ausweg aus einem solchen oder ähnlichen Dilemma gefunden? Vielleicht kann ich aus Euren Erfahrungen den einen oder anderen Tipp ziehen...

Wenn du es nicht aushälst, was ich sehr gut nachvollziehen kann, dann gehe da nicht hin. Ich war bei einer katholischen Kommunion meines Cousins anwesend, es hat mich angewidert. Es war aber eben nicht meine Entscheidung, dass er sie macht. Wohl aber ist es meine Entscheidung, ob ich jeden wissen lassen will, was meine Position ist, oder nicht. Wenn sie es dir über nähmen, dann wäre das ihre Schuld, schließlich wird ihnen deine Position bekannt sein. Es ist immer schwierig zwischen gesellschaftlichen Konventionen und Zwängen und der eigenen Überzeugung zu entscheiden, aber man sollte eben nicht vergessen, was einem wichtiger ist und dass man sich über Zwänge hinwegsetzen kann. Sie dürften dir deine Überzeugung nicht übel nehmen, obwohl sie es bestimmt tun werden. Es wird einem auch oft Übel genommen, wenn man anderer Meinung ist, das lässt sich nicht vermeiden. Wenn du es aber nicht dulden kannst, sie in dem Glauben zu lassen, dass du nachgibst um der Harmonie willen (was sie auch noch in ihrem Glauben bestätigen würde), dann solltest du es lassen. Es gibt aber auch Alternativen: Ich habe mal demonstrativ ein Buch über Evolution gelesen, während alle ihre Lieder getrellert haben. Das natürlich nicht laut, aber es ist dem Psychopfarrer aufgefallen, der meinte, dass sein Einhalten und Auf-mich-zukommen mit bösen Blick mich beeindrucken könnte. Du kannst doch mit "Der Gotteswahn" auftauchen?! Sie werden dich deswegen bestimmt nicht rausschmeißen, du verhälst dich dann ja nicht störend, sie haben ja ebensowenig auf deinen Glauben Einfluss wie du auf ihren. Wegen deiner Ausübung der Glaubensfreiheit kann man dich nicht rausschmeißen.
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Re: Kirchliche Trauung boykottieren?

Beitragvon Lumen » So 22. Jan 2012, 23:19

Meine Güte, bisher war ich der "Token" Anti-Theist hier. Und ich nehme die Sache ansonsten auch recht ernst, aber eine Familienfeier bleibt eine Familienfeier. Ich kann nicht nachvollziehen, warum man da einen Hermann machen sollte. Niemand kommt zu schaden. Auch Sachen wie ein Sticker oder Anstecker etc. verstehe ich ehrlich gesagt nicht: es heiraten andere Leute. Was ist da wichtiger? Dass die beiden einen schönen Tag haben oder das man auf Teufel komm raus seinen Stich gemacht hat? Wenn es wirklich so hart für dich ist, solltest in der Tat komplett fern bleiben und am besten den Kontakt mit solch ideologisch verdorbenen Individuen meiden. Ich meide ja auch keine Nazi Kundgebung, hänge aber dann mit "denen" ab. Wenn das also deine Haltung sein sollte, solltest du es auch durchziehen (was ich allerdings, nochmal, für überzogen finde).
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Re: Kirchliche Trauung boykottieren?

Beitragvon Nanna » Mo 23. Jan 2012, 00:54

nil80 hat geschrieben:Vielen Dank für die zahlreichen und teils sehr ausführlichen Antworten. Besonders an Nanna! Und vielen Dank auch für den Tipp von mat-in und Nanna, mit einem Button o.ä. meine Ablehnung zu kommunizieren - eine gute Idee, wenn man sich schon Buh-Rufe verkneifen muss. Ich werde das in Erwägung ziehen.

Nur, damit ich sichergehen kann, dass ich mich richtig ausgedrückt habe: Ich sehe in einem Anstecker, ähnlich wie einem Kettchen mit Kreuz oder Davidstern, eine Möglichkeit, die eigene Zugehörigkeit zu einer bestimmten Weltsicht/Community/Denkrichtung auszudrücken, weniger eine Antihaltung zu kommunizieren.
Die ganze Idee der Brights-Bewegung beruht ja auf dem zentralen Gedanken, sich auf die eigene Gedankenwelt zu konzentrieren und vor allem sicherzustellen, dass man damit von der Außenwelt akzeptiert wird. Solange sich diese an die pluralistischen Regeln hält ("Die eigene Freiheit endet da, wo die Freiheit des Anderen beginnt") und keine Attacken auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung unternimmt, ist sie uns "egal" und kann machen, was sie will. Sprich, die Christen sollen beispielsweise ihre Kirchen pflegen, da beten, feiern und ihren Gott anbeten - solange sie keinen neuen Kreuzzug anzetteln oder uns unsere Bürgerrechte absprechen interessieren wir uns für deren Gebaren nicht.

Deshalb würde ich dir auf alle Fälle zu einem dezenten Anstecker raten (also bitte nicht sowas hier, auch wenn es sicherlich an Unimssverständlichkeit kaum zu überbieten ist). Das Scarlet A ist sicherlich eine sehr gute Idee, das Zeichen des Invisible Pink Unicorn oder das Spaghettimonster gehen auch noch (laufen aber Gefahr, dass sich wegen der satirischen Note angegriffen fühlt), die Brights-Sonne ist natürlich immer eine Option. :kg:

nil80 hat geschrieben:Verständnis, im Sinne einer differenzierten und distanzierten Betrachtungsweise, ist zwar nicht zu erwarten...

Ich denke, es ist sehr wichtig, dass klar ist, dass es darum auch nicht gehen kann und sollte. Das Verstehen einer Ansicht ist nicht notwendig, um sie zu akzeptieren. Weder musst du verstehen, was die an dem ganzen Kirchenzeremoniell finden, noch müssen die verstehen, warum du das für hochgradig irrational hältst. Ich würde sie auch nicht um Verständnis für deine Meinung bitten, sondern ausschließlich darum, dass sie respektieren, dass du darüber anders denkst (und nicht warum das so ist!).

nil80 hat geschrieben:Mir geht es, gelöst von meiner Person, um das große Ganze, dem ich mit meiner Anwesenheit schweigend zustimme - ich lauf ja auch nicht bei einer Demo mit, deren Aussage ich nicht unterstütze. Und wenn ich sage, dass ich bei den letzten Christenveranstaltungen denen ich beigewohnt habe innerlich gekocht habe, dann auch nicht 'bloß' meinetwegen, sondern weil dort den Leuten diese angeblichen Wahrheiten suggeriert werden, die das eigene Denken und Empfinden teils lenken, teils unterdrücken und verbieten sollen und mit denen zugleich die Missachtung 'Andersdenkender' einhergeht (ich weiß, das ist jetzt sehr knapp gefasst, aber ich kann das jetzt hier nur kurz anreißen, sonst schreib ich in drei Tagen noch). [...] Gerade gestern abend hatte ich mal wieder eine private Diskussion zu dem Thema in der mir gesagt wurde, dass man es sehr hochachte, dass ich in ethisch-moralischen Fragen so eine klare Linie und Prinzipientreue (nicht zu verwechseln mit Unverbesserlichkeit ;-) nicht nur im Reden sondern auch in meinem Verhalten und meinen Handlungsentscheidungen walten lasse - aber, dass es eben auch manchmal anstrengend ist. Ist es auch, gerade für mich selbst, ich hab ja dauernd Gegenwind... Ich nehme die Dinge nunmal ernst, vielleicht, in Anbetracht der Selbsterschwernis des Lebens, für viele 'zu ernst'.

Wir sind auch in drei Tagen noch da. ;-)

Ein paar weiterführende Gedanken, die ich als konstruktive Kritik unter der Prämisse "Moral ist wichtig, Toleranz aber auch" meine:

So ganz mag ich nicht glauben, dass es nicht um dich und deine Befindlichkeiten geht, denn wenn das so wäre, würde das bedeuten, dass du nichts gegenüber dieser ganzen Geschichte empfindest. Und ich glaube, das können wir als widerlegt ansehen. Ich meine das als aber nicht als Vorwurf, sondern nur zur Klärung der eigenen Involviertheit: Man kann schlichtweg nichts losgelöst von den eigenen lebensgeschichtlichen Erfahrungen, Emotionen, Prägungen und Wünschen betrachten, wir sind nunmal (naja, nicht ganz) hoffnungslos subjektive Wesen. Ich glaube dir auch, dass du ehrliche Wut empfindest, weil da anderen Leuten das Gehirn verdreht wird und nicht dir. Das ist Folge der Empathie, die wir, zumindest die meisten, gegenseitig empfinden. Nichtsdestotrotz solltest du nichts unnötig objektivieren und dich in den Dienst einer "größeren Sache" stellen. Deine Ablehnung von Religion ist sicherlich wohlüberlegt und gut begründet, aber sie ist trotzdem deine Meinung. Das Streiten für höhere Güter ist lobenswert und ganz sicher nicht falsch, aber es hat den unangenehmen Nebeneffekt, dass es Überzeugungstäter produziert, die Gefahr laufen, mit dem Zweck die Mittel zu heiligen.
Wichtig ist eben trotzdem, dir klarzumachen, dass das freidenkerische Ideal, so gut man es theoretisch begründen kann, eben nicht auf jedermanns Agenda ganz oben steht und dass es auch innerhalb der Gläubigen rationalistische Strömungen gibt, bei denen dieser Vorwurf nicht mehr so ganz ohne weiteres greift. Diese Leute haben natürlich in einer pluralistischen Gesellschaft auch ein Recht darauf, ihre eigenen Ansichten vertreten und zu tradieren und dass Meinungsfreiheit nunmal auch das Recht auf dumme Meinungen beinhaltet und ebenso das Recht, keine Meinung zu haben oder von Meinungen in Ruhe gelassen zu werden. Ich will hier nicht die christlichen oder allgemein religiöse Ansichten verteidigen, ich halte sie unproduktive, widerlegte theoretische Gebilde, aber ich muss fairerweise zugestehen, dass ich eben nicht das Recht habe, diese Erkenntnis anderen Leuten ungefragt rhretorisch einzuprügeln. Kirchen haben Türen, jeder ist frei, sie zu verlassen und nach dem großen Aderlass an Kirchenmitgliedern sind heutzutage tendentiell eher die Überzeugten übrig, die da in der Mehrheit auch wirklich sein wollen. Es ist nicht deine Aufgabe, sie zu retten. Vielleicht hilft der Gedanke, um gegenüber all dem Treiben ein wenig Gelassenheit zu entwickeln.

All das dient nicht dazu, dich davon abzubringen, religiösen Ansichten gegenüber Widerspruch zu äußern, aber ich denke, wir sollten alle - sowohl die Religiösen wie auch die Atheisten/Naturalisten - vorsichtig sein mit missionarischen Reflexen. Und gerade wenn man Zorn gegenüber anderen Anschauungen verspürt, läuft man Gefahr, sich Rechtfertigungen dafür zurechtzulegen, anderen seine Meinung aufzudrängen. Ziel aller Anstrengungen sollte aber doch ein friedliches Miteinander sein, oder? Ich persönlich gehe immer so vor, dass ich, wenn ich den Wunsch verspüre, irgendwo zu widersprechen, kurz auf meinen inneren Kompass höre und mich frage, ob die Ansicht, die der andere da äußert, eine Gefahr für das tolerante, friedliche Miteinander ist oder nicht. Wenn keine unmittelbare Gefahr ausgeht, dann ist es manchmal auch sinnvoll, zu akzeptieren, dass andere eine abweichende Meinung haben. In den jüngsten Diskussionen hier kam für ein solches Vorgehen der Begriff "defensive Grenzen setzen" auf, den finde ich ganz passend. Außerdem verschafft ein solches Verhalten einem auch moralisches Kapital: Wenn ich den Anderen akzeptiere, kann ich mit größerem Nachdruck einfordern, dass er mich auch akzeptiert. Vielleicht wäre das eine Möglichkeit, die Taktik zu ändern? Vorzuschlagen, dass man die Andersartigkeit der Meinungen einfach akzeptieren und keine darüberhinausgehenden Erwartungen aneinander haben sollte?
Vielleicht wäre es eine Idee, mit dem Brautpaar eine Art Waffenstillstand zu vereinbaren: Du versuchst nicht, ihnen ihren Glauben abspenstig zu machen und sie versuchen im Gegenzug nicht, in irgendeiner Form Zustimmung für ihre Ansichten oder die kirchliche Trauung/Taufe zu erwarten und üben auch keinen Druck auf dich aus, dass du kommst (was dich nicht daran hindert, es trotzdem zu tun, aber eben nicht im Sinne einer Geste der Unterwerfung unter das religiöse Ritual).

nil80 hat geschrieben:Es gefällt mir daher auch einerseits die Vorstellung einer solchen 'Szene', wie Nanna sie beschrieben hat, mit anderen Atheisten/Agnostikern über die Veranstaltung zu kichern, während man drinsitzt. Andererseits würde es mir selber schwer fallen, weil Leute um einen herumsitzen, denen das Ganze tatsächlich was bedeutet - mit solchen Leuten außerhalb der Veranstaltung darüber zu diskutieren oder zu streiten oder auch, sie offensiv auszulachen, ist eine Sache, sie in ihrer 'heiligen' Veranstaltung zu stören und zu beleidigen ist für mich eine andere - schließlich kann man dem ja auch fernbleiben. Womit ich wieder bei meinem ursprünglichen Problem bin...

Um auch hier richtig verstanden worden zu sein: Wir haben das natürlich nicht aus Berechnung gemacht und wollten sicher niemanden beleidigen; wir sind ja extra hingegangen, um dem Brautpaar eine Freude zu bereiten und das haben wir auch ernst gemeint. Die Zusammensetzung ergab sich in unserer Ecke der Kirche einfach eher zufällig. Meine Freundin und ich unterhielten uns vor Beginn mit einigen Banknachbarn, Verwandten des Bräutigams, den wir bis dahin nicht kannten. Es stellte sich heraus, dass die alle mit Religion nicht viel am Hut hatten, fast noch nie in der Kirche gewesen waren, deshalb auch vom Zeremoniell keine Ahnung hatten und das ganze Treiben mit interessierter Amüsiertheit betrachteten. Die Stimmung war deshalb in unserem Teil der Kirche schon recht früh ziemlich heiter, weil alle sich einig waren, dass diese Aktion irgendwie eine leicht komische Note hatte und das wurde natürlich im Laufe des Gottesdienstes nicht unbedingt besser. Ich glaube, das Brautpaar hat aber nichts mitgekriegt, wir waren weit genug weg. ;-)
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Re: Kirchliche Trauung boykottieren?

Beitragvon stine » Mo 23. Jan 2012, 08:00

Lumen hat geschrieben:Meine Güte (...) eine Familienfeier bleibt eine Familienfeier. Ich kann nicht nachvollziehen, warum man da einen Hermann machen sollte.

Nanna hat geschrieben:Ziel aller Anstrengungen sollte aber doch ein friedliches Miteinander sein, oder?
Ich denke, das trifft den Kern der Sache.
Eine kirchliche Hochzeit ist ein Ritual, dem sich das Brautpaar, höchstwahrscheinlich aus traditioneller Überzeugung, hingibt. Es heiraten weltweit die Menschen mit ganz unterschiedlichen Ritualen: Das geht von der Ganzkörperbemalung der Braut bis hin zur separaten Hochzeit des Bräutigams unter männlichen Freunden. Natürlich kann man das alles gut oder schlecht finden, aber wenn man eingeladen wird, sollte man mitfeiern und das manifestierte Ego mal zu Hause lassen, sofern niemand sonst zu Schaden kommt.

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Re: Kirchliche Trauung boykottieren?

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 23. Jan 2012, 11:32

[quote="stine"
Eine kirchliche Hochzeit ist ein Ritual, dem sich das Brautpaar, höchstwahrscheinlich aus traditioneller Überzeugung, hingibt. Es heiraten weltweit die Menschen mit ganz unterschiedlichen Ritualen: Das geht von der Ganzkörperbemalung der Braut bis hin zur separaten Hochzeit des Bräutigams unter männlichen Freunden. Natürlich kann man das alles gut oder schlecht finden, aber wenn man eingeladen wird, sollte man mitfeiern und das manifestierte Ego mal zu Hause lassen, sofern niemand sonst zu Schaden kommt. [/quote]
Man muss nicht unbedingt kommen, wenn man nunmal ein Problem mit dem dahinterstehenden Gedankengut hat und die eigene Überzeugung Priorität vor dem gesellschaftlichen Zwang hat. Tradition ist nicht nur ein Ritual, eine sinnlose Handlung, sondern hat auch eine gewisse Absicht und dahinterstehende Idee. Gerade die Aufrechterhaltung in dieser und der nächsten Generation kann als Schaden betrachtet werden, ich tue das. Also, erstmal feststellen, was die eigenen Prioritäten sind, dann handeln. Eine Kompromisshandlung mit dezentem Protest, wie einem Button oder einem Buch, wäre eine solche.
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Re: Kirchliche Trauung boykottieren?

Beitragvon stine » Mo 23. Jan 2012, 12:24

@Darth Nefarius: Google mal nach Hochzeitsbräuchen oder -rituale weltweit. Es gibt selten eine Hochzeit, die nicht mit irgendeinem Glauben oder Aberglauben behaftet ist. Ist man dazu eingeladen, kann man das mögen oder nicht, aber niemand darf dem Brautpaar das Fest vermiesen mit ungefragten Weltanschauungsfragen; dann empfehle ich lieber fern zu bleiben, wenn es soooo eine Überwindung kostet.

LG stine
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Re: Kirchliche Trauung boykottieren?

Beitragvon laie » Mo 23. Jan 2012, 12:27

hallo nil80

Aufnäher, Anstecker, Bücher, "dezenter Protest", das ist doch alles Humbug. Es heiratet dein Bruder, oder? Hast du nun ein gutes Verhältnis zu ihm und seiner künftigen Frau, deiner Schwägerin, dann lass den Unfug mit "dezentem Protest" bei dieser Gelegenheit. Es ist nicht deine Bühne, diesmal. Du wirst deine Auftrittsmöglichkeit ein andernmal bekommen.

Hast du kein so gutes Verhältnis zu ihnen, dann geh' nicht hin.

Du kannst natürlich auch, wenn der Pfarrer nach irgendwelchen Einwänden gegen diese Ehe fragt "... so möge er jetzt sprechen oder für immer schweigen" theatralisch wirksam rufen: "ICH". Und dann bringst du wie auf dem Höhepunkt eines amerikanischen Gerichtsfilm vor, was dir alles mißfällt, am Ritus, an der Religion überhaupt usw. Und am Ende hast du deinen Bruder und deine Schwägerin wie ein guter amerikanischer Filmanwalt, dem das eigene Ansehen nicht wichtig war, aus den Fängen der katholisch getrauten Ehe befreit. Na, wie wär's?
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Re: Kirchliche Trauung boykottieren?

Beitragvon Nanna » Mo 23. Jan 2012, 12:48

laie hat geschrieben:Aufnäher, Anstecker, Bücher, "dezenter Protest", das ist doch alles Humbug.

Deshalb auch nochmal kurz die Betonung: Ich persönlich würde nicht zu Protest, sondern zu Abgrenzung raten und zwar Abgrenzung vom Ritus, nicht vom Brautpaar. Wenn einer in muslimischer Kleidung da reinmarschiert, wird er auch nicht als Protestler wahrgenommen werden, sondern als jemand, der seine Weltanschauung ausdrückt. So in etwa stelle ich mir das vor. Vor einer Antihaltung habe ich ja auch schon gewarnt.
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Re: Kirchliche Trauung boykottieren?

Beitragvon Teh Asphyx » Mo 23. Jan 2012, 13:02

Ich würde allein schon auf Sätze wie „Stell Dich nicht so an“ allergisch reagieren.
Und wenn da eh kein Verständnis zu erwarten ist und Dir eigentlich so klar ist, wie Du zu diesen Zeremonien stehst, würde ich mich da ganz klar von abgrenzen.
Ich habe lange Zeit mich selbst immer wieder zurückgestellt, um anderen nicht auf den Schlips zu treten und habe sehr viel mitgemacht, was mir nicht gut tat. Inzwischen habe ich das verändert und auch wenn das dazu führte, dass ich einige Kontakte verloren habe, war es doch die richtige Entscheidung, weil es mich einfach nur fertig gemacht hatte.
Wenn ein friedliches Miteinander nicht möglich ist, ist oft ein (mehr oder weniger) friedliches Auseinander die bessere Lösung als ein fauler Kompromiss.

laie hat geschrieben:Aufnäher, Anstecker, Bücher, "dezenter Protest", das ist doch alles Humbug. Es heiratet dein Bruder, oder? Hast du nun ein gutes Verhältnis zu ihm und seiner künftigen Frau, deiner Schwägerin, dann lass den Unfug mit "dezentem Protest" bei dieser Gelegenheit. Es ist nicht deine Bühne, diesmal. Du wirst deine Auftrittsmöglichkeit ein andernmal bekommen.


So weit ich verstanden habe, ist es die Schwester ihres Mannes, die heiratet.
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Re: Kirchliche Trauung boykottieren?

Beitragvon laie » Mo 23. Jan 2012, 13:10

Na gut, "die Schwester ihres Mannes" dann halt. Der Punkt ist, dass es hier im weiteren Sinne nicht darum geht, seine Weltanschauung auszudrücken, sondern um die Frage, welche Beziehung man in Zukunft zu dem Brautpaar und seinem eigenen Mann haben möchte.

Da nil80's Weltanschauung eh schon allen bekannt ist, kann sie beim Besuch der Zeremonie auf ein eigenes Zeichen à la "ich bin aber anders" verzichten. Ist infantil....
Zuletzt geändert von laie am Mo 23. Jan 2012, 13:50, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Kirchliche Trauung boykottieren?

Beitragvon mat-in » Mo 23. Jan 2012, 13:29

Ein eigenes Zeichen mag infantil sein, aber eine kirchliche Hochzeit zeigt, daß man auch selbst nicht das höchste maß an Erleuchtung erreicht hat ;)

Vielleicht auf http://www.religionsfreie-zone.de/ mal schaun ob man was lustiges findet? Ich denke wenn man das Zeichen, daß man setzt mit Humor setzt...

Oder eben: Nicht hingehen.
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