von Nanna » Mi 15. Jul 2009, 17:24
Ich muss gestehen, ich bin von der jüngsten Threadpolitik nicht sehr angetan, auch wenn ich die Beweggründe der Moderatoren nachvollziehen kann. Ich möchte aber auf etwas zentrales hinweisen, was sich nicht nur ausschließlich auf den Umgang mit outspoken und seinen Threads bezieht, sondern auch auf die Beobachtung, die ich gemacht habe, dass die Brights etwas zu sehr um sich selbst und ihre eigenen Ansichten kreisen:
Wie soll Auseinandersetzung mit Andersdenkenden funktionieren, wenn man sich dem Dialog mit ihnen verschließt und routiniert auf die FAQ hinweist, wo ja schließlich alles drinsteht? Wenn man zu kath.net geht und sagt, man habe als Atheist ein paar Fragen zum Christentum, wird man sofort von missionierungseifrigen (und leider sehr besserwisserischen) Menschen umzingelt, die einem gerne alles auch fünfmal erklären, schließlich soll keine Seele verlorengehen. Wie soll sich das naturalistische Weltbild durchsetzen, wenn wir dagegen sogar schon vor einem einzigen Hard-Core-Religiösen in unserem Forum einknicken?
Ich weiß, dass Trolle nervig sind, weiß aber aus meiner eigenen Moderatorenzeit auch, dass das Nicht-Füttern-Gebot nicht immer am zielführendsten ist. Man vergisst den Eindruck, den man damit auf Dritte macht. Schließlich werden die Diskussionen auch von Interessierten verfolgt, die wenn dann sehen wollen, dass wir jedes beliebige Argument elegant und unermüdlich entkräften können, anstatt dem Ruf als arrogante Atheisten gerecht zu werden. Die Anforderungen an Interessierte müssen so niedrig wie möglich gehalten werden, das Forderung "die können das ja dort und dort nachlesen" kann man in einer wissenschaftlichen Debatte stellen, nicht aber in einer, die zu einer breiten gesellschaftlichen werden soll.
Wenn die Brights sich als gesellschaftliche Kraft etablieren wollen, müssen sie mehr Biss zeigen und das zuallererst vor der eigenen Haustür. Eine gesellschaftliche Debatte gewinnt in vielen Fällen der, der mehr mit mehr Geschick und Ausdauer zentrale Begriffe besetzen und ein öffentliches Bild definieren kann. Das wird ganz sicher nicht durch vergnügtes Abwatschen von verwirrten Mitgliedern der Konkurrenz erreicht werden. Und bitte, auch wenn mancher hier über die kreationistische Dummheit lachen mag: Der Anteil an Menschen, die an den Kreationismus glauben ist verdammt hoch und steigend und die wenigsten davon werden von Biologie überhaupt soviel verstanden haben, wie der Benutzer outspoken. Wenn wir schon vor jemandem wie ihm einknicken und uns nur mit ein paar spöttischen Kommentaren auf unsere "bessere" Meinung und unser größeres Wissen zurückziehen, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass "the Brights" in den Medien munter mit "die Schlauen" übersetzt wird und zwar mit einem nicht weniger spöttischen Unterton.
Es scheint manchen hier nicht klar zu sein, dass wir unsere Botschaft verständlich, geduldig und höflich noch ein paar hunderttausendmal öfter vor noch größeren Holzköpfen rüberbringen werden müssen, bevor wir eine gesellschaftliche Bewegung mit einem gewissen Einfluss auf die öffentliche Meinung geworden sind. Nur steter Tropfen höhlt den Stein! So eine Mentalität muss aber schon im kleinen gepflegt und erlernt werden, weshalb ich doch dringend darum bitte, dass wir uns auch der Konfrontation mit solchen missionarischen Gestalten aussetzen - zumal die Angriffe auf uns stärker und häufiger werden werden, wenn wir öffentlich erstmal einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben und unsere Argumente nicht geschliffener werden, wenn wir dauernd im eigenen Saft schwimmen. Die paar halbnaturalistischen Alibigläubigen, die es hier gibt, zählen da nicht.
Das Verbreiten des Naturalismus wird nicht in ein oder zwei Fernsehdebatten mit ein paar Kirchenvertretern entschieden werden, sondern nur durch stetes Wiederkäuen der Ansichten im Kleinen. Und gerade da könnten wir uns ungeheuer positiv hervortun, wenn wir zeigen, dass wir nicht nur eine überlegene Meinung, sondern auch eine überlegene Diskussionskultur besitzen. Indem wir von der anderen Seite vor jeglicher Diskussion überhaupt erstmal die Einhaltung unserer Standards einfordern, benehmen wir uns wie die Parteien im Nahostkonflikt => Verhandlungsblockade und gegenseitige Schuldzuweisungen sind die Folge. Das führt nirgendwohin, schon gar nicht deshalb, weil das Angstpotential vor Menschen mit naturalistischer/atheistischer Weltsicht in der Gesellschaft ohnehin sehr groß ist. Wir sollten uns tunlichst hüten, das vorherrschende Image des ignoranten Besserwissers zu unterstreichen, auch wenn ich die Frustration vieler gegenüber der Religion wirklich sehr gut verstehen kann.
Derzeit gibt es noch keine wirklich breite gesellschaftliche Debatte zu "unserem" Thema, wenn das mal der Fall sein sollte, und ich nehme an, genau das wollen wir erreichen, dann wird die Auseinandersetzung noch viel kraftraubender und nerviger werden.
Ich bitte da mal drüber nachzudenken.
just my 2 cents