Ich freue mich über die positive Reaktion auf meinen Beitrag, Peter.
Peter hat geschrieben:Sehr originell ist ma-tins Anregung mit dem Spaghettimonster. Da man sich ja bekanntlich über Geschmack nicht streiten kann, ist seine Skulptur auch gar keine Geschmacksfrage.
Allein mir fehlen hier die Mitstreiter und ich werde ganz sicher in dieser Sache keinen weiteren deutschen Verein gründen.
Die Idee ist originell, aber auch provokant. Originalität und Provokation sind zwar im Grunde zwei Eckpfeiler guter Kunst, die Frage ist aber, inwiefern du riskieren möchtest, dass ein weiterer Stein des Anstoßes im Dorf aufgestellt wird. Idealerweise sollte eine Skulptur, wenn auch aus einer gewissen Dagegenhaltung geboren, die Dorfgemeinschaft versöhnen und nicht weiter spalten. Einen Kalten Krieg der Symbole will sicherlich niemand bei euch. Das Spaghettimonster kann leicht als Verhöhnung verstanden werden, was ja, wenn wir ehrlich sind, im Kern auch richtig wäre. Die von mir vorgeschlagene DNA-Skulptur muss nicht der Weisheit letzter Schluss sein, aber wie auch der von Piedro vorgeschlagene Naturlehrpfad wäre das etwas, was neutraler wäre, womit ironischerweise sogar die Kreationisten noch ihren Frieden machen könnten - was aber trotzdem ein durch und durch unreligiöses, diesseitiges Symbol wäre.
Egal, was du an Ideen verfolgen willst, ich an deiner Stelle würde nicht den Glauben als solchen ins Visier nehmen. Dabei kannst du nur verlieren, weil du starke Abwehrreflexe auslösen wirst, selbst bei denen, die dem Glauben im Alltag indifferent gegenüberstehen und nur auf dem Papier kirchlich organisiert sind. Ein diskursorischer Bürgerkrieg ist schon aus Prinzip nicht wünschenswert und du hast auch nicht die Ressourcen um ihn zu führen.
Peter hat geschrieben:Habe den Kruzifix-Beschluss in Wikipedia nachgelesen. Wahrscheinlich hast du auch recht mit deiner Einschätzung, dass es in letzter Instanz ein juristisch nicht unbedingt erfolgversprechender Weg ist. Aber: Da steckt so viel drin, dass man die Gemeindeverwaltung zumindest gehörig verunsichern kann, das sind ja alles Hobby- und Feierabend-Politiker und keine Juristen.
Richtig, aber auch diese Leute sind vermutlich in der Lage, Wikipedia zu lesen oder kennen einen Anwalt, der das für sie recherchiert. Wir leben leider nicht mehr in den Zeiten, in denen man sich durch das Internet gegenüber älteren konservativen Gemeinderäten einen gehörigen Informationsvorsprung verschaffen konnte. Du solltest, falls du den juristischen Weg beschreitest, jedenfalls genau wissen, was du tust und alle Argumente kennen, bevor du auch nur den ersten Schritt machst. Und denk dran, eine Drohung ist nur glaubhaft, wenn die andere Seite davon ausgeht, dass man sie wahr macht, also lass die Finger von schlecht eingefädelten Bluffs, damit hast du in Nullkommanix das Image vom realitätsfernen selbstzentrierten Sonderling weg und das bleibt in einem kleinen Dorf kleben.
Peter hat geschrieben:Ich habe mich auch an andere Verbände wie IBKA, Giordano-Bruno-Stiftung... gewendet. Aber ausser einem Angebot, einen Artikel im humanistischen Pressedienst zu schreiben, konnte mir auch nicht weiter geholfen werden. Die anderen von Nanna genannten Verbände schaue ich mir noch an. Nanna, was verstehst du denn unter "offensivem" Auftreten der Giordano-Bruno-Stiftung?
Dass die dir nicht weiterhelfen können und/oder wollen, überrascht mich nicht. Die einschlägige säkuläre Szene zählt in Deutschland vielleicht um die 5.000 Leute, das sind keine Zahlen, mit denen man irgendwas reißen kann. Sympathisanten oder Brüder und Schwestern im Geiste gibt es natürlich viel viel mehr, aber du siehst ja, wie verödet auch bei uns das Aktionsforum ist. Es fehlt einfach an Leidensdruck, um die Leute in Deutschland zu aktivieren, außerdem ist das Thema zu allgemein (ich habe im Studium mal gelernt, das politische Gewicht und Einflusspotential bestimmter Gruppen und Milieus anhand bestimmter Indikatoren zu schätzen und bin da völlig illusionslos über unsere Reichweite).
Eine kleine Erklärung, was ich mit "offensivem Auftreten" meine und was der Hintergrund dieser Äußerung ist:
Die Giordano-Bruno-Stiftung (GBS) und die Brights-Bewegung sind, obwohl (leider) häufig im selben Atemzug genannt, von gänzlich verschiedenen Ansätzen geleitet. Während die Brights sich um die Religiösen nicht scheren, solange sie gesellschaftlich gleichberechtigt behandelt werden, ist die GBS von ihrem Grundverständnis her offen religionskritisch und antiklerikal. Natürlich gibt es innerhalb der Brights viele, die ähnlich denken und handeln, keine Frage. Letztlich muss jeder für sich selbst entscheiden, wie er das handhabt. Wenn dich meine Meinung dazu interessiert: Ich stehe Erlösungs- und Reinigungsfantasien sehr kritisch gegenüber. Wenn Leute anfangen, die Gesellschaft verbessern zu wollen, indem sie andere gesellschaftliche Gruppen gezielt abwerten, stelle ich meist sehr schnell und grundsätzlich die Frage, inwiefern das legitim und sinnvoll ist. Das Vorgehen der GBS sehe ich mehr als konfliktorientiert denn als lösungsorientiert an und ich frage mich, welche Motivation bei vielen deren Mitgliedern jeweils dahintersteckt, die Welt vom Übel der Religion befreien zu wollen. Sowas ist ja in sich strukturell schon wieder ein sehr von religiösen Denkweisen gepräger Ansatz und diesen intellektuellen Selbstbetrug finde ich ziemlich lächerlich.
Das gute alte Gebot der Toleranz muss in einem Rechtsstaat und einer pluralistischen, komplexen Gesellschaft gelten und es gibt nur zwei Gründe, diese Haltung gegenüber einer bestimmten Person oder Gruppe aufzugeben: Jemand ist selbst intolerant oder das, was er/sie verbreitet, ist nach einigermaßen objektiven Kriterien schädlich für andere. Und da unterscheiden sich eben die Standpunkte der Brights (Nichtangriffspakt mit den gemäßigten Supernaturalisten) und der GBS (scharfe Attacken gegen alle Formen von nicht-rationalistischen Glaubenssätzen aus Prinzip). Im intellektuellen, adademischen Diskurs ist eine kompromisslose Haltung sicherlich angebracht, im Bereich des Politischen sollte man aber lieber etwas mehr Fingerspitzengefühl walten lassen, weil da praktikable Lösungen wichtiger sind als theoretische Eleganz (kein Bauer in deinem Dorf wird sich für die Kritik an den Gottesbeweisen des Thomas von Aquin oder irgendwas in dieser Richtung interessieren und auch, wenn du sicherlich vieles über Welt und Kosmos besser weißt, musst du mit den Leuten da ja noch auskommen).
Peter hat geschrieben:Da wir hier im Ort - wie gesagt - keine "Massenbewegung" sind, muss ich mir was anderes überlegen.
Kannst du sagen, wie viele "wir" ist und wie viele Leute im Dorf leben?
Peter hat geschrieben:Da der liebe Bürgermeister schriftlich bestätigt hat, dass die Gemeindeverwaltung der Kirche die Aufstellung der Kreuze genehmigt hat, werde ich ganz "offiziell" beantragen, diese Genehmigung zu widerrufen und die religiösen "Kunstwerke" doch bitte ins "Kirchenmuseum" (oder sonstwohin) zu verfrachten. Parallel dazu werden die nicht-ganz-so-klerikalen Parteien (alle ausser CDU) informiert und um Unterstützung gebeten. Dann passiert erstmal lange gar nichts und dann wird der Antrag abgelehnt, abgewiegelt, abgewimmelt - wie auch immer...
Aber dann kann man zumindest die Lokalpresse inkl. Anzeigenblättchen mit Material versorgen. Und die werden hier, vielleicht im Gegensatz zur Gross-Stadt, intensiv gelesen. Das ist momentan die einzige Art von Öffentlichkeit, die ich hier herzustellen in der Lage bin.
Steter Tropfen höhlt den Stein und einer macht immer den Anfang. Solange der Konflikt nicht eskaliert, wird er egal bei welchem Ausgang ein Erfolg sein. Allein die Tatsache, dass das Thema diskutiert wird, hilft ja schon. Wenn in zehn Jahren ein ähnlicher Fall auftritt, haben die Leute sich schon daran gewöhnt und die Erregungskurve schlägt weniger hoch aus. Es hat schon seine Gründe, dass Salamitaktik eine Standardstrategie der Politik ist, um unliebsame Dinge durchzusetzen. Schau dir z.B. Stuttgart21 an, wie geschickt die Bahn das Thema aussitzt und die Proteste ins Leere gelenkt hat. Denen wird schneller die Pust ausgehen als dem Konzern. Wenn du dich halbwegs geschickt anstellst und Geduld beweist, kann es gut sein, dass dem Rest der Gemeinde das Thema früher als dir auf die Nerven geht. Das Harmoniebedürfnis lässt sich nur bis zu einer bestimmten Schmerzgrenze strapazieren, wenn du die erreichst, ohne dass der Konflikt eskaliert, wird man dir in irgendeiner Form entgegenkommen. Die Frage ist nur, ob du genug Druck erzeugen kannst und, wenn, ob du das tun kannst ohne eine massive Gegenreaktion zu provozieren.
Peter hat geschrieben:Sicher wäre es toll, wenn die Kreuze wirklich im "Kirchenmuseum" enden würden, aber es ist mir auch einfach wichtig, laut und deutlich eine Gegenposition zu beziehen, klar zu machen, dass wir nicht in einem "Kirchenstaat" leben und auch nicht leben wollen.
Was haltet ihr davon?
Ich habe es ja im Grunde schon genug ausgeführt. Du musst einfach wissen, wie weit du gehen kannst/willst und wieviel du dir und deiner Familie, falls es die dort gibt, zumuten willst. Ich bewundere deinen Mut und deine Entschlossenheit, dich öffentlich zu exponieren. Im Bestfall giltst du am Ende als aufrechter Bürger mit Mut und Rückgrat, im schlechtesten Fall aber als profilierungssüchtiger Nestbeschmutzer. Vieles wird hier von deinem Gespür und Feingefühl abhängen. Wie auch immer du es anstellst, gib dir Mühe, dass man dir nichts vorwerfen kann. Solange du fair und respektvoll spielst, hast du eine Chance, die Sympathien auf deine Seite zu kriegen. Die Kirchen sind da, allen Skandalen zum Trotz, gerade auf dem Land aber ein harter Gegner. "Hart aber herzlich" ist wahrscheinlich in diesem Fall der beste Rat und wenn man dich angreift, kannst du immer noch die moralisierende Karte spielen und dich lauthals entrüsten, dass du so eine Behandlung ja wohl nicht verdient hättest, du wärst ja immer sachlich und höflich geblieben.
Ich hoffe, dir ist ungefähr klar, auf welchen Kern ich insgesamt hinauswollte.