ID-Aktion

[Peter Janotta]

So schlecht wäre das garnicht. Ich will dann mal jemanden sehen, der sich wegen unserer Aktion gegen ID, wegen angeblicher Beschränkung der Meinungsfreiheit aufgeregt hat. Ob er dann immernoch dieser Meinung wäre?

[ostfriese]

Nun mal keine Panik! Noch sehe ich nicht, dass von den IDlern in Deutschland sonderlich viel Notiz genommen wird. Die Quoten der Schöpfungs-Gläubigen dürften sich in den letzten Jahren nicht nennenswert erhöht haben. Die Brights und andere haben m.E. noch genügend Zeit, ihre Waffen zu schärfen.

Sollten die Kreazis irgendwann ähnlich bedrohlichen Zulauf erhalten wie in den USA, nützt es sowieso nichts, wenn ihnen ein paar versprengte Aufklärer die Stirn bieten. Und die Strategie "Es gibt keine wissenschaftliche Debatte über Evo vs. ID" ist nun wirklich hinlänglich gescheitert. Wovon ich mir durchschlagend und nachhaltig Wirkung verspräche, wäre ein im Ernstfall laut hörbarer Aufschrei einer überwältigenden Mehrheit unter den namhaften Wissenschaftlern und Forschungsinstituten. Es reicht nicht, wenn gegen die ausgebufften ID-Frontleute immer nur ein paar Standard-Kontrahenten ihren Kopf hinhalten. Spätestens nach dem dritten Fernsehtalk will doch keiner mehr die Argumente hören!

Das Volk so weit zu bilden, dass es seine Wahl zwischen kritisch-rationalem Denken und religiösem Glauben tiefgründig durchdrungen hat, ist illusionär. Wir brauchen einen Wahlkampf, beste public relations, professionelles Marketing, populäre Medien-Exponenten. Vor allem aber frische, verlockende Angebote, welche die verstaubten Sortimente der Religionen zu Ladenhütern machen. Engagement, Lebensbejahung, Kultur, Genuss, Humor (!!) -- darin sollten wir den Religiösen meilenweit voraus sein!!

Und ganz wichtig: Wir sollten auf die Kinder setzen. Während die Kirchen hemmungslos indoktrinieren, dürfen wir nicht vornehm zurück treten und darauf warten, dass die zu "Bekehrenden" ihr Philosophiestudium abgeschlossen haben. Intellektuelle Redlichkeit ist toll, Vorbild sein auch. Aber uns selbst in der Wahl der Mittel so zu beschneiden, dass die Gegenseite sich ins Fäustchen lacht, wäre einfach nur ... fahrlässig!

[Andreas Müller]

Na, dann bin ich ja der Richtige. Thomas Waschke hat mich gerade einen Demagogen genannt. Hab schon einen Nazivergleich und jetzt noch den Demagogen. Ich finde es nur schade, dass keiner mit Stalin ankommt.

Ja, Polemik und Satire sind in der Tat unterschätzte Kunstformen.

[ostfriese]

Ein Polemik-Fan bin ich nicht gerade, aber gekonnte Satire find ich immer toll.

Übrigens ist mir gerade noch so ein grundsätzliches Dilemma aufgegangen. Mal angenommen, ein von der ID-Clique beauftragter Mathematiker rechnet sich zwei Jahre lang 'nen Wolf und findet dann "zweifelsfrei" heraus, dass aufgrund der so-und-so niedrigen Wahrscheinlichkeit für dieses oder jenes Ereignis die Evolution nicht stattgefunden haben kann. Würde sich irgendein seriöser Mathematiker die Mühe machen, dieses Mammutwerk durchzuackern, um es durch Aufdecken der Fehler zu entkräften? Nein! Echte Mathematiker haben Sinnvolleres zu tun, es zweifelt ja kein ernst zu nehmender Wissenschaftler mehr an der Evolutionstheorie.

Effekt? Die ID-Gang kann das unwidersprochene Machwerk als "Wissenschaft" verkaufen und noch mit dem Finger auf die bösen Heuchler zeigen, welche für sich wissenschaftliche Exaktheit reklamieren, sich dann aber weigern, Konkurrenztheorien gewissenhaft zu prüfen.

Wir alle wissen, dass Evolution ohne Designer auskommt und dass wir die besseren Argumente haben, aber das hilft uns leider nicht viel. Die Kreazis brauchen ja keine Argumente, sondern nur etwas, das auf den ersten Blick so aussieht. Sogar noch toller ist, was wie ein Beweis aussieht. Denn das gläubige Volk weiß nichts von der prinzipiellen Unbeweisbarkeit empirischer Sätze, und das werden ihnen die Fundamentalisten nicht auf die Nase binden. Dafür werden sie uns mit unseren eigenen Waffen zu schlagen versuchen und den Massen verklickern, dass nur deshalb eine Mehrheit der Biologen an die Evolutionstheorie glaube, weil sie sich kritiklos vom Wissenschaftsbetrieb funktionalisieren und indoktrinieren lasse. Nach dem Motto: Die Wissenschaft glaubt oder behauptet nur zu wissen, sie weiß in Wirklichkeit gar nicht.

Fazit: Dass Wahrheiten an den Grenzbereichen unseres Wissens nur durch Sisyphos-Arbeiten, durch schwere Geburten, durch mühsame Ausgrabungen zu haben sind, macht sie so fürchterlich unsympathisch gegenüber den Lügen, die als Wahrheit verkleidet vom Himmel direkt in den Schoß fallen. Forscher und Denker haben es so viel schwerer als Gläubige, Aufklärer schwerer als Vernebler, Erbauer schwerer als Zerstörer, Besorgte schwerer als Gleichgültige...


PS.: Hierzu "Schopenhauers Entropiegesetz": Gib einen Teelöffel Wein in ein Fass Jauche. Das Resultat ist: Jauche! Gib einen Teelöffel Jauche in ein Fass Wein. Das Resultat ist ... richtig: Jauche!

[Klaus]

@ostfriese, das ist so gut geschrieben, ich würde es glatt auf dem Blog bringen, wenn du einverstanden bist

[ostfriese]

Danke! Nachdem ich es seit zehn Minuten in Details überarbeitet habe, bin ich jetzt auch halbwegs zufrieden. Darfst Du ruhig veröffentlichen, fühle mich gebauchpinselt!

[Klaus]

Dann geht das jetzt online.

[Klaus]

Ist unter dem Titel "ID und Schopenhauer" auf dem Blog erschienen.

[Andreas Müller]

Ein Polemik-Fan bin ich nicht gerade, aber gekonnte Satire find ich immer toll.

Polemik ist ein notwendiger Bestandteil der parlamentarischen Demokratie. Ich muss da immer an Cicero oder heutzutage Hitchens denken, Meister dieser Kunst.

[ostfriese]

Pardon für die verzögerte Antwort, aber ich hab gerade ersma anderthalb Stunden lesender- und klickenderweise auf dem Blog verbracht...

Supernette Geste von Dir, Klaus, gerade nach unserem Scharmützel vor nicht allzu langer Zeit rechne ich Dir das hoch an! Komisches Gefühl allerdings, dass da so ein Gelegenheitsposting von mir plötzlich ganz vorn auf dem Blog steht. Jetzt krieg ich wahrscheinlich auch die übliche Prügel von den Lesern. (mit dem Unterschied, dass ich mich dort nicht wehren kann...)

Polemik ist ein notwendiger Bestandteil der parlamentarischen Demokratie. Ich muss da immer an Cicero oder heutzutage Hitchens denken, Meister dieser Kunst.

O.k., meine soeben von Klaus geadelten Zeilen strotzen ja auch nur so von Polemik. Zum Ausschreiten auf das Schlachtfeld ist verbales Säbelrasseln sicherlich ein probates Mittel. Um zwischenmenschliche Probleme zu lösen dagegen nicht. Bei meiner etwas vorschnellen Distanzierung von der Polemik hatte ich eher letzteres im Hinterkopf, deshalb...

Natürlich waren Debatten zwischen Wehner und Strauß erheblich spannender als zwischen Merkel und Beck!!

[Andreas Müller]

Natürlich waren Debatten zwischen Wehner und Strauß erheblich spannender als zwischen Merkel und Beck

Wusste gar nicht, dass die überhaupt debattieren.

[Klaus]

@ostfriese,
1. Hatten wir Scharmützel? Wir werden doch solche Kleinigkeiten nicht einer Jauche Entropie opfern, das hat was von Homöopathie an sich.
2. Wir sind erwachsene Menschen, die in der Lage sein sollten Probleme zu klären.
3. wehren kannst du dich auf dem Blog immer, es gibt die Kommentarfunktion.
4. Du kannst doch gut argumentieren und sticheln die Schopenhauer Jauche Entropie ist so schön, die hat gleich jemand gediggt, der Post hat nach 30 Minuten schon 3 Points, jetzt werden sich alle auf das Dingens stürzen, Klasse.
5. Das Blog ist nicht nur rein wissenschaftlich zu verstehen, wenn das so wäre würden die Leser gelangweilt weiterziehen, das kann dort auch schon mal ätzend werden.
6. Ich wünschte mir mehr Beiträge von dir.