Die Bibel gegen sich selbst

Re: Die Bibel gegen sich selbst

Beitragvon emporda » Di 11. Sep 2007, 03:48

Andreas Müller hat geschrieben:http://www.meyerbuch.de/pdf/Thomas-Evangelium.pdf
Bitteschön.

Andreas, ich bin enttäuscht. Der obige Text ist pures religiöses Phantasiegeschreibsel, seitenweise "Jesus hat dies", "Jesus hat das", "Jesus hat gesagt", "die Jünger sprachen zu Jesus". Abgesehen von zirkulärer Logik die Bibel mit der Bibel beweisen zu wollen oder die Existenz von Jesus als gesichert anzunehmen, weil ja in der Bibel über ihn geschrieben wurde (sagt ein gewisser Ratzinger), enthält der Text nur Geschwafel. Ob vor 2000 Jahren A zu B genau dies und jenes gesagt hat, ist so wenig gesichert wie die Existenz von A, die von B, ob das Ufo am Tag X über Kleindingsda eine Kurve geflogen hat oder warum der Autor die Menschen mit dem Quatsch langweilt.

Du hast gefragt, ob an der Bibel überhaupt etwas Wahres ist. Ich kann Dir versichern es gibt so etwas, die Seitenzahlen stimmen. :kopfwand:

Ich betrachte mich nicht einmal als Historiker, mein Berufsleben bestand aus Industriebauten, dem Bau von Kliniken, Supermärkten, Hotels und dergleichen. Dazu gehört unbedingt einfache und klare Logik, niemand kann einen Nagel in eine Wand schlagen, wenn der Maurer die Wand noch nicht einmal fertig hat. Damit erübrigen sich alle Fragen zur Länge des Nagels, zum Gewicht des Hammers und zur Haarfarbe des Pizzabäckers nebenan.

Verwendet man solch einfache Logik auf die bekannten frühen Texte und streicht das ganze Geschwafel der vielen Möchtegern-Propheten weg, die tiefsinnig mit jedem Satzzeichen ein neue Weltanschaung finden oder die Existenz von Irgendwas rabulistisch begründen, dann reduziert sich das Problem der Bibel auf wenige Fragen und noch sehr viel weniger Antworten. Wenn man viele dieser Texte gelesen hat, lernt man schnell an nur wenigen Sätzen zu erkennen, wes Geistes Kind der Autor ist. Dann erübrigt sich in vielen Fällen mit dem Rest die Zeit zu vergeuden

Ich habe mit Romanen oder Phantasiegeschichten noch nie etwas anfangen können, es ist Zeitverschwendung sich in die Phantasien anderer Leute zu vertiefen oder sich an der Absurdität von irgenwelchen Gedanken zu berauschen. Ganz besonders schlimm wird es, wenn die Leute nicht einmal das Format haben selber zu phantasieren. Gerade unter den Fanatikern und den überzeugten Gläubigen finden sich fast nur solche Typen, die außer Haus denken lassen müssen.
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Re: Die Bibel gegen sich selbst

Beitragvon Andreas Müller » So 16. Sep 2007, 00:22

Um meine Jesus-lebte-Argumentation zu erweitern:

Wenn es keinen Jesus von Nazareth gab, hätte auch die Betlehem-Volkszählung nicht erfunden werden müssen, um Jesus als Davids Erbe dort auf die Welt kommen zu lassen, stattdessen hätte man ihn gleich "Jesus von Betlehem" nennen können. Auch ist es doch seltsam, dass er von seiner Familie in mehreren Bibelpassagen für verrückt gehalten wird.

Jesus war wahrscheinlich ein Wanderprediger aus Nazareth, der sich selbst für Gottes Sohn hielt, und der von den Römern gekreuzigt wurde.

Und ratet mal, wer erneut auf meiner Seite ist: Christopher Hitchens.

Ich räume aber ein, dass die Evangelien einen derart verworrenen Haufen Unsinn darstellen, dass man es nicht sicher sagen kann.
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Re: Die Bibel gegen sich selbst

Beitragvon stefan2 » So 16. Sep 2007, 16:44

Meiner meinung nach kann man hinter bestimmte positionen des gemeinschaftlichen wissens einfach nicht mehr zurück; das muss man nicht immer neu durchdiskutieren.
So weit ich die Literatur überblicke, gibt es nur wirklich wenige, die daran begründet zweifeln, dass in dieser zeit in palästina ein wanderprediger namens jesus (ein damals üblicher Name) lebte. das muss man so stehen lassen. es ist sicherlich so, dass dieser mensch eine bestimmte ethik vertrat und eine gewisses endzeitgefühl hatte und mit den oberen seiner zeit nur aneckte.

die frage ist die nach einer wie auch immer gearteten göttlichkeit, die man ihm (später) zusprach. und da sind sich ja nicht einmal de theologen einig, ob dieser mensch jesus überhaupt den ihm zugeschriebenen anspruch auf "göttklichkeit" vertrat. viele beweifeln das nach der spärlichen quellenlage (was hat dieser mensch wirklich gesagt? - was völlig unübersichtlich ist). Und da wären wir dann doch wieder bei der tiefen widersprüchlichkeit der bibel.
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Re: Die Bibel gegen sich selbst

Beitragvon condorcet » Mo 17. Sep 2007, 00:15

Das Problem mit der ganzen Diskussion über den historischen Jesus ist, dass die Quellenlage so dürftig ist. Das fängt schon mit der Datierung der einzelnen Texte an. Stammen die synoptischen Evangelien wirklich aus der Zeit kurz nach dem Jahr 70, wie es der Konsens meint, oder doch eher aus der Zeit nach dem Bar-Kochba-Aufstand, wie die Radikalkritik meint? Stammen die Paulus-Briefe, die allgemein als "echt" anerkannt werden, wirklich von Paulus, oder waren es markionitische Werke, die später katholisch überarbeitet wurden?
Der historische Rahmen, in dem sich das Leben Jesu angeblich abspielte, geht letztendlich auf die Darstellung des Markus-Evangeliums zurück. Die Absicht des Autors des Markus-Evangeliums war es offensichtlich, diejenigen Fraktionen im Christentum zu untergraben, die sich auf die zwölf Apostel und die Verwandten Jesu stützten. Deshalb stellte er die Apostel als begriffstutzig dar, die nie kappierten, was Jesus meinte, und die nicht einmal Zeugen der Auferstehung waren. Die Verwandten wollten Jesus sogar für verrückt erklären lassen, was nur bei Markus vorkommt.
Diese Darstellung konnten andere Fraktionen im Christentum nicht so hinnehmen. Deshalb übernahmen die Autoren der Matthäus- und Lukas-Evangelien den Markus-Text und passten ihn ihren Vorstellungen an (Matthäus war jüdisch-christlich und Lukas war um Harmonie zwischen den Judenchristen und den Paulinern bemüht).
Letztendlich hängen aber diese Jesus-Geschichten an einem sehr dünnen Faden, nämlich dem Markus-Evangelium. Die anderen hatten nicht viel hinzuzufügen. Aber die Frage ist, hatte Markus wirklich historische Informationen über Jesus, oder hat er den historischen Rahmen, in den er ihn stellte, einfach erfunden? Die frühesten christlichen Texte, wie Q, das Thomas-Evangelium, Didache und die Paulusbriefe, hatten nicht viel über das Leben Jesu zu sagen.
Das ist etwas, was man mit den gegenwärtigen Quellen nie ganz klären kann. Es stimmt zwar, dass es einen Gelehrten-Konsens gibt, aber diese so genannten "Gelehrten" sind zum größten Teil Theologen, die sich nicht den Ast absägen wollen, auf dem sie sitzen.

Auf die ganze Problematik geht übrigens Robert Price in dem Buch "The Incredible Shrinking Son of Man" sehr gut ein: http://www.amazon.de/Incredible-Shrinking-Son-Man-Tradition/dp/1591021219/ref=sr_1_1/028-9793032-4427720?ie=UTF8&s=books-intl-de&qid=1189983775&sr=1-1

Wer über die Radikalkritik mehr erfahren möchte: http://www.radikalkritik.de/
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Re: Die Bibel gegen sich selbst

Beitragvon condorcet » Do 20. Sep 2007, 10:00

Noch etwas zu der Thematik: Bei youtube gibt es einen Vortrag von Bart Ehrman. Ehrman schrieb das sehr gut zu lesende Buch "Misquoting Jesus", in dem es um die zahlreichen Textversionen in den Manuskripten des Neuen Testaments geht.
http://www.youtube.com/watch?v=KN8NI7JNPHc
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