Hinweis: "Das Konzept Gott – warum wir es nicht brauche

Hinweis: "Das Konzept Gott – warum wir es nicht brauche

Beitragvon gavagai » Mi 7. Feb 2007, 17:50

Burkhard Müller: "Das Konzept Gott – warum wir es nicht brauchen"
Merkur, Nr. 694, Februar 2007
http://www.online-merkur.de/seiten/lp200702a.php
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Beitragvon Klaus » Mi 7. Feb 2007, 18:06

Guter Artikel, wobei ich den christlichen Fundamentalismus nicht als so schwach sehe, wie dort dargestellt.
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Beitragvon ostfriese » Mi 7. Feb 2007, 22:01

Ganz hübsch, allerdings krankt der Artikel doch daran, dass der Autor erkennnistheoretisch nicht über Kant hinausgekommen ist, da er von diesbezüglichen Implikationen der modernen Physik und Biologie leider nichts weiß.
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Beitragvon gavagai » Mi 7. Feb 2007, 23:15

ostfriese hat geschrieben:Ganz hübsch, allerdings krankt der Artikel doch daran, dass der Autor erkennnistheoretisch nicht über Kant hinausgekommen ist, da er von diesbezüglichen Implikationen der modernen Physik und Biologie leider nichts weiß.

Servus Ostfriese,
kannst du das näher erläutern? Was hat die moderne Physik und Biologie mit der Erkenntnistheorie am Hut? Woran erkennst du, dass der Autor nicht über Kant hinaus kam?
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Beitragvon ostfriese » Do 8. Feb 2007, 12:59

Zum Beispiel daran, dass er naiv von Kants Denkkategorien ausgeht. Er verwendet einen naiven, mechanistischen Kausalitätsbegriff, einen absoluten Raum und eine absolute Zeit, woraufhin er sich dann am kosmologischen Urknallmodell stört ("theologisches Phantasma"), das er offensichtlich nicht verstanden hat. Die moderne Physik hat gezeigt, dass Kants Kategorien weder denknotwendig noch zutreffend sind, und die Evolutionstheorie erklärt, woran es liegt, dass sich der "gesunde Menschenverstand" in diesen Punkten so gravierend irrt.
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Beitragvon Kival » Do 8. Feb 2007, 13:42

Ostfriese, kannst du mir vielleicht einen Tipp geben für ein Buch oder Link o. ä., bei dem Kant aus moderner Sicht widerlegt wird? (Wenn du es nicht selber genauer darlegen willst, das wäre aber doch wohl etwas ausufernd)
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Beitragvon ostfriese » Do 8. Feb 2007, 14:21

Gerhard Vollmer: "Was können wir wissen", Band 1, Seiten 166 - 216.

Da das 51 eng bedruckte Seiten sind, kann ich sie hier wirklich nicht zusammenfassen. Nur so viel: Vollmer legt überzeugend dar, dass Kant Newtons Mechanik für absolut wahr hielt (obgleich er sie nicht wirklich verstanden hat) und seine erkenntnistheoretischen Prinzipien gerade so wählte, dass sich die seinerzeit beste wissenschaftliche Erkenntnis daraus rekonstruieren ließ (als wahre Erkenntnis gelten durfte). Wenn das so ist, bilden sich die Fehler von Newtons Theorie zwangsläufig in der transzendentalen Philosophie Kants ab. Und da findet man sie denn auch...
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Beitragvon Kival » Do 8. Feb 2007, 15:44

In "Evolutionäre Erkenntistheorie" steht nichts darüber drin, oder? (Dann werd ich mir "Was können wir wissen" wohl doch noch besorgen müssen)
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Beitragvon ostfriese » Do 8. Feb 2007, 23:07

Auf Seite 113/114 des Hirzel-TBs "Evolutionäre Erkenntnistheorie" steht ein bisschen was, aber die Ausführungen zu Kant in "Was können wir wissen?" sind wesentlich gründlicher.
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Beitragvon Kival » Do 8. Feb 2007, 23:11

Danke, gefunden. Werd ich in meinen Text über Kants Erkenntnistheorie vielleicht miteinbringen.
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Beitragvon Max » Fr 9. Feb 2007, 16:34

Wo findet man diesen Text?
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Beitragvon Kival » Fr 9. Feb 2007, 19:59

Welchen Text meinst du, Max?
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Beitragvon gavagai » Sa 10. Feb 2007, 23:50

ostfriese hat geschrieben:Zum Beispiel daran, dass er naiv von Kants Denkkategorien ausgeht. Er verwendet einen naiven, mechanistischen Kausalitätsbegriff, einen absoluten Raum und eine absolute Zeit, woraufhin er sich dann am kosmologischen Urknallmodell stört ("theologisches Phantasma"), das er offensichtlich nicht verstanden hat. Die moderne Physik hat gezeigt, dass Kants Kategorien weder denknotwendig noch zutreffend sind, und die Evolutionstheorie erklärt, woran es liegt, dass sich der "gesunde Menschenverstand" in diesen Punkten so gravierend irrt.
Servus,
ich komme leider erst heute dazu zu antworten.
Woran machst du fest, dass Burkhard Müller von einem absoluten Raum und einer absoluten Zeit ausgeht?
Sein "theologisches Phantasma" rührt IMO von seiner Fehleinschätzung her: "nicht fragen dürfen, wo er herkam". Das wäre keine Wissenschaft. Selbstverständlich fragt das die Wissenschaft, darf und muß sie fragen.

Was meinst du mit der Aussage: Die moderne Physik hat gezeigt, dass Kants Kategorien weder denknotwendig noch zutreffend sind ? Noch sind wir Menschen und alle Lebewesen auf die Denknotwendigkeit der Kausalität angewiesen. (Oder welche Kantsche Kategorie meinst du?)
Wenn wir keine Kausalität unterstellen (und zwar im strengen Sinne, d.h. nicht nur, dass alles in unserem Alltag kausal abläuft, sondern stärker: für alles in unseren Lebensalltag gilt: gleiche Ursache dieselbe Wirkung) könnten wir weder Wissenschaft betreiben, noch überhaupt vernünftig leben. Insofern sehe ich Kant keinesfalls widerlegt.
Unrecht hatte Kant in der Annahme, die Euklidsche Geometrie habe für das All unbedingte Gütligkeit. Nun, da war er ein Kind seiner Zeit. Wir sind Kinder unserer Zeit und halten auch manches für wahr, was sich später als falsch herausstellen wird.
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Beitragvon ostfriese » So 11. Feb 2007, 14:23

gavagai hat geschrieben:Woran machst du fest, dass Burkhard Müller von einem absoluten Raum und einer absoluten Zeit ausgeht?

Die naiven Vorstellungen "außerhalb der Welt" und "vor dem Urknall" deuten darauf hin, dass Müller das Konzept der Raumzeit nicht verstanden hat.

gavagai hat geschrieben:Was meinst du mit der Aussage: Die moderne Physik hat gezeigt, dass Kants Kategorien weder denknotwendig noch zutreffend sind ? Noch sind wir Menschen und alle Lebewesen auf die Denknotwendigkeit der Kausalität angewiesen.

Nein, sind wir nicht. Nur innnerhalb unseres mesokosmischen Anschauungsraums, nicht in mathematisch-physikalischen Denkräumen.

gavagai hat geschrieben:Wenn wir keine Kausalität unterstellen (und zwar im strengen Sinne, d.h. nicht nur, dass alles in unserem Alltag kausal abläuft, sondern stärker: für alles in unseren Lebensalltag gilt: gleiche Ursache dieselbe Wirkung) könnten wir weder Wissenschaft betreiben, noch überhaupt vernünftig leben. Insofern sehe ich Kant keinesfalls widerlegt.

Das Konzept "Kausalität" hat sich als äußerst nützliche Zuschreibung für viele Naturvorgänge erwiesen, aber eben nicht für alle. Hätten wir nie in Betracht gezogen, es versuchsweise aufzugeben, dann wäre z.B. die Schrödingergleichung nie entwickelt worden und wir müssten uns heute noch auf Newton verlassen.

gavagai hat geschrieben:Wir sind Kinder unserer Zeit und halten auch manches für wahr, was sich später als falsch herausstellen wird.

Das allerdings!
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Beitragvon gavagai » So 11. Feb 2007, 14:45

ostfriese hat geschrieben:
gavagai hat geschrieben:Was meinst du mit der Aussage: Die moderne Physik hat gezeigt, dass Kants Kategorien weder denknotwendig noch zutreffend sind ? Noch sind wir Menschen und alle Lebewesen auf die Denknotwendigkeit der Kausalität angewiesen.

Nein, sind wir nicht. Nur innnerhalb unseres mesokosmischen Anschauungsraums, nicht in mathematisch-physikalischen Denkräumen.
Na also doch. Wir leben im Mesokosmos.
Dass die Kausalität (eventuell) nur eine menschliche Fiktion sein könnte, darauf haben sowohl Kant als auch Hume hingewiesen. Damit gingen und gehen sie noch weit über die heutige physikalische Vorstellung von Kausalität hinaus.
Doch zurück zum Text von Burkhart Müller. Die Denkvorstellung "ausserhalb des Universum" oder "vorm Urknall" mag (dir) naiv erscheinen, sie wertet aber keineswegs den Aufsatz ab, da - ich schätze mal - 99,99 % der Menschen danach fragen (wenn sie denn überhaupt philosophische oder physikalische Grundfragen stellen). Müller wollte wohl - unterstelle ich mal - nicht für die 0,01 % schreiben.
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Beitragvon ostfriese » So 11. Feb 2007, 14:53

O.k., dahingehend einverstanden. Doch dann sollte er nicht von "theologischem Phantasma" sprechen, weil er sonst den Unterschied zwischen Spekulationen an den Grenzen menschlicher Erkenntnisfähigkeit und ad-hoc-Hypothesen für alle möglichen vorübergehenden Erklärungslücken verwischt.

Wenn z.B. Paläontologen noch nicht alle "missing links" gefunden haben, spricht das nicht dafür, die Evolutionstheorie zu verwerfen und durch die "Intelligent Design"-Hypothese zu ersetzen. Dagegen kann das Spekulieren über mögliche kosmologische Modelle eine fruchtbare wissenschaftliche Tätigkeit sein, zumal jeder Kosmologe in höchstem Maße daran interessiert ist, aus seinen Theorien nicht-triviale, empirisch prüfbare Voraussagen abzuleiten.

Um das auch noch mal zu präzisieren und gleichzeitig zu verallgemeinern: Es gibt Erkenntnisgrenzen, die prinzipieller Natur sind (Bewusstseinsforschung, Kosmologie) und solche, die nur durch die Verfügbarkeit, Verlässlichkeit und Prüfbarkeit von Daten gegeben sind. Für die letzteren verbieten sich ad-hoc-Hypothesen, für die ersteren sind spekulative Theorien spätestens dann nützlich, wenn sie die Deduktion empirisch prüfbarer Behauptungen erlauben.
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Beitragvon Max » Mo 12. Feb 2007, 12:53

Kival hat geschrieben:Welchen Text meinst du, Max?


Deinen Text über Kants Erkenntnistheorie.
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Beitragvon Kival » Mo 12. Feb 2007, 18:56

Der ist noch nicht fertig, den findest du nirgendwo. Aber ich kann ihn dir schicken, wenn er fertig ist.
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Beitragvon Max » Di 13. Feb 2007, 12:03

Das wäre nett. Danke dir!
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Beitragvon Kival » Mo 19. Feb 2007, 13:28

@Ostfriese

Danke nochmal für den Tipp. Da ich jetzt auch "Was können wir wissen I+II" mein eigen nenne, kann ich mich da einlesen. Es ist aber mindestens so interessant wie Vollmers "Evolutionäre Erkenntnistheorie" - ich brauch eindeutig mehr Zeit zum lesen =)
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