Religionskritik ist Intoleranz

Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon ganimed » So 21. Sep 2008, 07:14

Das mit der Statistik klingt auch für mich "plausibel". In England, so eine andere hier genannte Zahl, waren es 93% Atheisten unter den Akademikern.

Mark hat geschrieben:...objektives Denken vermittelt auch ein Gefühl für die Wirkweise der Welt (an sich). Je mehr das Gefühl geprägt wird, desto seltener kommt jemand auf die Idee religiöse Lehren als bare Münze zu nehmen...

Da stimme ich eigentlich zu 100% zu. Übung im objetiven Denken macht den Meister im objektiven Denken.

Aber rein formal kann ich mir schon ein Gegenargument der Gläubigen vorstellen, dass vielleicht auch so ohne weiteres nicht zu entkräften ist. Dass nämlich das ständig objektiv denken betriebsblind machte für Dinge außerhalb des Naturalismus. Dass man eben nicht mehr die 'ganze' Welt und die 'ganze' Wahrheit sähe, sondern nur einen speziellen Teil. Kokolores, sage ich, weil es außer den natürlichen Dingen ja nix gibt. Aber erzähl das mal einem Nicht-Naturalisten.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon El Schwalmo » So 21. Sep 2008, 08:25

Mark hat geschrieben:Warum sollten Menschen die dem methologischen Naturalismus "verpflichtet" sind das weniger reflektieren ?

weil die sich selten Gedanken darüber machen, wo die Grenzen dieses Ansatzes liegen, solange er funktioniert. Ein sicheres Zeichen, dass es nicht 'rund' läuft, ist die Tatsache, wenn man sich bei Philosophen Rat holt. Das passiert ab und an. Vergiss nicht, dass die moderne Wissenschaftstheorie dadurch entstand, dass die Ergebnisse der Quantenmechanik nicht mehr mit der klassischen Denke zu fassen waren.

In den Naturwissenschaften argumentiert 'man' mit dem, was man weiß und schaut nicht auf das, was man nicht weiß. Das bedeutet, dass man auch eine Theorie verwendet, von der man weiß, dass sie falsch ist, solange es keine bessere gibt.

Das ist übrigens der Grund dafür, warum die Einwände von ID Naturwissenschaftler kalt lassen. Dass es offene Fragen gibt, ist sattsam bekannt (und gut so, denn sonst wäre abzusehen, dass Naturwissenschaftler sich neue Jobs suchen müssten). ID sollte also eher daran arbeiten, eine tragfähige Alternative zu formulieren.

Ich könnte mir eine vorstellen: eine 'Theorie der Lücken'. Es müsste gezeigt werden können, dass es prinzipielle Lücken gibt, die sich mit fortschreitender Forschung eher bestätigen als füllen lassen. Das wäre zwar noch lange kein Beweis für ID, aber durchaus eine extrem harte Nuss für Naturalisten. Die Wissenschaftsgeschichte zeigt allerdings, dass es derartige Lücken eben nicht gibt.

Fakt ist aber, dass es unter erstklassigen Naturwissenschaftlern, sogar unter Evolutionsbiologen (der Prozentsatz an Nicht-Theisten ist hier größer als in jeder anderen Disziplin, wenn ich den Statistiken Glauben schenken kann, die Du vermutlich meinst, da es sich um die Wiederholung einer Untersuchung von vor vielen Jahren mit denselben Fragen handelt, wird das vermutlich stimmen) gläubige Christen gab und gibt, zeigt, dass die 'Fronten' nicht so klar sind, wie es beispielweise ein Dawkins vertritt.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon BglBttr » Fr 14. Nov 2008, 21:55

Wirklich saudumm, was die postmoderne 'political correctness' als Teil der Wedge-Agenda harvorgebracht hat. Wir sollten mit Worten so umgehen, wie wir mit Menschen umgehen. Wie schwer ist das?
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon Mark » Di 18. Nov 2008, 14:35

El Schwalmo hat geschrieben:Fakt ist aber, dass es unter erstklassigen Naturwissenschaftlern, sogar unter Evolutionsbiologen (der Prozentsatz an Nicht-Theisten ist hier größer als in jeder anderen Disziplin, wenn ich den Statistiken Glauben schenken kann, die Du vermutlich meinst, da es sich um die Wiederholung einer Untersuchung von vor vielen Jahren mit denselben Fragen handelt, wird das vermutlich stimmen) gläubige Christen gab und gibt, zeigt, dass die 'Fronten' nicht so klar sind, wie es beispielweise ein Dawkins vertritt.


Thema ist ja "Religionskritik ist intoleranz"...
Dabei kann man sich schon über das Wort "Toleranz" totkloppen.
Man sollte jedoch trotzdem mal etwas nachforschen woher diese gläubigen Evolutionsbiologen kommen, und welchen Background die haben.
Es würde mich nicht wundern, wenn diese schon mit der Intention der Evolutionsbiologie von innen heraus einen Gott-Stempel aufzudrücken in das Studium gegangen wären. Man kann sich alles immunisieren und trotzdem immer schön Einsen schreiben in den Klausuren. Bester Beweis : die krankesten Leute sind die Ärzte, die Verrücktesten sind die Psychiater.Man muss ja nicht glauben oder beherzigen was man lernt. Und das Berufsgebiet der Evolutionsbiologie ist eben auch ein Attraktionspunkt für alle selbsternannten Streiter für die Märchen des Herrn. Und ich bin mir sicher : innerhalb der Evolutionsbiologen ist die Front zwischen Theisten und Atheisten gewiss noch klarer und verbissener als in anderen Gruppen :mg:

Es ist aber trotzdem das Gebiet in dem die WENIGSTEN Theisten sich tummeln. Ich glaube keinen einzelnen Stimmen, aber ich bewerte solche statistischen Erkenntnisse durchaus, und es sieht nicht gut aus für die Theisten... gerade in der Gruppe der grössten Experten stellen sie die unbedeutendste Minderheit und müssen sich auf vollkommen untragfähige Argumente stützen, über die der Rest der Welt lacht. Es ist eigentlich depremierend... man muss schon sehr immunisiert sein um die argumentative Impotenz des eigenen Standpunkts nicht wahrzunehmen. Und das macht die Fronten eben sehr klar und deutlich. wissenschaftliche Methode <-> Schwachsinn.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon ostfriese » Di 18. Nov 2008, 20:03

Für das wichtigste Verdienst der säkularen Religionskritik halte ich es eigentlich, jenen Bildungsauftrag anzupacken, vor dem sich viele Theologen drücken: herauszuarbeiten, welche religiösen Claims heute noch vertretbar sind und welche nach allen vernünftigen Maßstäben ins Archiv gehören.

Die Kirchen möchten gern eine große Schar von Gläubigen unter ihrem Dach vereinen, und das klappt naturgemäß am besten, wenn die hohe Geistlichkeit sich konkreter Glaubenssätze entweder enthält oder sie nur an abgehobener Stelle äußert. So fallen Widersprüche am wenigsten auf, und jeder kann sich der Illusion hingeben, sein persönlicher Wohlfühlglauben sei sowohl mit den Überzeugungen der gesamten Kirche als auch mit den Erkenntnissen der Wissenschaft im Einklang.

In dieser Hinsicht ist Religionskritik genau dann geboten, wenn Bildung insgesamt legitimiert ist.

(Ich beziehe mich vor allem auf die Situation in Deutschland, nicht auf den ohnehin gerechtfertigten Widerstand gegen religiösen Fundamentalismus.)
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon gerhard » So 23. Nov 2008, 09:19

ostfriese hat geschrieben:Für das wichtigste Verdienst der säkularen Religionskritik halte ich es eigentlich, jenen Bildungsauftrag anzupacken, vor dem sich viele Theologen drücken: herauszuarbeiten, welche religiösen Claims heute noch vertretbar sind und welche nach allen vernünftigen Maßstäben ins Archiv gehören.




Doch genau das scheint hier nicht zu gelingen, wass dann nur zu sinnloser Rederei führt und derzeitiger Funktstille. Denn jede Denkweise, die "Glaube" in völlig anderer Weise betrachtet, als dies nach alten buchstabengerechten, wundersamen Glaubensvorstellungen und -Praktiken anzunehmen ist, wird als absurd betrachtet.

Ein echt natürlich-wissenschaftlich begründete kreative=schöpferische Sinngebung, die gleichzeitig an den Grund alter Glaubensvorstellungen anknünüpfen will, entsprechende Begriffe gebraucht (was dann als völliger "Bahnhof" verstanden wird) kann in diesem Denken nicht vorkommen.

Dabei erkenne ich selbst bei den Schriftlehrern, dass manche im "neuen Atheismus" eine Art Reinigung ihrer eigenen Vorstellungen sehen.

Doch die Weltbilder auf einen universalen Nenner für Gesetzgläubige, wie aufgeklärtes Denken zu bringen, wie er vor 2000 Jahren war, das scheint nicht möglich. (Schon wieder "Bahnhof"..., weil es doch angeblich damals doch nur um einen wundertätigen Guru ging, der vergottet wurde...griechisch zurechtgebogen. Mit der damals aufgeklärt verstandenen "Weltvernunft", dem griechischen Logos, der aus den Prinzpien der natürlichen Ordnung abgeleitet wurde, hat das dann scheinbar nichts zu tun. Auch wenn sich der Papst darauf beruft, muss dies dann als alte Metaphysik abgetan werden.)

So blättern die Schriftlehrer weiter im Buch, lehren die Evoluitonsbiologen nur rein genegoistische Sinnlosigkeit:
schließt sich eine rationale, reale kreative=schöpferische Vernünftigkeit als Bestimmung/Wort (das einzige was Monotheisten vom geschichtlichen Grund her über einen selbst Unsagbaren wissen können) gegenseitig aus.

Ich geben die Hoffnung auf theologisch-naturwissenschaftliche Glaubensaufklärung
trotz aller oft zu sehenden Intoleranz nicht auf
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon BglBttr » Mi 3. Dez 2008, 00:13

El Schwalmo hat geschrieben:Fakt ist aber, dass es unter erstklassigen Naturwissenschaftlern, sogar unter Evolutionsbiologen (der Prozentsatz an Nicht-Theisten ist hier größer als in jeder anderen Disziplin, wenn ich den Statistiken Glauben schenken kann, die Du vermutlich meinst, da es sich um die Wiederholung einer Untersuchung von vor vielen Jahren mit denselben Fragen handelt, wird das vermutlich stimmen) gläubige Christen gab und gibt, zeigt, dass die 'Fronten' nicht so klar sind, wie es beispielweise ein Dawkins vertritt.

Leider schafft Stochastik keine Fakten sondern beschreibt sie, hoffentlich. Es gibt keine Fronten, nur eine Front. Dawkins ist so wichtig wie die 'Front' der Lederhosen-Verweigerer. Dawkins übt keinen Einfluss wie Rudi Giuliani oder die Mohn-Klique aus.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon El Schwalmo » Mi 3. Dez 2008, 15:33

BglBttr hat geschrieben:Leider schafft Stochastik keine Fakten sondern beschreibt sie, hoffentlich.

hoffentlich.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon lorenz » So 4. Jan 2009, 16:17

Ja, Religionskritik ist Intoleranz. So, wie es Intoleranz ist, wenn ich mich nicht mit Schei... bewerfen lasse, oder wenn ich den Fernseher abdrehe, wenn die da wieder mal unsäglichen Müll senden. Was soll grundsätzlich falsch sein an der Intoleranz? Wenn meine Katze sich übergibt, wenn sie etwas übles gefressen hat, was soll daran falsch sein? Sollen wir etwa all den Müll schlucken, der so auf dem Fluss dahertreibt? Intoleranz ist AUCH eine Sache der Hygiene!
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon Thomas » So 4. Jan 2009, 17:11

Religion zu verbieten wäre intolerant, Religion zu kritisieren nicht.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon lorenz » Di 6. Jan 2009, 12:59

Thomas hat geschrieben:Religion zu verbieten wäre intolerant, Religion zu kritisieren nicht.

Den Begriff "Intoleranz" kann man sicher auch anders definieren, aber der obige Satz beschreibt auch für mich genau die Grenze des Empfehlenswerten.

Zum Thema Toleranz gibt es diesen wunderschönen und erhellenden Beitrag von Gerhard Polt:
http://www.youtube.com/watch?v=QYlSBvns7tw
:kg:
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon ostfriese » Di 6. Jan 2009, 23:27

Im Forum des Mathekalenders entspann sich im Dezember 2008 eine Diskussion über die Frage, ob "verletzte Gefühle" von Gläubigen die Einschränkung von Religionskritik oder -parodien rechtfertigen. Da das MK-Forum spätestens Ende Januar der alljährlichen Komplettlöschung anheim fällt, wollte ich euch noch rechtzeitig darauf aufmerksam gemacht haben. Falls jemand über dortige Beiträge (der Thread hat insgesamt nur drei Seiten) hier weiter diskutieren möchte, möge er sie ohne Namensnennung zitieren.("ostfriese" dürft ihr natürlich auch mit Namensnennung zitieren, er hat es mir eben geflüstert^^...)
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon ganimed » Mi 7. Jan 2009, 19:09

@ostfriese: Eine lehrreiche Diskussion. Vielen Dank für den Hinweis. Wozu Mathematiker doch alles so fähig sind :^^:
Ich hab mir gerade alles durchgelesen und fand es recht spannend. Gute Beiträge von dir, ostfriese. Am besten fand ich die Aussage, dass wenn man mit allgemeinen Regeln und Ansichten weiter kommen will, sie unbedingt intersubjektiv kritisierbar sein müssen. Das hatte ich bisher noch nicht so klar vor Augen.

Beeindruckend, wie genau du deine Koordinaten kennst. Ich meine damit deine Selbsteinordnung, ethisch, ontologisch, methodologisch und politisch. Ich selbst schwimme da noch weitgehend unkoordiniert herum. Naturalist ist klar. Materialist auch, aber was für einer? Da bin ich, durch Myrons Nachhilfeunterrichtsmaterialien angeregt, gerade dabei zu überlegen. Und den Rest kriege ich hoffentlich eines Tages auch noch auf die Reihe.

Spannend fände ich die Frage, inwieweit die Kriterien Ethik, Ontologie, Methodologie und Politik wirklich "orthogonal" sind. Oder anders gefragt: was ist die minimale Menge an Kriterien, um die Weltanschauung einer Person zu definieren?

Und dann weiter gefragt: welche ursächlichen Hauptfaktoren wären wohl für die einzelnen Kriterien zu nennen, aus denen sich die Ausprägung für eine Person ergibt?

Mehr Fragen als Antworten. So muss es wohl sein.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon ostfriese » Do 8. Jan 2009, 18:29

ganimed hat geschrieben:@ostfriese: Eine lehrreiche Diskussion. Vielen Dank für den Hinweis. Wozu Mathematiker doch alles so fähig sind :^^:

Es sind tatsächlich ziemlich fitte Leute, die da unterwegs waren: ein zweimaliger Medaillen-Gewinner der internationalen Mathe-Olympiade, zwei mehrfache Bundessieger beim Bundeswettbewerb Mathematik, ein dreimaliger Erstplatzierter des Känguru-Wettbewerbs aus Österreich...

ganimed hat geschrieben:Spannend fände ich die Frage, inwieweit die Kriterien Ethik, Ontologie, Methodologie und Politik wirklich "orthogonal" sind. Oder anders gefragt: was ist die minimale Menge an Kriterien, um die Weltanschauung einer Person zu definieren?

Ob es zur Selbst- oder Fremdeinordnung hilfreich sein kann, das weltanschauliche Koordinatensystem so aufzuspannen, wie ich es im Mathekalender-Forum versucht habe, ist fraglich. Dem philosophischen Laien wird wahrscheinlich vor lauter "-ismen" der Kopf schwirren (weshalb ich die wichtigsten fett gedruckt habe).

Auslöser meiner Liste war ja die sinngemäße Unterstellung eines Users, Atheisten lebten im weltanschaulichen Vakuum. Um dies zu widerlegen, eignete sich die vierdimensionale Konstruktion allemal besser als die eindimensionale Positionierung bei "minus ziemlich viel" auf der nach oben offenen Gott-Skala.

Damit die anderen wissen, wovon hier die Rede ist, zitiere ich mich mal selbst:

ostfriese hat geschrieben:Auch ich kenne keinen Atheisten, der seine Weltanschauung über den Atheismus definiert, aber das bedeutet selbstverständlich nicht, dass Atheisten keine Weltanschauung oder keine Werte haben.

Was mich betrifft, so bin ich ...

... ethisch: Konsequenzialist, Präferenzutilitarist, evolutionärer Humanist
... ontologisch: hypothetischer Realist, emergentistischer Materialist, Naturalist
... methodologisch: Fallibilist, pankritischer Rationalist
... politisch: Laizist, Säkularist, linksliberaler Grüner

Als pankritischer Rationalist halte ich mich an Occams Rasiermesserprinzip und verzichte auf unkritisierbare, beleglose Behauptungen (Fliegendes Spaghetti-Monster, Russel's teapot, Götter etc.). Vernunftgemäß, nämlich aus pragmatischen Gründen, halte ich solche -- deskriptiv wie explanativ -- entbehrlichen Annahmen so lange für falsch, bis gute Pro-Argumente auftauchen. Bislang Fehlanzeige. Deshalb bin ich kein Agnostiker, sondern A-FSMist, A-teapotist und A-theist.

Meine Weltanschauung (den Naturalismus) darf ebenso jeder kritisieren wie meine Ethik (den evolutionären Humanismus). Ich habe kein Recht, solche Kritik zu unterbinden, indem ich auf verletzte Gefühle verweise.

Sollte es wirklich einen "Gott" geben, den man nicht kritisieren darf, so kann der vermutlich selbst entscheiden, was mit Ungläubigen und Spöttern geschieht. Menschen aber dürfen sich nicht anmaßen, in "seinem" Namen zu sprechen, und sie müssen jede noch so deutliche Kritik hinnehmen. Das einzig legitime Mittel der Auseinandersetzung über weltanschauliche Differenzen sind Argumente.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon stine » Do 8. Jan 2009, 22:51

ostfriese hat geschrieben:Und niemand hat jemals allein aufgrund seiner Religiosität kulturelle Höchstleistungen vollbracht.

Hier könnte man allerdings widersprechen.
Aber ich möchte nicht den Thread hier weiterführen.

LG stine
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon BglBttr » Do 8. Jan 2009, 23:34

stine hat geschrieben:
ostfriese hat geschrieben:Und niemand hat jemals allein aufgrund seiner Religiosität kulturelle Höchstleistungen vollbracht.

Hier könnte man allerdings widersprechen.
Aber ich möchte nicht den Thread hier weiterführen.

LG stine


Widersprechen, Du könntest? Erhelle uns, welche "kulturelle(n) Höchstleistungen" wurden denn durch Religiosität vollbracht, 'allein' oder anteilig? Und reproduzierbar ohne Ansehen der Person bitte.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon stine » Fr 9. Jan 2009, 00:37

Alle christlichen Kathedralen dieser Welt, aber auch Bauwerke anderer Religionen beweisen, dass Kunst sehr oft religiösen Ursprung hatte. Seit Menschen Götter verehren zeigen sie ihre Ehrfurcht oder Freude mit der Gestaltung kunstvoller und edler Kultgegenstände.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon ganimed » Fr 9. Jan 2009, 03:19

Ich summte heute beim spazieren gehen in Gedanken den Choral "Oh Haupt voll Blut und Wunden". Eine tolle Melodie, die sich für eine Wiederverwendung als Pop-Ballade wunderbar eignete. Und alles was von Bach ist, per Definition alle Kirchenmusik, haben wir der Kirche zu verdanken, würde ich sagen. Ein ganzer Haufen an tollen Songs und cooler Instrumentals.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon ostfriese » Fr 9. Jan 2009, 06:54

stine hat mein Zitat aus dem Zusammenhang gerissen, hier nochmal zur Klarstellung:

ostfriese hat geschrieben:Ich bestreite nicht, dass die Kirchen in Europa über Jahrhunderte ein Kulturfördermonopol hatten, dessen Aufkommen im Verhältnis zum Gesamtwirtschaftsvolumen historische Spitzenwerte erreichte. Klöster waren Bildungshochburgen, Kirchengebäude architektonische Höchstleistungen, Deckenfresken die gewaltigsten Gemälde aller Zeiten, Oratorien und Passionen Gipfelpunkte musikalischen Schaffens.

Und weiter unten:

ostfriese hat geschrieben:Meine Behauptung lautet schlicht, dass kultureller Fortschritt immer die Leistung von Philosophen, Wissenschaftlern und Kunstschaffenden war, nicht die ihrer weltlichen oder geistlichen Förderer und Finanziers. Und niemand hat jemals allein aufgrund seiner Religiosität kulturelle Höchstleistungen vollbracht. Dagegen ist mehr als offensichtlich, dass religiöse Dogmen jahrhundertelang für kulturelle Stagnation (und sogar Rückschritte) verantwortlich waren und dies in einigen Ländern noch heute sind.

Kathedralen sind die Leistungen von Architekten und Baumeistern, Choräle die Leistungen von Komponisten und Musikern. Religion war und ist weit davon entfernt, irgendetwas mit Genialität und kulturellem Aufschwung zu tun zu haben. Bachs Musik verdanken wir weder den Kirchen noch seiner Religiosität, sondern in erster Linie seinem musikalischen Talent!
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon ganimed » Fr 9. Jan 2009, 22:54

Bachs Musik ist natürlich seiner Genialität zu verdanken, die eigentlich erstmal nix mit Religion zu tun hat.
Aber ohne Kantorstelle, erbaute Orgeln mit Kirchen drumrum, zugewiesenen Orchestern und einem regelmäßigen Lohn hätte er wohl nicht so produktiv sein können. Wäre möglicherweise sehr ärmlich als Alleinunterhalter in Fußgängerzone und Kneipen getingelt. Die Kirche hat als Organisation das Werk Bachs möglich gemacht. Sie war praktisch Plattenindustrie, Absatzmarkt, Promoter und Produzent in einem.
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