Religionskritik ist Intoleranz

Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon ostfriese » Sa 10. Jan 2009, 11:38

Bach fand einen für seine Produktivität günstigen institutionellen Rahmen vor. Aber der resultierte aus der enormen Machfülle der Kirche, nicht aus irgendwelchen Vorzügen des Christentums.

Gottseidank sind dank Internet die Zeiten endgültig vorbei, in denen die Kulturschaffenden auf Gedeih und Verderb von den Launen monopolistischer Brötchengeber abhingen. :^^:
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon achwas » Sa 10. Jan 2009, 12:03

Man kann z.B. Luther hassen, wie es Nietzsche tat ("o, diese Deutschen"), der in der gleichen Bewegung zähneknirschend anerkannte, es mit einen der größten deutschen Sprachgenies zu tun zu haben. Man kann den Inhalt der Matthäuspassion eines Johann Sebastian Bach zutiefst verabscheuen und sich dabei ertappen, deren Musik hochzuschätzen, dann einen Augenblick darüber staunen um sich schließlich damit zu trösten, dass das Eine mit dem Anderen nichts zu tun habe - nämlich die Ausführung mit dem Ausgeführten. Bach würde mit großer Wahrscheinlichkeit und mit noch größerem Fuor widersprechen. Mich dünkt, mit Recht. Kunst, dieser Dimension, entsteht wohl nicht allein durch vollendetes rein technisches Vermögen, sondern gründet in Zusammenhängen, deren Komplexität sich monokausaler Erklärungsmuster entzieht.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon ganimed » Sa 10. Jan 2009, 13:34

Wollte ich auch gerade sagen. Ich würde es Inspiration nennen. Bach war ja wohl ziemlich gläubig und so. Sicher auch ein Faktor, um musikalisch ab und an wirklich was Tolles auf die Beine zu stellen. Insofern wäre neben dem institutionellen Rahmen auch der religiöse Inhalt und seine Wirkung auf Motiviation und Restpsyche des Maestros wichtig gewesen. Lassen wir doch dem Christentum diesen einen Pluspunkt.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon achwas » Sa 10. Jan 2009, 13:52

Das Christentum braucht diesen Pluspunkt gar nicht - einzelne Christen ihn durchaus; allerdings wären das solche, die in sich selbst verunsichert sind. Was bedeutet das wohl, wenn ich das, das ich als das "Meine" glaube, von irgendwelchen genialen Autoritäten legitimieren ließe? Doch wohl, es bei sich selbst nicht als genügend zu empfinden.
Der Christ, der der christlichen Hochkultur bedarf, ist als Christ ebenso fragil wie der bekennende Nichtchrist, der für sein Nichtchristentum ständig allgemein anerkannter Zeugen bedarf, kommen nun aus der Wissenschaft oder sonst woher...
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon ganimed » Sa 10. Jan 2009, 15:47

Kann es in solch komplexen Informationszeitalterzeiten wie diesen überhaupt Leute geben, die sich ihres Standpunktes derart gewiss wären, dass sie keinerlei Pluspunkte mehr bedürften? Wenn man bedenkt, wie viele verschiedene Quellen es heutzutage gibt, alle sagen ein wenig was anderes. Wie könnte da jemand ein so sattelfester Christ sein, dass es ihm egal wäre, ob seine kirchliche Tradition jemals irgendwas Gutes hervorgebracht hätte? Wäre ein derart selbstzufriedener, selbstsicherer Mensch nicht eher blinder Ignoranz gegnüber jedem Zweifel zu verdächtigen? Die Sachlage gibt jedenfalls keine völlige Selbstsicherheit her, nicht mal für uns Naturalisten.

Und unabhängig von den Nöten irgendwelcher Christen, die dies hier sowieso nie lesen, kann es uns Religionskritikern ja ebenfalls nicht völlig egal sein, ob wir ideologisch, mechanisch oder automatisch aber auch jedes kleinste Positivum an der Kirche wegdiskutieren wollen oder ob wir sachlich genug bleiben, um "Ehre wem Ehre gebührt" auch gegenüber dem Weltanschauungsgegenüber zu pflegen.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon achwas » Sa 10. Jan 2009, 17:16

Zwischen historischen Bewußtsein und Selbstbewußtsein lässt sich durchaus unterscheiden -seien die Grenzen zwischen beiden noch so fließend. Die Wahrheit einer Weltanschauung sollte doch zu allererst in der eigenen Person verhandelt werden; gut, das geht nicht ohne Außenblick: mir das Eigne, das auch stets das Angeeignete ist, zu versichern in Reflexion auf die, denen es ähnlich ist oder war - klar! Indes, wer allein auf Zeugen angewiesen ist, der steht für sich selbst arm da.

Übrigends wurde hier, ich zitiere, von "diesen einen Pluspunkt" geredet, wohl im Sinne von diesen einzigen der dem Christentum zu lassen sei. Eben in dieser gönnerhaften Geste, wird es der Kultur, die ihm durchaus zu verdanken ist, untergeordnet.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon ostfriese » Sa 10. Jan 2009, 17:39

ganimed hat geschrieben:Ich würde es Inspiration nennen. Bach war ja wohl ziemlich gläubig und so. Sicher auch ein Faktor, um musikalisch ab und an wirklich was Tolles auf die Beine zu stellen. Insofern wäre neben dem institutionellen Rahmen auch der religiöse Inhalt und seine Wirkung auf Motiviation und Restpsyche des Maestros wichtig gewesen. Lassen wir doch dem Christentum diesen einen Pluspunkt.

Würde ich, wenn es wirklich so wäre, wie Du schreibst. ;-)

Doch es existiert nicht der geringste belastbare Hinweis darauf, dass Religiosität irgendeinen Einfluss auf die Schaffensfreude von Menschen hat. Um das Gegenteil zu belegen, darf man sich gerade NICHT in einer Zeit umschauen, in der so ziemlich ALLE Menschen gläubig waren und daher kein Vergleich möglich ist mit dem, was Ungläubige unter ähnlich günstigen Rahmenbedingungen zustande gebracht hätten.

Viel klarer sieht man, wenn man die kulturellen Leistungen von Menschen in unserer "atheistisch-agnostisch-theistisch-gemischten" Zeit betrachtet. Ich erkenne beim besten Willen nicht, dass Religiöse unserer Zeit in irgendeiner Hinsicht inspirierter zu Werke gingen als Nichtreligiöse. Möchte denn heute keiner mehr seinem Gott huldigen, indem er ihm einen Tempel errichtet, gigantischer als jeder weltliche Bau? Oder liegt es vielleicht doch eher am fehlenden Geld, dass dies nicht passiert? Woraus dann aber bitteschön zu folgern ist, dass der Hauptgrund für grandiose Kathedralen stets die Macht der Kirchen war und nicht die religiöse Inspiration der Baumeister.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon stine » Sa 10. Jan 2009, 18:01

Vielleicht ist christliche Kunst heute auch etwas kommerzieller
geworden...

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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon achwas » Sa 10. Jan 2009, 19:10

Na, Stine, dieser link zeigt aber keine christliche Kunst, viel eher christlichen Kitsch...den gibt's auch schon ewig.

Was die Gegenwartskunst betriftt, die verweigert sich wohl grundsätzlich irgendwelchen Bekenntnissen; einst, in den fernen Tagen des XX. Jahrhunderts, gab es 'mal einen Futurismus oder eine marxistisch motivierte Agitationskunst und das war's dann schon weitgehend. Kunst will sich nicht mehr unterwerfen, versteht sich nicht als Dienerin von wasweißich..
Künstler setzen sich aber ( wie könnte es auch anders sein) durchaus auseinander - mit den Phänomenen der Welt; auch mit der Religion, auch mit dem Christentum, das mithin in sehr merkwürdigen Gestalten erscheint, bei Joseph Beuys etwa Hand in Hand mit dem Schamanismus, oder der Komponist Karl Heinz Stockhausen, der schien der letzte Vertreter der Gnosis zu sein, hatte zumindest eine sehr lange religiöse Phase
Das alles kann ich für verrückt halten, läuft aber unter dem Sammelbegriff "Kunst", und wird darunter auch in Zukunft laufen.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon stine » Sa 10. Jan 2009, 20:39

Das war leider alles, was ich auf die Schnelle unter "moderne christliche Kunst" ergoogln konnte. :mg:

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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon ganimed » So 11. Jan 2009, 01:34

ostfriese hat geschrieben:Doch es existiert nicht der geringste belastbare Hinweis darauf, dass Religiosität irgendeinen Einfluss auf die Schaffensfreude von Menschen hat.

Heißt es nicht an vielen Stellen bei den Christen: "ich will den Herren droben hier loben auf der Erd" und so ähnlich. In religiöser Verzückung entsteht doch das dringende Bedürfnis, den eigenen tiefen Gefühlen Gott gegenüber einen Ausdruck zu verleihen. Und genau das ist die Riesenextraportion Motivation, die einen Künstler dazu treibt, sich und seine Gefühle auszudrücken. Im Falle Bachs mit wundervoller Musik.

Wie logisch ist es denn, zu behaupten, dass Religion niemals und zu keiner Zeit irgendeinen Einfluss auf die Schaffensfreude von Menschern hatte? Religion verändert doch offenbar Sichtweisen, Verhaltensweisen, Denkweisen, Gefühle. Und du willst dennoch mit dieser Sicherheit ausschließen, dass das jemals Einfluss auf andere Teile der Psyche hatte (in diesem Falle die Schaffensfreude)? In meinen Ohren klingt diese absolute Verneinung völlig unrealistisch und einseitig.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon ganimed » So 11. Jan 2009, 01:49

achwas hat geschrieben:Übrigends wurde hier, ich zitiere, von "diesen einen Pluspunkt" geredet, wohl im Sinne von diesen einzigen der dem Christentum zu lassen sei.

Ich meine, dem Christentum sind noch einige weitere Pluspunkte zu lassen. Aber von dir, ostfriese und anderen "Religionskritikern" hier im Forum habe ich manchmal den Eindruck, als würdet ihr konsequent jeden Pluspunkt verweigern wollen. Ich bin mir nicht sicher, woran das liegen könnte. Ist es Übereifer in der Auseinandersetzung mit dem Andersdenkenden? Ist es einfach nur ausreichend angehäufter Hass auf die Religionen? Ich hatte jedenfalls auch schon eine längere Diskussion mit "sapere aude", der sich ebenfalls nicht überwinden konnte, auch nur ein Beispiel anzuerkennen, wo aus Religion etwas Gutes erwachsen sei bzw. Menschen zu besseren Menschen würden.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon Mark » So 11. Jan 2009, 02:14

Um beim Thema zu bleiben : Wer empfindet denn mehrheitlich (als Weltanschauungsgruppe) Religionskritik als Ausdruck der Intoleranz der Kritiker ?
Doch sicher nicht die Naturalisten... Die haben ihre eigene Vorstellung von "Intoleranz". Aber das ist ja nicht das einzige anführbare Beispiel einer Diskrepanz der jeweiligen Moralorstellungen der Weltanschauungsgruppen...
Oder gibt es ein Gesetz sich bei der Verwendung von Begriffen auf eine einheitliche Definition beziehen zu müssen oder aber ein eigenes Wort dafür zu entwickeln was man eigentlich meint ? Das wäre vielleicht ein Segen für alle ;-)
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon ganimed » So 11. Jan 2009, 09:35

@Mark: wenn ich dich richtig verstehe, lässt du also einen Vorwurf der Intoleranz an Naturalisten nicht zu? Weil dieser Vorwurf offenbar von Gläubigen käme und weil diese dabei den Begriff Intoleranz verdreht hätten?
Wenn das stimmen würde, hielte ich das aber nicht für sehr stichhaltig. Wenn man dem Gegner die Fähigkeit abspricht, Begriffe richtig zu verwenden, riecht es zumindest erstmal nach billiger Taktik um sich ohne wirkliche Argumente gegen die Kritik verwahren zu können.

Ich sehe mich als Naturalist und habe hier im Thread einiges dazugelernt. Am meisten gesessen hat der Hinweis, dass jede Kritik immer intolerant ist. Eigentlich logisch. Somit muss ich meinen ursprünglichen "Vorwurf" an der hier im Forum enthaltenen Religionskritik korregieren bzw. präzisieren.

Religionskritik kann und muss intolerant gegenüber einzelnen Aspekten, Auswüchsen und nicht hinnehmbaren Formen von Religion und Religionsausübung sein. Zu weit ginge mir jedoch eine pauschale, generelle Kritik, die der Gegenseite sozusagen ihre Berechtigung abspricht, teilweise ihre geistige Gesundheit in Zweifel zieht und die gesamte Gegenseite als eigentlich nicht hinnehmbar darstellt.

"Übergriffe", Missionierungsversuche und Machtausübung auf Nichtgläubige seitens der Kriche sollten wir uns verbitten. Aber was ich sehr vermisse ist, ansonsten friedlich koexistieren zu wollen und abgesehen von diesen "invasiven" Tendenzen den Gläubigen ihren Glauben zu lassen, eingedenk auch des Restzweifels, den man ja immer an der eigenen Position haben muss. Sozusagen nach dem Motto: wahrscheinlich ist es nicht, aber die Andersdenkenden könnten ja vielleicht doch recht haben.

Vielleicht müsste ich meinen Vorwurf also umformulieren in etwa so: Die hier manchmal vorzufindene Tendenz zu pauschaler, umfassender Religionskritik finde ich zu intolerant!
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon stine » So 11. Jan 2009, 12:26

ganimed hat geschrieben:Ich bin mir nicht sicher, woran das liegen könnte. Ist es Übereifer in der Auseinandersetzung mit dem Andersdenkenden? Ist es einfach nur ausreichend angehäufter Hass auf die Religionen?

Vielleicht ist das wie mit den Ex-Rauchern und den Ex-Alkoholikern: Nur wer damit schon belastet war, muß sich vehement wehren.
Jemand der nie geraucht oder getrunken hat kann der Zigarette oder dem Alkohol ziemlich neutral gegenüberstehen.

Denke ich. LG stine
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon ostfriese » So 11. Jan 2009, 14:25

ganimed hat geschrieben:In religiöser Verzückung entsteht doch das dringende Bedürfnis, den eigenen tiefen Gefühlen Gott gegenüber einen Ausdruck zu verleihen. Und genau das ist die Riesenextraportion Motivation, die einen Künstler dazu treibt, sich und seine Gefühle auszudrücken.

Eine völlig beleglose Behauptung. Ich habe begründet, warum wir über diesen von Dir behaupteten Zusammenhang nur Klarheit gewinnen können, wenn wir nicht Bachs Zeit anschauen sondern unsere. Zeig mir, an welchen kulturellen Schöpfungen unserer Zeit eine besondere Inspiration von Gläubigen abzulesen sein soll! Dann zeige ich Dir sofort welche, die qualitativ vergleichbar und ohne jede religiöse Inspiration entstanden sind. Korrelationskoeffizient zero!

ganimed hat geschrieben:Wie logisch ist es denn, zu behaupten, dass Religion niemals und zu keiner Zeit irgendeinen Einfluss auf die Schaffensfreude von Menschern hatte? Religion verändert doch offenbar Sichtweisen, Verhaltensweisen, Denkweisen, Gefühle. Und du willst dennoch mit dieser Sicherheit ausschließen, dass das jemals Einfluss auf andere Teile der Psyche hatte (in diesem Falle die Schaffensfreude)? In meinen Ohren klingt diese absolute Verneinung völlig unrealistisch und einseitig.

O.k., ich gebe zu, dass Religiosität einen stark negativen Einfluss auf die Gedankenfreiheit, die Handlungsspielräume und die Kreativität von Menschen haben kann. Insofern vermag sie unter Umständen die kulturelle Schaffenskraft von Menschen empfindlich zu mindern.

Zufrieden? :kg:

Hiermit sollte klar sein, dass Du meinen Satz gründlich missverstanden hast. Ich meinte ausschließlich direkte, nicht indirekte Folgen von Religion. Es gibt jene 'religiöse Inspiration' nicht, aus der eine höhere Wahrscheinlichkeit qualitätsvollen* Kulturschaffens direkt entspränge!

*Ich spreche nicht vom Aufstellen kitschiger Figürchen vor dem Heimaltar...


Edit, nach dem Weiterlesen: Es ist schlechter Stil, ad hominem mit der Intoleranz-Keule zu schwingen, sobald eine missfällige Kritik deutlich genug ausfällt (und dann noch nach Erklärungen für diese Fehldiagnose zu suchen...). Bleibt bitte bei Argumenten! Eine Position wird nicht schon dadurch falsch, dass ihr Vertreter sich weigert, sie bar jedes entkräftenden Gegenarguments zu relativieren.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon lorenz » So 11. Jan 2009, 17:03

ganimed hat geschrieben:In religiöser Verzückung entsteht doch das dringende Bedürfnis, den eigenen tiefen Gefühlen Gott gegenüber einen Ausdruck zu verleihen. Und genau das ist die Riesenextraportion Motivation, die einen Künstler dazu treibt, sich und seine Gefühle auszudrücken.

Da entstehen dann solche Sachen:
http://www.youtube.com/watch?v=f-08ULIs ... re=related
Oder solche schmalzigen Texte:
    Nur so wie du, Herr Jesu möcht ich werden,
    so fromm und rein, so sanft und mild gesinnt.
    nicht trachten nach den Dingen dieser Erden,
    nur sein, ein treu gehorsam Gotteskind.

    Nur so wie du, Herr Jesu möcht ich leben,
    will Fremdling sein in dieser argen Welt.
    nicht mir der Menschen Gunst und Lob erstreben,
    nur tun, was deinem herzen wohl gefällt.

    Nur so wie du, Herr Jesu, möcht ich scheiden,
    als Überwinder dieser Welt entfliehn,
    wie du, Herr Jesu, möcht nach allen Leiden
    in sel´gem Frieden ich zum Vater zieh´n.

Eins steht fest: Kunst geht nach Brot! Da, wo die reichen Auftraggeber sitzen, dahin musste die Kunst sich (leider) oftmals wenden. Das waren eben in früheren zeiten die Kirche, der Adel, später die reiche Bürgerschicht, usw... Auch unter den Nazis war das ähnlich. Aber ob es dem Lob der Nazis dienen soll, wenn die den einen oder anderen guten Künstler bezahlt haben? Für die Kirchen gilt im Prinzip dasselbe. Kunst diente auch oft der Suggestion von Glaubwürdigkeit, spätestens ab da wird es mehr als fraglich. Es ist wohl keine Frage, dass gerade religiöse Kunst zu einem hohen Anteil Propagandamittel war und ist.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon ostfriese » So 11. Jan 2009, 18:07

So, jetzt nochmal etwas ausführlicher:

ganimed hat geschrieben:Aber von dir, ostfriese und anderen "Religionskritikern" hier im Forum habe ich manchmal den Eindruck, als würdet ihr konsequent jeden Pluspunkt verweigern wollen.

Mit Verweigerung hat das nichts zu tun. Wenn irgendjemand mir ein plausibles Argument nennen könnte dafür, dass Religion irgendetwas leisten kann, das Philosophie, Kunst und Wissenschaft auch gemeinsam nicht vermögen, dann wäre ich sofort bereit, meine Ansichten zu Religionen zu überdenken. Ich kann nichts dafür, dass ein solches Argument bislang von niemandem auf Erden gefunden wurde.

ganimed hat geschrieben:Ich bin mir nicht sicher, woran das liegen könnte. Ist es Übereifer in der Auseinandersetzung mit dem Andersdenkenden?

Den geb ich Dir ungefiltert zurück: Ich habe Deine Behauptungen sorgfältig widerlegt bzw. ihre Irrelevanz gezeigt, und Du siehst immer noch nicht ein, dass ich recht habe. Ist es Dein Übereifer?

ganimed hat geschrieben:Ist es einfach nur ausreichend angehäufter Hass auf die Religionen?

Ich fühle keinen "Hass auf Religionen", schon gar nicht auf religiöse Menschen. Was mich antreibt, ist Sorge über die Gefährdung von mühsam errungenen Freiheitsrechten durch das Wiedererstarken religiös-fundamentalistischer Strömungen (global) sowie über die weitgehend passive Haltung gemäßigt religiöser Menschen zu diesem beängstigenden Phänomen (bzw. vermehrt sogar die Parteinahme gegen die bösen 'Neuen Atheisten').

ganimed hat geschrieben:Ich hatte jedenfalls auch schon eine längere Diskussion mit "sapere aude", der sich ebenfalls nicht überwinden konnte, auch nur ein Beispiel anzuerkennen, wo aus Religion etwas Gutes erwachsen sei bzw. Menschen zu besseren Menschen würden.

Und wenn jemand Deine "Beispiele" nicht anerkennt, ist er intolerant? ganimed, Du verlässt hier die Ebene der sachlichen Argumentation und gehst argumentfrei ad hominem. Das fällt aber nicht auf sapere aude oder mich zurück, sondern auf Dich. In der Regel greift zuerst derjenige Diskutant zu unfairen Mitteln, der mit dem unterlegenen geistigen Material am Start ist...
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon ostfriese » So 11. Jan 2009, 18:33

Noch eine allgemeine Bemerkung: Einige hier scheinen zu glauben, dass sie sich bereits dadurch als geistig besonders flexibel oder als Skeptiker auszeichnen, dass sie zwischen den in einer Diskussion vertretenen Extrempositionen jeweils die ungefähre Mitte beziehen oder umkreisen.

Doch diese Attitüde hat mit Freidenkertum herzlich wenig zu tun. Im Streit zwischen Galilei und der RKK war nicht irgendein hypothetischer Vermittler der Freidenker, sondern einzig Galilei als Vertreter der vermeintlichen Extremposition. Manchmal liegt die Wahrheit weit jenseits der political correctness, und wer in solchen Fällen an 'bewährten' (=bewehrten) Positionen klebt, weil nicht sein kann, was nicht sein darf, der ist so ziemlich das Gegenteil eines Freidenkers. Dies nur als Denkanstoß...
Zuletzt geändert von ostfriese am So 11. Jan 2009, 18:34, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon lorenz » So 11. Jan 2009, 18:34

ganimed hat geschrieben:ein Beispiel anzuerkennen, wo aus Religion etwas Gutes erwachsen sei bzw. Menschen zu besseren Menschen würden

Wenn aus X etwas Gutes erwachsen kann, dann heißt das noch lange nicht, dass X deshalb zu loben ist. Es kann nämlich auch aus etwas Schlechtem etwas Gutes erwachsen. Aus dem (schlechten) Faschismus ist so manches Gutes erwachsen, und wenn es auch nur das schlechte Beispiel wäre, aus dem wir heute noch so viel lernen können. Letzteres ist ungeheuer wertvoll.

Diese Borgias um 15hundertzerquetschte, die da so die ital. Kunst befördert haben (da Vinci und andere) waren die allerletzten Schweinebacken. Ein heutiger Mafia-König ist ein Waisenknabe gegen die. Soll man jetzt sagen: Die Borgias waren tolle Burschen, nur weil da Vinci ohne sie nicht hätte "künstlerisch aufblühen" können? Dasselbe gilt für die Kirche und andere Institute, die auf solche Weise die Kunst angefeuert haben.
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