Ursprung des Glaubens

Re: Ursprung des Glaubens

Beitragvon tertz » Sa 5. Apr 2008, 11:00

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Das ist schwer zu begreifen für einen wissenschaftlichen Menschen, der seine Erfahrungmöglichkeiten so sehr auf eine saubere Subjekt-Objekt-Trennung getrimmt hat - man kann allenfalls mit voll entbrannter sexueller Lust vergleichen, bei der bekanntlich gewisse analytische Hirnfunktionen außer Kraft gesetzt sind...


Und diese Geisterverfassung eignet sich, um zu verläßlichen Ergebnissen bei der Interpretation seiner Umwelt zu gelangen?
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Re: Ursprung des Glaubens

Beitragvon tertz » Sa 5. Apr 2008, 11:59

Fisherman's Fellow hat geschrieben: Du sprichst oben von Gottesvorstellungen - dh von ägyptischen, germanischen, etc. An die glaube zumindest ich schon mal überhaupt nicht, auch wenn ich mich selbst als gläubigern Christen einstufe.
Es geht ja nicht darum (wie viele Nichtgläubige fälschlicherweise denken), sich irgendeine Vorstellung zusammenzureimen um sich dann vor ihr niederzuwerfen und sich so aus der Selbstverantwortung zu drücken. Das wäre albern und kindisch.

Ich glaub, das ist ein Mißverständnis. "Zufällig" bedeutet nicht "zufällig zusammengereimt", sondern "zufällig in einen bestimmten religiösen Kulturkreis hineingeboren". Wäre ich als Kind muslimischer Eltern in Teheran geboren und aufgewachsen, wäre ich sicher Moslem. Wäre ich im hellenischen Athen geboren und aufgewachsen, würde ich zu Zeus und Apollo beten. Wahrscheinlich sogar: Wäre meine Eltern Atheisten gewesen und hätten mich zur kritischen Auseinandersetzung mit Religionen und zur Ablehnung irrationaler Thesen ermutigt, wäre ich ohne Umwege Atheist geworden.
Fisherman's Fellow hat geschrieben:Ist Glaube zufällig?

In aller Regel: ja. Der Gläubige glaubt die Weltanschauung desjenigen Kulturkreises, in den er zufällig hineingeboren wurde.
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Re: Ursprung des Glaubens

Beitragvon tertz » Sa 5. Apr 2008, 12:22

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Ist Glaube irrational?


Ja.
irrational = verstandesmäßig nicht faßbar.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Ich finde, dass Glaube rationaler ist als eine agnostische Rationalität, denn diese muss das Denken irgendwann einstellen, weil sie ihre eigenen Wurzeln nicht erkennen kann und zugleich nicht bereit ist, den Versuch zu unternehmen, diese auf andere als auf empirisch-rationale Weise zu ergründen.


Bitte nicht einfach Begriffe verdrehen. Die Entscheidung zum Glauben mag Dir rational erscheinen (mir nicht), aber der Glaube selber ist es auf keinen Fall.
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Re: Ursprung des Glaubens

Beitragvon Fisherman's Fellow » Sa 5. Apr 2008, 13:04

tertz hat geschrieben:Und diese Geisterverfassung eignet sich, um zu verläßlichen Ergebnissen bei der Interpretation seiner Umwelt zu gelangen?


"Man kennt einen Mann erst, nachdem man mit ihm im Bett war" - sagte das nicht die BB?

Die Neurophysiologie verrät uns, dass Menschen gerade auch dann sehr viel lernen, wenn sie sich nicht gerade mit Bimsen und Experimentieren befassen.
Worauf ich aber hinaus will, sind ganzheitliche, wesentliche Erfahrungen, also solche, bei denen nicht zwischen dem gerade erlebten Spezialfall und allgemeinen Fällen unterschieden wird.
Der erste Sex liefert zB die unglaublich wichtige Erfahrung: Ich kanns! Ich habs getan! Und diese Erfahrung ist für den Betreffenden viel verlässlicher und wichtiger wie die welterschütternde und noch nach Millionen Jahren spürbare Explosion der Supernova N9-8864: Denn diese Erfahrung hat Bedeutung, während der anderen Beobachtung eine solche erst verliehen werden muss.

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Definitionsfrag "zufällig"

Beitragvon Fisherman's Fellow » Sa 5. Apr 2008, 13:10

tertz hat geschrieben:Ich glaub, das ist ein Mißverständnis. "Zufällig" bedeutet nicht "zufällig zusammengereimt", sondern "zufällig in einen bestimmten religiösen Kulturkreis hineingeboren".

Ich denke, der Ausdruck "Zufall" lässt sich in diesem Zusammenhang nicht halten.
Weder vom christlich-religiösen noch vom naturalistischen Standpunkt aus betrachtet.

Im christlichen Kontext gilt, dass alle Haare auf dem Haupt gezählt sind und Gott einen schon kennt, bevor er ihn auf die Lebensreise schickt.

Im naturalistischen Kontext gilt, dass der Mensch kein Produkt des Zufalls, sondern dessen ist, was beim Zeugungsakt geschieht.
IMHO impliziert der Ausdruck "Zufall" eine Idee von der Menschenseele, die "zufällig" auf die Erde geschmissen wird und in einem Menschenkörper landet. Das ist pure Metaphysik.

tertz hat geschrieben:Wäre ich als Kind muslimischer Eltern in Teheran geboren und aufgewachsen, wäre ich sicher Moslem. Wäre ich im hellenischen Athen geboren und aufgewachsen, würde ich zu Zeus und Apollo beten. Wahrscheinlich sogar: Wäre meine Eltern Atheisten gewesen und hätten mich zur kritischen Auseinandersetzung mit Religionen und zur Ablehnung irrationaler Thesen ermutigt, wäre ich ohne Umwege Atheist geworden.

Wahrscheinlich, aber gerade weil man das annehmen darf, ist Zufall auszuschließen.

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Re: Ursprung des Glaubens

Beitragvon tertz » Sa 5. Apr 2008, 13:18

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Ist Glaube irrational?
Ich finde, dass Glaube rationaler ist als eine agnostische Rationalität, denn diese muss das Denken irgendwann einstellen, weil sie ihre eigenen Wurzeln nicht erkennen kann und zugleich nicht bereit ist, den Versuch zu unternehmen, diese auf andere als auf empirisch-rationale Weise zu ergründen.
Das ist für mich Irrationalität par excellence: Ich halte krampfhaft an meiner Methode fest, weil ich sie für den Stein der Weisen halte, obwohl es ganz offensichtlich ist, dass sie bestimmte Fragen nicht beantworten kann: Lieber suche ich ergebnislos dreitausend Tage im Tal, als dass ich einmal auf den Berg steige.


Offenbar hältst Du Rationalität für die bessere Alternative, wenn es darum geht, die "eigenen Wurzeln" zu ergründen. Irrationalität scheinste nich so doll zu finden. Find ich auch. Gib Dich doch nicht mit der schlechteren Alternative zufrieden. Zu Postulieren, ein Phänomen läge außerhalb rational zugänglicher Möglichkeiten (weil eine befriedigende rationale Antwort für den Moment noch aussteht) heißt die schlechtere der Alternativen zu wählen. Dein Verstand funktioniert besser als Du ihm zutraust ;)
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Glaube irrational?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Sa 5. Apr 2008, 13:20

tertz hat geschrieben:Ja.
irrational = verstandesmäßig nicht faßbar.

Was verstehst Du denn unter Verstand? Etwa den winzigen Ausschnitt, den man als Methode naturwissenschaftlichen Denkens ansieht?
Glaubst Du, dass die 99,8% deiner Vorfahren, die es schafften, Deine Existenz vorzubereiten, ohne Sinn und Verstand über die Erde torkelten?
So kann man den Begriff "Verstand" nicht engführen.

tertz hat geschrieben:Bitte nicht einfach Begriffe verdrehen. Die Entscheidung zum Glauben mag Dir rational erscheinen (mir nicht), aber der Glaube selber ist es auf keinen Fall.

Da Du Deine Aussage nicht begründet hast, halte ich einfach mal dagegen:
1. Du kannst (als Nicht-Glaubender) überhaupt nicht beurteilen, wie rational Glaube ist.
2. Selbst wenn Du ein Glaubender wärst, könntest Du keine verlässliche ontologische Aussage darüber machen, was Glaube selber/an sich ist.

Um die Sache konstruktiv anzugehen, müssten wir uns zuerst darauf verständigen, was wir unter Glaube verstehen.
Sonst hat es wenig Sinn, irgendwelche unbegründete Seinsaussagen in die Welt zu streuen.

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Re: Ursprung des Glaubens

Beitragvon Fisherman's Fellow » Sa 5. Apr 2008, 13:26

tertz hat geschrieben:Offenbar hältst Du Rationalität für die bessere Alternative, wenn es darum geht, die "eigenen Wurzeln" zu ergründen.

Nur bedingt. Ich bin "zufällig" in eine rationale Schule gegangen, wo immer ich mich in Ausbildung befand. Insofern fühle ich mich mit ihr ganz wohl.
Aber das Leben ist leider irgendwie irrational. Es ist so ähnlich wie mit den Zahlen. Der rationale Zahlenraum beschreibt nur einen kleinen Ausschnitt des Ganzen.

tertz hat geschrieben:Zu Postulieren, ein Phänomen läge außerhalb rational zugänglicher Möglichkeiten (weil eine befriedigende rationale Antwort für den Moment noch aussteht) heißt die schlechtere der Alternativen zu wählen.

Gibt es zu diesem Postulat noch andere Alternativen als den Glauben oder den, das Denken einzustellen?

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Re: Ursprung des Glaubens

Beitragvon Telos » Sa 5. Apr 2008, 15:00

200motels hat geschrieben:Erhalten mittels Flaschenpost auf http://www.bottlemail.de

6 Faktoren lassen Gott im menschlichen Gehirn entstehen:

1. Unablässige Gehirnwäsche der Eltern und der Schulen, die dem Kind erzählen es gäbe einen Gott.


Falsch. Sozialisation ist nicht mit Gehirnwäsche gleichzusetzen.

2. Fehlendes Physikalisches Grundwissen (erste Lebenshälfte).


Falsch, weil alter Irrtum aus überholten Materialismus-Zeiten: Physik killt nicht Metaphysik.

3. Die Angst vor dem Tod, verbunden mit dem Wunsch nach einem Leben "danach" (zweite Lebenshälfte).


Möglich. Positiv : Die Kraft des Menschen, das Wissen um seine Endlichkeit positiv-konstruktiv zu deuten.

4. Literatur, Medien, Geschichten und Gehirnwäsche von anderen Menschen.


Falsch. Sozialisation ist nicht mit Gehirnwäsche gleichzusetzen

5. Erscheinungen die das Gehirn erfindet.


Unfug. Die Gehirnforschung stützt diese Aussage keineswegs.

6. Die Sehnsucht nach einer höheren Ordnung in einem beschissenem bzw. langweiligem Leben


Möglich. Positiv: Des Menschen Kraft, positive Strategien zu entwickeln.






Bild

erhalten mittels Flaschenpost auf http://www.bottlemail.de
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Re: Ursprung des Glaubens

Beitragvon Fisherman's Fellow » Sa 5. Apr 2008, 15:22

Telos hat geschrieben:
200motels hat geschrieben:Erhalten mittels Flaschenpost auf http://www.bottlemail.de

6 Faktoren lassen Gott im menschlichen Gehirn entstehen:

An dieser Stelle sollte man besser anstelle von Polemik Klarheit walten lassen und anstelle von Gott von Gottesvorstellungen sprechen.
Ich bin sicher: Keiner von uns glaubt, dass Gott im menschlichen Hirn entsteht.

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Re: Glaube irrational?

Beitragvon emporda » So 6. Apr 2008, 09:14

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Da Du Deine Aussage nicht begründet hast, halte ich einfach mal dagegen:
1. Du kannst (als Nicht-Glaubender) überhaupt nicht beurteilen, wie rational Glaube ist.
2. Selbst wenn Du ein Glaubender wärst, könntest Du keine verlässliche ontologische Aussage darüber machen, was Glaube selber/an sich

Dazu paßt ideal ein Satz aus dem hpd von Andreas Müller

In der Tat ist es unfassbar, dass noch immer Menschen an Gott glauben. Die allgemeine Gottes-Unfassbarkeit, die unter Theologen verbreitet ist, hat ihren Ursprung meist in deren Unwillen, etwas Konkretes über Gott auszusagen. Würden sie das, käme schnell ans Licht, dass an ihrem Gott nicht viel dran ist. Oder sie wissen selbst nicht mehr, was sie eigentlich glauben. So ist Gott, der einstige Schwarzenegger der Wolken, nur noch ein „Sein im Seienden“, oder das „Eine, das ist“, oder das Absolute, das so absolut ist, dass es niemand anständig definieren kann. Oder das Gute, aber nicht das Gute selbst, sondern das Gute, das über uns ist, oder, wie Christopher Hitchens es ausdrückte: „Weißes Rauschen.“
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Re: Glaube irrational?

Beitragvon stine » So 6. Apr 2008, 11:19

emporda hat geschrieben:
Andreas Müller hat geschrieben:So ist Gott...nur noch ein „Sein im Seienden“, oder das „Eine, das ist“, oder das Absolute, das so absolut ist, dass es niemand anständig definieren kann. Oder das Gute, aber nicht das Gute selbst, sondern das Gute, das über uns ist, oder, wie Christopher Hitchens es ausdrückte: „Weißes Rauschen.“

Na also, ihr wisst es doch! :^^:

LG stine
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Re: Glaube irrational?

Beitragvon emporda » So 6. Apr 2008, 13:24

stine hat geschrieben:Na also, ihr wisst es doch! :LG stine
Klar, Du hast nur noch weißes Rauschen im Kopf, wie ein kaputtes Radio - arme Stine
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Re: Glaube irrational?

Beitragvon Telos » So 6. Apr 2008, 13:37

emporda hat geschrieben: In der Tat ist es unfassbar, dass noch immer Menschen an Gott glauben.


Naja, ich glaube noch (oder wieder) an Gott, das ist in der Tat unfassbar, weil es mich ab und an verwundert. Bin ich nun dumm? Oder halten mich Menschen mit andrem Selbstverständnis für dumm, weil sie ein andres Selbstverständnis haben und ihnen kein andres Sprachspiel zur Verfügung steht?
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Re: Definitionsfrag "zufällig"

Beitragvon pinkwoolf » So 6. Apr 2008, 14:12

Fisherman's Fellow hat geschrieben:IMHO impliziert der Ausdruck "Zufall" eine Idee von der Menschenseele, die "zufällig" auf die Erde geschmissen wird und in einem Menschenkörper landet. Das ist pure Metaphysik.

Das Wort "Zufall" scheint dir überhaupt nicht zu gefallen. Man kann es natürlich wegdefinieren.
Wenn ich tausend Kilometer von zu Hause einen Arbeitskollegen auf der Straße treffe und sage, "Na so ein Zufall!" dann stimmt das natürlich auch nicht, denn zu Grunde liegen dem Treffen gezielte, wenn auch nicht koordinierte Planungen beiderseits.

Dass ich nicht als Iraner auf die Welt gekommen bin, resultiert eindeutig aus der Tatsache, dass meine Eltern da nicht geweilt haben. Etwas tautologisch, aber nicht falsch. Ich finde das Wort "Zufall" hier schon angebracht.

Dawkins, der die Kreationisten immer gern auf den Topf setzt, wenn sie die Evolution mit Zufall gleichsetzen, sagt immer, dass die Mutationen zwar zufällig sind, der Ausleseprozess hingegen nicht. Ich als Nicht-Biologe habe ihm das immer geglaubt.

:santagrin:
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Re: Glaube irrational?

Beitragvon Fisherman's Fellow » So 6. Apr 2008, 20:29

emporda hat geschrieben:In der Tat ist es unfassbar, dass noch immer Menschen an Gott glauben.

Für mich ist der Glaube an eine oder mehrere Gottheiten eine selbstverständliche menschliche Einstellung, wohingegen man für eine Ablehung von Gott (bzw einer Götterwelt) schon einen beträchtlichen Selbstentfremdungsprozess hinter sich gebracht haben muss.
Jeder Mensch glaubt an jemanden oder etwas, und das gilt für den Säugling in Bezug auf seine Eltern, für den Frommen in Bezug auf seine Heiligen genauso wie den Physiker in Bezug auf seine Naturgesetze. Der Glaube an eine göttliche Wirkungsmacht beruht auf dem Eingeständnis der Tatsache, dass der Mensch nichts über das Wesen seines Seins, seine letztlichen Wurzeln und Gründe kennt, das Eingeständnis, dass jede rein rationale Seinsaussage hypothetischen Charakter besitzt - ein Umstand, an dem keine Empirie dieser Welt etwas ändern können wird:
Da die Ratio des Menschen aus sich heraus auf diese Fragen keine Antworten liefert - so fand man schon vor Tausenden von Jahren heraus -, sind Faktoren am Werk, an die die Menschen nicht heranreichen. Und da diese Faktoren nicht verobjektivierbar sind, lag es nahe, sie als besondere Subjekte zu betrachten: Dämonen, Mächte, Götter - mit denen auf besondere Weise kommunizieren muss. So entstanden Gebet, Opfer, Ritus, Mythos, Schauspiel, Poesie, Musik - das, was man so unter dem Oberbegriff "Kultur" zusammenfasst.

Eine naturalistische Weltsicht, die dieses offensichtliche Eingeständnis übersieht oder zu vernachlässigen versucht, ist in meinen Augen unnatürlich. Wenn man sich weigert, sich den eigenen Wurzeln und Grundlagen auseinanderzusetzen, dann hat man sich von ihnen entfremdet.

emporda hat geschrieben: Die allgemeine Gottes-Unfassbarkeit, die unter Theologen verbreitet ist, hat ihren Ursprung meist in deren Unwillen, etwas Konkretes über Gott auszusagen. Würden sie das, käme schnell ans Licht, dass an ihrem Gott nicht viel dran ist. Oder sie wissen selbst nicht mehr, was sie eigentlich glauben.

Genauso wie eine im warmen Teller schwimmende Suppennudel aus offenkundigen Gründen herzlich wenig über die Teigwarenfabrik erzählen kann, in der sie hergestellt wurde, genausowenig können Menschen objektiv Wahres (denn Konkretes wird in vielen Religionen durchaus über Gott geäußert) über ihren Schöpfer aussagen.
Dies gilt generell, aber bei einer naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise kommt noch hinzu, dass "Gott" schon aus methodischen Gründen ausgeschlossen ist. Eine apriorische Vorfestlegung in der Naturwissenschaft besagt nämlich, dass die Natur so zu erforschen sei 'tamquam si deus non daretur' - als ob Gott nicht gegeben wäre.
Darum ist die "wissenschaftliche" Erwartung, konkrete, womöglich empirisch verifizierbare Aussagen über Gott seien überhaupt möglich, einfach lächerlich.
Keine Ontologie kann den Anspruch erheben, objektive Wahrheiten zu verkünden, und schon gar nicht die naturwissenschaftliche. Und darum kann keine Ontologie einer anderen Ontologie oder Weltsicht absprechen, dass diese nicht vielleicht doch wahr ist, während die eigene falsch ist, auch wenn sie einem mehr einleuchtet. (Rowan Atkinson: "I'm afraid the Jews were right")
Wenn also ein Atheist solche Forderungen stellt, die schon a priori ausgeschlossen sind, dann kann ich nur antworten: Lege du zuerst Rechenschaft ab über die letzthinnigen Gründe deiner Existenz, und dann vergleichen wir mal, wie konkret und glaubhaft logisch denkende Theisten darüber sprechen.

emporda hat geschrieben:So ist Gott, der einstige Schwarzenegger der Wolken, nur noch ein „Sein im Seienden“, oder das „Eine, das ist“, oder das Absolute, das so absolut ist, dass es niemand anständig definieren kann. Oder das Gute, aber nicht das Gute selbst, sondern das Gute, das über uns ist, oder, wie Christopher Hitchens es ausdrückte: „Weißes Rauschen.“

Der Abschnitt erweckt irrigerweise den Eindruck, als sei da eine Art Verfallsprozess vom "Schwarzenegger der Wolken" zur bedeutungsleeren Worthülse am Werk. Dem ist nicht so. Im religiösen Kontext gibt es noch wesentlich konkretere und stärkere Bilder als den Schwarzenegger; hier aber, wenn vom "Sein im Seienden" usw gesprochen wird, handelt es sich um eine philosophische, nicht um eine religiöse Betrachtungsweise. Und was diese betrifft, sind die obigen Formulierungen eigentlich schon zu weit gegriffen.

Das einzige, was sich IMHO philosophisch sagen lässt, ist die apriorische Festlegung:
"Gott" sei die Voraussetzung jeglicher Existenz und Erkenntnis (Diese operative Rolle entspricht der alltäglichen Verwendung des Gottesbegriffs).
Diese Festlegung kann weder bewiesen noch widerlegt, aber gerechtfertigt werden:
1. sind andere Begriffe (wie "Natur", "Materie", o.ä) schlechter geeignet, weil doppeldeutig und irreführend: Sie stehen für Entitäten, die empirisch erforscht werden können - genau das trifft aber für die apriorisch gesetzte Voraussetzung unserer Existenz nicht zu.
2. weist der numinos und subjekthaft besetzte Begriff Gott darauf hin, dass die obige apriorische Setzung nicht irgendwie rational abgeleitet werden kann.

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Re: Ursprung des Glaubens

Beitragvon Klaus » So 6. Apr 2008, 20:35

@Fishermans Fellow, ich empfehle dir die Forenregeln zu lesen, insbesondere den Aspekt des Missionsverbotes. Das hat sich seit deinem letzten Aufenthalt hier verändert. Das ist ein Admin Hinweis.
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Re: Definitionsfrag "zufällig"

Beitragvon Fisherman's Fellow » So 6. Apr 2008, 20:39

pinkwoolf hat geschrieben:Das Wort "Zufall" scheint dir überhaupt nicht zu gefallen.

Am richtigen Platz - zB in der Quantenphysik - scheint sich der Zufall gut zu bewähren. Da habe ich kein Problem damit.
Am falschen Platz jedoch ist der Zufall der Tod jeder Wissenschaft.

Und weiter oben im Thread befand er sich eindeutig an der falschen Stelle:
Es ging ja um die Frage, ob die Religiosität gewisser Menschen ein Zufallsprodukt sei. Ich bestritt dies, da ein religiöser Mensch seine Religion nicht 'rein zufällig' erwirbt, sondern als Ergebnis eines mehr oder minder langen Prozesses religiöser Sozialisation.

Wenn ich Dich richtig verstehe, meinst Du, dass man bei einer zufälligen Auswahl von Menschen nicht vorhersagen kann, welche Religion sie haben. Stimmt: Aber für jeden dieser Menschen kann man sagen, dass er oder sie seinen Glauben nicht 'rein zufällig' erworben hat.

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Re: Ursprung des Glaubens

Beitragvon Myron » So 6. Apr 2008, 21:14

Telos hat geschrieben:Falsch, weil alter Irrtum aus überholten Materialismus-Zeiten: Physik killt nicht Metaphysik.


Das muss man als Materialist auch nicht behaupten; denn "metaphysisch" und "übernatürlich" bzw. "transphysisch" sind nicht gleichbedeutend.
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Re: Definitionsfrag "zufällig"

Beitragvon pinkwoolf » So 6. Apr 2008, 21:59

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Es ging ja um die Frage, ob die Religiosität gewisser Menschen ein Zufallsprodukt sei. Ich bestritt dies, da ein religiöser Mensch seine Religion nicht 'rein zufällig' erwirbt, sondern als Ergebnis eines mehr oder minder langen Prozesses religiöser Sozialisation.

Aber eben seine und nicht eine andere. =)

Davon abgesehen hört man immer wieder, dass einzelne Menschen ganz unvermittelt vom Glauben überwältigt werden, beispielsweise beim Anblick eines gefrorenen Wasserfalls. Bibelfest bin ich nicht; aber ist es Saulus/Paulus nicht ähnlich ergangen?
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