emporda hat geschrieben:In der Tat ist es unfassbar, dass noch immer Menschen an Gott glauben.
Für mich ist der Glaube an eine oder mehrere Gottheiten eine selbstverständliche menschliche Einstellung, wohingegen man für eine Ablehung von Gott (bzw einer Götterwelt) schon einen beträchtlichen Selbstentfremdungsprozess hinter sich gebracht haben muss.
Jeder Mensch glaubt an jemanden oder etwas, und das gilt für den Säugling in Bezug auf seine Eltern, für den Frommen in Bezug auf seine Heiligen genauso wie den Physiker in Bezug auf seine Naturgesetze. Der Glaube an eine göttliche Wirkungsmacht beruht auf dem Eingeständnis der Tatsache, dass der Mensch nichts über das Wesen seines Seins, seine letztlichen Wurzeln und Gründe kennt, das Eingeständnis, dass jede rein rationale Seinsaussage hypothetischen Charakter besitzt - ein Umstand, an dem keine Empirie dieser Welt etwas ändern können wird:
Da die Ratio des Menschen aus sich heraus auf diese Fragen keine Antworten liefert - so fand man schon vor Tausenden von Jahren heraus -, sind Faktoren am Werk, an die die Menschen nicht heranreichen. Und da diese Faktoren nicht verobjektivierbar sind, lag es nahe, sie als besondere Subjekte zu betrachten: Dämonen, Mächte, Götter - mit denen auf besondere Weise kommunizieren muss. So entstanden Gebet, Opfer, Ritus, Mythos, Schauspiel, Poesie, Musik - das, was man so unter dem Oberbegriff "Kultur" zusammenfasst.
Eine naturalistische Weltsicht, die dieses offensichtliche Eingeständnis übersieht oder zu vernachlässigen versucht, ist in meinen Augen unnatürlich. Wenn man sich weigert, sich den eigenen Wurzeln und Grundlagen auseinanderzusetzen, dann hat man sich von ihnen entfremdet.
emporda hat geschrieben: Die allgemeine Gottes-Unfassbarkeit, die unter Theologen verbreitet ist, hat ihren Ursprung meist in deren Unwillen, etwas Konkretes über Gott auszusagen. Würden sie das, käme schnell ans Licht, dass an ihrem Gott nicht viel dran ist. Oder sie wissen selbst nicht mehr, was sie eigentlich glauben.
Genauso wie eine im warmen Teller schwimmende Suppennudel aus offenkundigen Gründen herzlich wenig über die Teigwarenfabrik erzählen kann, in der sie hergestellt wurde, genausowenig können Menschen objektiv Wahres (denn
Konkretes wird in vielen Religionen durchaus über Gott geäußert) über ihren Schöpfer aussagen.
Dies gilt generell, aber bei einer naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise kommt noch hinzu, dass "Gott" schon aus methodischen Gründen ausgeschlossen ist. Eine apriorische Vorfestlegung in der Naturwissenschaft besagt nämlich, dass die Natur so zu erforschen sei 'tamquam si deus non daretur' - als ob Gott nicht gegeben wäre.
Darum ist die "wissenschaftliche" Erwartung, konkrete, womöglich empirisch verifizierbare Aussagen über Gott seien überhaupt möglich, einfach lächerlich.
Keine Ontologie kann den Anspruch erheben, objektive Wahrheiten zu verkünden, und schon gar nicht die naturwissenschaftliche. Und darum kann keine Ontologie einer anderen Ontologie oder Weltsicht absprechen, dass diese nicht vielleicht doch wahr ist, während die eigene falsch ist, auch wenn sie einem mehr einleuchtet. (Rowan Atkinson:
"I'm afraid the Jews were right")
Wenn also ein Atheist solche Forderungen stellt, die schon a priori ausgeschlossen sind, dann kann ich nur antworten: Lege du zuerst Rechenschaft ab über die letzthinnigen Gründe deiner Existenz, und dann vergleichen wir mal, wie konkret und glaubhaft logisch denkende Theisten darüber sprechen.
emporda hat geschrieben:So ist Gott, der einstige Schwarzenegger der Wolken, nur noch ein „Sein im Seienden“, oder das „Eine, das ist“, oder das Absolute, das so absolut ist, dass es niemand anständig definieren kann. Oder das Gute, aber nicht das Gute selbst, sondern das Gute, das über uns ist, oder, wie Christopher Hitchens es ausdrückte: „Weißes Rauschen.“
Der Abschnitt erweckt irrigerweise den Eindruck, als sei da eine Art Verfallsprozess vom "Schwarzenegger der Wolken" zur bedeutungsleeren Worthülse am Werk. Dem ist nicht so. Im religiösen Kontext gibt es noch wesentlich konkretere und stärkere Bilder als den Schwarzenegger; hier aber, wenn vom "Sein im Seienden" usw gesprochen wird, handelt es sich um eine philosophische, nicht um eine religiöse Betrachtungsweise. Und was diese betrifft, sind die obigen Formulierungen eigentlich schon zu weit gegriffen.
Das einzige, was sich IMHO philosophisch sagen lässt, ist die apriorische Festlegung:
"Gott" sei die Voraussetzung jeglicher Existenz und Erkenntnis (Diese operative Rolle entspricht der alltäglichen Verwendung des Gottesbegriffs).
Diese Festlegung kann weder bewiesen noch widerlegt, aber gerechtfertigt werden:
1. sind andere Begriffe (wie "Natur", "Materie", o.ä) schlechter geeignet, weil doppeldeutig und irreführend: Sie stehen für Entitäten, die empirisch erforscht werden können - genau das trifft aber für die apriorisch gesetzte Voraussetzung unserer Existenz nicht zu.
2. weist der numinos und subjekthaft besetzte Begriff Gott darauf hin, dass die obige apriorische Setzung nicht irgendwie rational abgeleitet werden kann.
Grüßle,
FF