„Atheistischer Fundamentalismus“

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Darth Nefarius » So 2. Feb 2014, 18:30

ujmp hat geschrieben:Hallo Lumen, hier kannste dich deiner spirituellen Orientierung vergewissern: The Agnostic Fundamentalism Test
Ich weiß jetzt, dass ich endlich ein Agnostiker bin. Jetzt hab ich Frieden im Herzen und muss nie mehr meditieren!

Was für ein dämlicher Test! Demnach wäre ich auch ein Agnostiker :lachtot: (obwohl ich wohl an jeder Stelle gesagt habe, dass ich felsenfest nicht an irgendeinen Gott glaube und dass er nicht existiert). Diese Fragen konnte man nur in die Tonne treten - und wenn sie mal informativ waren, so waren sie nur die Umformulierung ein und derselben Frage: Gibt es einen Gott?
Offensichtlich wurde nur die Radikalität der Antworten halbwegs eingeschätzt - aber nur weil ich einen gewissen Spielraum zulasse (aufgrund meines Nihilismusses z.Bsp. glaube ich nicht an absolute Wahrheiten oder Meinungen) bedeutet es nicht, dass ich ein Agnostiker bin. In diesem Test gibt es offensichtlich nur eine Ebene und 2 Pole: Radikaler religiöser Fanatiker, Agnostiker und radikaler Atheist. Aber was ist mit gemäßigten/nihilistischen Atheisten (nicht dass ich mich zu den gemäßigten zählen würde)?
Ich will aber Vollbreits Vorschlag aufgreifen und auch gern allgemein über Fundamentalismus diskutieren.
Ich stimme ujmp zu, dass der Anti-Fundamentalismus ein riesen Übel ist und Entscheidungsfreude weder a priori Übel noch Glück ist. Es kommt drauf an, in welchem Kontext man Entscheidungsfreude beweist (nur weil man sich schnell eine Meinung bilden kann, bedeutet es nicht, dass sie unreflektiert ist - vielleicht denkt der Rest einfach zu langsam und weiß zu wenig :schlafen: ).
Ihr solltet bei der Diskussion über den speziell atheistischen Fundamentalismus bedenken, dass es für Außenstehende schon reichen könnte, eine Gruppe wie die Brights als fundamentalistisch-atheistisch zu betrachten - allein weil sie sich organisieren, eine Gruppe darstellen und (mehr oder weniger) in der Öffentlichkeit ihre Ablehnung einer religiös dominierten Gesellschaft ausdrücken (zumindest einige) und weil Dawkins eine große Bedeutung für diese Gruppe hat. Für diesen Eindruck spielt es keine Rolle, ob es tatsächlich so ist oder nicht! Man muss sich also mit niemandem gut-stellen, der dich schon unlängst zum Feind erklärt hat! Es bleibt einem nur die Religion weiter zu ignorieren und seine Arbeit zu machen, seine Überzeugungen darzustellen und nicht zu buckeln. Um über Gleichberechtigung zu reden, muss man erst gleichberechtigt sein und das ist momentan nicht zwischen Atheisten und Gläubigen gegeben.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon ujmp » So 2. Feb 2014, 18:46

"Fundamentalismus" wird oft mit "Fanatismus" gleich gesetzt - das ist natürlich ein Unterschied.

Und was mir grad noch dazu einfällt: War Galileis "Sie bewegt sich doch!" etwa Fanatismus? Wer so etwas jemanden vorwirft, tut es doch nur, weil er die Überzeugung des anderen nicht leiden kann! - Man muss sich natürlich auch nicht gleich als verkanntes Genie von Range eines Galilei fühlen, wenn man sich grad nicht korrigieren kann - evtl. handelt es sich ja einfach um eine Anpassungsstörung... :mg:
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Vollbreit » So 2. Feb 2014, 18:54

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich will aber Vollbreits Vorschlag aufgreifen und auch gern allgemein über Fundamentalismus diskutieren.
Schön.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ihr solltet bei der Diskussion über den speziell atheistischen Fundamentalismus bedenken, dass es für Außenstehende schon reichen könnte, eine Gruppe wie die Brights als fundamentalistisch-atheistisch zu betrachten - allein weil sie sich organisieren, eine Gruppe darstellen

Das tut der Regensburger Schachverein auch.

Darth Nefarius hat geschrieben:...und (mehr oder weniger) in der Öffentlichkeit ihre Ablehnung einer religiös dominierten Gesellschaft ausdrücken (zumindest einige)
Hm.
"Doch hart zu diskutieren und mehr oder weniger exotische, populäre oder einfache Thesen zu haben, ist noch kein Fundamentalismus."
Quelle: http://www.psyheu.de/5285/fundamentalismus/

Darth Nefarius hat geschrieben:...und weil Dawkins eine große Bedeutung für diese Gruppe hat.

Und den siehst Du als Fundamentalisten oder Du meinst, er würde so gesehen?

Darth Nefarius hat geschrieben:Für diesen Eindruck spielt es keine Rolle, ob es tatsächlich so ist oder nicht! Man muss sich also mit niemandem gut-stellen, der dich schon unlängst zum Feind erklärt hat! Es bleibt einem nur die Religion weiter zu ignorieren und seine Arbeit zu machen, seine Überzeugungen darzustellen und nicht zu buckeln. Um über Gleichberechtigung zu reden, muss man erst gleichberechtigt sein und das ist momentan nicht zwischen Atheisten und Gläubigen gegeben.

Und was ist jetzt Fundamentalismus für Dich?
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Darth Nefarius » So 2. Feb 2014, 19:14

Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ihr solltet bei der Diskussion über den speziell atheistischen Fundamentalismus bedenken, dass es für Außenstehende schon reichen könnte, eine Gruppe wie die Brights als fundamentalistisch-atheistisch zu betrachten - allein weil sie sich organisieren, eine Gruppe darstellen

Das tut der Regensburger Schachverein auch.

Klar, aber eben nicht zu einem Thema wie Religion und der Gesellschaft. Und es ist - wie gesagt - unwichtig, ob ihr (und ich) völlig harmlose Nerds sind, die zum Zeitvertreib was ins Netz tippen - wären wir größer, würde uns der Verfassungsschutz beäugen (mindestens, wenn sie es nicht in ihrer Paranoia schon jetzt tun). Den Eindruck der Masse wirst du auch durch noch so gutes Zureden nicht beeinflussen können, wenn die andere Haltung jede Ebene der Gesellschaft erfasst hat.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:...und (mehr oder weniger) in der Öffentlichkeit ihre Ablehnung einer religiös dominierten Gesellschaft ausdrücken (zumindest einige)
Hm.
"Doch hart zu diskutieren und mehr oder weniger exotische, populäre oder einfache Thesen zu haben, ist noch kein Fundamentalismus."
Quelle: http://www.psyheu.de/5285/fundamentalismus/

Das ist lächerlich - wenn ich dir sage, dass nur ein Schlüssel die Tür zu deiner Wohnung öffnet, bin ich dann Fundamentalist? Klar kannst du auch andere ausprobieren, die Tür auftreten oder durchs Fenster einsteigen, aber die einfachste, eleganteste und schnellste Lösung wäre den Schlüssel zu benutzen. Manchmal gibt es sehr offensichtliche Probleme und sehr offensichtliche Lösungen - das festzustellen ist ein Fundamentalismus.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:...und weil Dawkins eine große Bedeutung für diese Gruppe hat.

Und den siehst Du als Fundamentalisten oder Du meinst, er würde so gesehen?

Ich sehe ihn nicht wirklich als Fundamentalisten (er hat sich schließlich weder bewaffnet, noch in die Luft gejagt oder irgendjemandes Tod gefordert), aber ich habe ihn genannt, weil die Frage in der vorangegangenen Diskussion aufgekommen ist. Und wenn ein einfacher Biologe unter Verdacht kommt, ein Fundamentalist zu sein, nur weil er Religion ablehnt, kann es auch der Gruppe passieren, für die er selbst Werbung gemacht hat.
Vollbreit hat geschrieben:Und was ist jetzt Fundamentalismus für Dich

Ein Dysphemismus für Entscheidungsfreude. Es kommt nicht darauf an, wie schnell man zu seiner Entscheidung kommt und wie überzeugt man von ihr ist, sondern wie sie ausfällt (mir ist es auch kein Trost, wenn einer nach jahrelangem Hin- und Herschwanken und Mehrheitsmeinung dazu kommt, gegen XYZ in den Krieg zu ziehen, weil die Rasse nicht passt (der Antisemitismus der Deutschen war nie eine spontane Angelegenheit). Ein langer Entscheidungsprozess und ein undefiniertes Ergebnis sorgen nicht unbedingt für bessere Entscheidungen).
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon stine » So 2. Feb 2014, 19:37

Lumen hat geschrieben:
    Es gibt landläufig eine ungefähre Vorstellung, was Religionen sind. Es handelt sich mindestens um Glaubensysteme die zum Ziel haben, einer fiktiven Gottheit zu gefallen.

  1. Religionen propagieren...


Zum Threadthema "atheistischer Fundamentalismus" passend umgebaut:

    Es gibt landläufig eine ungefähre Vorstellung, was Atheismus ist. Es handelt sich mindestens um eine gesellschaftliche Identifikation die zum Ziel hat, fiktive Gottheiten nicht mehr zuzulassen und Religionen auszumerzen.

  1. Atheisten propagieren eine überprüfbare Wirklichkeit, die im Prinzip eine Vorstellung der Welt untermauert, die sie einzig für legitim halten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um die einzige Wahrheit handelt, die Deckungsgleich mit der Wirklichkeit ist, ist dabei gering.
  2. Damit meint, wünscht, findet der Atheist nicht, sondern hat nur eine unerschütterliche Überzeugung, die gleichzeitig nur durch jenes Wissen gedeckt ist, das identisch ist mit dem der Wissenschaften, also nur einer messbaren Wirklichkeit zugrunde liegt. Es gibt nichts dazwischen.
  3. Systematische, feste Überzeugungen, dass nur die sichtbare Welt alles ist, sind vermutlich in sich ein Problem.
  4. Da Wissenschaften immer nur an Gegenständliches gebunden sind, bleiben sie verschlossen für Interpretationen und verhindern alle mögliche Ansichten, die von Gläubigen gedacht werden können. Insbesondere bleiben jene Ansichten für Atheisten fragwürdig, die normalerweise nicht in die beobachtbare Wirklichkeit passen.
  5. Atheisten wollen Regeln vorgeben, die idealerweise für alle Menschen gelten sollen, die aber auf oben genannte Art und Weise zustande kommen sollen. Das ist ein sehr großes Problem. Ausrufezeichen.
  6. Atheisten wollen, dass nur ihre „einzige Wirklichkeit“ in der es keine imaginären Wesen gibt als „echte Wirklichkeit“ anerkannt wird und wollen damit andere Weltsichten verdrängen oder deren erdachte Erkenntnisse verhindern, das geht über 3. kritisch hinaus.
  7. Anstelle von Autoritäten, die Behauptungen aufstellen, werden nur sachliche Diskussionen zugelassen. Ohne Erkenntnis - kein Ergebnis. Geglaubt wird aus diesen Gründen immer nur älteren Politologen und Philosophen. Damit haben Atheisten einen mehrfachen Hang ihre Ansichten als die vermeintlich besseren zu verkaufen, fühlen sich alternativen Autoritäten überlegen, haben aber in der Regel wenig Charisma um ihr Gedankengut über die Religionen hinaus an den Mann/die Frau zu bringen. Sie haften ihr „update“ ständig an neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Damit wirken sie gegenüber Religionen und anderen Sinnsuchmodellen, im Gesamtmaßstab betrachtet, immer ein wenig flatterhaft, kaum zielgerichtet und damit nicht maßgebend für moralische Wertmaßstäbe.
  8. Atheisten wollen heute belastbare Fakten stellen, dass wir uns moralisch als Menschheit verbessern konnten - und das obwohl Religionen, insbesondere das Christentum, immer noch maßgeblich ihre kulturellen Einflüsse ausüben.
  9. Atheistische s Gedankengut, gepaart mit politischem Willen, ist parasitär ansteckend. So wie jede Seuche „grundsätzlich“ an der Verbreitung gehindert wird, sollten auch weltanschauliche Seuchen an der Ausbreitung gehindert werden. Parasitäre Eigenschaften sind z.B. gesteigertes Interesse Kinder zu bekehren, Abwehrmechanismen des Verstandes (Demokratieglaube, Ablehnen falscher Volkshelden, Verteufelung der Religionen usw.) und Anpassung an wohlklingende Formeln des Zeitgeistes, z.B. Ruhe und Besinnlichkeit in Zeiten des Stresses, hohe Strafen und Einschüchterung bei kapitalistischen Handlungsweisen usw. Diese Anpassungen mögen kurzfristig von Vorteil sein und einen Nutzen bieten, doch da politischer Atheismus nur einer Minderheit dient, muss er aus Selbstüberschätzung und Hirngespinsten entstanden sein. Damit sind das parasitäre Begleiterscheinungen, die es dem Opfer erleichtern sollen, den Parasiten aufzunehmen und zu verbreiten. Der kalkulierte Mechanismus ist demgegenüber Marketing, PR und Propaganda, dem sich andere atheistische Organisationen natürlich auch bedienen können.
  10. Wenn alle positiven Eigenschaften der Religionen ausgerottet sind, wenden sich Sinnsucher den atheistischen Gefühlswelten zu: Okkultismus, Esoterik, Satanismus usw. .
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Vollbreit » So 2. Feb 2014, 19:43

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Hm.
"Doch hart zu diskutieren und mehr oder weniger exotische, populäre oder einfache Thesen zu haben, ist noch kein Fundamentalismus."
Quelle: http://www.psyheu.de/5285/fundamentalismus/

Das ist lächerlich - wenn ich dir sage, dass nur ein Schlüssel die Tür zu deiner Wohnung öffnet, bin ich dann Fundamentalist?

Hast Du vielleicht das entscheindende (noch mal markierte) Wort übersehen?

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:...und weil Dawkins eine große Bedeutung für diese Gruppe hat.

Und den siehst Du als Fundamentalisten oder Du meinst, er würde so gesehen?

Ich sehe ihn nicht wirklich als Fundamentalisten (er hat sich schließlich weder bewaffnet, noch in die Luft gejagt oder irgendjemandes Tod gefordert)...

Definiert das für Dich einen Fundamentalisten?

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Und was ist jetzt Fundamentalismus für Dich

Ein Dysphemismus für Entscheidungsfreude.

Ein Fundamentalist nach Darth wäre also bisher ein entscheidungsfreudiger Mensch, der sich bewaffnet und/oder den Tod von jemandem fordert.
Möchtest Du noch was ergänzen oder nachbessern?


----------
Ich habe noch mal im Netz geblättert und dies gefunden:

Fundamentalismus
Denkhaltung und Tathandlung, die ihre Einsicht aus höherer, nicht weiter ableitbarer Offenbarung bezieht und die prinzipielle Nichtidentität von intra-und extrapsychischen Vorgängen leugnet. Der typische Fundamentalist setzt die Anfangsbedingungen seines Handelns als Wahrheitswert und von dort aus leitet er konsequent ab. Dabei kann der Wahrheitswert religiöser, ethisch-moralischer, politischer, wissenschaftlicher oder ästhetischer Natur sein, die Folge ist immer gleich: Ausdifferenzierung einer Weltanschauung mit programmatischem Ausschließlichkeitscharakter.
Der Fundamentalist ist nicht mehr in der Lage, die eigene Vorgehensweise grundsätzlich zu relativieren, weil er die Relevanz von alternativen Bezugssystemen leugnet. (vgl. Logik der Dummheit )
Was für den modernen und aufgeklärten Zeitgenossen eine verhandelbare Position darstellt, ist für den Fundamentalisten eine Frage ums Ganze und das bedeutet: sie ist eben nicht verhandelbar.
Ende der Argumentation.
©Lehrstuhl für Ästhetik (Asmus 1996)
Quelle: http://wwwuser.gwdg.de/~agruens/fund/fund.html
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » So 2. Feb 2014, 21:29

Das bedeutet, jemand ist ein atheistischer Fundamentalist, wenn er “other ways of knowing”, also Offenbarung und dergleichen als ungültig ansieht. Schön, aber eigentlich geht es doch um Meinungsmache. Nichtmal Vollbreit kann konkret darlegen, was an Dawkins und Co nun konkret das Fundamentalistische ist, und das wissen Dritte umso weniger, aber damit kann man Leute eben mundtot machen.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Dr Fraggles » So 2. Feb 2014, 22:29

Vollbreit hat geschrieben:
Dr Fraggles hat geschrieben:Könnte man folgende Aspekte als kennzeichnend für Fundamentalismen anführen (bzw. für jede potentiell/real schädliche Weltanschauung):
1. Das Behaupten von Sachverhalten ohne sich auf rational nachvollziehbare ("konsensfähige") Gründe berufen zu können (womit nicht impliziert ist, dass jegliche rational begründete Sichtweise für bejahenswert erachtet werden muss oder dass jede nicht rational begründete Position schädlich sein muss oder dass es Formen von Letztbegründung gebe).
Nein, Fundamentalisten haben häufig gute und rationale Gründe für ihre Ansichten, auch wenn diese gelegentlich etwas überstrapaziert werden.
Sie haben nur kein Interesse an einer Auseinadersetzung mit der anderen Seite, deren Argumente sie nicht wertschätzen, sondern die sie als Trick, Lächerlichkeit deuten, um ihr ewig geleiches Horriorszenario darzustellen.

Sehe ich anders. Kommt aber wohl darauf an was man unter rationalen Argumenten versteht. Was das fehlende Interesse an der Auseinandersetzung betrifft, würde ich deren Motivation anders interpretieren: sie deuten etwas nicht als lächerlich (das würde implizieren, dass sie den tatsächlichen Gehalt der Argumente einsehen um sie dann bewusst zu verdrehen), sondern erachten Gegenpositionen tatsächlich als falsch. In diesem Fall sind sie eben schlicht irrational, gemäss deiner These aber bewusste Manipulateure, die eigentlich gar nicht an die eigene Sache glauben (beide Typen sind wohl anzutreffen wobei nur die wirklich Glaubenden für mich als Fundamentalisten zu bezeichnen wären). Möglicherweise hast du aber auch das gemeint. Dennoch würde ich dabei bleiben, dass ihre Argumente in der Regel nicht rational sind (zumindest stellen sie ihre Irrationalität spätestens durch fehlendes sachliches Eingehen auf Gegenargumente unter Beweis).

Dr Fraggles hat geschrieben:2. Moralische Werte, Positionen vertreten, die nicht auf die Verwirklichung von Glück ausgerichtet sind und/oder sich ebenfalls nicht rational begründen lassen (womit nicht a priori ein Utilitarismus befürwortet wird).
Jein. Ein moralisches Element ist bei Fundamentalisten immer (offen oder versteckt, bewusst oder unbewusst) ihm zu finden. Es geht darum – in der Selbstwahrnehmung oft von der tumben Masse verkannt – dem Wahren und Guten auf die Sprünge zu helfen.
Auch wenn Fudamentalisten Gewalt anwenden, haben sie immer noch die Idee im Hinterkopf es geschehe für die gute Sache, wohingegen „normale Kriminelle“ ihr aggressives Werk nicht mit diesen Ideen verbinden.

Entweder sie glauben an ihre Sache oder sie tun nur so, aber nicht beides (wobei es selbst dies mag in "schizophrenen" Fällen geben mag). Wenn sie an das Gute ihrer Sache glauben, sind sie eben irrational, oder aber man kann ihre Irrationalität nicht rational begründen und es reduziert sich alles auf unterschiedlichen Geschmack. Ich behaupte aber, dass sie (ich habe hier die theistischen Religionen und die grossen politisch-ideologischen Systeme im Sinn) ihre Position nicht rational begründen können. Religionen die sich auf Offenbarungen berufen sind zirkulär und politische Ideologien sind vielfältigst irrational. Aber vielleicht kannst du mir aufzeigen wodurch solche Religionen auch nur halbwegs vernünftig begründet sind!

Dr Fraggles hat geschrieben:3. Dass trotz obiger Mängel Anspruch auf objektive Geltung und reales verwirklicht-sein-Sollen erhoben wird (und insofern die entsprechende Weltanschauung nicht als reine Privatansicht betrachtet wird, was wohl nicht nur einer contradictio in adjecto gleichkäme).
Fundamentalisten sind einfach gesagt der Auffassung, dass nur eine Sicht richtig ist: ihre! Wer anderer Meinung ist ist verführt und bestusst oder durchtrieben und gerissen.
Die Masse aufzuklären und die Gerissenen zu enttarnen ist die selbstgewählte Aufgabe von Fundamentalisten.

Aber das ist eine irrationale Argumentation (ad hominem), wo die Rationalität von Fundamentalisten ist, bleibt mir verborgen.
Zuletzt geändert von Dr Fraggles am So 2. Feb 2014, 22:48, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Nanna » So 2. Feb 2014, 22:32

Lumen hat geschrieben:Du hast die Punkte oben pauschal verneint, und wir wissen immer noch nicht, was du meinst. Ich versuche einen Gegenstand zu etablieren, über den man dann diskutieren kann. Aber da fühlst du dich in deiner Interpretationshoheit tödlich verletzt. Außerdem stellst du dich dumm, und das ist noch wohlwollend ausgedrückt...

Ich meine, dass es nichts bringt, über Religion in der Weise zu sprechen, wie du es permanent versuchst, nämlich als dichotomisierenden Faktor, der die Welt in geistig Gesunde und Verrückte einteilt.

Lumen hat geschrieben:Nicht, dass dich die Fakten irriteren sollen, das tun sie sonst ja auch nicht. Du hast aber schonmal einen Blick in den Artikel geworfen?

So wie ich es sehe, wird in dem Artikel die Frage aufgeworfen, ob Dawkins ein Fundamentalist ist, oder nicht. Ich würde das größtenteils verneinen, denke aber, dass er und seine Arbeit eine Menge atheistischer Spinner im Schlepptau ziehen, weil die Botschaft, dass die Welt sich durch die Abschaffung der Religion retten ließe, sich in Dawkins Rhetorik schon recht leicht hineinlesen lässt, wenn er es nicht vielleicht sogar selber manchmal für einen Augenblick so sieht.

Lumen hat geschrieben:Willst du behaupten sie wollen nicht, dass der Koran in seiner einzig wahren Deutung über den Gesetzen des Landes stehen soll, und sie wollen nicht, dass ihre 'andere Wirklichkeit' in der es Allah und Mohammed gibt, die konkurrierende 'echte Wirklichkeit' verdrängt. Ist das deine Ansicht? Oder ist der Koran bei dir nicht religiös? Bei Leuten wie dir weiß man irgendwann nicht mehr.

Der Koran ist religiös, aber die Religion ist nicht der Koran. Muslime sind religiös, aber nicht alle Religiösen sind Muslime. Einfache Mengenlehre. Du schließt induktiv aus dem Verhalten bestimmter Muslime auf die Gesamtheit aller Religiösen, obwohl diese äußerst heterogen ist.

Dazu kommt, dass ich Beispiele von Menschen und Gruppen angeführt habe, die sich zu Toleranz und Pluralismus bekennen, also die prinzipielle Unvereinbarkeit von Religion und Pluralismus widerlegen.

Beides zusammen legt nahe, dass deine Schlüsse über Religion sowohl logisch in sich nicht konsistent als auch empirisch nicht belegt sind. Mehr als das muss ich gar nicht feststellen, ich bin ja hier nicht derjenige mit einer These und der dazu gehörenden Beweislast.

Lumen hat geschrieben:Erklär doch mal für alle, was du dir unter Der Monokausale Auslöser von Allem™ vorstellst.

Ein monokausaler Auslöser ist etwas, was durch seine Abwesenheit zum Nicht-Auslösen bestimmter Prozesse führen würde. Logisch, oder? Übertragen auf die Menschen im Bible Belt oder im Nahen Osten bedeutete das, dass ein Wegfall der Religion automatisch sämtliche Verhaltensweisen verschwinden lassen müsste, die du mit Religion assoziierst. Ich behaupte aber, dass Religion eine Folge menschlicher Bedürfnisse nach Welterklärung, nach Spiritualität, Orientierung, Harmonie, Gruppenzugehörigkeit, sozialer Ordnung usw. ist und damit allerhöchstens eine mittelbare Ursache. Ich würde auch behaupten, dass die Lücke, die durch die Religion gelassen würde, höchstwahrscheinlich durch andere kulturelle Praktiken gefüllt würde, die nicht automatisch besser sein müssen, siehe beispielsweise den Marxismus-Leninismus.

Ein Indiz für diese These ist, dass Religion automatisch dort zurückgeht, wo die Menschen ein sicheres, freies und erfülltes Leben leben. Aber es scheint so rum und nicht andersherum zu sein: Erst kommt die Prosperität, danach reduziert sich die Religion - nicht andersherum. Insofern drischt du auf die völlig falschen Ziele ein: Es müsste darum gehen, sozioökonomische Stabilität zu schaffen, demokratisch-pluralistische Praktiken im Kleinen zu erlernen und sie dann über Generationen so auszuweiten, dass die negativen Erscheinungen, die wir wahrnehmen, zurückgehen - womit ein Rückgang der Religion korrelieren wird, weil der Halt, den die Menschen sich von ihr versprechen, nicht mehr im selben Maß benötigt wird (aber schon noch so weit, dass es Religion weiterhin geben wird, was auch relativ harmlos sein wird, vergleichbar mit den heutigen Zuständen in Westeuropa).

Lumen hat geschrieben:Religion ist ja selbst reduzierbar auf eine Anzahl anderer Sachen und der Begriff ist unscharf. Das ist Obskurantismus in gewohnter Weise.

Nein, das ist eine multifaktorielle Betrachtung, die die Anzahl der möglichen Lösungsansätze vervielfacht.

Lumen hat geschrieben:Ist Tabak nicht gesundheitsschädlich? Ist Tabak-Rauchen Der Monokausale Auslöser von Allem™ wenn es um Krankheiten um Tabak geht? Da spielt Teer in der Lunge wohl eine Rolle. Wieviel jemand raucht, was für Zigaretten, und wie jemand inhaliert. Auch wie lange jemand schon raucht und andere Faktoren können eine Rolle spielen. Aber nur Leute, die sich absichtlich dumm stellen, verneinen, dass Rauchen allgemein gesundheitsschädlich ist. Ob man es trotzdem erlauben sollte und so weiter sind nochmal nachgelagerte Fragestellungen. Dazu kommen wir garnicht, denn da Rauchen ja angeblich nicht gesundheitsschädlich ist, braucht man sich darüber keine Gedanken machen.

Das Schöne an Tabak ist, dass er viel leichter identifizierbar ist als Religion. Religion ist bei dir ja schon absichtlich so hindefiniert, dass sie möglichst schädlich wegkommt. Ob religiöse Praktiken aber summa summarum schädlich sind, ist meines Erachtens nicht mal annähernd geklärt. Wir beobachten, dass bestimmte Spielarten von Religion, im wesentlichen alle Fundamentalismen, schädlich sind wie die Hölle (darf ich den Vergleich bringen?), aber da wendet Vollbreit völlig zu Recht ein, dass es mehr der Fundamentalismus am "religiösen Fundamentalismus" ist, der schadet, weniger das Religiöse.

Lumen hat geschrieben:Mein Eindruck war, das das ein Forum ist, dass sich mit Religion oder deren Abwesenheit in der Gesellschaft, Glaube und Nichglaube und so weiter befasst. Ich habe dabei nicht die Erwartung, dass du persönlich mitdiskutieren musst. Noch ist es das Wichtigste Thema Ever. Gereizt, Hauptthema, Paranoia usw. das sind alles Ausmalungen von dir und Vollbreit und die funktionieren ja auch so. Man streut sie überall rein, und wenn der Betroffene darauf reagiert dann kommt „siehste!“.

Dann lass dich halt nicht provozieren. Und selbstverständlich diskutiere ich mit, wenn ich den Eindruck erhalte, dass jemand eine bestimmte Gruppe in der Gesellschaft als Sündenbock für gefühlte 95% der wahrgenommenen Fehlentwicklungen verantwortlich macht. Das ist nicht das, wofür die Brights mal stehen wollten.

Warum ist es denn für dich allein der Gedanke derart unerträglich, dass ein signifikanter Teil der Religiösen einfach harmlose Mitbürger sein könnten, die man nicht anfeinden oder bekämpfen muss? Nimmt dir das die Würze aus dem Leben?

Lumen hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Weißt du, dass man mit dir in deiner Vorhersehbarkeit toll Marionette spielen könnte?

Du meinst, ich sollte es ausnahmsweise mal gut finden, wenn Atheisten mit Fundamentalisten verglichen werden?

Ich meine, dass du vieles von dem, was du sagst, scheinbar recht automatisch abspulst und mit gewissen Schlüsselreizen sehr leicht zu provozieren bist. Wenn Richard D., der rationale, gesittete Brite mit dem trockenen Humor, dich derart beeindruckt, dann schau dir doch mal was von dessen Ruhe ab. Die ganze Aufregung ist nicht gut für die Nieren, sagt meine Geistheilerin. ;-)
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Vollbreit » Mo 3. Feb 2014, 00:40

Dr Fraggles hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Nein, Fundamentalisten haben häufig gute und rationale Gründe für ihre Ansichten, auch wenn diese gelegentlich etwas überstrapaziert werden.
Sie haben nur kein Interesse an einer Auseinadersetzung mit der anderen Seite, deren Argumente sie nicht wertschätzen, sondern die sie als Trick, Lächerlichkeit deuten, um ihr ewig geleiches Horriorszenario darzustellen.

Sehe ich anders. Kommt aber wohl darauf an was man unter rationalen Argumenten versteht. Was das fehlende Interesse an der Auseinandersetzung betrifft, würde ich deren Motivation anders interpretieren: sie deuten etwas nicht als lächerlich (das würde implizieren, dass sie den tatsächlichen Gehalt der Argumente einsehen um sie dann bewusst zu verdrehen), sondern erachten Gegenpositionen tatsächlich als falsch.
Guter Einwand, der stimmt.
Das Lächerlichmachen ist eher ein Stilmittel, da es ihrer Meinung nach bei der Gegenseite eh egal ist, da sie komplett falsch liegt.
Ist angenommen, danke.

Dr Fraggles hat geschrieben:In diesem Fall sind sie eben schlicht irrational, gemäss deiner These aber bewusste Manipulateure, die eigentlich gar nicht an die eigene Sache glauben (beide Typen sind wohl anzutreffen wobei nur die wirklich Glaubenden für mich als Fundamentalisten zu bezeichnen wären). Möglicherweise hast du aber auch das gemeint. Dennoch würde ich dabei bleiben, dass ihre Argumente in der Regel nicht rational sind (zumindest stellen sie ihre Irrationalität spätestens durch fehlendes sachliches Eingehen auf Gegenargumente unter Beweis).
Sie sind rational, im Sinne von folgerichtig, aber in sich geschlossen als Weltbild.
Das wird mitunter zur petitio principii, aber wenn etas streng geschlossen ist, kann es formal richtg sein – glaune ich zumindest, ich hab's noch gar nicht unter die Lupe genommen.
Pars pro toto ist auch oft drin, ein weiterer Fehler in den meisten Fällen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Entweder sie glauben an ihre Sache oder sie tun nur so, aber nicht beides (wobei es selbst dies mag in "schizophrenen" Fällen geben mag).
Sie glaube dran, Fundamentalisten, sind so gut wie immer Überzeugungstäter.

Dr Fraggles hat geschrieben:Wenn sie an das Gute ihrer Sache glauben, sind sie eben irrational, oder aber man kann ihre Irrationalität nicht rational begründen und es reduziert sich alles auf unterschiedlichen Geschmack.
Ein Fundamentalist kann durchaus auch richtig liegen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Ich behaupte aber, dass sie (ich habe hier die theistischen Religionen und die grossen politisch-ideologischen Systeme im Sinn) ihre Position nicht rational begründen können.
Kommt ja immer drauf an, was man selbst als Begründung akzeptiert und wie man den Strauß der Prämissen hierarchisch gewichtet.

Dr Fraggles hat geschrieben:Religionen die sich auf Offenbarungen berufen sind zirkulär und politische Ideologien sind vielfältigst irrational. Aber vielleicht kannst du mir aufzeigen wodurch solche Religionen auch nur halbwegs vernünftig begründet sind!
Sie funktionieren ganz gut, wer auf Evolution steht, sollte sich dem Argument nicht entziehen. Sie sind ein stabiles Mem, das unseren Planeten quantitativ dominiert und da es bei den meisten Evolutionsanhängern Qualität gar nicht gibt, wäre das ein starkes Argument, neben anderen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Aber das ist eine irrationale Argumentation (ad hominem), wo die Rationalität von Fundamentalisten ist, bleibt mir verborgen.
Irrational ist oder wirkt das nur, wenn man kein Fundamentalist ist. Die Mehrheit beeindruckt Fundamentalisten nicht, Gegenwind stachelt sie an, da sie die Vielen eh für dumm und verführt halten. Akzeptiert man ihre Prämissen, geht das Spiel auf.
Zuletzt geändert von Vollbreit am Mo 3. Feb 2014, 00:43, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Dr Fraggles » Mo 3. Feb 2014, 00:41

Nanna hat geschrieben:Ich behaupte aber, dass Religion eine Folge menschlicher Bedürfnisse nach Welterklärung, nach Spiritualität, Orientierung, Harmonie, Gruppenzugehörigkeit, sozialer Ordnung usw. ist und damit allerhöchstens eine mittelbare Ursache. Ich würde auch behaupten, dass die Lücke, die durch die Religion gelassen würde, höchstwahrscheinlich durch andere kulturelle Praktiken gefüllt würde, die nicht automatisch besser sein müssen, siehe beispielsweise den Marxismus-Leninismus.

Ist denn der Marxismus-Leninismus nicht an entscheidender Stelle strukturgleich mit Religionen (so zumindest J. Gray in "Politik der Apokalypse")?
Fragt sich dann unter welchen Randbedingungen Religionen bzw. Gläubige zur Gewalt neigen. Ich würde annehmen, dass die zu Grunde liegenden Bedürfnisse an sich schon die Anlage zur Gewalt in sich tragen (das Bedürfnis nach Gewissheit und "Heil", welches wohl unter sozial erniedrigenden etc. Bedingungen am besten zur Geltung kommt). Nur wer die Antwort auf solche Bedürfnisse offen lassen kann, scheint vor religiös legitimierten Exzessen gefeit zu sein.

Ob religiöse Praktiken aber summa summarum schädlich sind, ist meines Erachtens nicht mal annähernd geklärt. Wir beobachten, dass bestimmte Spielarten von Religion, im wesentlichen alle Fundamentalismen, schädlich sind wie die Hölle (darf ich den Vergleich bringen?), aber da wendet Vollbreit völlig zu Recht ein, dass es mehr der Fundamentalismus am "religiösen Fundamentalismus" ist, der schadet, weniger das Religiöse.

Ich vermute. dass es das Zusammenkommen mehrerer Faktoren ist, welche Religionen potentiell/real gefährlich macht: ihr irrationaler Anspruch auf absolute Wahrheit. Der explizite Auftrag zur Mission. Das "Heil" (forciert im Kontrast zur Hölle) als einzige relevantes Gut zu proklamieren (welches auch Gewalt in der Mission legitimiert). Die Strenge Dichotomie von gut-böse. Die Ursache fehlender Einsichtigkeit als das Böse ausmachend (um nur ein paar zu nennen). Diese den Religionen oftmals inhärenten Aspekte werden, durch ungünstige soziale Bedingungen (und/oder psychische Veranlagungen) frustrierte Bedürfnisse, emotional aufgeladen.

Warum ist es denn für dich allein der Gedanke derart unerträglich, dass ein signifikanter Teil der Religiösen einfach harmlose Mitbürger sein könnten, die man nicht anfeinden oder bekämpfen muss?

Die Frage ist, welche Aspekte (siehe oben) der Religionen an sich problematisch sind, d.h. je nach sozialen, politischen, psychischen Umständen dazu geeignet sind Gewalt etc. zu legitimieren. Übrigens war selbst eine offenbar dogmenfreie Religion wie der Zen-Buddhismus nicht davor gefeit, mit seltensten Ausnahmen, die imperialistischen Strebungen Japans vor und während des 2. Weltkrieges ideologisch zu unterstützen.[/quote]
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon stine » Mo 3. Feb 2014, 08:01

Nanna hat geschrieben:Ein Indiz für diese These ist, dass Religion automatisch dort zurückgeht, wo die Menschen ein sicheres, freies und erfülltes Leben leben. Aber es scheint so rum und nicht andersherum zu sein: Erst kommt die Prosperität, danach reduziert sich die Religion - nicht andersherum. Insofern drischt du auf die völlig falschen Ziele ein: Es müsste darum gehen, sozioökonomische Stabilität zu schaffen, demokratisch-pluralistische Praktiken im Kleinen zu erlernen und sie dann über Generationen so auszuweiten, dass die negativen Erscheinungen, die wir wahrnehmen, zurückgehen - womit ein Rückgang der Religion korrelieren wird, weil der Halt, den die Menschen sich von ihr versprechen, nicht mehr im selben Maß benötigt wird (aber schon noch so weit, dass es Religion weiterhin geben wird, was auch relativ harmlos sein wird, vergleichbar mit den heutigen Zuständen in Westeuropa).
Sehe ich auch so. Religion wird in einer aufgeklärten Gesellschaft zur Nebensache.
Aber Religion ohne Aufklärung zu verdammen wäre höchst ungeschickt.
Herr Dawkins trägt ebenso seine Scheuklappen, wie die Gesamtheit der religiösen Rädelsführer. Will halt mal wieder jeder Recht haben.

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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon stine » Mo 3. Feb 2014, 08:06

Dr Fraggles hat geschrieben:Ich vermute. dass es das Zusammenkommen mehrerer Faktoren ist, welche Religionen potentiell/real gefährlich macht: ihr irrationaler Anspruch auf absolute Wahrheit. Der explizite Auftrag zur Mission. Das "Heil" (forciert im Kontrast zur Hölle) als einzige relevantes Gut zu proklamieren (welches auch Gewalt in der Mission legitimiert). Die Strenge Dichotomie von gut-böse. Die Ursache fehlender Einsichtigkeit als das Böse ausmachend (um nur ein paar zu nennen). Diese den Religionen oftmals inhärenten Aspekte werden, durch ungünstige soziale Bedingungen (und/oder psychische Veranlagungen) frustrierte Bedürfnisse, emotional aufgeladen.

Für Kriegbegeisterte sind Religionen in erster Linie kulturelle Rahmen für Bevölkerungsgruppen. Einige werden sich immer bekriegen, egal, unter welcher Flagge. Afrikanische oder nahöstliche Stammeskriege - wo ist da der Unterschied?
Ob sich christliche Gruppen untereinander oder muslimische Gruppen untereinander oder christliche und muslimische Gruppen gegeneinander bekriegen ist doch nur Formsache.

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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Vollbreit » Mo 3. Feb 2014, 09:46

Was speziell den atheistischen Fundamentalisten ausmacht, einige Aspekte:

1) Religion wird a priori und ausschließlich als Problem, Krankheit, Störung... interpretiert und sämtliche positiven Aspekte der Religion werden ausgeblendet oder es wird von Fundamentalisten geleugnet, dass es überhaupt welche gibt.

2) In Fällen in denen Religion (oder deren Interpretation) tatsächlich als problematisch, aggressiv, intolerant oder destruktiv angesehen wird, wird nicht ausreichend geforscht, ob Religion die Ursache oder Teil einer anderen Ursache ist. Ferner wird nicht differenziert, wo Religion die Quelle ist und wo sie instrumentalisiert wird.

3) Es wird nicht versucht Lösungen zu finden, Dialoge zu ermöglichen und Brücken zu bauen, mit der überwiegenden Zahl der gemäßigten religiösen Menschen, sondern es werden Mauern errichtet und es wird gerne vorverurteilt (grob: Wer heute in die Moschee geht, sprengt sich morgen in die Luft) was Dialoge erschwert.

4) Es wird unterlassen zu differenzieren, wo Religionen oder religiöse Einstellungen bei der Verrichtung des täglichen Miteinanders überhaupt zum Problem werden und wo das nicht der Fall ist.

5) Es besteht keinerlei Lernbereitschaft bei den Dialogen mit religiösen Menschen, aus dem vermeintlichen Wissen, von diesen können man ohnehin nichts lernen.


Nun könnte man nach Beispielen und Gegenbeispielen für die einzelnen Punkte suchen und diese diskutieren.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Vollbreit » Mo 3. Feb 2014, 09:58

Dr Fraggles hat geschrieben:Ist denn der Marxismus-Leninismus nicht an entscheidender Stelle strukturgleich mit Religionen (so zumindest J. Gray in "Politik der Apokalypse")?
Ja und nein.
Der Kommunismus ist in gewisser Weise eine mythische (aber atheistische) Heilslehre, deren Spektrum von organisierten Massentötungen der kommunistischen Terrorregime reicht, bis zu einem liberalen Eurokommunismus, bei dem allerdings zu fragen wäre, ob er nicht durch die festen demokratischen Strukturen Europas gezähmt wird.

Marxisten merken, nicht ganz ohne Grund, an, dass der Stalinterror nun in keiner Weise im Sinne des Marxismus oder Kommunismus gewesen sei, doch die Lesarten gehen eben auch hier fließend ineinander über und den Kommunismus da völlig frei zu sprechen ist ebenso schwer, wie dies bei anderen mythischen Glaubenssystemen der Fall ist.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon stine » Mo 3. Feb 2014, 10:01

Der Unterschied zwischen einem Atheisten und einem fundamentalen Atheisten: Ein Atheist glaubt nicht an einen Gott - ein fundamentaler Atheist ist dazu noch religionsfeindlich. Ist imgrunde wie bei den Religiösen auch. Die einen sagen: Soll doch jeder glauben was er will und die anderen ziehen gegen die Gottlosen in den Krieg. Am Ende bleibt wieder der Krieg der Kulturen.


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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 3. Feb 2014, 15:58

Vollbreit hat geschrieben:Hast Du vielleicht das entscheindende (noch mal markierte) Wort übersehen?

Ja, habe ich - mea culpa.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Und den siehst Du als Fundamentalisten oder Du meinst, er würde so gesehen?

Ich sehe ihn nicht wirklich als Fundamentalisten (er hat sich schließlich weder bewaffnet, noch in die Luft gejagt oder irgendjemandes Tod gefordert)...

Definiert das für Dich einen Fundamentalisten?

Jein. Einerseits bedeutet Fundamentalismus nicht unbedingt etwas schlechtes (neutral als Entscheidungsfreude unabhängig von der Entscheidung), andererseits neigen viele Simpel zu diesem in verschiedenen Ausprägungen (aber mit Präferenzen zu einfachen Ideologien wie der Religion, dem Faschismus, dem Kommunismus usw. - komplexe und vielfältige Positionen wie der Nihilismus und Atheismus sind hingegen kaum anfällig für Fundamentalismus - zumindest für den des allgemeinen Sprachgebrauches. Denn selbst wenn man sich die Abschaffung der Religion wünscht und sie mit jeder Phaser verachtet, erkennen doch die meisten mit diesen Haltungen, dass ihre Existenz eine logische Konsequenz aus der Schwäche der Masse ist. Sie muss also geduldet werden wie Herpes - nicht schön, aber hartnäckig und nicht zu bekämpfen.). Kommt also drauf an, ob du meine Definition von "Entscheidungsfreude" teilst oder nicht - ich würde mich selbst aber nie als Fundamentalisten bezeichnen wollen, das ist einfach falsch (auch wenn meine Haltung relativ radikal ist - aber dieser großartige Test zeigt ja, dass ich ja nicht sooo schlimm bin) und man wird mit ebensolchen Personen assoziiert, die zu Gewalt neigen. Aber auch der verlinkte Artikel deutet an, dass es verschiedene Stadien des Fundamentalismus gibt (auch wenn ich vielen Dingen widersprechen wollen würde, die da stehen). Kurz: Entscheidungsfreude - ja, Fundamentalismus - nein. Der Begriff - auch wenn seine Bedeutung eigentlich nicht sonderlich wild ist - ist einfach zu vorbelastet.
Vollbreit hat geschrieben:Denkhaltung und Tathandlung, die ihre Einsicht aus höherer, nicht weiter ableitbarer Offenbarung bezieht und die prinzipielle Nichtidentität von intra-und extrapsychischen Vorgängen leugnet.

Das ist aber nicht sehr spezifisch und bedeutet für mich übersetzt "hat Prämissen". Und wenn da nicht eine dreifache (!) Verneinung drin wäre, könnte ich es auch ernst nehmen und drauf antworten.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 3. Feb 2014, 16:05

stine hat geschrieben:Der Unterschied zwischen einem Atheisten und einem fundamentalen Atheisten: Ein Atheist glaubt nicht an einen Gott - ein fundamentaler Atheist ist dazu noch religionsfeindlich. Ist imgrunde wie bei den Religiösen auch. Die einen sagen: Soll doch jeder glauben was er will und die anderen ziehen gegen die Gottlosen in den Krieg. Am Ende bleibt wieder der Krieg der Kulturen.

Der Punkt ist, dass auch ein fundamentaler Atheist (also ein religionsfeindlicher) nicht in den Krieg ziehen wird - während ein religiöser Fundamentalist in der Existenz der anderen Seite nur eine Prüfung ansieht, die man nach Gottes Plan überstehen muss (und damit vernichten), wird ein fundamentaler Atheist die Religion zwar zum Kotzen finden, aber die Existenz der anderen Seite nicht als Prüfung wahrnehmen, sondern als Mangel der Realität wie es viele andere Dinge sind, die aber auch ihre Logik besitzen (wie bereits erwähnt: Herpes ist unschön, aber hat auch seine Logik als Virus - hinter diesem stehen Evolution und viele kausale Zusammenhänge - wie bei der Religion. Zudem hat es bei beiden Sachen einfach nicht funktioniert, es wegzubekommen - man muss also damit leben).
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon stine » Mo 3. Feb 2014, 16:15

Darth Nefarius hat geschrieben:Der Punkt ist, dass auch ein fundamentaler Atheist (also ein religionsfeindlicher) nicht in den Krieg ziehen wird -

Woher willst du das wissen?
Was macht dich so sicher?

:lookwrong: stine
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Vollbreit » Mo 3. Feb 2014, 18:44

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Hast Du vielleicht das entscheindende (noch mal markierte) Wort übersehen?
Ja, habe ich - mea culpa.
Kein Problem.
Darth Nefarius hat geschrieben:Einerseits bedeutet Fundamentalismus nicht unbedingt etwas schlechtes (neutral als Entscheidungsfreude unabhängig von der Entscheidung), andererseits neigen viele Simpel zu diesem in verschiedenen Ausprägungen (aber mit Präferenzen zu einfachen Ideologien wie der Religion, dem Faschismus, dem Kommunismus usw. - komplexe und vielfältige Positionen wie der Nihilismus und Atheismus sind hingegen kaum anfällig für Fundamentalismus - zumindest für den des allgemeinen Sprachgebrauches.
Ich sehe erst mal nicht, was ein Etikett als solches schon komplexer macht, als ein anderes.
M.E. kann man religiöse Einstellungen haben die von sehr simpel bis sehr komplex reichen und dasselbe gibt für atheistische Einstellungen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Denn selbst wenn man sich die Abschaffung der Religion wünscht und sie mit jeder Phaser verachtet, erkennen doch die meisten mit diesen Haltungen, dass ihre Existenz eine logische Konsequenz aus der Schwäche der Masse ist. Sie muss also geduldet werden wie Herpes - nicht schön, aber hartnäckig und nicht zu bekämpfen.).
Das finde ich z.B. ungeheuer seicht.

Darth Nefarius hat geschrieben:Kommt also drauf an, ob du meine Definition von "Entscheidungsfreude" teilst oder nicht -
Da ist nicht meine Aufgabe das zu bewerten.
Ich finde es eher missglückt, weil ich Entscheidungsfreude einfach auch so nennen würde, für mich ist das eher ein Mensch, der nicht zaudert und zögert, aber das hat m.E. mit einer fundamentalistischen Einstellung gar nichts zu tun.

Darth Nefarius hat geschrieben:ich würde mich selbst aber nie als Fundamentalisten bezeichnen wollen, das ist einfach falsch (auch wenn meine Haltung relativ radikal ist - aber dieser großartige Test zeigt ja, dass ich ja nicht sooo schlimm bin) und man wird mit ebensolchen Personen assoziiert, die zu Gewalt neigen.
Vielleicht entspannt es Dich, dass es mal ausnahmsweise nicht um Dich geht. ;-)

Darth Nefarius hat geschrieben:Aber auch der verlinkte Artikel deutet an, dass es verschiedene Stadien des Fundamentalismus gibt (auch wenn ich vielen Dingen widersprechen wollen würde, die da stehen). Kurz: Entscheidungsfreude - ja, Fundamentalismus - nein. Der Begriff - auch wenn seine Bedeutung eigentlich nicht sonderlich wild ist - ist einfach zu vorbelastet.
Meinst Du denn auch, dass es diese verschiedenen Stadien gibt, findest Du das treffend, sinnvoll?

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Denkhaltung und Tathandlung, die ihre Einsicht aus höherer, nicht weiter ableitbarer Offenbarung bezieht und die prinzipielle Nichtidentität von intra-und extrapsychischen Vorgängen leugnet.

Das ist aber nicht sehr spezifisch und bedeutet für mich übersetzt "hat Prämissen". Und wenn da nicht eine dreifache (!) Verneinung drin wäre, könnte ich es auch ernst nehmen und drauf antworten.
Gar nicht schlecht, die Kritik, hast Recht.
Positiv formuliert würde es heißen: Hat Prämissen, die nicht weiter ableitbar sind und sagt: Wie ich die Dinge sehe, so sind sie auch.
Würdest Du das auch so sehen?
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