Myron hat geschrieben:Nichtsdestominder stellt die Theologie die Wirklichkeit betreffende Tatsachenbehauptungen auf, die stimmen oder eben nicht.
Sie wirken falsch, wenn man sie von einer naturwissenschaftlichen Erfahrungsgrundlage her betrachtet. Aber vieles ergibt einen Sinn und widerspricht auch den Tatsachen nicht, wenn man sie von einer mythisch-religiösen Erfahrungsgrundlage her liest bzw hört.
Schlimm wird es dann, wenn es "übergreifend" oder pseudowissenschaftlich formuliert ist.
Myron hat geschrieben:Fisherman's Fellow hat geschrieben:Ein (von seinem Sein her) "persönlicher Gott" wäre, wie Dawkins richtig feststellte, nicht das Ende des Regresses, weil er von irgendetwas anderem abgeleitet sein müsste.
Wieso denn?
Dass alles eine Ursache seines Seins hat, scheint mir keine logisch notwendige Wahrheit zu sein.
Dawkins bezog sich auf Ockhams Rasiermesser. Eine so komplexe, übernatürliche Intelligenz wäre eher als Ergebnis einer langen evolutionären Entwicklung anzusehen als als deren Ursache.
Myron hat geschrieben:An der Idee eines ewigen, unverursachten "Urgrundes", sei er nun ein göttliches Wesen oder nicht, ist nichts widersprüchlich. Ein solches Naturfundament ohne Seinsursache kann es durchaus geben.
Klar kann man sich auch ein über die Maßen komplexes, höchstes Wesen, eine Art Überperson, als Urgrund vorstellen. Aber es widerspricht irgendwie der wissenschaftlichen Ästhetik, die höchste Komplexität im Urgrund zu sehen und sich dann zu fragen, warum sich das Universum aus einfachen Anfängen durch Selektion zu immer komplizierteren Strukturen aufbaut.
Besonders überzeugend fand ich dieses "Ockham"-Argumentation nicht und schrieb an den Rand: "Wieso eigentlich?"
Aber sich einen Weltgrund vorzustellen, der - als Person! - alleine im zeitlosen Nichts herumdümpelt, "bevor" er seinen Urknall zündet, wirkt auch nicht besonders überzeugend.
Myron hat geschrieben:Ich will von den Theologen eine klare Antwort auf die Frage, ob ihr Gott im nichtmetaphorischen Sinn eine Person ist oder nicht!
Bei Vorgabe einer naturwissenschaftlich-rationalen Erfahrungsvoraussetzung: Keine Aussage möglich.
Bei Vorgabe einer christlich-spirituellen Erfahrungsvoraussetzung (dh als gläubiger Christ): Ja.
Myron hat geschrieben:Bei diesem alles entscheidenden Punkt eiern sie nämlich gerne unglaublich herum.
Da liest man dann so Sachen wie "Gott ist persönlich, aber keine Person", was ein völlig widersinniger Satz ist.
Zum Beispiel vollführt einer wie Küng konfuse rhetorische Akrobatik, um keine klare Aussage treffen zu müssen:
"Gott ist gewiss nicht Person, wie der Mensch Person ist: Der Allesumfassende und Allesdurchdringende ist nie ein Objekt, von dem sich der Mensch distanzieren kann, um über ihn auszusagen. Der Urgrund, Urhalt und das Urziel aller Wirklichkeit, das jede einzelne Existenz bestimmt, ist nicht eine Einzelperson unter anderen Personen, ist kein Über-Mensch oder Über-Ich. Auch der Personbegriff ist nur eine Chiffre für Gott: Gott ist nicht die höchste Person unter anderen Personen. Gott sprengt auch den Personbegriff: Gott ist mehr als Person! (...)
Ein Gott, der Personalität begründet, kann nicht selber apersonal sein. Gerade weil Gott keine 'Sache' ist, gerade weil er, wie im Osten betont, nicht durchschaubar, verfügbar, manipulierbar ist, ist er auch nicht unpersönlich, nicht unter-personal. Gott sprengt auch den Begriff des Unpersönlichen: Gott ist auch nicht weniger als Person!"
(Küng, Hans. Existiert Gott? Antwort auf die Gottesfrage der Neuzeit. München: dtv, 1981. S. 692)
Es sind ein paar interessante Ansätze drin wie zB, dass Personalität von Gott abgeleitet ist, so dass es schwer ist, Gottes Personhaftigkeit mit der von Menschen in Beziehung zu setzen. Aber eigentlich ist das alles ziemlich verstiegen und ergibt sich daraus, dass im Katholizismus die Trennung zwischen Sein und Offenbarung nicht mit all ihren Folgen durchgehalten wird.
Myron hat geschrieben:1. Durch den Satz "Der Allesumfassende und Allesdurchdringende ist nie ein Objekt, von dem sich der Mensch distanzieren kann, um über ihn auszusagen" sagt Küng distanzierend etwas über ihn als Denkobjekt aus, womit er sich selbst widerspricht.
Stimmt. Da auch in einer mythisch-religiösen Erfahrungsdimension die Gesetze der Logik gelten, ist dieser Satz so oder so falsch.
Myron hat geschrieben:2. Was soll man als normaler Leser mit diesem typischen Theologen-Gebrabbel anfangen?!
Gott sei nicht wirklich persönlich, aber auch nicht unpersönlich, zugleich irgendwie überpersönlich, aber auf keinen Fall unterpersönlich. Und wenn's drauf ankommt, dann ist eh alles bloß eine "Chiffre".
Das große Problem der Theologen ist, dass sie meistens einerseits nicht meinen, was sie sagen, aber andererseits außerstande sind zu sagen, was sie eigentlich mit all ihren Chiffren, Metaphern und Analogismen meinen.
All das ödet mich sehr an, ehrlich gesagt.
Es gibt schon ein paar, die zu klaren Formulierungen fähig sind bzw waren. Einer, der Dir bekannt sein dürfte, ist der derzeitige EKD-Chef Wolfgang Huber.
Myron hat geschrieben:Fisherman's Fellow hat geschrieben:Nicht, dass dadurch grundsätzlich ausgeschlossen wäre, dass Gott ein persönlicher wäre - es ist einfach keine rationale Seinsaussage möglich.
Warum halten die Theologen dann nicht einfach ihren Mund?!
a) Weil es sich vielleicht gar nicht um eine rationale, sondern um spirituelle Aussagen handelt.
b) Warum halten die Naturwissenschaftler bei Seinsaussagen nicht den Mund? Ihre Ontologien sind allenfalls kontingent. Da nützt die Klarheit nichts. Und wenn dann noch zum anthropischen Prinzip gegriffen wird - dann ist mir ein merkwürdiger Satz von Karl Barth schon lieber.
Myron hat geschrieben:Aber du wirst nicht um die Tatsache umhinkommen, dass genau das die Kernbehauptung des Theismus ist: dass die natürliche, materielle Welt von einem übernatürlichen, außerraumzeitlichen (oder zumindest außerräumlichen), persönlichen, d.i. selbstbewussten, Geistwesen erschaffen worden sei und von diesem absolut beherrscht werde.
[...]
Nimm das doch einfach so zur Kenntnis!
Ich nehme zur Kenntnis, dass es prominente und auch viele weniger prominente Christen im angelsächsischen Raum gibt, die so denken.
Aber nimm Du bitte zur Kenntnis, dass es sich dabei nicht um alle Christen handelt; dass es also kein typisches Zeichen für das Christentum ist, dass Gott schlechterdings und in jeder Hinsicht für eine Person gehalten wird.
Myron hat geschrieben:Es muss sich doch auch jeder halbwegs intelligente religiöse Mensch die Frage stellen, ob Gott objektiv, d.i. realiter da ist oder nicht. Kein Gläubiger würde doch einen Gott anbeten, von dessen Nichtexistenz er überzeugt ist, oder?
Ich auch nicht. Aber wenn alles aus Gott als selbstevidentem Ausgangspunkt allen Denkens abgeleitet ist, dann auch Nichtexistenz. Es ist also falsch, von einem nichtexistenten Gott zu sprechen.
Myron hat geschrieben:Ich würde sagen, ein Subjekt ist ein Objekt, für das es Objekte gibt und für das es irgendwie ist, ein Objekt zu sein.
Ein Subjekt denkt, empfindet, handelt, oder wird in dieser Weise wahrgenommen. Insofern sich göttliche Offenbarung unmittelbar an das Subjekt richtet und sich auf Einzelfälle bezieht, ist sie subjektiv und nur bedingt (oder manchmal auch gar nicht) verallgemeinerbar.
Da ergeben sich schwierige Fragen, aus denen die Theologie und die Amtskirche ihre Daseinsberechtigung beziehen. Sie sind u.a. Kontrollinstanzen, die beispielsweise klarstellen, dass einer, der meint, von Gott den Auftrag zum Mord an 35 Frauen erhalten zu haben, irgendwas, nicht aber Gott vernommen haben kann.
Myron hat geschrieben:Im allgemeinsten Sinne ist jeder beliebige Gegenstand unseres Denkens ein Objekt.
Jepp.
Myron hat geschrieben:Indem in den "Urgrund des Seins" Subjektivität, Bewusstsein und Personalität hineinprojiziert wird, wird Gott als ein absoluter Geist gesetzt, dessen reale Existenz angenommen wird.
So könnte man meinen, aber das philosophische Nachdenken über einen Seinsgrund ist streng genommen die Aufrichtung eines Götzen - vor allem dann, wenn man Bewusstsein und Personalität in ihn projiziert. Nicht der Mensch findet Gott, sondern Gott findet den Menschen: Die klassische Weise, dass Menschen zum Glauben kommen, besteht darin, dass sie eine sehr individuelle und berührende Erfahrung gesammelt haben, die sie als Handeln Gottes empfinden.
Myron hat geschrieben:Was mit "Erleben des göttlichen Subjektes/der göttlichen Person/des göttlichen Bewusstseins" gemeint sein könnte, ist mir allerdings schleierhaft. Irgendwie scheint es um eine Art übersinnlicher Wahrnehmung oder Erfahrung zu gehen, eben um komische religiös-mystische Erfahrungen, deren angeblich transzendentaler Erlebnisgehalt meines Erachtens reine Einbildung ist.
Ich sehe selbst in wunderhaften Erlebnissen nichts 'Übersinnliches', wobei natürlich - aus spiritueller Sicht - Gottes Handeln alles in Frage stellen kann; auch eherne Vernunftregeln. Manchmal sind diese Glaubenserfahrungen sehr stark, dass die Betroffenen sie für selbsterklärend halten. Oft aber steht am Ende auch die Wertung - vielleicht auch erst Wochen später: "Da hat Gott mich bewahrt" (o.ä.)
Der Unterschied zur naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise liegt nicht in übersinnlichen Erfahrungen, Einbildungen oder Wahnvorstellungen, sondern in einer anderen Erfahrungsvoraussetzung. Unterschiedliche Prämissen/"Einstellungen" bedingen unterschiedliche Erfahrungen.
Myron hat geschrieben:Jedes Subjekt ist notwendigerweise zugleich ein Objekt, weil Subjektivität ein abhängiges Erzeugnis bestimmter objektiver Vorgänge in bestimmten Objekten, sprich Tieren, ist. Die Seele ist das "Innensein des Organismus" (W. Wundt).
Da stimme ich nicht zu.
Du hast selbst oben eine Definition gebraucht, die voraussetzt, dass ein Objekt etwas Vorgestelltes ist. Dh ein Subjekt wird nur dann zum Objekt, wenn es 'gedacht' wird. Und "Objekte" weisen keine "objektiven" Vorgänge auf, sondern allenfalls empirische.
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Grüßle,
FF