Andreas Müller hat geschrieben:I can't help feeling that such a position, though logically sound, would have left one feeling pretty unsatisfied, and that although atheism might have been logically tenable before Darwin, Darwin made it possible to be an intellectually fulfilled atheist.
Das ist offenbar deine Lieblings-Anti-Dawkins-Stelle,
warum
Anti-Dawkins-Stelle?
Andreas Müller hat geschrieben:so oft wie du sie zitierst. Das überzeugt mich überhaupt nicht, er sagt nur das Offensichtliche.
Mein Punkt war, dass Dawkins die Selektionstheorie zur Stütze seines Atheismus verwendet. Das ist nun wirklich das Offensichtliche. Warum das pejorativ sein soll, weiß ich nicht. Ich halte es für falsch, aber warum sollte Dawkins nicht schreiben dürfen, was er für richtig findet?
Andreas Müller hat geschrieben:Außerdem schreibt er hier nicht von der Selektionstheorie, sondern von "Darwin", was er hier als synonym mit der "Evolutionstheorie" an sich sieht.
Dann solltest Du vielleicht den Rest des Buchs noch lesen. Dann merkst Du, was 'Ultra-Darwinismus' ist, und dass 'Evolution' für Dawkins eben das bedeutet, was für Darwin 'my theory' war: die Selektionstheorie. 'Darwinismus' ist ein Fachbegriff für die Form der Evolutionstheorie, die Darwin vertrat (Selektionstheorie mit lamarckistischen Elementen), Neo-Darwinismus ist dann Selektionstheorie ohne lamarckistische Elemente und die Synthetische Theorie ist dann die Selektionstheorie, erweitert durch die Populationsgenetik etc. Dawkins bezeichnet sich, wie Maynard Smith, als 'Neo-Darwinist', allerdings in einem etwas anderen Sinn.
Andreas Müller hat geschrieben:Ist doch klar: Schon vor der Evolution war es offenkundig, dass der Gottglaube voller logischer Probleme steckt, das war schon Aristophanes klar, der 500 vor Christus lebte. Atheisten hatten jedoch lange Zeit keine Erklärung dafür, wie das Leben entstanden ist. Nach Darwin hatten sie eine.
Eben nicht. Darwin hat sich nie an Spekulationen über die
Entstehung des Lebens beteiligt. Er setzte sie einfach als gegeben voraus. Das tun übrigens auch heute noch viele Evolutionsforscher. In dicken Lehrbüchern der Evolutionsbiologie findest Du oft nur ganz kurz Vorstellungen über die Entstehung des Lebens, oder auch gar nichts darüber.
Andreas Müller hat geschrieben:Ganz einfach.
Nein, eben nicht. Hochspekulativ, wenn man genau hinschaut.
Andreas Müller hat geschrieben:Und wenn die Selektion nicht gilt, immerhin gilt die Dependenz
Du meinst wohl Deszendenz. Klar, aber die ist mit
vielen Mechanismen, auch mit übernatürlichen Eingriffen, kompatibel. Unter Paläontologen war es noch vor 50 Jahren fast Standard, an den Stellen, an denen man Sprünge im Fossilbefund fand, Schöpfung einzusetzen. Gott schafft dann eben ab und an einen neuen Typ, der nicht ex nihilo stammt und sich weiter entwickelt.
Andreas Müller hat geschrieben:und es ist offensichtlich, dass sich ein Schöpfer so etwas nicht ausdenkt.
Was meinst Du unter 'offensichtlich'? Das ist ein genuin
theologisches Argument, denn Du musst wissen, was ein Schöpfer denkt, um zu dieser 'offensichtlichen' Aussage zu gelangen.
Andreas Müller hat geschrieben:Kannst du mal die Seitenzahl nennen, wo er in The God Delusion Dawkins konkret die Selektionstheorie als einzige Alternative zur Schöpfung bezeichnet? Da schaue ich sogar mal nach.
Willst Du nicht nachschauen,
bevor Du in eine Diskussion einsteigst? Ganz ehrlich, wenn ich Dir das mit Seitenzahlen belegen soll, scheinen wir verschiedene Bücher gelesen zu haben, oder ich verstehe Deine Frage nicht. Der absolute Knackpunkt ist doch, dass es in der Natur 'designoide' Strukturen gibt, die nach Dawkins
entweder durch Selektion
oder durch Design erklärt werden können. Die Selektionstheorie ist daher der 'consciousness riser'.
Schau mal auf S. 79 unten. Das ganze Buch (und auch andere) sind voll von derartigen Passagen, fast hymnisch.
Andreas Müller hat geschrieben:EvoDevo ist doch nur ein Randphänomen, jedenfalls laut Kutschera.
Ich kenne Kutschera ganz gut und weiß auch so in etwa, was er vertritt. Kennst Du
Kutschera, U.; Niklas, K.J. (2004) 'The modern theory of biological evolution: an expanded synthesis' Naturwissenschaften 91:255-276
URL:
http://www.evolutionsbiologen.de/niklas.pdf letzter Zugriff: 21.06.2004
Schau mal, was 'expanded' bedeutet. Das ist auch Systemtheorie und EvoDevo.
Andreas Müller hat geschrieben:Warum soll EvoDevo so wichtig sein?
Weil es genau die Frage anspricht, welche die Selektionstheorie nie beantworten konnte: wie
entstehen biologische Neuheiten? Erinnerst Du Dich oben an Darwin? Der setzte die Entstehung des Lebens
voraus. Lies mal den letzten Satz der 6. Auflage (ist eigentlich ab der zweiten fast unverändert) des
Origin of Species. Dort wird das Leben eingehaucht, ein 'creator' (O-Ton Darwin) ist nicht nur implizit erwähnt. Die Selektionstheorie ist eine Theorie, wie
Anpassungen existierender Systeme entstehen. Wie die Vorläufer der Strukturen entstanden, wird nicht geklärt.
Andreas Müller hat geschrieben:Inwiefern widerlegt es die Selektionstheorie?
Die Selektionstheorie ist externalistisch, gradualistisch und extrapolationistisch. EvoDevo enthält starke internalistische Elemente. Der Selektionsdruck wird durch den Mutationsdruck überdeckt, die Rolle der Selektion wird gemindert.
Andreas Müller hat geschrieben:Und die Behauptung, dass die natürliche Selektion widerlegt sein soll, ist schon wirklich sehr krass, das ist dir wohl bewusst.
Die Selektions
theorie ist widerlegt, das bedeutet nicht, dass natürliche
Selektion widerlegt ist. Durch die Faktoren, die
zusätzlich zur Selektion ins Spiel kommen, wird deren Rolle aber so relativiert, dass die Selektion ihre 'Allmacht' (O-Ton Weismann) verliert. Das ist eine Widerlegung der Selektionstheorie in dem Sinn, wie die Newtonsche Mechanik widerlegt ist, wenn man Systeme betrachtet, die sich sehr schnell bewegen, so dass relativistische Phänomene auftreten.