von molosovsky » Sa 1. Mär 2008, 17:42
Zum längeren Eröffnungs-›Essay‹ dieses Thread schreib ich jetzt nix, denn dafür ist mir der dortige Versuch zu krude und durchwachsen.
Aber zum Begriff ›Mystik‹ (Mysterium = Geheimnis) wollt ich gern was loswerden.
Damit ist mitnichten eine ›Vereinigung mit Gott‹ gemeint. Ganz allgemein versteht man darunter das Bestreben danach, eine Zwiesprache, einen bewußtes Erleben oder Einswerden mit der fundamentalsten (sprich: alles umfassenden) Wirklichkeit oder spirituellen Wahrheit oder dem (plural) Göttlichem oder (monotheistisch) GOtt. — Als von den Künsten kommender Atheist kann ich da ganz platt entgegen: seit der Erfindung der Literatur im modernen Sinne und des Buchdrucks erlebten und erleben täglich Abermillionen von Menschen diesen Zustand, indem sie sich z.B. in ›absolute Erzählerstimmen‹ versenken, sprich Romane und Erzählungen und Lyrik genießen.
Insofern ist jeder Leser ein kleiner Mystiker und heutzutage ist die Sache um so spannender, weil es eben so viele unterschiedliche Geheimnisse und Ansichten zu ihnen gibt. Was die Weltpolitik und andere heiße Eisen der öffentlich geteilten Geheimnisse angeht, kann man neumodisch statt von Mysterien auch von Verschwörungstheorien reden. Mystik oder Cospirationen haben gemein, dass nur in sie Eingeweihte (Kraft gemeinsamer Zeichen) einander als Geheimniswissende erkennen.
Markant ist nun, wie man als Gruppe unterscheidet, welche Geheimnisse Humbug sind, und welche Geheimnisse wohl wahr sind. Wissenschaft ist nix anderes, als eine durch Praxis erlangte Methode der gegenseitigen Abstimmung der Aufdeckung von (Natur-)Geheimnissen. Die Sphäre der modernen Kunst ist der Wissenschaft ziemlich ähnlich, nur dass sie sich statt um die objektivierbaren Wahrheiten der äußeren Tatsachenwelt um die subjektiven Empfindungswahrheiten kümmern.
Institutionalisierte Religionen sind nun die für mich auf dieser meiner Karte schlicht traditionelle ›Stämme‹ mit historisch gewachsener und immer inne habender Macht, inkl. ihrer spezifischen Bräuche, Rituale und geteilten Schätzkästlein an mnemotechnischen Symbol- und Zeichen-Systemen, und diese Stämme verteidigen wie alle Besitzstandswahrer ihre Pfründe mit mehr oder minder zugänglichen Argumenten. Damit will ich den Religionen (weder den althergebrachten traditionellen a la Kirche, noch den flippigen modernen a la Ufos) in toto absprechen, dass sie ihr Quentchen Nutzen zum allgemeinen Stimmungswetterzauber beitragen können.
Wenn es aber um Politik und Gesellschaft geht, haben m.E. die Argumente möglichst klar, einsichtig und für möglichst alle nachvollziehbar zu sein.
Grüße
Alex / molo
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molosovsky am Sa 1. Mär 2008, 17:48, insgesamt 2-mal geändert.