Religion vs. Glaube

Religion vs. Glaube

Beitragvon Hannes » Mi 12. Sep 2007, 10:31

Hallo,

wahrscheinlich gibt es schon ähnliche Diskussionen darüber dann einfach einen Link posten!

Ich finde es einfach völlig daneben Religion und Glaube in einen Topf zu werfen. Das wird nicht nur hier getan sondern ist wohl eher ein allgemeines Problem. Von Religionen halte ich nicht viel, sie sind meist in sich widersprüchlich und doch auch nur ein Instrument der Macht. Leicht zu widerlegen und geknüpft an oft völlig an den Haaren herbeigezogenen Ritualen. Sie werden benutzt um Völker gegeneinander aufzuhetzen und verweltlichen den Glauben auf eine Art und Weise die es aberwitzig macht, dass angeblich wahrhaft gläubige Menschen ihr überhaupt folgen können.

Der Glaube als solches ist aus meiner Sicht jedoch nicht widerlegbar. Wenn der Glaube an eine höhere Macht (was auch immer das ist) tief in einer Person drin ist gibt es für jemanden der diesen Glauben nicht hat keine Möglichkeit dies zu bestreiten und denjenigen zu überzeugen, dass dieser Glaube falsch ist. Dieser Glaube entspricht dem Glauben von Naturalisten an die grundlegendsten Prinzipien der Natur, die auch einfach da sind ohne das sie weiter reduziert werden können. Irgendwann muss auch der Naturalist (ich hoffe ich verwende den egriff hier richtig) einfach Annahmen treffen um Grundlagen zu schaffen. Die Überzeugung über diese Grundannahmen ist dann unantastbar. EIn tief verankerter innerer Glaube ist nicht mal von der Person selber durch logisches Denken und der Überzeugung von der Richtigkeit der logischen Gedankengänge einfach zu zerstören. Er ist einfach da ...ohne Begründung und daran ist nichts falsches und verblendetes.

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Re: Religion vs. Glaube

Beitragvon Falk » Mi 12. Sep 2007, 11:04

Dieser Glaube entspricht dem Glauben von Naturalisten an die grundlegendsten Prinzipien der Natur, die auch einfach da sind ohne das sie weiter reduziert werden können.

Falsch. Diese Annahmen des Naturalisten, von denen du sprichst, sind wissenschaftlich prüfbar, der Glaube im religiösen Sinne ist es nicht. Du sagst es selbst: Glaube ist nicht falsifizierbar. Eine Annahme schon.
Desweiteren wirst du kaum einen Naturalisten finden, der behauptet, er könne einen religiösen Glauben widerlegen. Braucht man auch nicht, denn eine nicht-falsifizierbare Behauptung, etwa ein Glaube, ist völlig bedeutungslos.

Dein Hinweis auf den Unterschied zwischen Religion und Glaube finde ich gut, aber danach machst du zwei fundamentale Fehler. Religiöser Glaube und Annahme sind nicht das gleiche. Und die Nicht-Falsifizierbarkeit eines Glaubens spricht (aus naturalistischer Sicht) nicht für, sondern gerade gegen diesen Glauben.
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Re: Religion vs. Glaube

Beitragvon Hannes » Mi 12. Sep 2007, 11:36

Ich denke schon, dass der Glaube an sich ähnlich prüfbar ist wie eine Annahme. Ich sage nicht, dass das Objekt an welches geglaubt wird überprüfbar ist, sondern der Glaube als solches. Damit wid dieser auch falsifizierbar und ist auf keinen Fall bedeutungslos. Für eine Person die glaubt hat dieser Glaube sogar eine überragende Bedeutung für das Leben. Diese Person handelt mit dem Glauben im Rücken und hat somit natürlich auch Einfluss auf andere Personen und Ereignisse.

Worum es mir geht ist der Glaube als solches. Nach dem Motto: "Der Glaube versetzt Berge". Die Religion kommt dann nur noch daher und versucht diesem Glauben ein zu Hause zu geben. Scheinbar ist Religion auch schwer zu vermeiden, denn wenn sich Gläubige zum Austausch treffen fängt Religion eigentlich schon an! Der tiefe innere Glaube ist aus meiner Sicht dann nämlich auch gar nicht vermittelbar und nur der Person selber zugänglich. Prüfbar jedoch am Handeln der Person.
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Re: Religion vs. Glaube

Beitragvon Max » Mi 12. Sep 2007, 11:38

Hallo Hannes,
willkommen im Forum! Wie liefs auf der WMC?

Ich finde es einfach völlig daneben Religion und Glaube in einen Topf zu werfen.
Ich denke, man muss hier differenzieren. Inhaltlich unterscheiden sich Glaube und Religion stark. Der Glaube ist subjektiv und persönlich, die Religion intersubjektiv und kollektiv. Der Glaube ist eher persönlichen Ursprungs, kann keine Grundlage einer Politik sein, begründet keine Normen, hat wenig mit Tradition zu tun, etc. Religion hingegen ist die Überlieferung von Mythen und Normen aus vergangen Zeiten, beeinflusst die Politik immer, ist oft sogar Grundlage von ihr, etc. In dieser Hinsicht unterscheiden sich Glaube und Religion völlig.

Aber in ihrer Struktur sind sie identisch: Beide sind Produkt derselben irrationalen Denkweise. Man beharrt auf seinem Glaubenssystem, lässt sich von kritischen Argumenten nicht beeinflussen, ignoriert die Realität, beansprucht die jeweils eigene Anschauung als wahr oder gibt sich relativistisch, indem man den Begriff der Wahrheit aushöhlt und anschließend alle Anschauungen für wahr - in Anbetracht des Umfeldes - hält. In Bezug auf die Denkweise, Methodologie und Vorgehensweise kann man Religion und Glaube sehr wohl in einen Topf werfen - und mit ihnen alle Ideologien.

Der Glaube als solches ist aus meiner Sicht jedoch nicht widerlegbar. Wenn der Glaube an eine höhere Macht (was auch immer das ist) tief in einer Person drin ist gibt es für jemanden der diesen Glauben nicht hat keine Möglichkeit dies zu bestreiten und denjenigen zu überzeugen, dass dieser Glaube falsch ist.
Wie Falk schon sagt, folgt aus dem Umstand, dass man ein Glaubenssystem nicht widerlegen kann, nicht, dass man dieses für wahr halten müsste oder dieses wahr wäre, sondern vielmehr, dass es keinen vernünftigen Sinn gibt, diese Hypothesen überhaupt in Betracht zu ziehen. Wenn irgendeinen Satz eine Bedeutung hat, etwas über die Wirklichkeit aussagt, Gehalt hat, dann ist er widerlegbar; er kann an der Realität scheitern. Wenn aber ein Glaube nicht widerlegbar ist, heißt dies nur, dass nichts gibt, was er behauptet. Er besteht dann nur aus inhaltslosen Worten. Wieso soll man solche Worthülsen überhaupt ernst nehmen? Selbst wenn man an die Worthülsen glaubt, ist dieser Glaube leer. Manche Leute sagen: "Gott ist Energie" oder "Das Universum wurde von Gott erschaffen" - aber was soll das heißen? Was behaupten sie damit? Was ist diesen Aussagen nach in der Realität? Das sind nichts weiter als leere Sätze.

Irgendwann muss auch der Naturalist (ich hoffe ich verwende den egriff hier richtig) einfach Annahmen treffen um Grundlagen zu schaffen.
Das stimmt. Beispielsweise kann man nicht beweisen, dass es eine Wirklichkeit gibt - es könnte auch alles ein gigantischer Traum sein. Aber: Man muss vom einfachsten und sparstamsten ausgehen (Ockhams Rasiermesser), solange bis sich eventuell herausstellt, dass diese Annahmen eben doch zu einfach waren. Die Annahme einer von uns unabhängigen Realität ist dabei die einfachst mögliche. Es könnte aber sein, dass sie falsch ist. Vielleicht ist tatsächlich alles nur ein Traum. Aber wenn das so ist, dass muss es irgendwo Hinweise darauf geben, die dann den Realismus widerlegen. Aber bis der Realismus widerlegt ist, halte ich ihn für wahr.
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Re: Religion vs. Glaube

Beitragvon Falk » Mi 12. Sep 2007, 11:42

@Hannes
Ich denke schon, dass der Glaube an sich ähnlich prüfbar ist wie eine Annahme. Ich sage nicht, dass das Objekt an welches geglaubt wird überprüfbar ist, sondern der Glaube als solches. Damit wid dieser auch falsifizierbar und ist auf keinen Fall bedeutungslos.

Jo, stimmt, nur hat dagegen mW auch noch kein Naturalist argumentiert. Der "Glaube an sich" ist doch ein natürliches Phänomen, kein Hokuspokus. Niemand bestreitet, daß es ihn gibt.

Daher weiß ich jetzt ehrlich gesagt gar nicht, worauf du hinauswillst. Daß es einen Glauben gibt, und dieser Auswirkungen auf die glaubende Person und ihre Handlungen hat, ist doch völlig unstrittig. Strittige Fragen sind z.B. die moralische Bewertung dieses Glaubens oder der Inhalt des Glaubens.
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Re: Religion vs. Glaube

Beitragvon taotne » Mi 12. Sep 2007, 12:11

Max hat geschrieben:
Irgendwann muss auch der Naturalist (ich hoffe ich verwende den egriff hier richtig) einfach Annahmen treffen um Grundlagen zu schaffen.
Das stimmt. Beispielsweise kann man nicht beweisen, dass es eine Wirklichkeit gibt - es könnte auch alles ein gigantischer Traum sein. Aber: Man muss vom einfachsten und sparstamsten ausgehen (Ockhams Rasiermesser), solange bis sich eventuell herausstellt, dass diese Annahmen eben doch zu einfach waren. Die Annahme einer von uns unabhängigen Realität ist dabei die einfachst mögliche. Es könnte aber sein, dass sie falsch ist. Vielleicht ist tatsächlich alles nur ein Traum. Aber wenn das so ist, dass muss es irgendwo Hinweise darauf geben, die dann den Realismus widerlegen. Aber bis der Realismus widerlegt ist, halte ich ihn für wahr.

Wieso meinst du, dass die Annahme einer unabhängigen Realität die einfachste Möglichkeit ist? Intuitiv mag das stimmen, von den ontologischen Annahmen kommt mir ein Antirealismus zb. ein ontologischer Idealismus sparsamer vor. Mit was für Argumenten widerlegst du den den Idealismus? Oder steht der eigentlich argumentativ neben dem Realismus auf der gleichen "Wahrscheinlichkeitsstufe"? Ich selber vertrete ein realistisches Weltbild, allerdings scheint mir das Argument der Einfachheit hier ziemlich riskant zu sein.
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Re: Religion vs. Glaube

Beitragvon Falk » Mi 12. Sep 2007, 12:30

Realismus hat den Vorteil der Beobachtbarkeit. Ein Weltverständnis, das rein Subjektives (z.B. religiöse Gefühle) beinhaltet, ist dagegen nicht objektiv beobachtbar. Daher kann man auch nicht sinnvoll darüber reden.
Wenn ein Wissenschaftler einen Aufsatz über ein Chemie-Experiment schreibt, kann jeder Leser das Experiment wiederholen und die Thesen des Autors überprüfen. Mit einer Beschreibung eines persönlichen religiösen Glaubens ist das nicht möglich. Solche Beschreibungen bleiben subjektiv, können niemals Teil eines Diskurses sein.

Das rechtfertigt den Realismus vielleicht besser.

Dennoch finde ich Maxens Hinweis nicht so verkehrt: Die Grundannahme, "daß die Realität real ist", ist die einfachst mögliche, in dem Sinne, daß keine weiteren Erklärungen nötig sind. Natürlich kann man auch sagen, was den meisten Menschen intuitiv einleuchtet, ist die einfachste Annahme - das wäre dann wohl nicht der Realismus.
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Re: Religion vs. Glaube

Beitragvon Hannes » Mi 12. Sep 2007, 12:34

@Falk

Eigentlich wollte ich wirklich nur einmal die Trennung zwischen Religion und Glaube herausstellen um zu zeigen dass Glaube eben auch für einen Naturalisten ein Phänomen ist, was in seine Überlegungen mit einfließen muss, da er ja wie du sagst ein "natürliches Phänomen" ist. Aber darüber scheinen wir uns ja einig zu sein.


@Max

Danke die WMC war fantastisch...ich glaube die offene zur Schau Stellung von Religion in den arabischen Ländern würde einigen hier das Herz brechen :2thumbs:

Max hat geschrieben:Aber in ihrer Struktur sind sie identisch: Beide sind Produkt derselben irrationalen Denkweise. Man beharrt auf seinem Glaubenssystem, lässt sich von kritischen Argumenten nicht beeinflussen, ignoriert die Realität, beansprucht die jeweils eigene Anschauung als wahr oder gibt sich relativistisch, indem man den Begriff der Wahrheit aushöhlt und anschließend alle Anschauungen für wahr - in Anbetracht des Umfeldes - hält. In Bezug auf die Denkweise, Methodologie und Vorgehensweise kann man Religion und Glaube sehr wohl in einen Topf werfen - und mit ihnen alle Ideologien.


Das ist genau dass was ich an den Brights kritisiere. Glaube als Produkt einer irrationalen Denkweise zu beschreiben die sich vor der Realität verschließt halte ich für sehr arrogant. Wenn du so vorgehst hast du noch nicht verstanden was ich mit Glauben meine. Es geht dabei nicht um eine "Denkweise" die als rational oder irrational angesehen werden kann sondern um ein Faktum welches einfach da ist, so sehr man sich auch logisch klar macht, dass die Existenz einer Gottheit den Naturgesetzen widerspricht. Religion ist der Mantel und der Glaube steckt irgendwo ganz klein darin. Praktisch gesehen hast du wohl leider recht, da wohl die meisten Gläubigen ihren Glauben in einer Religion praktizieren und somit keinen Unterschied machen. Theoretisch sind es aber 2 völlig verschiedene Dinge.

Max hat geschrieben:Wenn aber ein Glaube nicht widerlegbar ist, heißt dies nur, dass nichts gibt, was er behauptet. Er besteht dann nur aus inhaltslosen Worten.


Max hat geschrieben:Die Annahme einer von uns unabhängigen Realität ist dabei die einfachst mögliche. Es könnte aber sein, dass sie falsch ist. Vielleicht ist tatsächlich alles nur ein Traum. Aber wenn das so ist, dass muss es irgendwo Hinweise darauf geben, die dann den Realismus widerlegen. Aber bis der Realismus widerlegt ist, halte ich ihn für wahr.


Hmm gilt der erste Satz nicht auch für den Realismus? Wenn er nicht wiederlegbar ist bisher gibt es auch nichts was er behauptet. Wieso kannst du ihn dann für wahr halt und den Glauben für inhaltslos?
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Re: Religion vs. Glaube

Beitragvon Max » Mi 12. Sep 2007, 13:01

Es kann sein, dass einmal Phänomene auftauchen, die mit dem Realismus nicht erklärbar sind, dann wäre dieser widerlegt. Aber zum Leidwesen der Solipsisten und Idealisten: Bisher hat man nichts dergleichen gefunden.
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Re: Religion vs. Glaube

Beitragvon [C]Arrowman » Mi 12. Sep 2007, 13:59

Ich würde es so zusammenfassen:

Glaube im Religiösen Sinne = etwas unbedingt für wahr halten trotz gegenteiliger oder nicht vorhandener indizien/Beweise

Glauben im wissenscahftlichen Sinn = eine Anahme treffen aufgrund von Indizein oder empririscher Beobachtung
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Re: Religion vs. Glaube

Beitragvon Max » Mi 12. Sep 2007, 14:16

[C]Arrowman hat geschrieben:Ich würde es so zusammenfassen:

Glaube im Religiösen Sinne = etwas unbedingt für wahr halten trotz gegenteiliger oder nicht vorhandener indizien/Beweise

Glauben im wissenscahftlichen Sinn = eine Anahme treffen aufgrund von Indizein oder empririscher Beobachtung

Was hat deine Definition mit der bisherigen Diskussion zu schaffen? Bitte hilf mir, ich steh auf dem Schlauch.
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Re: Religion vs. Glaube

Beitragvon Falk » Mi 12. Sep 2007, 17:09

Es geht dem Pfeilmann augenscheinlich um Hannesens Gleichsetzung von Glaube und Annahme im ersten Post. Und die hat er ganz anschaulisch widerlegt. :)

@Hannes
Eigentlich wollte ich wirklich nur einmal die Trennung zwischen Religion und Glaube herausstellen um zu zeigen dass Glaube eben auch für einen Naturalisten ein Phänomen ist, was in seine Überlegungen mit einfließen muss, da er ja wie du sagst ein "natürliches Phänomen" ist.

Deine weiteren Ausführungen in deinem ersten Post passen dazu aber natürlich überhaupt nicht. Denn:
Er ist einfach da ...ohne Begründung und daran ist nichts falsches und verblendetes.

Daß der Glaube "da ist", als natürliches Phänomen, ist völlig irrelevant für die Bewertung dieses Glaubens als falsch oder verblendet.
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Re: Religion vs. Glaube

Beitragvon Myron » Mi 12. Sep 2007, 19:08

Hannes hat geschrieben:Ich finde es einfach völlig daneben Religion und Glaube in einen Topf zu werfen. Das wird nicht nur hier getan sondern ist wohl eher ein allgemeines Problem.


Es gibt natürlich sowohl religiöse als auch nichtreligiöse Glauben.

Hannes hat geschrieben:Der Glaube als solches ist aus meiner Sicht jedoch nicht widerlegbar. Wenn der Glaube an eine höhere Macht (was auch immer das ist) tief in einer Person drin ist gibt es für jemanden der diesen Glauben nicht hat keine Möglichkeit dies zu bestreiten und denjenigen zu überzeugen, dass dieser Glaube falsch ist. Dieser Glaube entspricht dem Glauben von Naturalisten an die grundlegendsten Prinzipien der Natur, die auch einfach da sind ohne das sie weiter reduziert werden können. Irgendwann muss auch der Naturalist (ich hoffe ich verwende den egriff hier richtig) einfach Annahmen treffen um Grundlagen zu schaffen. Die Überzeugung über diese Grundannahmen ist dann unantastbar. EIn tief verankerter innerer Glaube ist nicht mal von der Person selber durch logisches Denken und der Überzeugung von der Richtigkeit der logischen Gedankengänge einfach zu zerstören. Er ist einfach da ...ohne Begründung und daran ist nichts falsches und verblendetes.


— Starkgläubige neigen in der Tat dazu, an ihrem Glauben ungeachtet aller Gegenargumente bzw. des Fehlens von stichhaltigen Argumenten dafür festzuhalten.
Dieser Umstand hat Nietzsche zu folgender Äußerung veranlasst:
"Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen."
(Menschliches, Allzumenschliches 1, §483)
— Selbstverständlich basiert auch der Naturalismus auf philosophischen Annahmen, was aber nicht bedeutet, dass der Naturalist diese für unantastbar erklärt. Jene Annahmen dürfen selbstverständlich von jedermann hinterfragt werden. Der Naturalist sollte sich den Argumenten der Antinaturalisten stellen und zunächst selbst Argumente vorbringen, die für die Richtigkeit seiner Weltanschauung sprechen. Freilich kann auch ein Naturalist genauso blindgläubig sein wie ein Theist und sich einen Dreck um rationale Argumente scheren.
— Wittgenstein schreibt in "Über Gewissheit" (§94):
"Aber mein Weltbild habe ich nicht, weil ich mich von seiner Richtigkeit überzeugt habe; auch nicht, weil ich von seiner Richtigkeit überzeugt bin. Sondern es ist der überkommene Hintergrund, auf welchem ich zwischen wahr und falsch unterscheide."
Wenn ich ihn richtig verstehe, dann ist für Wittgenstein jener "überkommene Hintergrund" selbst weder wahr noch falsch, sondern als gelebtes komplexes "Sprachspiel" "einfach da", wie Du sagst. (Vom Himmel fallen Weltbilder allerdings nicht, denn es gibt sehr wohl psychosoziale Ursachen der Aneignung von Weltanschauungen.)
Er hat in Bezug auf meine Person insofern recht, als ich mir mein naturalistisches Weltbild nicht durch explizite intellektuelle Reflexion angeeignet habe. Doch das bedeutet ja nicht, dass ich dieses—nun, da ich es habe—niemals kritisch analysiere und mich weder mit den Argumenten dafür noch mit denjenigen dagegen bewusst auseinandersetze.
Ich gebe zu, dass ich durchaus kein schwachgläubiger Naturalist bin, aber ich käme nichtsdestotrotz niemals auf die Idee, meine Weltsicht für sakrosankt zu erklären. Ich versuche stets, dessen eingedenk zu bleiben, dass ich mich im Irrtum befinden könnte.
Zuletzt geändert von Myron am Do 13. Sep 2007, 02:17, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Religion vs. Glaube

Beitragvon Myron » Mi 12. Sep 2007, 21:50

Hannes hat geschrieben:Eigentlich wollte ich wirklich nur einmal die Trennung zwischen Religion und Glaube herausstellen um zu zeigen dass Glaube eben auch für einen Naturalisten ein Phänomen ist, was in seine Überlegungen mit einfließen muss, da er ja wie du sagst ein "natürliches Phänomen" ist.


"Soll ich sagen 'Ich glaube an die Physik', oder 'Ich weiß, dass die Physik wahr ist'?"
(Wittgenstein, Über Gewissheit, §602)

http://plato.stanford.edu/entries/belief

Der Begriff Glaube ist mehrschichtig, vor allem, weil uns im Deutschen nur ein Wort für die englischen Wörter belief und faith zur Verfügung steht.

Ein Ausschnitt aus dem Artikel im grimmschen Wörterbuch:

http://tinyurl.com/357hty

glaube als eine subjektiv begründete überzeugung von der wahrheit oder wahrscheinlichkeit einer aussage, eines urteils, einer vorstellung, annahme, der realität eines objekts u. ähnl.; die innere verbindung mit glaube II besteht darin, dasz glaube III zunächst das rein gefühlsmäszige vertrauen zur wahrheit einer aussage bedeutet, und zwar ohne eigene einsichtnahme in den sachverhalt, lediglich auf grund des zeugnisses einer zweiten person, deren vertrauenswürdigkeit [7,7806] das masz des glaubens bestimmt; das vertrauen geht also vom personalen auf das sachliche objekt über

A. das hinreichend sichere 'fürwahrhalten' von aussagen, behauptungen, urteilen, die von einer anderen person, einem buch, einer wissenschaftlichen lehre u. dgl. als richtig bezeugt oder hingestellt werden;

B. die vorwiegend gefühlsmäszige überzeugung von der wahrheit eines tatbestandes, einer annahme, vorstellung u. dgl., von der wirklichkeit eines objekts, der wahrscheinlichkeit oder möglichkeit irgendwelcher, der erfahrung nicht zugänglicher erscheinungen, geschehnisse, überlieferungen u. s. w., meist 'rein aus subjektiven gründen, ohne die für das objektive wissen nötige erkenntnisgrundlage' ISLER hwb. d. philos. (1922) 254, wobei sich aber die subjektiven gründe z. t. 'objektiv ergänzen und rechtfertigen lassen' EISLER wb. d. philos. begriffe (1927) 1, 564.
1) eine 'feste überzeugung', eine 'gewiszheit', die nicht so sehr durch das zeugnis einer anderen person als durch eigenes erfahren, urteilen und empfinden gestützt wird und den gedanken des zweifels nahezu ausschlieszt.
a) hinsichtlich der wahrheit einer tatsache, annahme, vorstellung u. ähnl., vgl. persuasio ein gefaszte meinung, beredtnusz, glaub FRISIUS dict. (1556) 992b.

2) als annahme einer wahrscheinlichkeit oder möglichkeit, die sich mit einem urteilsakt verbindet, ohne dasz dessen inhalt das gefühl der gewiszheit erwecken kann; 'meinung, ansicht, anschauung'; 'vermutung', vgl. opinio glaub vel haltung

d) feste überzeugung, dasz wissenschaftliche, weltanschauliche oder politische lehren und systeme einen der wahrheit entsprechenden, ethisch wertvollen, dem allgemeinen heile dienenden inhalt besitzen;
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Re: Religion vs. Glaube

Beitragvon Myron » Mi 12. Sep 2007, 22:47

Hannes hat geschrieben:Der Glaube als solches ist aus meiner Sicht jedoch nicht widerlegbar. Wenn der Glaube an eine höhere Macht (was auch immer das ist) tief in einer Person drin ist gibt es für jemanden der diesen Glauben nicht hat keine Möglichkeit dies zu bestreiten und denjenigen zu überzeugen, dass dieser Glaube falsch ist.


Der Grad der Beeinflussbarkeit eines Glaubens von außen (durch logisch-rationale Argumente, empirische Indizien oder Beweise) ist von Person zu Person verschieden.
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Re: Religion vs. Glaube

Beitragvon [C]Arrowman » Mi 12. Sep 2007, 23:18

ICh bezog mich vor allem auf den ersten Post auf die Differenzierung zwischen Glaube und Annahme
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Re: Religion vs. Glaube

Beitragvon Myron » Mi 12. Sep 2007, 23:22

Hannes hat geschrieben:Nach dem Motto: "Der Glaube versetzt Berge".


"Dass der Glaube unter Umständen selig macht, dass Seligkeit aus einer fixen Idee noch nicht eine wahre Idee macht, dass der Glaube keine Berge versetzt, wohl aber Berge hinsetzt, wo es keine gibt: ein flüchtiger Gang durch ein Irrenhaus klärt zur Genüge darüber auf."
(Nietzsche, Der Antichrist, §51)
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Re: Religion vs. Glaube

Beitragvon Myron » Mi 12. Sep 2007, 23:33

[C]Arrowman hat geschrieben:ICh bezog mich vor allem auf den ersten Post auf die Differenzierung zwischen Glaube und Annahme


Eine Annahme ist sozusagen ein vorsichtiger Glaube.

Worin genau besteht Deiner Meinung nach der Unterschied zwischen einem Glauben und einer Annahme?
Bei einer Annahme scheint der subjektive Gewissheitsgrad niedriger zu sein als bei einem Glauben im Sinne einer festen Überzeugung. Eine Annahme hat in meinen Augen eher den Charakter einer Vermutung, einer Meinung.
(Es gibt auch ein glaubensfreies Annehmen, das im bloßen Erwägen eines Gedankens, einer Aussage zu wissenschaftlichen Testzwecken besteht. Doch der Naturalist stellt die Grundannahmen des Naturalismus nicht einfach nur neutral hin, sondern er glaubt auch daran, d.h. er erkennt die Grundgedanken des Naturalismus als wahr oder zumindest als sehr wahrscheinlich an.)
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Re: Religion vs. Glaube

Beitragvon [C]Arrowman » Do 13. Sep 2007, 06:35

was ich meinte war, das Glaube ein unbedingt für wahr halten (wollen) beeinhaltet,
und im gegensatz dazu das Annehmen ein "ich halte für wahr bis ich (Gegen-)beweise habe.
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Re: Religion vs. Glaube

Beitragvon Myron » Do 13. Sep 2007, 13:11

[C]Arrowman hat geschrieben:was ich meinte war, das Glaube ein unbedingt für wahr halten (wollen) beeinhaltet,
und im gegensatz dazu das Annehmen ein "ich halte für wahr bis ich (Gegen-)beweise habe.


Man kann die Begriffe Glaube und Annahme aber auch ohne eine solchen Gegensatz verwenden.

Bei den Grimms steht u.a.:

Glaube "als annahme einer wahrscheinlichkeit oder möglichkeit, die sich mit einem urteilsakt verbindet, ohne dasz dessen inhalt das gefühl der gewiszheit erwecken kann; 'meinung, ansicht, anschauung'; 'vermutung', vgl. opinio glaub vel haltung"

Es gibt im Kern zwei Bedeutungaspekte von "Glaube":

1) ("faith"): Rein subjektives, gefühlsbestimmtes Vertrauen, Sich-Verlassen auf die Wahrheit einer Aussage, eines Gedankens oder die Tatsächlichkeit eines Sachverhalts

2) ("belief"): (Mehr oder minder vernünftig begründete) Anerkenntnis der Wahrheit einer Aussage, eines Gedankens oder der Tatsächlichkeit eines Sachverhalts, Fürwahrhalten einer Aussage, eines Gedankens
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