Der letzte Gottesbeweis

Der letzte Gottesbeweis

Beitragvon Max » Fr 14. Sep 2007, 20:59

http://begleitschreiben.twoday.net/stories/4178990/

Ich möchte das, was ich meine, dass nämlich Wahrheit Gott voraussetzt, an einem letzten Beispiel verdeutlichen, an einem Gottesbeweis, der sozusagen nietzsche-resistent ist, einem Gottesbeweis aus der Grammatik, genauer aus dem sogenannten Futurum exactum. Das Futurum exactum, das zweite Futur ist für uns denknotwendig mit dem Präsens verbunden. Von etwas sagen, es sei jetzt, ist gleichbedeutend damit, zu sagen, es sei in Zukunft gewesen. In diesem Sinne ist jede Wahrheit ewig. Dass am Abend des 12. Oktober 2006 zahlreiche Menschen in der Katholischen Akademie in München zu einem Vortrag über »Rationalität und Gottesglaube« versammelt waren, war nicht nur an jenem Abend wahr, das ist immer wahr. Wenn wir heute hier sind, werden wir morgen hier gewesen sein. Das Gegenwärtige bleibt als Vergangenheit des künftig Gegenwärtigen immer wirklich. Aber von welcher Art ist diese Wirklichkeit? Man könnte sagen: in den Spuren, die sie durch ihre kausale Einwirkung hinterlässt. Aber diese Spuren werden schwächer und schwächer. Und Spuren sind sie nur, solange das, was sie hinterlassen hat, als es selbst erinnert wird. [...]

Es erstaunt mich immer wieder, wie stark Religion verblenden kann. Sogar hochintelligente Leute schaffen es in ihrem religiösen Wahn, solchen hanebüchenen Unsinn zu produzieren. Durch Beweis lässt sich kein Gehalt gewinnnen. Das heißt: hat man eine Aussage über die Wirklichkeit und deduziert aus ihr neue Sätze, können diese nichts neues besagen, sondern nur das, was die Prämissenmenge auch schon sagt. Sagt man, dass es in einigen Sprachen dieser Welt das zweite Futur gibt, hat man nach der Konklusion genau das: Es gibt das zweite Futur in einigen menschlichen Sprachen. Steckt in den Aussagen nach der Konklusion mehr als dies, zeigt dies nur, dass die Konklusion logisch falsch war.
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Re: Der letzte Gottesbeweis

Beitragvon Gregor Keuschnig » Fr 14. Sep 2007, 22:10

Spaemann ist nicht "verblendet" und auch keinem Wahn erlegen. Er ist 80 Jahre alt und ein anerkannter Religionsphilosoph. Er hat in vielen politischen und ethischen Debatten in der Vergangenheit Position bezogen und gelegentlich durchaus gegen die herrschende katholische Lehrmeinung Position bezogen. Sein "Gottesbeweis" ist irrig - aber mehr auch nicht.

Der Drang, den Glauben durch einen "Beweis" zu festigen, ist offensichtlich seit rd. 1000 Jahren stark verankert. Hierin zeigt sich m. E. das Gegenteil von einem gefestigten Glauben: Zweifel!
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Re: Der letzte Gottesbeweis

Beitragvon ernst.eiswuerfel » Fr 14. Sep 2007, 23:07

Ich frage mich was an diesem Text "Gott voraussetzt" ?
Er spricht von dem Verlauf der Zeit. Das ist ja wohl eher eine physikalische Geschichte ...
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Re: Der letzte Gottesbeweis

Beitragvon Myron » Fr 14. Sep 2007, 23:09

Auch hier findet sich Spaemanns Argument:

http://www.welt.de/print-welt/article56 ... eweis.html

Hier eine Kopie meines Kommentars im Freigeisterhaus:

Spaemann: "Das Futurum exactum, das zweite Futur, ist für uns denknotwendig mit dem Präsens verbunden. Von etwas sagen, es sei jetzt, ist gleichbedeutend damit zu sagen, es sei in Zukunft gewesen. In diesem Sinne ist jede Wahrheit ewig. Daß am Abend des 6. Dezember 2004 zahlreiche Menschen in der Hochschule für Philosophie in München zu einem Vortrag über Rationalität und Gottesglaube versammelt waren, das nicht nur an jenem Abend wahr, das ist immer wahr. Wenn wir heute hier sind, werden wir morgen hier gewesen sein. Das Gegenwärtige bleibt als Vergangenheit des künftig Gegenwärtigen immer wirklich."

Richtig, was der Fall ist, wird immer der Fall gewesen sein. Das ist ein Axiom der Zeitlogik.

(Manche werden hier einwenden, dass es theoretisch möglich wäre, in die Vergangenheit zu reisen und einzelne vergangene Ereignisse ungeschehen zu machen. Der Physiker Brian Greene argumentiert in seinen Buch [The Fabric of the Cosmos, Penguin 2004, S. 454] in überzeugender Weise, dass dies ein Irrtum sei. Sein Schluss: "Wenn man eine Zeitreise in die Vergangenheit macht, kann man sie genauso wenig ändern, wie man den Wert von Pi ändern kann. Wenn man in die Vergangenheit reist, ist man Teil der Vergangenheit, wird man Teil davon sein und war schon immer Teil davon, und zwar genau derselben Vergangenheit, die dazu führt, dass man zu ihr reist." [meine Übers.])

Spaemann: "Aber noch einmal: Von welcher Art ist diese Wirklichkeit des Vergangenen, das ewige Wahrsein jeder Wahrheit? Die einzige Antwort kann lauten: Wir müssen ein Bewußtsein denken, in dem alles, was geschieht, aufgehoben ist, ein absolutes Bewußtsein. Kein Wort wird einmal ungesprochen sein, kein Schmerz unerlitten, keine Freude unerlebt. Geschehenes kann verziehen, es kann nicht ungeschehen gemacht werden. Wenn es Wirklichkeit gibt, dann ist das Futurum exactum unausweichlich, und mit ihm das Postulat des wirklichen Gottes."

Die Wirklichkeit eines Ereignisses ist nicht davon abhängig, dass sich irgendjemand seiner bewusst ist.
Was wir denken müssen, ist die Ganzheit einer bewusstseinsunabhängigen Raumzeit, in die jedes vergangene, gegenwärtige und zukünftige Ereignis als Teil davon gleichermaßen "eingefroren", aufgehoben ist.
Wir müssen aber nicht zusätzlich einen Gott denken, der sich sämtlicher Raumzeit-Ereignisse bewusst ist.
Das ewige Wahrsein einer Wahrheit, die ewige Wirklichkeit einer Tatsache hängt, wie gesagt, nicht davon ab, dass irgendjemand, irgendein ewiges göttliches Wesen existiert, das sich ihrer bewusst ist oder seiner gedenkt.
Deswegen ist Spaemanns Argument ein Fehlschlag.
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Re: Der letzte Gottesbeweis

Beitragvon Max » Sa 15. Sep 2007, 07:37

Gregor Keuschnig hat geschrieben:Spaemann ist nicht "verblendet" und auch keinem Wahn erlegen. Er ist 80 Jahre alt und ein anerkannter Religionsphilosoph. Er hat in vielen politischen und ethischen Debatten in der Vergangenheit Position bezogen und gelegentlich durchaus gegen die herrschende katholische Lehrmeinung Position bezogen. Sein "Gottesbeweis" ist irrig - aber mehr auch nicht.

Der Drang, den Glauben durch einen "Beweis" zu festigen, ist offensichtlich seit rd. 1000 Jahren stark verankert. Hierin zeigt sich m. E. das Gegenteil von einem gefestigten Glauben: Zweifel!

Spaemann versucht, ein Wesen, für das ein keinerlei Hinweise gibt, auch unsinnige Art zu beweisen und erkennt aufgrund seines starken Bestrebens, endlich einen Beweis zu finden, nicht mehr, dass es falsch ist. Ich denke, dass Wort "verblendet" ist hier durchaus angebracht. Wir sind es halt nur nicht gewohnt, so offen über Religion zu sprechen; deswegen empfinden manche von uns eine solche Ausdrucksweise als radikal.
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Re: Der letzte Gottesbeweis

Beitragvon Gregor Keuschnig » Di 18. Sep 2007, 21:07

@ Max
Man muss nur aufpassen, dass man mit der gleichen Verve, wie man anderen eine Verblendung vorwirft, nicht selber dem gleichen Tatbestand anheim gefallen ist. Die Wortwahl ist verräterisch - auf beiden Seiten. Insofern ist mir der radikale Atheismus - genau wie sein Gegenstück - durch ihren absoluten und damit letztlich totalitären Wahrheitsanspruch suspekt. Das es für das "Wesen" "keinerlei Hinweise" gibt, ist nicht richtig. Mindestens die monotheistischen Religionen haben Bücher, in denen sie - aus freilich unterschiedlichen Quellen - ihre oral verbreiteten Transzendenzen niedergeschrieben haben. Als Agnostiker muss ich im übrigen auch darauf hinweisen, dass es auch keine "Gegenbeweise" gibt.
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Re: Der letzte Gottesbeweis

Beitragvon Max » Fr 21. Sep 2007, 17:14

Insofern ist mir der radikale Atheismus - genau wie sein Gegenstück - durch ihren absoluten und damit letztlich totalitären Wahrheitsanspruch suspekt.
Wie du an der Bezeichnung unter meinem Namen sehen kannst, trifft das auf mich nicht zu.

Das es für das "Wesen" "keinerlei Hinweise" gibt, ist nicht richtig. Mindestens die monotheistischen Religionen haben Bücher, in denen sie - aus freilich unterschiedlichen Quellen - ihre oral verbreiteten Transzendenzen niedergeschrieben haben.
Dann nenn mir doch ein paar solche Hinweise!

Als Agnostiker muss ich im übrigen auch darauf hinweisen, dass es auch keine "Gegenbeweise" gibt.
Dass es keine Gegenbeweise gibt, ist nur selbstverständlich. Dies würde erfordern, dass man Aussagen über die Wirklichkeit sicher beweisen kann, sie felsenfest begründen kann; dies aber ist nicht möglich. Will man Sätze begründen, gelangt man stets in die dreifache Sackgasse des Münchhausen-Trilemmas: infiniter Regress, vitiöser Zirkel oder dogmatischer Abbruch. Alles ist gleichsam irrational.

Aber: Auch wenn es keine Gegenbeweise gibt, gibt es sehr starke Gegenargumente. Warum ist es den Theologen in über 1500 Jahren nicht gelungen auch nur einen nennenswerten Beleg für ihre Lieblingshypothese zu finden. Bei einem allmächtigen, allumfassenden Wesen würde man ja doch ein paar auffindbare Belege erwarten. Wenn dieses Universum willentlich erschaffen wurde, warum weist es dann ganz offensichtlich keinerlei Sinn, Plan, Absicht, Zweck auf? Woher soll Gott kommen? Und noch einige andere.

Selbst wenn es keine solchen Gegenargumente gäbe, müsste man immer noch von der Nicht-Existenz ausgehen. Wofür es keine Belege gibt, das gibt es nicht - sonst müssten wir ja auch Agnostiker in Bezug auf Feen und Einhörner sein.
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Re: Der letzte Gottesbeweis

Beitragvon Myron » Fr 21. Sep 2007, 17:57

Max hat geschrieben:Aber: Auch wenn es keine Gegenbeweise gibt, gibt es sehr starke Gegenargumente. Warum ist es den Theologen in über 1500 Jahren nicht gelungen auch nur einen nennenswerten Beleg für ihre Lieblingshypothese zu finden.


Den Theologen ist es ja noch nicht einmal gelungen, begreiflich zu machen, was ein körperloser Geist, ein leibloses Lebewesen, eine immaterielle Person ist!

"[T]hough men may put together words of contradictory signification, as 'spirit' and 'incorporeal', yet they can never have the imagination of anything answering to them."

"Obgleich die Menschen Wörter von widersprüchlicher Bedeutung zusammensetzen können wie 'Geist' und 'unkörperlich', können sie doch niemals die Vorstellung von irgendetwas haben, was dem entspricht."

(Thomas Hobbes, "Leviathan", Kap. XII, 1651)

"[W]ie man schließlich früher gezwungen war, den Irrtum eines Glaubens an alle diese falschen, materiellen und körperlichen Götter einzusehen, so müssten sie jetzt auch gezwungen werden, den Irrtum ihres Glaubens an einen einzigen, geistigen und unkörperlichen Gott einzugestehen, denn eine solche Gottheit kann bloß eine Ausgeburt der Phantasie und des Wahnes sein."

(Jean Meslier, "Testament", Kap. LXX, vor 1729)
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