Der erste Atheist

Der erste Atheist

Beitragvon Andreas Müller » Do 20. Sep 2007, 16:10

Xenophanes war der erste uns bekannte Atheist. Der Philosoph lebte 570-470 v.Chr. im antiken Griechenland.

Aus Wikipedia:
Als Vertreter einer Zeit des Wandels, der Morgenröte des klassischen Hellas, hebt Xenophanes ganz im Sinne Hegels das Erbe der vorklassischen Welt auf; er ist der Erste, der dies auf eine greifbar systematische Art tut, der "Sturmvogel der griechischen Aufklärung", der Ideen der Religionskritik und des Rationalismus der Aufklärung vorwegnimmt. Nicht zufällig ist Xenophanes auch, wie Werner Jaeger sagt, "der erste griechische Denker, der als Persönlichkeit fassbar ist."

Xenophanes' Lehre war schon Platon und Aristoteles recht unklar. Bereits Heraklit hatte über ihn gesagt, dass das Kennenlernen vieler Dinge ihn nicht Verstehen gelehrt habe, und Aristoteles hielt ihn für etwas schlicht (Metaphysik 986b 26). Aus der Antike haben wir sonst kaum Testimonia; auch zu seiner Philosophie gibt es nur wenige einzelne Bemerkungen. In der modernen Debatte änderte sich das radikal, wenn diese auch komplex und kontrovers geführt wurde und teilweise auch noch wird. Die Faszination des Fragmentarischen steigert natürlich die Möglichkeit zu 'kreativer Interpretation' mit all ihren Gefahren.

Xenophanes schrieb analytisch und satirisch unter anderem über die Vielzahl und Menschenähnlichkeit der griechischen Götter. Nach ihm schufen nicht die Götter die Menschen, sondern die Menschen die Götter (Wenn die Pferde Götter hätten, sähen sie wie Pferde aus), durchaus ein religionssoziologischer Ansatz. In seinem philosophischen Hauptwerk (Über die Natur) vertritt er einen Monotheismus, dessen Gott ewig, einheitlich, unbeweglich und von vollkommener Gestalt sei, wobei das Pantheon der (nunmehr lokalen) Gottheiten aber durchaus erhalten bleibt.

Zudem wird Xenophanes als Vorläufer des von Karl Popper so bezeichneten "kritischen Rationalismus" angesehen (siehe Erkenntnistheorie). Das menschliche Wissen besteht laut ihm aus Vermutung, die Wahrheit sei nicht als solche erkennbar. Gleichzeitig sei es möglich, sich der Wahrheit mit der Zeit anzunähern: "Nicht von Anfang an haben die Götter den Sterblichen alles Verborgene gezeigt, sondern allmählich finden sie suchend das Bessere". Diese Auffassung führt bei Parmenides von Elea zur strikten Unterscheidung zwischen der wahren, durch die Sinne nicht wahrnehmbaren Welt und der Welt der Erscheinungen (Weg der Meinung). Xenophanes Rationalismus führte ihn zu einer quasi agnostischen Position in Bezug auf die Götter. Zwar stellte er deren Existenz nicht in Frage, meinte aber, dass der Mensch niemals etwas Gesichertes über die Götter wissen könne.

Bis in die 1950er Jahre hinein wurde – auf Grund falscher doxographischer Überlieferung schon seit der Antike, unter anderem des Aristoteles – häufig angenommen, Xenophanes sei ein Eleatischer Philosoph gewesen, da er auch in Elea (römisch: Velia) an der Küste Lukaniens (Unteritalien) gewirkt hat. Mit den Eleaten ist er aber nach heutiger genereller Ansicht nicht direkt verbunden, auch nicht mit Parmenides (oder gar Zenon von Elea) – wie Friedrich Nietzsche bereits erkannt hatte: Anwesenheit am gleichen Ort genügt als Beleg nicht.

Xenophanes hat aus Fossilienfunden auf einem Berg unter anderem geschlossen, dass das Wasser einst die ganze Erde bedeckt haben muss (siehe Neptunismus). Er meinte, alles sei aus Wasser und Erde entstanden (Ur-Schlamm) und vergehe schließlich wieder zu Wasser. Die Erde würde vom Wasser weggeschwemmt und entstehe danach wieder neu.

Das Meer sei auch Quelle der Wolken, Sonne und Gestirne entstünden wiederum aus diesen Wolken. Der Regenbogen sei eine besonders geartete Wolke.
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Re: Der erste Atheist

Beitragvon Myron » Do 20. Sep 2007, 17:39

Andreas Müller hat geschrieben:Xenophanes war der erste uns bekannte Atheist. Der Philosoph lebte 570-470 v.Chr. im antiken Griechenland.

Aus Wikipedia:
Xenophanes schrieb analytisch und satirisch unter anderem über die Vielzahl und Menschenähnlichkeit der griechischen Götter. Nach ihm schufen nicht die Götter die Menschen, sondern die Menschen die Götter (Wenn die Pferde Götter hätten, sähen sie wie Pferde aus), durchaus ein religionssoziologischer Ansatz. In seinem philosophischen Hauptwerk (Über die Natur) vertritt er einen Monotheismus, dessen Gott ewig, einheitlich, unbeweglich und von vollkommener Gestalt sei, wobei das Pantheon der (nunmehr lokalen) Gottheiten aber durchaus erhalten bleibt.


Xenophanes kritisierte zwar die allzu anthropomorphistischen Gottesbilder, aber es ist zweifelhaft, ob man ihn allein deshalb mit Recht als Atheisten bezeichnen kann.

"Xenophanes lehnte also die alten Götter zwar ab, aber das Göttliche selbst verbannte er nicht aus der Welt. Im Gegenteil: zu Recht verdankt er seinen Ruhm der Einführung eines neuen, sublimierten Gottesbegriffs. Es gibt—nach ihm—einen Gott, der unter Menschen und Göttern der größte ist und den Sterblichen weder körperlich noch geistig gleicht. Er bleibt, ohne sich zu bewegen, immer am selben Ort, weil es sich für ihn nicht ziemt, wie die Götter des Epos bald hierhin, bald dorthin zu gehen, ohne sich zu bemühen, und tut dies kraft seiner Einsicht: er ist ganz Sehen, ganz Verstehen, ganz Hören."

(Mansfeld, Jaap, Hrsg. u. Übers. Die Vorsokratiker 1. Stuttgart: Reclam, 1983. S. 209)

Hier wird ein anderer als "der erste Atheist" genannt:

"Atheism in Greece became visible especially in Athens in the second half of the fifth century, although the first 'atheist' was not from Athens. The first prominent philosopher that was later categorized as such was Protagoras (ca. 490-420 B.C.) from Abdera, a city in the northeast of Greece, where Democritus (ca. 460-400? B.C.), who could have developed into an atheist but apparently did not, was born. He was famous for what probably was the opening sentence of his work called 'Concerning the Gods', as in antiquity the titles of prose works often consisted of the opening words: 'Concerning the gods I am unable to discover whether they exist or not, or what they are like in form; for there are many hindrances to knowledge, the obscurity of the subject and the brevity of human life.' It is clear from this quote that Protagoras was an agnostic rather than an atheist." (p. 12+)

[Protagoras: "Über die Götter allerdings habe ich keine Möglichkeit zu wissen (festzustellen?) weder dass sie sind, noch dass sie nicht sind, noch, wie sie etwa an Gestalt sind; denn vieles gibt es, was das Wissen (Feststellen?) hindert: die Nichtwahrnehmbarkeit und dass das Leben des Menschen kurz ist." (Übers. H. Diels)]

Außerdem werden Prodikos und zwei weitere griechische Intellektuelle erwähnt:

"In addition to Prodicus [of Keos (ca. 465-395 B.C.)], the only other fifth-century intellectuals in whose work clear atheistic statements can be found are Euripides and Critias." (p. 15)

(Bremmer, Jan N. "Atheism in Antiquity." In The Cambridge Companion to Atheism, edited by Michael Martin, 11-26. Cambridge: Cambridge University Press, 2007.)
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Re: Der erste Atheist

Beitragvon Andreas Müller » Do 20. Sep 2007, 18:04

Na ja, Xenophanes Gott klingt ziemlich pantheistisch.
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Re: Der erste Atheist

Beitragvon Myron » Do 20. Sep 2007, 18:17

Andreas Müller hat geschrieben:Na ja, Xenophanes Gott klingt ziemlich pantheistisch.


"Bei Xenophanes finden wir also den ersten Versuch einer negativen Theologie, d.h. einer Umschreibung des Göttlichen durch Verneinung des Menschlich-Vorstellbaren. (...) Die alte Streitfrage, ob wir uns diesen Gott identisch mit der Welt zu denken haben, erscheint mir im Hinblick darauf, dass es sich hier durchaus um eine negative Theologie handelt, als unfruchtbar. Vermutlich entsprechen die von Xenophanes beschriebenen natürlichen Prozesse in irgendeiner Weise dem Regiment dieses Gottes. Gott ist als eine Art Personifizierung des in dieser Welt obwaltenden, jedoch in den von Xenophanes selbst beschriebenen natürlichen Prozessen nicht vorfindlichen Natürlichen und Gesetzmäßigen anzusehen."

(Mansfeld, Jaap, Hrsg. u. Übers. Die Vorsokratiker 1. Stuttgart: Reclam, 1983. S. 209+)
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Re: Der erste Atheist

Beitragvon Andreas Müller » Do 20. Sep 2007, 18:20

Wie auch immer. Also war der erste Atheist Euripides?
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Re: Der erste Atheist

Beitragvon Myron » Do 20. Sep 2007, 18:42

Andreas Müller hat geschrieben:Wie auch immer. Also war der erste Atheist Euripides?


Schwer zu sagen, wohl nicht wirklich.
Da scheint zum Beispiel Straton von Lampsakos eher infrage zu kommen.

"Straton was the first of the philosophers to hold what has been termed a kind of atheism."
(http://www.alcott.net/alcott/home/champ ... raton.html)

http://www.britannica.com/eb/article-90 ... -Lampsacus

"Strato of Lampsacus (d. 269 BC):
Head of the Lyceum after Aristotle's successor Theophrastus, from about 286 BC. Strato wrote extensively and his revision of Aristotle's physics, eliminating the teleology, influenced Hero and other Alexandrians. He thus cleared the way for what Bayle and after him Hume were to call 'the Stratonician atheism'. This was the view that the Universe is ultimate and self-sustaining and there is no call to appeal to some divine explanatory principle outside it."

(in A Dictionary of Philosophy, Antony Flew, rev. 2nd ed., Gramercy, New York, 1999)
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Re: Der erste Atheist

Beitragvon Myron » Fr 21. Sep 2007, 00:13

Auch Diagoras von Melos wird nachgesagt, er sei Atheist gewesen.
(http://www.stenudd.com/myth/greek/diagoras.htm)

P.S.:
Es gibt zu diesem Thema ein sehr interessant scheinendes Buch, das ich seit langem lesen möchte:

Anders Bjørn Drachmann: "Atheism in Pagan Antiquity" (Ersterscheinung 1922)

Amazon: http://tinyurl.com/36unkc
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Re: Der erste Atheist

Beitragvon Underachiever » So 23. Sep 2007, 18:35

Der erste Mensch war wahrscheinlich auch der erste Atheist, mal so nebenbei gesagt... :mg:
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Re: Der erste Atheist

Beitragvon Myron » So 23. Sep 2007, 18:47

Underachiever hat geschrieben:Der erste Mensch war wahrscheinlich auch der erste Atheist, mal so nebenbei gesagt... :mg:


Wenn man den Begriff <Atheist> im Sinne von <Person, der der Götterglaube fehlt> gebraucht, dann magst Du recht haben.
Es ist hier aber eher darum gegangen, welcher prominente Intellektuelle sich als Erster als "Ohngötter" oder gar als ausgesprochener Gottesleugner "geoutet" hat.
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