Vortrag Jan Philipp Reemtsma: Religiosität

Ein enorm kluger Vortrag, den Jan Philipp Reemtsma beim Philosophicum in Lech/Österreich gehalten hat: »Muss man Religiösität respektieren«. Hier zum Bericht der Wiener Tageszeitung »Der Standard«. Dort gibt es den ganzen Vortrag (15 Seiten) auch als PDF zum runterladen. (Der Vortrag beruht auf einem Essay, den Reemtsma im August 2005 in der deutschen Ausgabe von »Le monde diplomatique« veröffentlicht hat.)
Hier meine Lieblingsstelle aus dem erweiterten Text:
Viel Vergnügen.
Grüße
Alex / molo
Hier meine Lieblingsstelle aus dem erweiterten Text:
Religiös ist also nicht derjenige, der meint, mehr und anderes über die Welt zu wissen, als viele andere, sondern derjenige, der der Überzeugung ist, dass in letzter Instanz solches Wissen die Welt in ihrer Gesamtheit – oder in ihrem Kern – oder in ihrem Sinn – nicht erfassen kann. Dass es aber auf dieses Erfassen ankommt und es auch in gewissem Sinne möglich ist. Aber nicht prinzipiell jedem, sondern nur dem, der einen ganz bestimmten Zugang wählt, dessen wesentlicher Bestandteil die Empfindung dieser Zweiteilung ist. In dieser Empfindung treffen sich die Religionen – in der Art und Weise, wie sie mit dieser Empfindung in Ritualen, Überzeugungen, Lehren, Schriften, sozialem Verhalten umgehen, unterscheiden sie sich. Religiosität bedeutet die Überzeugung, über einen privilegierten Zugang zur einer nur in diesem Zugang als einheitlich zu verstehenden Welt – sagen wir: zur Wahrheit – zu verfügen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Religiöse meint, alle Menschen sollten über diesen Zugang verfügen, oder ob er im Gegenteil sein
Privileg hütet.
Viel Vergnügen.
Grüße
Alex / molo