Humanismus contra Religion

Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Pete » Mi 21. Apr 2010, 14:17

Hallo Stine,

Natürlich sollten Werte im Elternhaus mitgegeben werden. Es heißt ja nicht umsonst im Sprichwort "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr"
Ich sage nur, dass diese Werte nicht aus der Religion kommen müssen. Eben auch deshalb, weil Religion Werte lehrt, die Menschenfeindlich sind.
Zwar ist es im mitteleuropäischen Weichspülchristentum vieles bereits humaner, aber das sollte nicht darüber hinweg täuschen, was in der Welt immer noch alles schief läuft im Namen Gottes oder im Namen der Götter.

Was die Einigkeit betrifft, so ist es jedem sein Recht eine eigene Meinung zu haben. Ich gehe jedoch davon aus, dass man jenseits einer Moral auch eine Ethik entwerfen kann. Mit Moral meine ich hier ein Vorrausseten von Gut und Böse. Ich würde eher Konstruktives und Destruktives als Begriffe bevorzugen, wobei ich diese Begriffe ohne moralische Wertung wissen möchte. Denn was für eine Gruppe konstruktiv ist, kann für eine andere Gruppe bereits wieder destuktiv sein.

Ich denke auch nicht, dass es "Nichts" überhaupt gibt. Jedes Elternhaus gibt seinen Kindern etwas mit. Alleine die Vorbildwirkung ist hier nicht zu unterschätzen und die Regeln die innerhalb des Hauses gelten. Wie reagiert ein Elternteil, wenn es angelogen wird usw. usf.

Was aber tatsächlich bleibt ist eine orientierungslose Gesellschaft. Da sehe ich den Grund aber nicht im Religiösen oder Naturalismus, sondern eher in einer allgemeinen Sattheit und Nichtdurchmachen von Notzeiten. Denn die Menschen, die noch wirklich mal hungern mussten und Not im Leben litten, die sterben langsam alle weg.
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Arathas » Mi 21. Apr 2010, 14:23

Du hast mich leider falsch verstanden, stine. Ich schrieb:

Kann diese Tugendlehre denn überhaupt funktionieren ohne das gedankliche Konstrukt eines Gottes?


Mit "diese Tugendlehre" meinte ich ganz speziell die von dir angeführte Tugendlehre, noch genauer gesagt, die 10 Gebote. Ich meinte damit ganz ausdrücklich NICHT: "Kann es Tugenden geben ohne Gott?"


Und wieso denkst du, Pete und ich wären uns nicht einig? Mit meinem Kommentar wollte ich dich darauf hinweisen, dass du Birnen mit Äpfeln vergleichst. Und Pete sagte (sinnbildlich), dass man keine Birnen braucht, um Äpfel zu mögen.

Ich finde, dass Pete und ich uns da schon einig sind. :/
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon platon » Mi 21. Apr 2010, 22:27

stine hat geschrieben:Was jedoch für mich Fakt ist, ist die Tatsache, dass der Humanismus den Menschen ebenso als Krönung der Evolutuion sieht, wie das die Kreationisten mit der Schöpfung tun.

Entschuldige stine, aber das ist völliger Quatsch und ich habe keine Ahnung, woher Du diesen Unsinn ständig nimmst! Der Humanismus sieht eben genau den Menschen als Lebewesen mit bestimmten Eigenschaften, die ihn unter den Tieren einzigartig machen, gesteht diese Einzigartigkeit aber allen anderen Lebewesen ebenfalls zu. Die Definition des Menschen als "Krone der Schöpfung" ist eine ausschließlich religiöse Erfindung, die nur von ganz unwissenden und schlicht strukturierten Menschen kommen konnte.
Wer weiß, dass er nicht von einem Gott erschaffen wurde, sondern das Zufallsprodukt der Evolution ist, kommt überhaupt nicht auf den Gedanken, sich für etwas Besseres zu halten.
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon stine » Do 22. Apr 2010, 06:43

Aus Wikipedia:
1. Das Glück und Wohlergehen des einzelnen Menschen und der Gesellschaft bilden den höchsten Wert, an dem sich jedes Handeln orientieren soll.
2. Die Würde des Menschen, seine Persönlichkeit und sein Leben müssen respektiert werden.
3. Der Mensch hat die Fähigkeit, sich zu bilden und weiterzuentwickeln.
4. Die schöpferischen Kräfte des Menschen sollen sich entfalten können.
5. Die menschliche Gesellschaft soll in einer fortschreitenden Höherentwicklung die Würde und Freiheit des einzelnen Menschen gewährleisten.

Humanität ist die praktische Umsetzung der Ideen des Humanismus.[2] Dazu gehören Güte, Freundlichkeit und ein Mitgefühl für die Schwächen der Menschen, seiner selbst inne und mächtig zu werden und sich im Mitmenschen selbst wiederzufinden.


Also an den vordersten Stellen stehen das Glück, die Würde, die Bildungsmöglichkeiten, die schöpferische Entfaltung und die vielzitierte Freiheit. Güte, Freundlichkeit und Mitgefühl werden als zusätzliche Maßnahmen noch kurz erwähnt.

Unterscheidend von den biblischen Geboten ist mE nur, dass hier nicht der Weg, um dorthin zu gelangen, beschrieben wird, sondern das Ziel, welches entstehen soll. Es steht dort nicht du darfst nicht deinen Nächsten beleidigen, sondern es steht darin das Recht nicht beleidigt werden zu dürfen. Es steht da nicht du darfst deinen Nächsten nicht belügen und bestehlen, sondern es steht darin jeder hat das Recht, dass seine Persönlichkeit und sein Leben respektiert werden.
Der Unterschied ist also allerhöchstens die Formulierung. Der Mensch und seine Rechte - gegenüber den Geboten: Der Mensch und seine Pflichten.
Die Formulierung so zu wählen, als wäre das Ziel auch ohne Eigenleistung (du sollst nicht...) zu haben, ist keine wirkliche Verbesserung, gegenüber den christlichen Geboten und ist für Kinder keine eindeutige Verhaltensregel.

Und von dem, wie der Mensch sich gegenüber der Natur zu verhalten hat steht da auch nichts. Also auch keine Erweiterung gegenüber den Geboten. So ist der Humanismus nichts weiter, als die Aufzählung der Menschenrechte und somit ist eine humanistische Erziehung alleine nicht geeignet für die charakterliche Ausbildung eines Menschen. Wer nur seine Rechte kennt, weiß noch nichts über seine Pflichten.

Eine Tugendlehre (oder nennt es anders, wenn ihr wollt) halte ich deswegen für dringend notwendig, wenn christliche (religiöse) Erziehung entfallen sollte.

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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Arathas » Do 22. Apr 2010, 07:23

Das eine ergibt sich doch zwangsläufig aus dem anderen, stine:
Es steht dort nicht du darfst nicht deinen Nächsten beleidigen, sondern es steht darin das Recht nicht beleidigt werden zu dürfen.


Wer dieses Recht kennt und wahrnehmen möchte, kommt zwangsläufig nicht umhin, aus diesem Recht auch die Pflicht abzuleiten, selber andere nicht zu beleidigen, wenn man nicht selbst beleidigt werden will.

Das gute daran: Man kann selbst drauf kommen, was man für richtig oder falsch hält. Schlichte Verbote (Du darfst andere nicht beleidigen) scheinen mir für Menschen gemacht, die nicht Nachdenken können und nicht fähig sind, aus wahrgenommenen Rechten auch Pflichten abzuleiten. Diese Menschen, die nicht selbständig nachdenken können und die das brauchen, gibt es natürlich auch, das darf man nicht vergessen. Und insofern ist die Religion mit ihren Geboten vielleicht doch nicht völlig unnütz. Ich habe halt nur immer die vage Hoffnung, dass im Grunde jeder Mensch fähig sein könnte/sollte, selbständig zu denken.

Na ja, und der Rest soll sich dann eben der Religion zuwenden. :mg:
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon stine » Do 22. Apr 2010, 11:28

Arathas hat geschrieben:...die vage Hoffnung, dass im Grunde jeder Mensch fähig sein könnte/sollte, selbständig zu denken.
...die soll man ja bekanntlich nicht aufgeben, gell? :mg:

Aber im Ernst: Kinder, vor allem kleine, können nicht um die Ecke denken und ihr Verhalten ableiten, sie brauchen Verhaltensregeln. Allenfalls lernen sie aus Erfahrung und die kann oft wesentlich schmerzlicher sein, als strikte Regeln.


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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Arathas » Do 22. Apr 2010, 11:37

Es ist ja auch überhaupt nichts dabei, wenn man Kindern (vor allem kleinen) direkt sagt, was sie zu tun und zu lassen haben. Wieso willst du das aber in einem religiösen Paket verschnüren und das Ganze mit "Gott" labeln? Glaubst du, Kinder würden sich schlechter entwickeln, wenn ihnen die leibliche Mutter sagt "Lass das sein", als wenn es eine irrationale Gestalt mit weißem Rauschebart tut, die ein Kind sich da hoch droben im Himmel vorstellt? Also ich weiß nur, dass ich als Kind zu jedem Zeitpunkt eine engere Bindung zu meinen Eltern hatte als zu Gott. Und dass ich eine Anweisung meiner Mutter eher befolgt hätte als eine Anweisung aus einem dicken alten Buch.
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Pete » Do 22. Apr 2010, 14:36

stine hat geschrieben:Aus Wikipedia:

Also an den vordersten Stellen stehen das Glück, die Würde, die Bildungsmöglichkeiten, die schöpferische Entfaltung und die vielzitierte Freiheit. Güte, Freundlichkeit und Mitgefühl werden als zusätzliche Maßnahmen noch kurz erwähnt.



Und von dem, wie der Mensch sich gegenüber der Natur zu verhalten hat steht da auch nichts. Also auch keine Erweiterung gegenüber den Geboten. So ist der Humanismus nichts weiter, als die Aufzählung der Menschenrechte und somit ist eine humanistische Erziehung alleine nicht geeignet für die charakterliche Ausbildung eines Menschen. Wer nur seine Rechte kennt, weiß noch nichts über seine Pflichten.

Eine Tugendlehre (oder nennt es anders, wenn ihr wollt) halte ich deswegen für dringend notwendig, wenn christliche (religiöse) Erziehung entfallen sollte.

LG stine


Wie bereits an andere Stelle erwähnt, der Humanismus ist breit gefächert und die Philosophie gibt Antworten auf deine Frage. Und die Philosphie gibt auch Antworten warum wir so oder so handeln sollten.
Alleine die Frage bleibt, wer es wirklich weiter gibt. Denn es ist nicht ein Problem von religiös oder nicht, ob Werte und Tugenden weitergegeben werden, sondern ein Gesamtgesellschaftliches Problem. In vielen christlichen Elternhäusern geht es recht sinnleer daher...
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon stine » Do 22. Apr 2010, 14:56

@Arathas: Wer sagt denn, dass ich ein "religiöses Paket verschnüren und das Ganze mit "Gott" labeln" möchte?
Das ist deine (eure) Interpretation meiner Aussagen.
Ich stelle doch nur fest, dass dies in der Vergangenheit so gewesen ist und dass der Humanismus als Alternative nicht taugt.
Die Bildung eines starken Charakters braucht mehr als das Aufzählen seiner Rechte und hier scheitern mE die humanistischen Bildungseinrichtungen. Nach meiner Erfahrung und nach Rücksprache mit mehreren Lehrern sind Knder aus traditionell christlichen Elternhäusern einsichtiger und bemühter im sozialen Miteinander.

Das Elternhaus spielt dabei zwar eine entscheidende Rolle, aber was ist mit Kindern die von Haus aus keine Regeln einzuhalten haben, sie müssen doch ihren Halt in der Schule finden. Kann also ein humanistisches Bildungsinstitut, das auf Freiheit und Menschlichkeit baut, aber sonst keinerlei Einschränkungen vorsieht und kein Weltbild vermittelt, da mithalten?

Meiner Meinung nach haben es Kinder mit einer religiösen Krücke da leichter.
Und so bleibt die Frage: Wenn die Krücke (christliche) Religion wegfällt, was bieten wir als Gesellschaft dafür an?

@Pete: Ja, Philosophie. Jetzt gibt es ein paar Dreiviertelstunden Ethik in der Woche, aber der Inhalt dieses Unterrichtsfaches ist noch nicht "standardisiert".

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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Pete » Fr 23. Apr 2010, 07:08

Hallo Stine,

es ist natürlich so, dass es kein verbreitetes humanistisches traditionelles System gibt. Deshalb ist hier das Christentum lange im Vorteil gewesen was Kinder anbetrifft. Denn in traditionellen christlichen Elternhäusern bekommen Kinder einen festen Rahmen, den sie ein Stück weit für ihre Entwicklung brauchen.
Allerdings sind hier natürlich die Rahmenbedingungen zu hinterfragen. Bis in die 60/70 Jahre war ja die Prügelstrafe auch christliche traditionelle Erziehung und erst die 68´er mit der sexuellen Revolution und dem Drang nach Freiheit brachten Bewegung in die Sache.
Leider blieb danach die Frage nach den Rechten hauptbestimmend, während die Frage nach den Pflichten nachlies. Das ist ein Problem der Neuzeit und hat nichts mit dem Humanismus zu tun.
Es gab Epochen im Humanismus die grausam waren. Da wurden Neugeborene an ein zugiges Fenster gelegt, weil man der Auffassung war, so die natürliche Auslese zu fördern. Nur starke Kinder kommen auf diese Art und Weise weiter. Und auch die Erziehung war dementsprechend streng und hatte einen mindestens ebenso festen Rahmen wie ein christliches Elternhaus.
Deshalb sage ich ja, dass wir kein Problem haben Christentum <--> Humanismus, sondern ein Problem, dass wir eine orientierungslose, satte Gesellschaft sind. Kinder sind lange Zeit im Wohlstand aufgewachsen, mussten sich nichts erkämpfen und sind als Erwachsene dann nicht diszipliniert genug selbst für sich sorgen zu können. Und das ist ein Phänomen, das alle trifft und nicht abhängig ist von Religion oder Humanismus.
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon stine » Fr 23. Apr 2010, 07:38

Pete hat geschrieben:Und das ist ein Phänomen, das alle trifft und nicht abhängig ist von Religion oder Humanismus.

Und genau da bin ich mir nicht sicher.
Schau dir mal (strenge) religiöse Gruppierungen an, wo Kinder keine Wahl haben, als in die Fußstapfen der Eltern zu treten. Da ist unser gesamtchristliches Wischiwaschi schon Mumpitz dagegen. Religiöse Tradition ist kulturelles Erbgut. Auch heute noch. Und wo es wegfällt gibt es augenblicklich nichts anderes. Die Alternative wäre eine politische Leitkultur, in einer Dikatur zB., die das Volk in (schlechtbezahlte) Arbeit zwingt.

Ich meine über die Bischöfe kann man ja derzeit vortrefflich streiten, aber manches was die Kirchen an Lebenshilfe anbieten könnte man auch als Atheist durchaus ernst nehmen. Eine kulturelle Basis, wenn auch religiös begründet, ist ja erstmal keine Einschränkung, sondern soll Unterstützung menschlichen Daseins sein. Das ist, wenn man die Freiheit des Einzelnen im Auge hat, doch besser, als militärische Diktatur, oder nicht?
Es ist ein Rahmen eine Leitkultur. Nichts weiter.

Wer sich mit dem religiösen Weltbild in seinem Menschseins nicht anfreunden kann, weil er nicht an einen Gott glauben mag, muss doch nicht aus Prinzip die christliche Leitkultur ablehnen.

Pete hat geschrieben:...erst die 68´er mit der sexuellen Revolution und dem Drang nach Freiheit brachten Bewegung in die Sache.
Leider blieb danach die Frage nach den Rechten hauptbestimmend, während die Frage nach den Pflichten nachlies. Das ist ein Problem der Neuzeit und hat nichts mit dem Humanismus zu tun.
Und wie wollen wir als Gesellschaft dem entgegentreten und wollen wir das überhaupt?

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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Pete » Fr 23. Apr 2010, 09:06

stine hat geschrieben:
Pete hat geschrieben:Und das ist ein Phänomen, das alle trifft und nicht abhängig ist von Religion oder Humanismus.

Und genau da bin ich mir nicht sicher.
Schau dir mal (strenge) religiöse Gruppierungen an, wo Kinder keine Wahl haben, als in die Fußstapfen der Eltern zu treten. Da ist unser gesamtchristliches Wischiwaschi schon Mumpitz dagegen. Religiöse Tradition ist kulturelles Erbgut. Auch heute noch. Und wo es wegfällt gibt es augenblicklich nichts anderes. Die Alternative wäre eine politische Leitkultur, in einer Dikatur zB., die das Volk in (schlechtbezahlte) Arbeit zwingt.


Leider ist es so, dass Kinder von Eltern in extrem religiösen Gruppierungen (Freikirchen, Brüdergemeinden, Pfingstgemeinden) auf Grund der Erziehung oftmals auch psychisch krank werden. Zu dem ziehen solche Gruppierungen natürlich durch ihren festen Rahmen auch immer Menschen an, die eine Anlehnung brauchen. Wenn diese nun Kinder bekommen können sie nur schwer Toleranz zeigen und dann wird es schnell übertrieben mit der Strenge und dann kommen eben die Bibelstellen "Wer seinen Sohn liebt, verweigert ihm nicht die Ruter der Zucht" usw.

stine hat geschrieben:Ich meine über die Bischöfe kann man ja derzeit vortrefflich streiten, aber manches was die Kirchen an Lebenshilfe anbieten könnte man auch als Atheist durchaus ernst nehmen. Eine kulturelle Basis, wenn auch religiös begründet, ist ja erstmal keine Einschränkung, sondern soll Unterstützung menschlichen Daseins sein. Das ist, wenn man die Freiheit des Einzelnen im Auge hat, doch besser, als militärische Diktatur, oder nicht?
Es ist ein Rahmen eine Leitkultur. Nichts weiter.


Was die Kirchen heute als Lebenshilfe anbieten fußt oft auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Es wird Fachlichkeit und gute Ausbildung von den Mitarbeitern gefordert und es werden auch Fortbildungen verlangt. Gerade in der evangelischen Kirche gibt es große Strömungen aufgeklärtem Christseins, welches sehr wohl über die dunklen Bibelstellen Bescheidweiß und dieses als kulturelles Geschehen von Damals ansehen und durchaus die Idee Jesu auch weitergesponnen haben. Gegen ein solches Christsein kann niemand ersntlich etwas haben. Nur haben wir leider auch hier das Problem mit den Kindern. Viele Kinder von toleranten Eltern suchen wiederum Halt in extremen Gemeinschaften. Auch immer wieder kommt es vor, dass deutsche Jugendlichen zu einem fundamentalistischen Islam konvertieren. Hier müssen wir uns etwas einfallen lassen, was fehlt den Kindern um ein gutes Selbstwertgefühl aufzubauen?

stine hat geschrieben:Wer sich mit dem religiösen Weltbild in seinem Menschseins nicht anfreunden kann, weil er nicht an einen Gott glauben mag, muss doch nicht aus Prinzip die christliche Leitkultur ablehnen.


Hier ist das Problem nicht die christliche Leitkultur, sondern dass Christ diese Leitkultur verwirklicht sehen möchte für alle in diesem Land. Also wenn ich sehe, welches Aufsehen es damals gab, weil Schröder nicht mit den Worten "so wahr mit Gott helfe" seinen Eid abschloss frage ich mich schon, warum jetzt immer die anderen dem Christentum gegenüber tolerant sein sollen, wenn es von christlicher Seite aus nie so ausgeübt wurde...

stine hat geschrieben:
Pete hat geschrieben:...erst die 68´er mit der sexuellen Revolution und dem Drang nach Freiheit brachten Bewegung in die Sache.
Leider blieb danach die Frage nach den Rechten hauptbestimmend, während die Frage nach den Pflichten nachlies. Das ist ein Problem der Neuzeit und hat nichts mit dem Humanismus zu tun.
Und wie wollen wir als Gesellschaft dem entgegentreten und wollen wir das überhaupt?

LG stine


Wir müssen dem entgegentreten. Denn wir bekommen immer mehr Probleme deshalb. Die psychische Reife fehlt immer mehr Jugendlichen und jungen Erwachsenen, so dass bereits jetzt immer mehr Betriebe über ausbildungsuntaugliche junge Menschen klagen, obwohl diese eine gute Schulbildung hätten.
Dem entgegentreten können wir, in dem wir den Kindern einen festen Rahmen bieten und diesen dann nach und nach lockern, je nach dem welche Fähigkeiten die Kinder bereits gelernt haben. Das ist Pädagogik. Und früher konnten das die Menschen automatisch. Gut es war nicht alles gut, aber ein Kind wusste wo es hingehörte. Heute sind viele Eltern selbst orientierungslos und suchen perverser Weise Orientierung bei ihren Kindern. Das fatale daran ist, dass ein Kind von 3 Jahren sich auf diese Art und Weise psychisch nicht weiter entwickeln kann und auf der psychischen Reife eines 3 jährigen stehen bleibt. Ein Kind mit 3 Jahren muss an seine Grenzen stoßen und sich daran reiben und so lernt es, dass nicht immer alles nach seinem Kopf gehen kann. Viel zu viele Elternhäuser bieten das heute nur unzureichend und auch die Kindergärten und Schulen bieten keinen Rahmen mehr in dem Kinder das lernen.

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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon stine » Fr 23. Apr 2010, 11:52

Da sind wir aber sowas von einer Meinung, Pete!

Wenn man nun sieht, dass Menschen in strengen religiösen Verbänden diese Erziehungsprobleme nicht haben, dafür aber wieder Probleme mit psychotischen Mitgliedern und überstrengen Regeln, dann ist man schnell dabei die Meinung zu vertreten, es müsse eben irgend etwas dazwischen geben. Und dieses Dazwischen ist für mich nach wie vor das "gelockerte" Christsein. Man gehört einer kulturellen Gruppe an, kennt all deren Verhaltensregeln, hat einen kulturellen Backround und darf trotzdem glauben oder zweifeln.
Und wenn die Grundpfeiler erst stehen, dann darf man auch aus der Gemeinschaft austreten und sie kritisieren, aber den Nachkommen den Boden entziehen, das darf man nicht.

Sind wir da auch noch konform?

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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Pete » Fr 23. Apr 2010, 13:08

Ich denke noch nicht einmal, dass es notwendig ist aus der Kirche auszutreten um sie zu kritisieren. Ich denke gerade Kirchenmitglieder sollten erst recht das Recht haben Kritik zu üben.

Aber was meinst du mit Nachkommen den Boden entziehen? Wenn du mich nicht nur hier vom Geschriebenen her kennen würdest, so würdest du wissen, dass ich ein sehr widersprüchlicher Mensch bin (ich lasse jetzt mal die Hosen runter :mg: ) Ich bin z.B. selbst noch Kirchenmitglied, sogar katholisch, und mein Sohn ist auch getauft. Aber wenn du mit Boden meinst, den Kindern die Chance zu geben in der traditionellen Gemeinschaft aufwachsen zu können - da gebe ich dir recht, aber meinst du damit zuzulassen, dass dem Kindern bereits im Kindergarten beigebracht wird, dass Jesus wg. ihrer schweren Sünden sterben musste, dann gebe ich dir nicht recht.
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon stine » Fr 23. Apr 2010, 14:18

Pete hat geschrieben:Aber wenn du mit Boden meinst, den Kindern die Chance zu geben in der traditionellen Gemeinschaft aufwachsen zu können...
...genau das meine ich.

Pete hat geschrieben:Ich denke gerade Kirchenmitglieder sollten erst recht das Recht haben Kritik zu üben.
Ich lasse auch die Hosen runter: Ich mische sogar aktiv mit (auf) und zweifle trotzdem oft genug am System!


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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Pete » Fr 23. Apr 2010, 15:03

ich zweifle nicht am System, ich verzweifle daran...
sicher ist wohl, dass die größten Wohltäter der Menschheit aus der Religion entsprungen sind.
Und doch hat jeder Religion auch einen menschenverachtende Fratze...
Zum Beispiel Unterdrückung der Frau, Ausgrenzung behinderter Menschen (werden z.B. im AT nicht ins Allerheiligste vorgelassen oder es wird als schlechts Karma bezeichnet), Aufruf zu Mord an Ungläubigen...
soll man das alles ignorieren? und nur das "Positive" raus picken?

Nehme ich z.B. den Schöpfungsbericht habe ich eine Primasteilvorlage (wie du selbst schon festgestellt hast) für den Humanismus. Der Mensch als Ebenbild Gottes.
Nehme ich dann aber den Sündenfall, habe ich gleich die Begründung zur Hand, dass der Mann über der Frau steht.
oder: Jesus revolutionierte das Ganze, stellte die Gesetzlichkeit in Frage, lehrte Frauen so, wie er Männer lehrte... Paulus wiederum schreibt dann der Mann sei das Haupt der Frau...

Und so kommt es, dass ich meine Religion gar nicht ernst nehmen kann, sondern eher als Karikatur sehen muss... oder ich muss sagen, zu vorderst bin ich Humanist und unter dem Blickwinkel sehe ich die Religion und ziehe mir das Positive raus, übersehe aber die Gefahren dabei nicht...

Im Grunde bin ich ein tief religiöser Mensch, der seine Religiösität und Spiritualität durch den Geist ein Zaumzeug angelegt hat. Ein schwieriges Unterfangen.
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon stine » Fr 23. Apr 2010, 16:43

ja, das ist es!
Wer sich damit beschäftigt und Gutwill bleiben möchte, kann ganz schön Kopfschmerzen bekommen. :/
Und trotzdem kenne ich keine Alternative.
Sport und Theater, Politik und Vereinsmeierei sind allerhöchstens Nebenschauplätze geblieben und bilden keinen kulturellen Bodensatz. Sie sind willkommene Ablenkung aber keine Weltanschauung.

Mit der naturalistischen Weltanschauung kann ich mich gut anfreunden, sie steht der religiösen nicht so sehr im Wege, wie manche Atheisten das gerne möchten. Ich kann mir auch durchaus vorstellen, dass der Naturalismus die logische Folge einer befreiten christlichen Erziehung sein könnte, sozusagen das Weiterdenken; die Entgottung der Religion.
Aber dann frage ich mich wieder, ob es Sinn macht die Religion von Gott zu befreien oder ob wir Gott von der Religion befreien müssen?

Wo ich mir allerdings ganz sicher bin ist, dass wir als Gesellschaft noch lange nicht auf das Konstrukt verzichten können, auch wenn sich viele das wünschen.

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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon platon » Sa 24. Apr 2010, 20:35

stine hat geschrieben:...ist keine wirkliche Verbesserung, gegenüber den christlichen Geboten und ist für Kinder keine eindeutige Verhaltensregel.

Die 10 Gebote sind für Kinder auch keine eindeutige Verhaltensregel. Bis auf die Gebote 4 - 8 (die von den Juden nur abgekupfert wurden, mit dem Juden/Christentum also nichts zu tun haben) sind sie für Kinder ebenso unverständlich.
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon stine » Mo 26. Apr 2010, 07:54

Das denke ich nicht, Platon.
Da bin ich ganz anderer Meinung. :winkgrin2:

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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Arathas » Mo 26. Apr 2010, 09:27

Nachdem du so sehr auf die 10 Gebote stehst und so oft für sie argumentierst, stine: Was denkst du, wieviele katholische (und gläubige) Männer und Frauen im Alter zwischen 30 und 60 Jahren gibt es wohl, die schonmal einen Seitensprung begangen haben? Glaubst du, deren Anzahl wäre bedeutend kleiner als die derjenigen, die keiner Religion angehören und schonmal einen Seitensprung begangen haben?

Und hey, diese Menschen gehen fremd, obwohl doch in den 10 Geboten ausdrücklich gesagt wird, dass man das nicht tun darf. Oha.

Mir fielen spontan zwei Erklärungen für das Phänomen ein.

1. Diese Leute sind gar keine echten Gläubigen und scheißen sich nix um die 10 Gebote.

2. Alle Gläubigen sind auch nur Menschen und handeln weitestgehend so, wie es ihrer Natur entspricht bzw. ihren Trieben. Und auch wenn da ein Gebot ist, das besagt, man solle nicht fremdgehen, so tun es viele dennoch, weil es ihrem Willen entspricht und bestimmte Triebe stärker sind als etwas, das in einem Buch steht.


Mir persönlich gefällt Erklärung 2 besser. Und Erklärung 2 macht auch deutlich, inwiefern so etwas wie Gebote nützlich für Menschen sind: Wenn es einem in den Kram passt, befolgt man sie und fühlt sich als guter Mensch. Wenn es einem partout nicht in den Kram passt, vergisst man das Gebot mal für eine Weile und bricht es ein bißchen.


Ich finde, sowas ist einfach keine vernünftige Grundlage für eine Gesellschaft. :/
Ganz davon abgesehen, dass jeder selbst entscheiden sollte, ob er fremd geht oder nicht. Dafür braucht man keine Gebote. Wer es tun will, tut es, und wer nicht, tut es nicht. Ich bin Atheist, aber in den 10 Jahren, die ich jetzt mit meiner Freundin zusammen bin, war ich strikt monogam. Weil ich das wollte. Um meiner Freundin nicht weh zu tun - eine ganz einfache, rational begründbare Handlungsweise. Und nicht, weil irgendwer es in eine Liste von Geboten geschrieben hat.
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