Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon Max » So 2. Dez 2007, 10:03

http://www.israel-network.de/node/620

Ein, wie ich finde, sehr gelungener Artikel. Es ist eine fundierte und ausführliche Darstellung und Kritik von Kerners Dawkins-Tribunal.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon Klaus » So 2. Dez 2007, 10:24

Seltsam, sehr seltsam
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon Max » So 2. Dez 2007, 10:40

Wie meinst du das, Klaus? Worauf ist das bezogen?
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon El Schwalmo » So 2. Dez 2007, 11:47

Max hat geschrieben:Wie meinst du das, Klaus? Worauf ist das bezogen?

lies' ein wenig zwischen den Zeilen. Natürlich werden Dir sehr viele Formlierungen wie Balsam auf die Seele gehen, aber die Argumentation ist durchaus nicht top.

Erst wird Huber unterstellt, er habe das Buch nicht gelesen, und ein paar Zeilen weiter unten formuiliert Huber, dass er bei der Lektüre dieses Buches bestätigt wurde.

Die durchgehend zionistische Tendenz ist auch nicht zu überlesen.

Auch wissenschaftlich könnte man das eine oder andere bekritteln. Es ist schon fast ein Treppenwitz, dass man Dawkins dafür lobt, dass er das 'egoistische Gen' so darstellen kann, dass es Otto Normalverbraucher versteht. Das Konzept ist umstritten, und ausgerechnet den Menschen, der dieses Konzept popularisiert, als Gewährsmann zu betrachten hat schon was. Außerdem werden Bücher aus einer bestimmten Ecke einfach so als 'gültig' vorausgesetzt. Das ist dann schon etwas seeehr einseitig.

Der Text bedient bestenfalls eine kleine Klientel. Menschen, die auf sachliche Argumentation Wert legen, werden ihn eher als wenig gelungen betrachten.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon LinuxBug » So 2. Dez 2007, 12:18

El Schwalmo hat geschrieben:Es ist schon fast ein Treppenwitz, dass man Dawkins dafür lobt, dass er das 'egoistische Gen' so darstellen kann, dass es Otto Normalverbraucher versteht. Das Konzept ist umstritten, und ausgerechnet den Menschen, der dieses Konzept popularisiert, als Gewährsmann zu betrachten hat schon was.

Welches Konzept wäre denn nicht (oder weniger) umstritten? =)
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon El Schwalmo » So 2. Dez 2007, 13:20

LinuxBug hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Es ist schon fast ein Treppenwitz, dass man Dawkins dafür lobt, dass er das 'egoistische Gen' so darstellen kann, dass es Otto Normalverbraucher versteht. Das Konzept ist umstritten, und ausgerechnet den Menschen, der dieses Konzept popularisiert, als Gewährsmann zu betrachten hat schon was.

Welches Konzept wäre denn nicht (oder weniger) umstritten? =)

kommt darauf an, was Du genau unter 'selfish gene' verstehst und wie Du das begründest. Letztendlich geht es um die Ebene, an der die Selektion angreift.

Natürlich muss man dieses Konzept im wissenschaftshistorischen Kontext sehen. Als Dawkins sein 'Selfish Gene' schrieb, ging es eigentlich gegen die Gruppenselektion von Wynne-Edwards, Lorenz 'Wohl der Art' war schon obsolet, das Individuum (von dem Darwin ausging) war noch in der Diskussion, aber 'kin selection' war schon in der Diskussion. Dawkins hat Ansätze anderer Menschen, vor allem Trivers, weitergedacht und popularisiert.

Dawkins begründet die Wahl der Ebene des Gens 'logisch' (welche Einheit wird von Generation zu Generation weitergegeben?) und das ist nun mal das Gen. Auf der anderen Seite macht es Sinn, 'Aktoren' von 'Replikatoren' zu trennen. Die Selektion setzt an den Aktoren an. Ein 'Gen' ist daher keine Einheit, an der die Selektion angreifen kann. Zudem werden auch Gene nicht unbedingt als Einheit von Generation zu Generation weiter gegeben. Die neueren Befunde der Molekulargenetik haben zudem dazu geführt, dass niemand mehr so recht definieren kann, was eigentlich ein 'Gen' ist.

In der Biologie macht es durchaus Sinn ('Soziobiologie'), bestimmte Phänomene (z.B. Altruismus) durch 'selfish gene' zu erklären, sehr problematisch wird es aber, wenn man das via 'Mem' auf die menschliche Gesellschaft überträgt ('evolutionary psychology'). Da ist man dann schnell in Bereichen, in denen wenig facts sehr viel fiction gegenüberstehen.

Natürlich ist kein Konzept unumstritten. Das bedeutet aber auch, dass man kein Konzept absolut setzen sollte. Vor allem nicht, wenn man damit im Bereich der Weltanschauung oder gar im Kampf gegen andere Weltanschauungen punkten möchte. Sonst bürdet man einer naturwissenschaftlichen Theorie eine Last auf, die sie besser nicht tragen sollte.

Sonst ist man bei 'intellectually fulfilled atheist', was man angeblich nur sein kann, wenn man Evolution zur Verfügung hat, und zwar in der Variante, die Dawkins vertritt. Was passiert dann eigentlich mit dem Weltbild, falls sich im Rahmen der Evolutionsbiologie etwas ändern würde? Dawkins hat sehr präzise Vorstellungen, warum Evolution in welcher Form beispielsweise ID ausschließt. Es könnte sein, dass Evolutionstheorien auf den Markt kommen, die naturalistisch sind, aber Design nicht mehr in der Art ausschließen, wie es eine andere Evolutionstheorie tut.

Daher plädiere ich dafür, Evolution als Naturwissenschaft einfach aus solchen Diskussionen herauszulassen.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon Nichya » So 2. Dez 2007, 13:23

Hba hier mal für euch ein englisches dawkins-Interview hochgeladen....

hab selber noch nicht reingehört, bin aber schon auf eure Kommentare gespannt

der Titel des Interviews lautet "Darwin's Rottweiler"

hier könnt ihr die mp3-datei runterladen:

http://www.sendspace.com/file/6809c0


das Interview dauert 30 minuten
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon pinkwoolf » So 2. Dez 2007, 14:23

@ Nichya

Was ist denn das für ein komischer Link? Da steht erst mal ganz groß, dass ich etwas kaufen soll; was - weiß ich nicht.

Dawkins-Interviews habe ich schon einige auf YouTube gesehen. Manche wurden von haarsträubend halsstarrigen Interviewern durchgeführt, aber jeweils nur von einem. Und eben auf Englisch. Da kam Dawkins auf jeden Fall besser rüber. Kerners Tribunal fand ich schändlich.

:explodieren:
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon Nichya » So 2. Dez 2007, 15:10

das ist ein ganz normaler upload anbieter..musst nur unten auf den downloadlink klicken...das andere ist werbung wodurch sich die seite finanziert und für uns kostenlos bleibt


kennt eig. jeder

ist ncihts komsiches dran
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon ostfriese » So 2. Dez 2007, 16:33

El Schwalmo hat geschrieben:Daher plädiere ich dafür, Evolution als Naturwissenschaft einfach aus solchen Diskussionen herauszulassen.

Ich finde es gerade besonders wichtig, sie nicht herauszulassen. Denn es sind ja nicht die "hard facts" akzeptierter Theorien, die einen intellektuell redlichen Menschen veranlassen sollten, auf Scheinerklärungen und Ad-hoc-Hypothesen zu verzichten, sondern es ist deren mangelnder Erklärungswert bzw. fehlende Kritisierbarkeit. Anhand der noch unfertigen, aber in allen Stadien kritisierbar gebliebenen und gerade deshalb umstrittenen Evolutionstheorie lässt sich besonders gut vermitteln, welche Behauptungen in einen rationalen Diskurs gehören und welche nicht.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon El Schwalmo » So 2. Dez 2007, 18:27

ostfriese hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Daher plädiere ich dafür, Evolution als Naturwissenschaft einfach aus solchen Diskussionen herauszulassen.

Ich finde es gerade besonders wichtig, sie nicht herauszulassen. Denn es sind ja nicht die "hard facts" akzeptierter Theorien, die einen intellektuell redlichen Menschen veranlassen sollten, auf Scheinerklärungen und Ad-hoc-Hypothesen zu verzichten, sondern es ist deren mangelnder Erklärungswert bzw. fehlende Kritisierbarkeit. Anhand der noch unfertigen, aber in allen Stadien kritisierbar gebliebenen und gerade deshalb umstrittenen Evolutionstheorie lässt sich besonders gut vermitteln, welche Behauptungen in einen rationalen Diskurs gehören und welche nicht.

versteh' mich nicht falsch.

Thread 1: ein rationales Weltbild

Thread 2: negative Gottes'beweise'

Hinsichtlich Thread 1 sind wir uns sicher einig, und hierhin gehört Evolution als zentrales Konzept.

Mein Problem ist Thread 2, vor allem geht mir Dawkins' 'intellectually fulfilled atheist' nicht aus dem Sinn. Am meisten stört mich seine Begründung, denn sie beruht auf einer speziellen Auffassung von Evolution, die nach meiner unmaßgeblichen Meinung ihre Zeit gehabt hat.

Ich müsste weit ausholen, um das darzulegen, nur in Stichworten: wenn eine Struktur nach den Mechanismen der Selektionstheorie evolvierbar ist, ist dieser Prozess intelligibel, es gibt keinen Grund, hier irgendeinen Designer zu postulieren. Anders sieht es bei 'Sprüngen' aus: hier ist ein Schritt, der eben nicht mehr intelligibel ist, und eine Alternative zu 'ist halt so passiert' ist 'ein Designer war am Werk'. Dawkins sieht das exakt so, unter Berufung auf Darwin, er hat das expressis verbis so formuliert, im 'Blind Watchmaker' und in

Dawkins, R. (1985) 'What was all the fuss about' Nature 316:683-684

Was passiert nun mit dem 'intellectually fulfilled', wenn der Gradualismus ein Problem bekommt?

Aus diesem Grund möchte ich Evolution aus derartigen Diskussionen herauslassen.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon Andreas Müller » So 2. Dez 2007, 18:54

Es gibt eben nicht nur die Evolutionstheorie, sondern auch Philosophie. Und die hat schon vor Darwin hinreichend viel gegen den Designer-Gott gesagt, aber das willst du ja nicht lesen, weil es kein negativer Gottesbeweis ist.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon Klaus » So 2. Dez 2007, 18:56

Aus diesem Grund möchte ich Evolution aus derartigen Diskussionen herauslassen.

Lassen wir die ET den Evo-Biologen, das gemeine Volk muss das nicht verstehen. Schützen wir die Elfenbeintürme der Wissenschaft. =)
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon El Schwalmo » So 2. Dez 2007, 19:13

Klaus hat geschrieben:
Aus diesem Grund möchte ich Evolution aus derartigen Diskussionen herauslassen.

Lassen wir die ET den Evo-Biologen, das gemeine Volk muss das nicht verstehen. Schützen wir die Elfenbeintürme der Wissenschaft. =)

war das jetzt PR oder ein Argument?

Falls ja, für was eigentlich? Beim Buchhändler Deines Vertrauens wirst Du fündig, wenn Du den Elfenbeinturm knacken möchtest.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon Klaus » So 2. Dez 2007, 19:16

Das überlasse ich dir.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon El Schwalmo » So 2. Dez 2007, 19:37

Klaus hat geschrieben:Das überlasse ich dir.

gut, dass wir darüber geredet haben.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon El Schwalmo » So 2. Dez 2007, 19:45

Andreas Müller hat geschrieben:Es gibt eben nicht nur die Evolutionstheorie, sondern auch Philosophie. Und die hat schon vor Darwin hinreichend viel gegen den Designer-Gott gesagt, aber das willst du ja nicht lesen, weil es kein negativer Gottesbeweis ist.

warum soll ich mir das alles noch einmal antun, nach über 25 Jahren?

Es sei denn, Du lieferst einen negativen Gottesbeweis, das würde ich gerne lesen.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon stine » So 2. Dez 2007, 19:51

Die Erkenntnis, dass dieser Artikel von einem Antichrist geschrieben wurde, wird beim Lesen schnell deutlich.

Wobei ich ihm hier:
Wir hätten es Richard Dawkins nicht übelgenommen, wenn er wie seinerzeit Helge Schneider bei Thomas Gottschalk ein kleines Büchlein aus seiner Jackentasche genommen und darin zu lesen begonnen hätte, bis der Bischof mit seiner "Predigt" am Ende war.
recht geben muß.

Abgesehen davon, dass im neuen Testament berichtet wird, dass Jesus einer Ehebrecherin "ihre Sünden" vergab, ihr gleichzeitig aber auftrug, in Zukunft das Sündigen doch bitte zu lassen, mit anderen Worten ihr eingeredet hat, dass Ehebruch eine Sünde wäre, was in gewissen amerikanischen Sekten noch heute geglaubt wird (möglicherweise auch bei Katholiken), ist die großartig vorgetragene Behauptung, die "menschliche Würde sei also aus diesen Taten" hervorgegangen, genauso unbeweisbar wie die Behauptung, der "Sinn des Lebens liege in Gott" oder ähnlicher Unfug.
Dieses kann man nur verstehen, wenn man weiß, dass jüdischer Glaube das neue Testament nicht anerkennt und auch heute noch auf seinen "König" wartet.

Wo sind die "aggressiven" Atheisten, die ihre Gegner auf Scheiterhaufen verbrennen lassen, die Christen verbieten woll(t)en, an die Erde als Scheibe zu glauben, die all jene, die sich nicht an ihr Glaubensbild halten, köpfen, schlachten, oder steinigen wollen?

Die hier Zitierten findet man bevorzugt in diktatorischen Staatssystemen.

LG stine
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon ostfriese » So 2. Dez 2007, 20:07

El Schwalmo, Dawkins führt keine "negativen Gottesbeweise". Er redet von der -- im Zuge unseres Verständnisses evolutionärer Prozesse wachsenden -- Unwahrscheinlichkeit der Existenz eines Schöpfergottes, und das mit Recht (was ich in diesem Zusammenhang unter Wahrscheinlichkeit verstehe, hab ich Dir im anderen Thread beantwortet).

Dass Dawkins die Design-Hypothese für legitim hält, sobald ein Objekt auftaucht, welches kein Produkt natürlicher Evolution sein kann, ist m.E. nur eine taktische Position: Er ist sich sehr sicher, dass dieser Fall erst mit einer hinreichenden Komplexität evolvierender Gehirne auftreten kann, deshalb kokettiert er damit.

An anderer Stelle macht er deutlich, dass er von der Design-Hypothese grundsätzlich nichts hält: Sie ist unbefriedigend (ohne echten Erklärungswert), wenn nicht zugleich die Frage beantwortet werden kann, wie der Designer entstand (bzw. wer ihn schuf).

Man riskiert also nicht, Kreationisten automatisch Recht geben zu müssen, wenn sich die gegen ID in Stellung gebrachte Evolutionstheorie als korrekturbedürftig herausstellen sollte.

Die Annahme von Mutation und Selektion als evolutionären Mechanismen hat auf allen möglichen Gebieten der Philosophie ihre intellektuelle Fruchtbarkeit unter Beweis gestellt. Auf die hierbei gewonnenen Einsichten und Argumente sollte man nicht verzichten.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon El Schwalmo » So 2. Dez 2007, 21:28

ostfriese hat geschrieben:El Schwalmo, Dawkins führt keine "negativen Gottesbeweise". Er redet von der -- im Zuge unseres Verständnisses evolutionärer Prozesse wachsenden -- Unwahrscheinlichkeit der Existenz eines Schöpfergottes, und das mit Recht (was ich in diesem Zusammenhang unter Wahrscheinlichkeit verstehe, hab ich Dir im anderen Thread beantwortet).

ich glaube nicht, dass es Dir gelingen wird, irgendeinen Beleg zu finden, dass ich irgendwann irgendwo geschrieben habe, dass Dawkins einen negativen Gottesbeweis führen will.

Im Rahmen meiner Vorbereitungen für eine Rezension zum bislang meines Wissens einzigen deutschen Buch zu ID

Rammerstorfer, M. (2006) 'Nur eine Illusion? Biologie und Design' Marburg, Tectum

habe ich mich (wieder) intensiver mit Dawkins befasst und einige ältere Arbeiten nachgelesen. Ich bilde mir ein, sehr genau zu wissen, wofür Dawkins welches Argument vorbringt.

Und auf der Basis dessen plädiere ich dafür, Evolutionsbiologie möglichst aus solchen weltanschaulichen Diskussionen herauszuhalten, vor allem, wenn es um ID geht. Ich habe die Diskussion, beispielsweise um Behe, aufmerksam verfolgt und mich sehr massiv eingelesen. Glaub' mir, eine Menge Kritiker hätten große Probleme, wenn sie gezwungen würden, vor einem 'neutralen' Publikum (sollte es so etwas geben) ihre Argumente gegen ID gegen einen etwas beleseneren Evolutionsgegnern verteidigen zu müssen.

ostfriese hat geschrieben:Dass Dawkins die Design-Hypothese für legitim hält, sobald ein Objekt auftaucht, welches kein Produkt natürlicher Evolution sein kann, ist m.E. nur eine taktische Position: Er ist sich sehr sicher, dass dieser Fall erst mit einer hinreichenden Komplexität evolvierender Gehirne auftreten kann, deshalb kokettiert er damit.

Davon habe ich noch nie geschrieben. Mir ging es ganz konkret um die Verbindung von Evolution in der mechanismischen Form, wie Dawkins sie vertritt, mit der Argumentation gegen Design.

ostfriese hat geschrieben:An anderer Stelle macht er deutlich, dass er von der Design-Hypothese grundsätzlich nichts hält: Sie ist unbefriedigend (ohne echten Erklärungswert), wenn nicht zugleich die Frage beantwortet werden kann, wie der Designer entstand (bzw. wer ihn schuf).

Selbstredend, und innerhalb der Wissenschaft ist ID deshalb ein Non-Starter, kein Thema. Mein Punkt ist etwas diffiziler: man muss genau lesen, was ID-ler behaupten, und untersuchen, wie Menschen aus unserem Lager dagegen argumentieren.

'Der Kaiser ist nackt', also 'ID ist unbefriedigend ...' oder 'im Rahmen der derzeitigen Wissenschaftstheorie ist ID bestenfalls ein fünftes Rad am Wagen, das nicht stört' ist ein Thread, vollkommen legitim.

Aber es gibt Menschen, Dawkins gehört dazu, die wollen 'mehr'. Und dann wird es sehr schwierig, wenn man unsere Standards nicht voraussetzen darf. Das heißt dann ganz konkret, dass man über 'Kleider' diskutiert. Aber dann muss man genau checken, was der Kaiser denn nun behauptet, anzuhaben. Strohmännchen abfackeln kommt dann schlecht.

ostfriese hat geschrieben:Man riskiert also nicht, Kreationisten automatisch Recht geben zu müssen, wenn sich die gegen ID in Stellung gebrachte Evolutionstheorie als korrekturbedürftig herausstellen sollte.

Es sei denn, man macht es so, wie Dawkins es meiner Meinung nach macht: bestimmte mechanismische Auffassungen von Evolution einsetzen. Dann kann es nämlich passieren, dass die Karawane weiter zieht, und man merkt, dass Mutation und Selektion nicht alles ist, Genauer: so allgemein, dass es nichts mehr erklärt, sondern ex post factu immer und überall angewendet werden kann. Selbst wenn man unter 'Mutation' einen Design-Eingriff fasst.

ostfriese hat geschrieben:Die Annahme von Mutation und Selektion als evolutionären Mechanismen hat auf allen möglichen Gebieten der Philosophie ihre intellektuelle Fruchtbarkeit unter Beweis gestellt. Auf die hierbei gewonnenen Einsichten und Argumente sollte man nicht verzichten.

Natürlich nicht, aber man sollte checken, was Analogien und was Einsichten sind. 'conjectures and refutations' klingt nicht nur auf den dritten Blick wie 'Mutation und Selektion'. Aber der Teufel steckt im Detail: schau Dir mal an, wie heute Evolution angeblich funktioniert. 'Generation von Variation' und 'Auslese innerhalb derselben' ist immer irgendwie anwendbar. Aber 'Selektionstheorie' ist noch etwas präziser formuliert. Die spannende Frage beispielsweise angesichts von EvoDevo besteht darin, ob nicht irgendwann 'Generation von Variation' in Richtung 'Mutationsdruck' geht, und dann ist plötzlich die Rolle der Selektion irgendwie nicht mehr das, was die Theorie fordert. Es wäre eine interessante Aufgabe für eine Dissertation, zu untersuchen, ob der Zusammenhang zwischen Selektionstheorie (tm) und bestimmten Positionen nicht nur noch darin besteht, dass der Begriff 'Selektion' in diesen Arbeiten auftaucht.

Nur ein Beispiel. Schau Dir mal

Nilsson, D.-E.; Pelger, S. (1994) 'A Pessimistic Estimate of the Time Required for an Eye to Evolve' Proceedings of the Royal Society of London B 256:53-58

an. Fast schon ein Klassiker, genau so, wie Dawkins und vor ihm schon Darwin argumentiert, Selektionstheorie at its best, die Rolle der Selektion exakt herausgearbeitet, wird sehr oft zitiert, zu Recht.

Vergleiche das mit

Matzke, N. (2003) 'Evolution in (Brownian) space: a model for the origin of the bacterial flagellum'
URL: http://www.talkdesign.org/faqs/flagellum.html letzter Zugriff: 22.10.2007

Schau mal, welche Rolle Selektion dort spielt. Nach meiner Einschätzung trennen beide Arbeiten Welten. Trotzdem werden beide von denselben Menschen als Argument für die gleiche 'Theorie' verwendet. Ich kann mir das nur damit erklären, dass sich kaum ein aktiver Forscher dafür interessiert, in welchen theoretischen Rahmen die eigene Arbeit eingebettet ist.

Kann sein, dass es in der Biologie eines Äquivalents der Entwicklung der Quantenmechanik bedarf. Wenn ich richtig informiert bin, entstand die moderne Wissenschaftstheorie in diesem Kontext: die alten Vorstellungen (wie absoluter Raum, absolute Zeit) erwiesen sich als problematisch. Immer wieder liest man in evolutionstheoretischen Arbeiten, dass der Status der Selektionstheorie den der newtonschen Mechanik teilen könnte: eine Untertheorie einer umfassenderen Theorie.

Kein Hoffnungsschimmer für ID oder sonstige Supranaturalisten, aber in meinen Augen ein Argument, Evolution ein wenig aus weltanschaulichen Kabbeleien herauszuhalten.
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