Atheismus vs Agnostizismus

Atheismus vs Agnostizismus

Beitragvon Max » Mi 5. Dez 2007, 23:36

ostfriese hat geschrieben:Damit dieser Thread nicht mit "Müll" endet, doch noch ein Wort:

El Schwalmo, über "atheistische Aufklärungsbemühungen vs. agnostische Zurückhaltung" können wir jederzeit diskutieren. Nur nicht anhand von Zitaten, von denen ich mich x-mal indirekt oder wortwörtlich distanzieren muss, bevor Du meine eigentliche Position und die sie stützenden Argumente überhaupt zur Kenntnis nimmst. Das hatte ich mit "für dumm verkaufen" gemeint. Und auf diese Masche reagiere ich höchst empfindlich...

Beitrag: viewtopic.php?f=13&t=1704&p=25839#p25839

Dann legt mal los mit euren Argumenten.
Max
 
Beiträge: 2038
Registriert: So 10. Sep 2006, 09:55

Re: Atheismus vs Agnostizismus

Beitragvon ostfriese » Do 6. Dez 2007, 00:50

Ich versuche es so kurz wie möglich zu machen.

A) Bildung ist für mich kein Selbstzweck, sondern dient außer der geistigen Erbauung auch der Lösung realer Probleme. Mehr noch: Ich würde Bildung explizit als eben das definieren, was einem dieser beiden Zwecke dient oder zukünftig dienen könnte.

B) Als geistige Erbauung verstehe ich dabei die Erweiterung von positiv empfundenen Erlebnis-/ Erfahrungs-Möglichkeiten. Hierzu zählt ausdrücklich auch das, was manche ein "spirituelles Erlebnis" nennen wollen.

C) Als Lösung eines realen Problems bezeichne ich eine intersubjektiv feststellbare Leidensminderung oder Bedürfnisbefriedigung.

Auch im Bereich der Philosophie gibt es Bildungsinhalte gemäß dieser Explikationen.

1) Hierzu zählt etwa die konsequente Befolgung des Rasiermesserprinzips, da andernfalls die empirische Prüfung aufwändiger und willkürlicher Hypothesen sowie die Diskussion metaphysicher Spekulationen Ressourcen unnötig binden und so Problemlösepotenziale abbauen würde.

2) Verwandt ist die pragmatische Forderung, die Beleglast für synthetische Existenzaussagen dem Behauptenden aufzubürden, bei synthetischen Allaussagen dagegen die Last der Widerlegung dem Bestreitenden. In einer Welt mit endlich vielen beobachtbaren Tatsachen senkt jedes Ereignis, das für eine postulierte Entität keinen Beleg (bzw. für das Postulat keinen rationalen Anlass) liefert, deren anzunehmende Existenzwahrscheinlichkeit. Daher wird es -- unter der Prämisse weiterhin ausbleibender Belege (bzw. wachsenden wissenschaftlichen Erklärungserfolgs) -- stetig irrationaler, die Existenz übernatürlicher Wesen für genauso wahrscheinlich zu halten wie ihre Nichtexistenz.

3) Desweiteren gehört das Münchhausen-Trilemma zu den Bildungszielen der Philosophie. Und damit verbunden die Einsicht, dass keine Position unhinterfragbare Wahrheit bzw. Geltung beanspruchen kann. Daraus folgt sofort, dass z.B. religiöse Dogmen kein Vorrecht genießen.

4) Schließlich lernen wir aus der Wissenschaftstheorie, dass Unkritisierbarkeit Hypothesen nicht etwa positiv auszeichnet, sondern sie im Gegenteil dem rationalen Diskurs entzieht.

Diese vier Positionen sind kritisierbar, allerdings ohne weiteres plausibel und konsensfähig.

#) Und zusammen implizieren sie bereits, warum es vernünftiger und intellektuell redlicher ist, Atheist zu sein als Agnostiker. Die einfache Schlussfolge überlass ich dem geneigten Leser als Übung, helfe aber gern bei Schwierigkeiten. =)

Nimmt man die Punkte A bis C hinzu (aus denen sich ein positiver Zusammenhang zwischen Bildung und Leidensminderung ergibt), folgt darüber hinaus, warum man sich für Bildung und demgemäß auch für die philosophische (nach # unvermeidlich antireligiöse) Aufklärung engagieren sollte, wenn man die Minderung unnötiger Leiden für ethisch geboten hält.
Zuletzt geändert von ostfriese am Do 6. Dez 2007, 01:25, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Re: Atheismus vs Agnostizismus

Beitragvon ostfriese » Do 6. Dez 2007, 01:21

Ein möglicher Einwand wäre, dass gemäß meiner Definition religiöse Bedürfnisbefriedigungen als problemlösend und die zugehörigen Inhalte demnach sogar als Bildung zu verstehen sein könnten.

Im Wörtchen "intersubjektiv" steckt allerdings die Forderung nach rationaler Verhandelbarkeit solcher Thesen. Und an der Stelle schneiden Gläubige denkbar schlecht ab. Wie kann es Bedürfnisse befriedigen, ohne intersubjektiv verifizierbaren Anlass und wider besseres Wissen (naturwissenschaftliche Erkenntnisse) an übernatürliche Ursachen für "spirituelle Erfahrungen" zu glauben oder an -- für Atheisten unerreichbare -- Erlösung und Heilsbringung??

Edit: Gläubige Menschen, die aus ihrer Religion keine moralischen Imperative ableiten, muss man selbstredend ebenso wenig von ihrer Irrationalität "befreien" wie alte Menschen, die an ein Leben nach dem Tod glauben wollen. Im letzteren Fall wäre ungefragte Aufklärung sogar unter Umständen leidenserhöhend, also ethisch zumindest bedenklich.

Aber die meisten Brights wollen ja auch -- wie Dawkins und Schmidt-Salomon -- gerade am umgekehrten Ende der Altersskala ansetzen:

Es gibt keine religiösen Kinder, außer man macht sie dazu. Und: "Wer Gott nicht kennt, der braucht ihn nicht."
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Re: Atheismus vs Agnostizismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 6. Dez 2007, 08:11

Ich mach's mal noch kürzer.

ostfriese hat geschrieben:#) Und zusammen implizieren sie bereits, warum es vernünftiger und intellektuell redlicher ist, Atheist zu sein als Agnostiker. Die einfache Schlussfolge überlass ich dem geneigten Leser als Übung, helfe aber gern bei Schwierigkeiten. =)

der Knackpunkt besteht in sein. Ist eine Lebenspraxis, keine ontische Aussage.

Ich bin atheistischer (pragmatisch) Agnostiker (epistemisch).

Agnostizismus ist eine epistemische Position. Das heißt, so vernünftig Atheismus auch für uns sein mag, es könnte immer noch anders sein. Es gibt Menschen, die den Agnostizismus theistisch leben, und die haben auch kein Problem.

Es ist kein Zufall, dass unser Grundgesetz negative und positive Religionsfreiheit gewährt. Unter diesem Aspekt ist ein 'kämpferischer' Atheismus eine Religion wie jede andere.
Benutzeravatar
El Schwalmo
 
Beiträge: 1938
Registriert: Do 12. Jul 2007, 16:33

Re: Atheismus vs Agnostizismus

Beitragvon Max » Do 6. Dez 2007, 11:11

Zu aller erst sollte man vielleicht die Begriffe klären, um Unklarheiten und unnötige Diskussionsschwierigkeiten zu vermeiden. El Schwalmo, was meinst du mit Agnostiker genau? Jedem hier ist die Bedeutung des Wortes klar: Man ist Erkenntnisleugner und lässt die Frage nach dem theistischen Gott offen. Aber: Bezieht sich dein Agnostizismus nur auf den theistischen Gott, auch auf polytheistische, auf streng-anthropomorphe? Klarheit wäre in Bezug auf diese Fragen sehr wichtig.

El Schwalmo hat geschrieben:Es ist kein Zufall, dass unser Grundgesetz negative und positive Religionsfreiheit gewährt. Unter diesem Aspekt ist ein 'kämpferischer' Atheismus eine Religion wie jede andere.
Zwischen diesen beiden Sätzen besteht kein Zusammenhang.

Man kann einen engagierten Atheismus natürlich als Religion auffassen. Dies ist eine reine Begriffsfrage dessen, was man unter Religion versteht. Wenn man den Begriff der Religion so weit enthöhlt, dass er weder den Glauben an übernatürliches, noch die Befolgung religiöser Normen, noch den Gehorsam gegenüber Autoritäten impliziert, dann ist es sehr wohl möglich, einen offenen Atheisten, der die Konfrontation mit den Religionen sucht, als religiös zu bezeichnen. Allerdings ist in diesem Falle die einzige Bedeutung des Wortes "Religion", dass man sich für eine Sache leidenschaftlich engagiert. Verfährt man so, ist das Wort nutzlos, da es nichts mehr bedeutet. Auch stellt sich die Frage, ob der Begriff dann eigentlich noch für all jene Phänomene anwendbar ist, die wir üblicherweise als "Religion" bezeichnen. Das Gros der Buddhisten, Hindus, Christen und Juden ist nämlich keineswegs engagiert für ihre Religion, noch leidenschaftlich oder gar kämpferisch. Wenn man also die Bedeutung des Wortes Religion so ändert, wie du dies hier vorschlägst, führt dies nur zu Verwirrung. Weiterhin muss man sich bewusst sein, dass das Wort "Religion" nach dieser Umdefinierung auch etwas anderes bedeutet, nämlich nur: engagiert bei der Sache. Es impliziert dann mitnichten das, was wir heute unter Religion verstehen, und sagt überhaupt nichts mehr aus über denjenigen, den du hiermit denunzieren willst.
Max
 
Beiträge: 2038
Registriert: So 10. Sep 2006, 09:55

Re: Atheismus vs Agnostizismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 6. Dez 2007, 11:51

Max hat geschrieben:Zu aller erst sollte man vielleicht die Begriffe klären, um Unklarheiten und unnötige Diskussionsschwierigkeiten zu vermeiden. El Schwalmo, was meinst du mit Agnostiker genau? Jedem hier ist die Bedeutung des Wortes klar: Man ist Erkenntnisleugner und lässt die Frage nach dem theistischen Gott offen.

nicht nur dem theistischen Gott. Streng genommen geht es um den 'Gott der Philosophen', dabei ist nicht geklärt, wie dieser mit dem theistischen zusammenhängt.

Max hat geschrieben:Aber: Bezieht sich dein Agnostizismus nur auf den theistischen Gott, auch auf polytheistische, auf streng-anthropomorphe?

Streng genommen ist mein 'Agnostizismus' noch viel weit reichender, ich bin hypothetischer Realist. Die meisten Philosophen, die ich kenne und schätze, sehen das auch so, zumindest im Vorwort, scheinen das aber ab und an im eigentlichen Text zu 'vergessen'.

Selbstverständlich bin ich kritisch: Aussagen, die weder intern noch extern konsistent sind, lehne ich ab, teils aus guten Gründen, teils auch nur, weil das meinem Weltbild widerspricht.

Aber lies doch, was ich geschrieben habe: Agnostizismus ist eine epistemische Auffassung. Das, was rational entscheidbar ist, wird rational geklärt. Mein Punkt ist, dass die Gottesfrage offen ist, weil sie jenseits der Reichweite unserer Erkenntnisfähigkeiten liegt. Du darfst mir gerne einen negativen Gottesbeweis vorlegen, dann bin ich kein epistemischer Agnostiker mehr.
Benutzeravatar
El Schwalmo
 
Beiträge: 1938
Registriert: Do 12. Jul 2007, 16:33

Re: Atheismus vs Agnostizismus

Beitragvon Max » Do 6. Dez 2007, 12:15

El Schwalmo hat geschrieben:Streng genommen geht es um den 'Gott der Philosophen'
Die gottesgläubigen Philosophen mit ihren metaphysischen, aussageleeren Gottesbildern sind eine Klasse für sich. Sie wachsen genauso wie der Rest der Bevölkerung mit der Vorstellung auf, im Himmel lebe ein alter, weisbärtiger Mann, der ihre Gebete erhört. Mit der Zeit erkennen sie die Unsinnigkeit dieses Glaubens. Aber durch ihre Erziehung hängen sie emotional an ihrem Gott; sie wollen ihn nicht aufgeben. Also machen sie aus ihrem ursprünglichen Glauben ein nutzloses Wesen, das keinen Erklärungswert bietet und für das es nicht den leisesten Hinweis gibt, anstatt ihren Glauben vollkommen aufzugeben.

Es ist nicht einsehbar, warum man dieses irrationale Unterfangen, das von Gefühlsduselei und dem Glauben an den Glauben geprägt ist, ernst nehmen sollte. Diese Philosophen haben bis heute keine Belege für ihre Gottesbilder hervorgebracht. Wie soll man dieses Versagen erklären,wenn nicht dadurch, dass sie sich einfach im Unrecht befinden? Welchen Grund hat man, die Existenz eines Wesens nicht zu verneinen, das offenkundig erfunden ist und für das es nicht den leisesen Hinweis gibt?

El Schwalmo hat geschrieben:Agnostizismus ist eine epistemische Auffassung. Das, was rational entscheidbar ist, wird rational geklärt. Mein Punkt ist, dass die Gottesfrage offen ist, weil sie jenseits der Reichweite unserer Erkenntnisfähigkeiten liegt. Du darfst mir gerne einen negativen Gottesbeweis vorlegen, dann bin ich kein epistemischer Agnostiker mehr.
Meiner Erachtens ist die Gottesfrage sehr wohl rational entscheidbar. Im Zweifelsfall geht man von der Nichtexistenz aus, nicht nur bei der Frage nach Göttern, sondern ganz allgemein. Wo kämen wir denn auch hin, wenn wir anders vorgehen würden? Derjenige, der etwas behauptet, trägt die Beweislast. Kann er keine Belege hervorbringen, muss man davon ausgehen, dass er sich irrt.

El Schwalmo hat geschrieben:Du darfst mir gerne einen negativen Gottesbeweis vorlegen,

Ob ich das vermag, hängt ganz davon ab, was du mit "negativer Gottesbeweis" meinst. Wenn du an eine unfehlbare Widerlegung denkst, muss ich offen zu geben, dass es eine solche nicht gibt und sie auch nicht möglich ist. Dies liegt darin begründet, dass wir Menschen über einen beschränkten Erkenntnisapparat verfügen. Es ist immer möglich, dass wir uns irren, und wir können nie sicher sein, die Wahrheit in den Händen zu halten. Man kann Recht haben, aber man kann sich nie dessen sicher sein, dass man Recht hat. Bei vielen Gottesbildern kommt noch hinzu, dass sie überhaupt nichts besagen. Sie sind reine Worthülsen, ohne irgendeinen Inhalt: Gott ist die Liebe, Gott ist undefinierbar, Gott ist positive Energie. Hier ist keine Widerlegung einer Aussage möglich, da keine Aussage vorliegt.

Denkst du hingegen an eine plausible Darstellung, warum es keine Götter gibt, an stichhaltige Argumente, die gegen die Existenz solcher Wesen sprechen, dann kann ich dir sehr wohl einen negativen Gottesbeweis liefern.
Max
 
Beiträge: 2038
Registriert: So 10. Sep 2006, 09:55

Re: Atheismus vs Agnostizismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 6. Dez 2007, 12:30

Max hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Du darfst mir gerne einen negativen Gottesbeweis vorlegen,

Ob ich das vermag, hängt ganz davon ab, was du mit "negativer Gottesbeweis" meinst. Wenn du an eine unfehlbare Widerlegung denkst, muss ich offen zu geben, dass es eine solche nicht gibt und sie auch nicht möglich ist.

so what?

Es gibt negative und positive Religionsfreiheit. Jeder soll Dich Deinen Atheismus in Ruhe leben lassen. Mehr kannst Du nicht erwarten. Wenn Du missionieren möchtest, spielst Du in einer Liga, in der Du nicht spielen möchtest.
Benutzeravatar
El Schwalmo
 
Beiträge: 1938
Registriert: Do 12. Jul 2007, 16:33

Re: Atheismus vs Agnostizismus

Beitragvon Max » Do 6. Dez 2007, 12:59

Wir befinden uns in einer Diskussion, El Schwalmo. Es wäre doch sehr seltsam, wenn ich hier keine Argumente äußern würde, meinst du nicht auch?
Max
 
Beiträge: 2038
Registriert: So 10. Sep 2006, 09:55

Re: Atheismus vs Agnostizismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 6. Dez 2007, 13:14

Max hat geschrieben:Wir befinden uns in einer Diskussion, El Schwalmo. Es wäre doch sehr seltsam, wenn ich hier keine Argumente äußern würde, meinst du nicht auch?

wenn Du ein für mich neues Argument postest, gehe ich gerne darauf ein.
Benutzeravatar
El Schwalmo
 
Beiträge: 1938
Registriert: Do 12. Jul 2007, 16:33

Re: Atheismus vs Agnostizismus

Beitragvon Max » Do 6. Dez 2007, 13:40

Hier mal einige Argumente:
Das Versagensargument
Dieses Argument wurde oben bereits genannt. Die Theologen und Gläubigen versuchen seit mehreren tausend Jahren, die Existenz ihrer Götter zu beweisen. Dabei sind sie stets kläglich gescheitert. Wie soll man ihr Versagen erklären, wenn nicht dadurch, dass sie sich im Unrecht befinden? Die Gläubigen hatten lange genug Zeit, die Existenz ihrer Götter zu beweisen.

Das ontologische Argument
Der Theist geht davon aus, dass es zwei verschiedene Stoffe in diesem Universum gibt: Materie und Geist. Sein Gott ist etwas rein geistiges, eine mysthische Kraft, die dieses Universum (Materie) erschaffen hat. Nach allem, was wir wissen, ist dieser Dualismus falsch. Es gibt keine Belege dafür, dass so etwas wie eine Seele existiert. Es ist nicht einsehbar, wie Materie und Geist wechelwiken sollen. Nach allem, was wir über den menschlichen Geist und dieses Universum wissen, müssen wir davon ausgehen, dass alles in diesem Universum aus einer Substanz besteht: Materie. Höhere Eigenschaften wie Bewusstsein ergeben sich dabei aus dieser Materie heraus. Da der Dualismus falsch ist, existiert kein Gott.

Das Intelligenzargument
Kreative Intelligenz ist erst sehr spät in diesem Universum entstanden. Es hat sich evolutionär entwickelt und entsteht aus der Materie heraus. In Bezug auf die Gotteshypothese ergeben sich mehrere Probleme. Es ist nicht möglich, dass ein Geist ohne eine materielle Grundlage existiert, aus der dieser Geist entstehen könnte. Es ist nicht möglich, dass einfach so ein Bewusstsein vorhanden ist. Alle Formen von Leben, die etwas schaffen können, sind in einer Milliarden Jahre langen Evolution entstanden.
Max
 
Beiträge: 2038
Registriert: So 10. Sep 2006, 09:55

Re: Atheismus vs Agnostizismus

Beitragvon ostfriese » Do 6. Dez 2007, 19:16

El Schwalmo, die möglichen Antworten auf die Frage nach der Gottesexistenz sind auch in epistemischer Hinsicht nicht gleichermaßen vernünftig.

Rein metaphysische Behauptungen sagen über eine Gottes-Existenz nichts aus, da ein in Bezug auf erkennende Subjekte (wechsel)wirkungsloses "Dasein" von Nichtexistenz überhaupt nicht unterscheidbar wäre. Man liegt epistemisch also in jedem Fall richtig, wenn man von der Nichtexistenz eines solchen "Gottes" ausgeht. Da aus "seiner" "Existenz" nichts folgt, verdient ein solches Postulat keinerlei Beachtung, insbesondere ist es auch kein Gegenstand der Aufklärung.

De facto vertritt niemand einen völlig einflusslosen und unbeeinflussbaren, damit auch eigenschaftslosen Gott. Ebenso wenig gibt es irgendjemanden, der nicht pragmatischer Realist wäre.

Eine zweite Art von Behauptungen wäre die, Gott (wechsel)wirke real, diese Wirkungen versteckten sich aber in Zufällen, Eingebungen, unbemerkten "Wundern", spirituellen Erfahrungen usw.
Hierdurch wird der hypothetische Realismus anerkannt, also kann auch mit dem hierauf gründenden empirischen Wissen argumentiert werden. Und dann schlägt das Wahrscheinlichkeitsargument mit vollem Gewicht zu. Es ist, nach allem was wir wissen, extrem unwahrscheinlich, dass ein Gott dieser Art existiert. Und die Behauptung, Gott verstecke sich, ist obendrein eine sich jeder empirischen Prüfung entziehende, damit nach wissenschaftstheoretischen Kriterien (die für diese Art "Gott" greifen) irrationalen Behauptung. Auch in diesem Fall also ist es epistemisch vernünftig, Atheist zu sein.

Über einen leibhaftigen Gott mit konkreten, empirisch prüfbaren Eigenschaften erübrigt sich die Rede, seine Existenz ist im Lichte wissenschaftlicher Erkenntnis derart unwahrscheinlich, dass jeder intellektuell redliche Mensch sie als widerlegt betrachten muss.

Da kein Gott denkbar ist, für deren Existenz ein rationales Argument spräche, während in Bezug auf jedes verstehbare Konzept von "Gott" dessen Existenz als extrem unwahrscheinlich anzusehen ist, sollte man vernünftigerweise atheistisch denken. Dieses philosophische Wissen muss gleichrangig mit den (ebenfalls hypothetischen) naturwissenschaftlichen Erkenntnissen Teil des Bildungskanons sein. Aufklärung in diesem Sinne ist genauso wenig Religion wie eine Unterrichtsstunde in Biologie oder Chemie.
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Re: Atheismus vs Agnostizismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 6. Dez 2007, 20:58

ostfriese hat geschrieben:El Schwalmo, die möglichen Antworten auf die Frage nach der Gottesexistenz sind auch in epistemischer Hinsicht nicht gleichermaßen vernünftig.

schau mal, Epistemologie hat was mit den Grenzen des Wissens zu tun, nicht damit, wie man mit diesem Wissen umgeht. Ich schrieb doch, dass ich pragmatisch Atheist bin. Das könnte doch vermutlich damit zusammenhängen, dass ich diesen Standpunkt für vernünftiger halte.

Aber es gibt Menschen, die sehen das anders, möglicherweise aufgrund von irgendwelchen Erfahrungen, die sie anders deuten als ich das machen würde. Solange die Gottesfrage nicht entschieden werden kann, sehe ich keine Notwendigkeit, diese Menschen von irgendetwas überzeugen zu müssen.

Es sei denn, die fangen an zu missionieren. Dann halte ich dagegen. In etwa mit den Argumenten, die Du und Max gepostet haben, und die mir alle nicht fremd sind.
Benutzeravatar
El Schwalmo
 
Beiträge: 1938
Registriert: Do 12. Jul 2007, 16:33

Re: Atheismus vs Agnostizismus

Beitragvon ostfriese » Do 6. Dez 2007, 22:01

El Schwalmo hat geschrieben:Epistemologie hat was mit den Grenzen des Wissens zu tun, nicht damit, wie man mit diesem Wissen umgeht.

Natürlich widerspreche ich ganz entschieden.^^ Denn was hülfe uns die mittlerweile fast zur Trivialität gewordene Einsicht, dass alles Wissen hypothetisch ist, wenn die Erkenntnistheoretiker nicht sogleich überlegten, wie wir mit dieser Weisheit vernünftigerweise umgehen? Da scheint dann z.B. die Frage auf, wie sich "Wissen" und "Glauben" zueinander verhalten. Ist es, wenn man prinzipiell jede Erkenntnis bezweifeln könnte, vernünftig, dies auch zu tun? Und wie kommt es, dass wir diese Frage pragmatisch erfolgreich verneinen?

Wenn wir genau hinschauen, wird klar: Epistemischer und pragmatischer Atheismus klaffen erst jenseits des hypothetischen Realismus auseinander. Und das heißt de facto: für niemanden. Denn wir wandeln nun mal nicht auf Metaphysen...

El Schwalmo hat geschrieben:Solange die Gottesfrage nicht entschieden werden kann, sehe ich keine Notwendigkeit, diese Menschen von irgendetwas überzeugen zu müssen.

Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie liefern uns gute Gründe dafür, warum die Gottesfrage bei Verzicht auf unverständlich-inhaltsleere Worthülsen pragmatisch so gut wie entschieden werden kann, und damit wird dieses philosophische Wissen zu einem legitimen Bildungsziel. Und Bildung ist, wie ich ganz oben begründet habe, was richtig Tolles! :santagrin:
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Re: Atheismus vs Agnostizismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 6. Dez 2007, 22:38

ostfriese hat geschrieben:Wenn wir genau hinschauen, wird klar: Epistemischer und pragmatischer Atheismus klaffen erst jenseits des hypothetischen Realismus auseinander. Und das heißt de facto: für niemanden. Denn wir wandeln nun mal nicht auf Metaphysen...

wieder Pragmatik, nicht Epistemologie.

ostfriese hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Solange die Gottesfrage nicht entschieden werden kann, sehe ich keine Notwendigkeit, diese Menschen von irgendetwas überzeugen zu müssen.

Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie liefern uns gute Gründe dafür, warum die Gottesfrage bei Verzicht auf unverständlich-inhaltsleere Worthülsen pragmatisch so gut wie entschieden werden kann, und damit wird dieses philosophische Wissen zu einem legitimen Bildungsziel. Und Bildung ist, wie ich ganz oben begründet habe, was richtig Tolles! :santagrin:

Nope. Bildungsziel ist, Menschen dazu zu bringen, diese Frage selber zu überlegen. Die einen werden zu diesem Schluss gelangen, andere zu einem anderen.
Benutzeravatar
El Schwalmo
 
Beiträge: 1938
Registriert: Do 12. Jul 2007, 16:33

Re: Atheismus vs Agnostizismus

Beitragvon ostfriese » Do 6. Dez 2007, 23:48

El Schwalmo hat geschrieben:Bildungsziel ist, Menschen dazu zu bringen, diese Frage selber zu überlegen. Die einen werden zu diesem Schluss gelangen, andere zu einem anderen.

Wenn sie zu einem anderen Schluss gelangen, haben sie etwas nicht verstanden, und dann wäre das philosophische Bildungsziel nicht erreicht.

Vergleiche: Trotz des hypothetischen Charakters biologischen oder physikalischen Wissens ist es nicht damit getan, dass sich ein Schüler hierzu eigene Gedanken macht. So definieren wir aus guten Gründen keine Bildungsziele. Auch nicht im Bereich der Philosophie.
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Re: Atheismus vs Agnostizismus

Beitragvon El Schwalmo » Fr 7. Dez 2007, 06:27

ostfriese hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Bildungsziel ist, Menschen dazu zu bringen, diese Frage selber zu überlegen. Die einen werden zu diesem Schluss gelangen, andere zu einem anderen.

Wenn sie zu einem anderen Schluss gelangen, haben sie etwas nicht verstanden, und dann wäre das philosophische Bildungsziel nicht erreicht.

Vergleiche: Trotz des hypothetischen Charakters biologischen oder physikalischen Wissens ist es nicht damit getan, dass sich ein Schüler hierzu eigene Gedanken macht. So definieren wir aus guten Gründen keine Bildungsziele. Auch nicht im Bereich der Philosophie.

Äpfel mit Birnen. Das eine sind Naturwissenschaften. Die fallen in den Bereich dessen, was unser Erkenntnisapparat bewältigen kann. Hier sind zeitkernige Gültigkeiten erreichbar.

Im Bereich der Philosophie, die weit mehr als das umfasst, was Du unter 'Philosophie' verstehst, ist das nicht der Fall. Hier ist eher der Weg das Ziel.

Du hast aber Recht: Dein philosophisches 'Bildungs'ziel ist nicht erreicht. Aber das besteht nicht im Philosophieren, sondern in den Ergebnissen. Das sind zwei Paar Stiefel.
Benutzeravatar
El Schwalmo
 
Beiträge: 1938
Registriert: Do 12. Jul 2007, 16:33

Re: Atheismus vs Agnostizismus

Beitragvon ostfriese » Fr 7. Dez 2007, 06:58

El Schwalmo hat geschrieben:Im Bereich der Philosophie, die weit mehr als das umfasst, was Du unter 'Philosophie' verstehst, ist das nicht der Fall. Hier ist eher der Weg das Ziel.

Nein. Die metaphysischen Grundvoraussetzungen unserer Erkenntnis muss man diskutieren, aber nach mehreren tausend Jahren Philosophiegeschichte sollte sich allmählich die Einsicht durchsetzen, dass der hypothetische Realismus ein Ausgangspunkt ist, den man zwar in Frage stellen kann, den man aber vernünftigerweise nicht in Frage stellen sollte, weil man sich sonst ein Riesen-Erklärungsproblem einhandelt für den Erfolg naturwissenschaftlicher Theorien (vom Solipsismus abgesehen). Die Metaphysik ist nicht mehr als der Fußabtreter, über den man den eigentlichen Denkraum der Philosophie betritt. Danach darf man die Tür hinter sich schließen.

Mit anderen Worten: Gerade jenes philosophische Wissen, von dem ich sprach, schneidet die Teile der Philosophie als unnütz ab, in denen wir es nicht mit echten Hypothesen, sondern bloß mit willkürlichen Spekulationen zu tun haben.

Für die Tatsache, dass es sich bei den philosophischen Erkenntnissen zur Gottesfrage um echtes Wissen handelt, spricht auch die Beobachtung, dass der Atheismus positiv mit Intelligenz und (sonstiger) Bildung korreliert.

Wahrscheinlich würden wir eine sehr ähnliche Antwortverteilung erhalten auf z.B. eine Frage nach physikalischem Wissen:

Auf welcher Prämisse beruht Einsteins spezielle Relativitätstheorie?
a) Alles ist relativ.
b) Die Lichtgeschwindigkeit ist konstant.

Die Antworten:
1) a) ist richtig. (entspricht fehlender Bildung, also dem Gottglauben)
2) b) ist richtig. (entspricht vorhandener Bildung, also dem Atheismus)
3) Da bin ich mir unsicher, ich würde beides mit der SR in Verbindung bringen. (entspricht dem Agnostizismus in Bezug auf die Gottesfrage)
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach

Re: Atheismus vs Agnostizismus

Beitragvon El Schwalmo » Fr 7. Dez 2007, 11:44

ostfriese hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Im Bereich der Philosophie, die weit mehr als das umfasst, was Du unter 'Philosophie' verstehst, ist das nicht der Fall. Hier ist eher der Weg das Ziel.

Nein. Die metaphysischen Grundvoraussetzungen unserer Erkenntnis muss man diskutieren, aber nach mehreren tausend Jahren Philosophiegeschichte sollte sich allmählich die Einsicht durchsetzen, dass der hypothetische Realismus ein Ausgangspunkt ist, den man zwar in Frage stellen kann, den man aber vernünftigerweise nicht in Frage stellen sollte, weil man sich sonst ein Riesen-Erklärungsproblem einhandelt für den Erfolg naturwissenschaftlicher Theorien (vom Solipsismus abgesehen). Die Metaphysik ist nicht mehr als der Fußabtreter, über den man den eigentlichen Denkraum der Philosophie betritt. Danach darf man die Tür hinter sich schließen.

Mit anderen Worten: Gerade jenes philosophische Wissen, von dem ich sprach, schneidet die Teile der Philosophie als unnütz ab, in denen wir es nicht mit echten Hypothesen, sondern bloß mit willkürlichen Spekulationen zu tun haben.

unter Deinen Prämissen (läuft immer wieder auf Dasselbe hinaus: wer darf die Diskursregeln definieren?) schon. Die Frage ist nur, wie es aussieht, wenn man mit anderen Prämissen an die Sache herangeht.

Die Frage ist aber, ob das, was Du philosophisches Wissen bezeichnest, tatsächlich 'Wissen' ist. Was Du schreibst ist wieder die Ebene der Pragmatik, um die es mir gar nicht geht, denn die ist zwischen uns unstrittig.

Mir geht es darum, dass man die Welt auch anders sehen kann, ohne deshalb gleich dumm oder bösartig zu sein. Und von diesem Standpunkt aus ist das, was Du einforderst, eben auch eine Art 'Mission'.
Benutzeravatar
El Schwalmo
 
Beiträge: 1938
Registriert: Do 12. Jul 2007, 16:33

Re: Atheismus vs Agnostizismus

Beitragvon ostfriese » Fr 7. Dez 2007, 22:07

El Schwalmo hat geschrieben:Mir geht es darum, dass man die Welt auch anders sehen kann, ohne deshalb gleich dumm oder bösartig zu sein. Und von diesem Standpunkt aus ist das, was Du einforderst, eben auch eine Art 'Mission'.

Einstein hat sich bekanntlich schwer getan mit der Deutung der Quantentheorie durch seine Kollegen. Er war weder bösartig noch dumm. Doch der Diskurs schreitet voran.

Kants Werke waren epochemachend, und niemand, der sie heute noch für das Maß aller Dinge hält, muss notwendig dumm oder bösartig sein. Aber ihm fehlt definitiv das Wissen über philosophischen Erkenntnisfortschritt seit Kant. Vollmer betont in diesem Zusammenhang zu Recht den virtuosen Zirkel von sich gegenseitig stützender naturwissenschaftlicher und epistemischer Erkenntnis. Und aufgrund der Beziehungen zwischen beiden Disziplinen wissen wir heute auch, wo Kant geirrt hat.

Freilich beruht dieses Wissen auf der Prämisse des hypothetischen Realismus. Doch will man überhaupt irgendeiner (anwendbaren) Erkenntnis im philosophischen Denkraum habhaft werden, darf man sie nicht durch die Tür zur metaphysischen Beliebigkeit entfleuchen lassen. Wir müssen diese Tür irgendwann hinter uns schließen, weil wir uns das ernsthafte, problemlösungsorientierte Philosophieren andernfalls schenken könnten.

Wer partout immer wieder nach draußen möchte, den kann sowieso niemand aufhalten. Aber es ist kein Akt der Missionierung, jemandem zu erklären, warum er geringe Chancen hat, seinen aus dem goldenen Käfig entkommenen "Vogel naiver Gewissheiten" ausgerechnet dadurch einzufangen, dass er ihn gänzlich zur Tür hinaus lässt...
Benutzeravatar
ostfriese
 
Beiträge: 1479
Registriert: Mi 20. Sep 2006, 22:28
Wohnort: Eisenach


Zurück zu Religion & Spiritualität

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 13 Gäste