ostfriese hat geschrieben:El Schwalmo hat geschrieben:Wenn Du das dann in Formeln gießt, kann es durchaus sein, dass Du nicht abbildest sondern konstruierst. Lass mal das 'radikal' weg (das sind Solipsisten), dann passt das schon.
Nee, passt immer noch nicht.
Du gießt ja nicht Messungen in Formeln, sondern gehst deduktiv vor. Weltformeln sind eine zunächst rein mathematische Unternehmung, ihre experimentelle Bewährung misst sich am Vergleich mit anderen (bisherigen) Theorien. Sie ist dann, vor dem gleichen messinterpretatorischen Hintergrund, adäquater zur
Rekonstruktion als ihre Vorgängertheorie.
geh' davon aus, dass ich mich hinlänglich mit der Sorte Wissenschaftstheorie, wie Du sie vertrittst befasst habe. Ich lehne sie nicht ab, sondern betone nur deren Grenzen. Und da zeigt sich dann das, was Du als Unterschied zwischen 'hypothetisch als wahr annehmen' und 'agnostisch' (in diesem Kontext passt 'skeptisch' oder auch das leicht pejorative 'skeptizistisch' besser) sehen möchtest. Du schließt auf der Basis dieser als gültig vorausgesetzten Ontologie bestimmte Wesen aus. In diesem Kontext ist dann der Terminus 'hypothetisch' dicht an einer Immunsierungsstrategie. Gültig ist eventuell eine Aussage wie: 'wenn die bestens bekannten Gesetze gelten und jemand behauptet, dass in einer definierten Form in das Geschehen der Welt eingegriffen wird, müsst ich folgendes messen, was aber nicht der Fall ist'. Die Prämisse dahinter ist, dass sich so ein Wesen an die Naturgesetze halten muss, von denen man auch noch annehmen muss, dass wir sie richtig erkannt haben (von der Frage, ob wir die Natur beschreiben, also Gesetzmäßigkeiten, die 'da' sind, finden, oder ob wir welche 'konstruieren', die Welt also erfolgreich so beschreiben, als ob welche vorhanden wären, mal ganz abgesehen). Dadurch liegt die Beweislast bei dem, der behauptet, es gäbe ein Wesen, das in den Lauf der Welt eingreift. Aber dann sind wir wieder bei den Regeln des rationalen Diskurses, aber nicht beim 'Sein des Seienden'.
Du gehst in etwa wie Dawkins vor: Du machst eine Aussage, die klar ist, aber leicht angreifbar. Wie Dawkins hast Du natürlich hinreichend Kenntnisse, um auf Nachfragen zu präzisieren. Aber genau wie bei Dawkins, bei dem, wenn man die Formulierungen 'herunterbricht', oft recht wenig übrig bleibt, ist das mit der Ontologie, die Du vertrittst. Du kannst zwar, wie ich schon immer schrieb, einen rationalen Diskurs einfordern, wenn ein Theist etwas behauptet, und er wird mit einiger Sicherheit scheitern. Exakt dasselbe würde ich als Agnostiker mit diesem Theisten natürlich auch machen.
Aber ich gehe halt einen Schritt weiter und wage zu sagen, dass auch der Naturalist in Grenzbereiche kommt, in denen er keine aufzeigbar gültigen Antworten mehr hat. Dann kann er zwar die Frage als sinnlos abweisen, und hat damit im täglichen Leben vermutlich keinerlei Probleme, aber eine Antwort ist das nicht. Und das macht mich agnostisch, also dass ich nicht etwas behaupte (ohne jedesmal explizit zu sagen, dass ich das nur hypothetisch vertrete), sondern gleich explizit mache, dass ich das eben nicht beweisen kann, denn es könnte auch anders sein.
ostfriese hat geschrieben:Dass Biologen mit einer speziell auf die Physik gemünzten Wissenschaftstheorie ggf. wenig anfangen können, mag ein berechtigter Einwand sein.
Das ist kein Einwand gegen diese Form der Wissenschaftstheorie, nur ein Einwand, falls mit dieser Wissenschaftstheorie in der Biologie gearbeitet werden soll. Das ist nicht trivial. Mayr hat das mal am Beispiel des Populationsdenken Pauli (dem, nach dem das 'Pauli-Prinzip' benannt ist) klar zu machen versucht, und ist gescheitert. Angeblich kamen sie sich etwas näher, als Mayr Pauli bat, sich ein 'individuales Gas' vorzustellen. Das trifft es meiner Meinung nach sehr gut, wenn auch der wesentlichste Aspekt der (Evolutions)Biologie noch fehlt: die Entwicklung in der Zeit. Die kommt natürlich auch in der Physik vor, spielt dort aber nicht die zentrale Rolle.
ostfriese hat geschrieben:Aber ebenso berechtigt ist dann mein Hinweis, dass es den meisten Physikern ziemlich weit am Allerwertesten vorbei geht, ob sich Kreationisten einbilden, durch Widerlegung der Evolutionstheorie am Naturalismus (speziell seiner Ontologie) rütteln zu können. Hier haben Physiker schon noch ein gewichtiges Wörtchen mitzureden.
Jein. Sie müssten beweisen können, dass die Welt 'geschlossen' gegenüber Eingriffen eines Designers ist. Das setzt voraus, dass wir das 'Sein des Seienden erfassen können. Ich sehe zwar überall virtuose Zirkel und funktionierende Technik auf der Basis der Voraussetzung dieser Gesetzmäßigkeiten, aber das ist 'Passen' und ich weiß nicht, ob das schon 'Stimmen' ist.
Wenn ich daher mit einem Evolutionsgegner auf einer agnostischen (skeptischen) Basis argumentiere, heißt das noch lange nicht, dass ich dem irgendwelchen Raum gebe, den Du ihm nicht geben würdest. Denn eine Position, die man bei kritischer Rückfrage nicht halten kann, nutzt einem wenig. Ich fordere selbstverständlich auch von einem Theisten ein, dass er rational argumentiert. Dazu brauche ich aber weder eine 'geschlossene' Ontologie noch einen negativen Gottesbeweis.
Zurzeit besteht in der Evolutionsbiologie ein Problem: es scheint immer deutlicher zu werden, dass Evolution deutlich mehr ist als es die Selektionstheorie angenommen hat. Dazu muss man sehen, dass diese Menschen den Anspruch erhoben hatten, die gesamte Evolution erklären zu können. Interessanterweise mit ähnlichen Argumenten wie Du sie vertrittst. Nun zeigt sich, dass wir zwar immer mehr über Evolution wissen, aber das passt nicht so recht zur Selektionstheorie. Ich dachte, ich sei selber auf den Gedanken gekommen, habe ihn dann aber bei so vielen Autoren gelesen, dass ich mir nicht mehr sicher bin, dass ich auch unabhängig darauf gekommen bin: mit der Selektionstheorie ist es wie mit der Newton-Mechanik: sie gilt in bestimmten Bereichen, ist aber letztendlich nur ein Spezialfall einer umfassenderen Theorie. Null Juck wirst Du sagen, und Du hast natürlich Recht: keine der beiden Theorien benötigt einen Designer. Aber sieh' das mal 'strategisch': wenn Du eine naturalistische Evolution auf einen Mechanismus gegrüdet hast, der sich als nicht hinreichend mächtig erwiesen hat, fragt Dich Dein Gegner naütrlich, warum Du sicher bist, dass der umfassendere Mechanismus nicht auch in dem Sinn ein Spezialfall ist, dass er in ein Schöpfungshandeln eingebunden ist. Und dann bist Du wieder an dem Punkt, wo nur noch Diskursregeln helfen. Aber die sind dann nicht mehr auf Ergebnisse von Einzelwissenschaften gründbar. Hier ist es dann Hose wie Jacke, ob wir eine TOE haben oder nicht.