Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon emporda » Do 7. Aug 2008, 13:49

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Das habe ich so nicht gesagt!
Ich habe nicht gesagt, dass keine wirkliche Bewegung im Spiel ist, sondern dass die von der Erde aus wahrgenommene Bewegung nur scheinbar die Bewegung der Sonne um die Erde herum ist.
Den ganzen Quatsch hatten wir schon einmal. Eine subjektiv wahrgenommene Bewegung ist nicht real und hat auch keinen Realitätswert.

Selbst wenn man einen Neanderthaler in einen Zug setzt, würde der nicht behaupten der Bahnhof fährt auf ihn zu. Er hat sicher schon auf einem Pferd gesessen und gemerkt, dass nicht der Baum auf ihn zukam und eine blaue Beule geschlagen hat. Das Kriterium zum Verständnis der Realität ist die Kenntnis beider Bezugspunkte. Einmal steht man auf dem Boden, im anderen Falls sitzt man in einer fahrenden/bewegendem Plattform.

Zu behaupten die Sonne dreht sich um die Erde, nur weil man nicht austeigen und einen neutralen Beszugspunkt irgendwo im All einnehmen kann, das bezeugt ein besondere Art geistiger Verblendung. Allerdings ist das ja das Erkennungskriterium aller religiösen Phantasten, deswegen immer wieder die gleiche Story
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » Do 7. Aug 2008, 13:59

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Ich habe nicht gesagt, dass keine wirkliche Bewegung im Spiel ist, sondern dass die von der Erde aus wahrgenommene Bewegung nur scheinbar die Bewegung der Sonne um die Erde herum ist.

Eben, und das ist falsch. Die Bewegung der Sonne um die Erde herum ist real, wenn man als Bezugspunkt die Erde wählt, wie Du oben getan hast.


???—Dem geozentrischen Weltbild nach drehen sich die Sonne und die anderen Gestirne um die Erde. Wie wir wissen, ist dieses Weltbild falsch. Und was einer falschen Theorie nach der Fall ist, ist eben in Wirklichkeit nicht der Fall.
Der Eindruck, den naive irdische Beobachter haben, täuscht; denn es sieht nur so aus, als würde sich der ganze Himmel um die Erde drehen. Eine reale Bewegung der Sonne um die Erde herum gibt es nicht.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Do 7. Aug 2008, 14:06

folgsam hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:Ich postuliere nichts. Die genannten Erfahrungsvoraussetzungen lassen sich religionsphänomenologisch überprüfen. Die Anzahl der Webseiten, in denen Wirklichkeit und Offenbarung so gesehen werden, ist Legion.


Doch, natürlich postulierst du die Existenz übernatürlicher Wesen/eines personalen Gottes, allein aufgrund deiner subjektiven Eindrücke.

Wir sprachen über Erfahrungsvoraussetzungen. Als ich sagte, "ich postuliere nichts", bezog sich das auf die Realität von Erfahungssystemen, die auf bestimmten Voraussetzungen beruhen. Auch ein Naturalist kann unschwer feststellen, dass es mythische und religiöse Erfahrungssysteme gibt.
Jedes dieser Erfahrungssysteme, auch das naturwissenschaftliche, benötigt aller Erfahrung vorausgehende, postulatorische Grundannahmen. Insofern postuliere ich natürlich etwas, ganauso wie Du auch Dein Lieblingserfahrungssystem auf Postulate stützt. So what?

folgsam hat geschrieben:Wie bereits gesagt, Religion ist ein interessantes Phänomen, doch von der bloßen Sinnlichkeit religiöser Erfahrungen auf eine tatsächliche Realität diverser übernatürlicher, personaler Geistwesen zu schließen ist unzulässig.

Nur im naturwissenschaftlichen Erfahrungssystem, welches solche Wesenheiten methodisch ausschließt. Nicht im religiösen Erfahrungssystem.

folgsam hat geschrieben: Ich bestreite nicht, dass diese Erfahrungen gemacht werden, doch ist die religiöse Interpretation nicht richtig, nur weil jemand diese Erfahrungen hat.

Es ist immer ein wenig kurios, wenn jemand auf der Basis einer kontingenten Ontologie in Bezug auf eine andere Ontologie von Richtigkeiten spricht.

folgsam hat geschrieben:...also quasi in ein nicht von der Aussenwelt korrigiertes Glaubenssystem betritt,

Erfahrungssysteme, auch religiöse, können durchaus von der Außenwelt korrigiert werden, aber das ist ein mühsamer Prozess. Denn schließlich müssen sich dann die apriorischen Voraussetzungen der Erfahrung ändern. Stell Dir mal vor, dass einzelne Wissenschaftler zu der Einsicht kommen, dass die Naturwissenschaft auf die Kausalität verzichten müsse. Was das für Folgen hätte!

folgsam hat geschrieben:Die mythisch-religiöse Erfahrungsebene die du annimst ist ein rein psychologisches Phänomen und ich denke die Werkzeuge werden eher früher als später bereitstehen um das zu zeigen.

Da sind wir uns ohnehin einig. Jede Erfahrungsebene, auch die naturwissenschaftliche, ist ein rein psychologisches Phänomen; auch das wird sich zeigen lassen. Zumindest stellt sich das Bild in dieser Weise aus der Sicht der Säule des wissenschaftsgläubigen Asketen dar, der sich weigert, eine andere Erfahrungsperspektive einzunehmen als eben die der Säule, auf der er als Stylit verharrt.

folgsam hat geschrieben:Die Rationalität im Mythos bestimmt Hübner folgendermaßen: Mythische Erfahrung kommt zustande, indem numinose Substanz in den Menschen eindringt, und dann kann diese Erfahrung in Basissätzen, die also von der Arché bestimmt sind, ausgesprochen werden. (Kuhn, Dieter. Metaphysik Und Geschichte: Zur Theologie Ernst Lohmeyers Berlin: de Gruyter, 2005. S. 61)

Du hast darauf nicht geantwortet, wie stellst du dir das vor?
Sollte es sich um einen Vorgang handeln, bei dem irgendein mystisches Signal aus der Anderwelt in das Bewusstsein eindringt und dort zu einem neurophyiologischen Phänomen wird, so müsste diese Schnittstelle naturwissenschaftlich erkannt, beschrieben und erklärt werden können. Irgendwo müssten bei mythischen Erfahrungen im Hirn Neurone feuern, deren Erregung keinen erklärbaren Ursprung zu haben scheint.

Du bekommst das mit den Unterschiedlichen Erfahrungsvoraussetzungen offensichtlich nicht auf die Reihe.
Wie bei allen Erfahrungen dürften auch bei mythischen Erfahrungen Neuronen feuern, und das ist alles, was es in naturwissenschaftlicher Hinsicht darüber zu sagen gibt. Mystische Signale aus Anderwelten sind methodisch unzulässig, insofern sie die Kausalität verletzen.
Auf der Basis mythischer Erfahrung geschieht Wahrheit (griechisch: a-letheia ="Unverborgenheit"), dh Götter treten aus ihrer Verborgenheit heraus und sind im Vorgang wirkend. Ich hab jetzt aber keine Lust, auch noch zu erklären, was Archai sind.

folgsam hat geschrieben:Kritisch-rationales Denken ist auch eine Kulturfrage, das bestreite ich nicht. Doch ist der naturreligiöse Indio oder das fromme katholische Großmütterchen mit ihren Erklärungen der sie betreffenden Weltphänomene wahrlich nicht näher an der Wahrheit als die Wissenschaftler und wenn doch, dann haben sie ausser unbewiesenen und größtenteils unbeweisbaren Behauptungen nichts an der Hand.

Ach, Du kennst die Wahrheit in Bezug auf Erfahrungsvoraussetzungen, jenseits von Religion, Mythos, Metaphysik, Freibier und Wissenschaft? Ich bin gespannt zu erfahren, auf welche Weise Du sie gewonnen hast.

folgsam hat geschrieben:Aphrodite, Aurora die Morgenröte, Thor, Vishnu, Gott,...jedes Phänomen das ausserhalb der natürlichen Welt steht und nicht mit naturwissenschaftlichen Methoden erklärt oder beschrieben werden kann.

Was Du da nennst, sind mythische Substanzen, keine übernatürlichen Erfahrungen, die im Rahmen der Wissenschaften nichts zu suchen haben. Hier geht es aber um die Frage, was Wirklichkeit ist, und zwar in dem übergreifenden Sinn, von dem aus Du zu argumentieren versuchst: Also Wirklichkeit jenseits aller Erfahrungsvoraussetzungen. Das hat mit übernatürlichen Phänomenen gar nichts zu tun. Sondern die Frage lautet: Ist die Wirklichkeit (irgendwie beschaffen) - das würde auf ein Weltbild à Einstein/Podolski/Rosen hinauslaufen, oder verhält sie sich? (-> Kierkegaard, Bohr).


folgsam hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:Das mit den Erfahrungsvoraussetzungen hast Du noch nicht wirklich verstanden, stimmts? Ständig hebst Du auf Gefühlserlebnisse ab.


stimmt, hab ich nicht. Wie denn auch? Ich muss ja Glauben um diese speziellen Signale empfangen zu können.

Schon mal Kant, "Kritik der reinen Vernunft" gelesen? Der spricht auch über Erfahrungsvoraussetzungen. Brauchst Du dafür etwa Glauben?

folgsam hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben: Es ging um die Behauptung, dass sich die Sonne nicht um die Erde drehe, sonst gar nichts!
Dh, da sind zwei Himmelskörper und die Frage, welcher sich um welchen dreht.
Myron hat sich zu der Aussage verstiegen: Von der Erde betrachtet scheint sich die Sonne um die Erdezu drehen, dh er hat den Bezugspunkt dieser relativen Bewegung genannt - die Erde - und diagnostiziert, dass es sich nur um eine Scheinbewegung, eine Sinnestäuschung handele.


Vorher noch hast du gesagt, es sei egal ob das gesamte Sonnensystem mit allen PLaneten und sonstigen Boliden betrachtet wird.

Richtig. Weil die nämlich bei dieser Betrachtung völlig irrelevant sind. Dass Du sie immer wieder ins Spiel bringst und damit nur Verwirrung stiftest, zeigt nur, dass Dir an einer Lösung dieser doch einfach zu lösenden geometrischen Aufgabe, die in empririscher Hinsicht noch dazu täglich beobachtbar ist, nicht gelegen ist, sondern dass es Dir darum geht, vernebelnden, wissenschaftsgläubigen Weihrauch abzusondern.

folgsam hat geschrieben:Auf einmal sind es nur die Sonne und die Erde. Es spielt nämlich absolut eine Rolle was sich worum dreht wenn man das ganze System betrachtet: Für unser Sonnensystem macht es mit den bekannten Wirkmechanismen nur Sinn wenn sich alle Objekte in mehr oder weniger elliptischen Bahnen um die Sonne bewegen

Wieder produzierst Du vom Kern der Aufgabe ablenkenden Weihrauch: Über physikalische Wirkmechanismen habe ich selbst schon weiter oben geschrieben, das brauchst Du nicht zu wiederholen. Punkt ist, dass die Behauptung lautet: "Wir wissen z.B. heute, dass die Sonne sich nicht um die Erde dreht." Und später verstieg sich Myron zu folgender Verschärfung: "Von der Erde betrachtet scheint sich die Sonne um die Erde zu drehen; doch wir wissen ja mittlerweile, dass dieser Schein trügt."
Es geht hier nicht um physikalische Kräfte, sondern darum, eine Bewegung zu beschreiben. Und um Bewegungen zu beschreiben, braucht man Bezugspunkte. Wenn Du "das ganze Sonnensystem" betrachtest, so scheint mir, dass Du einen Bezugspunkt außerhalb des Sonnensystems wählen willst. Aber das ist hier nicht gefragt, sondern der Bezugspunkt "Erde". Und die Sonne, das Sonnensystem und die gesamte Galaxie drehen sich nun mal um die Erde, wenn man die Erde als Bezugssystem gewählt hat wie Myron oben. Dies ist keine scheinbare Bewegung, sondern eine tatsächliche - aber eben eine relative, weil es im empririsch messbaren Raum keinen euklidischen Punkt gibt.
Dass es physikalisch zumeist mehr Sinn macht, andere Bezugspunkte zu wählen, bestreite ich ja nicht. Aber das ist eine andere Baustelle.

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Do 7. Aug 2008, 14:13

emporda hat geschrieben:Zu behaupten die Sonne dreht sich um die Erde, nur weil man nicht austeigen und einen neutralen Beszugspunkt irgendwo im All einnehmen kann, das bezeugt ein besondere Art geistiger Verblendung.

1. gibt es keine "neutralen" Bezugspunkte. Die gibt es nur auf dem Rechenblatt, aber nicht in der Realität, wie aus Einsteins Relativitätstheorie hinlänglich hervorgeht.
2. galt Myrons erste Behauptung für alle Bezugspunkte, also auch für die Erde, was er in seiner zweiten Behauptung noch einmal hervorgehoben hat. Du kannst also gerne aus Zügen ins Weltall aussteigen, wenn Du magst, aber Myron tat dies nicht.
3. Die Frage lautet: Dreht sich die Sonne, wenn man sie von der Erde aus betrachtet, nur scheinbar um die Erde, oder dreht sie sich tatsächlich um die Erde?
Und die Antwort lautet: Die Drehung ist beobachtbar, also dreht sich die Sonne, von der Erde aus gesehen, um die Erde.

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Klaus » Do 7. Aug 2008, 14:23

Etwas abstrus, die scheinbare Drehbewegung der Sonne wird durch nichts anderes hervorgerufen als die Drehung der Erde um die eigene Achse. Das haben schon unsere Altvorderen in Griechenland festgestellt.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Do 7. Aug 2008, 15:19

Klaus hat geschrieben:Etwas abstrus, die scheinbare Drehbewegung der Sonne wird durch nichts anderes hervorgerufen als die Drehung der Erde um die eigene Achse. Das haben schon unsere Altvorderen in Griechenland festgestellt.

Die Drehbewegung ist nicht scheinbar, sondern real, und was sie hervorruft, ist bei der Beobachtung der Drehung irrelevant. Entscheidend ist der Standpunkt. Und der lautet: Erde.

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » Do 7. Aug 2008, 16:23

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Wir sprachen über Erfahrungsvoraussetzungen. Als ich sagte, "ich postuliere nichts", bezog sich das auf die Realität von Erfahungssystemen, die auf bestimmten Voraussetzungen beruhen. Auch ein Naturalist kann unschwer feststellen, dass es mythische und religiöse Erfahrungssysteme gibt.
Jedes dieser Erfahrungssysteme, auch das naturwissenschaftliche, benötigt aller Erfahrung vorausgehende, postulatorische Grundannahmen.


Die eigentliche Grundvoraussetzung aller Erfahrung ist die Fähigkeit zu sinnlicher Wahrnehmung.
Aber du scheinst ja etwa anderes mit "Erfahrungsvoraussetzung" zu meinen.
Wenn es dir nur darum geht zu unterstreichen, dass es apriorische, d.i. nichtempirische, wissenschaftstheoretische bzw. methodologische Voraussetzungen der empirischen Forschung gibt, dann dürften dir alle zustimmen.
Wenn du dagegen behauptest, dass es einen bestimmten mythisch/mystisch-religiösen Erfahrungstyp sui generis gibt, der nicht auf normaler, natürlicher Sinneswahrnehmung basiert, dann widerspreche ich dir.

"Mythische Erfahrung kommt zustande, indem numinose Substanz in den Menschen eindringt, und dann kann diese Erfahrung in Basissätzen, die also von der Arché bestimmt sind, ausgesprochen werden."
(Kuhn, Dieter. Metaphysik Und Geschichte: Zur Theologie Ernst Lohmeyers. Berlin: de Gruyter, 2005. S. 61)

Es gibt keinen objektiven Grund zu der Annahme, dass es numinose Substanzen, sprich göttliche Wesen gibt, die auch in den Menschen "eindringen" und ihm damit buchstäblich göttliche Erlebnisse verschaffen. Die Welt der religiösen Mythen ist, wie Nietzsche treffend feststellt, eine "reine Fiktions-Welt"; und die sogenannten mythisch/mystischen/religiösen Erfahrungen sind in Wirklichkeit "Selbst-Mißverständnisse, Interpretationen angenehmer oder unangenehmer Allgemeingefühle mit Hilfe der Zeichensprache religiös-moralischer Idiosynkrasie".

"Weder die Moral noch die Religion berührt sich im Christentume mit irgend einem Punkte der Wirklichkeit. Lauter imaginäre Ursachen ("Gott", "Seele", "Ich", "Geist", "der freie Wille" - oder auch "der unfreie"); lauter imaginäre Wirkungen ("Sünde", "Erlösung", "Gnade", "Strafe", "Vergebung der Sünde"). Ein Verkehr zwischen imaginären Wesen ("Gott", "Geister", "Seelen"); eine imaginäre Naturwissenschaft (anthropozentrisch; völliger Mangel des Begriffs der natürlichen Ursachen); eine imaginäre Psychologie (lauter Selbst-Mißverständnisse, Interpretationen angenehmer oder unangenehmer Allgemeingefühle, zum Beispiel der Zustände des nervus sympathicus, mit Hilfe der Zeichensprache religiös-moralischer Idiosynkrasie, - "Reue", "Gewissensbiß", "Versuchung des Teufels", "die Nähe Gottes"); eine imaginäre Teleologie ("das Reich Gottes", "das jüngste Gericht", "das ewige Leben"). - Diese reine Fiktions-Welt unterscheidet sich dadurch sehr zu ihren Ungunsten von der Traumwelt, daß letztere die Wirklichkeit widerspiegelt, während sie die Wirklichkeit fälscht, entwertet, verneint. Nachdem erst der Begriff "Natur" als Gegenbegriff zu "Gott" erfunden war, mußte "natürlich" das Wort sein für "verwerflich", - jene ganze Fiktions-Welt hat ihre Wurzel im Haß gegen das Natürliche (- die Wirklichkeit! -), sie ist der Ausdruck eines tiefen Mißbehagens am Wirklichen ..."

(Nietzsche, "Der Antichrist", §15)
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » Do 7. Aug 2008, 16:36

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Nur im naturwissenschaftlichen Erfahrungssystem, welches solche Wesenheiten methodisch ausschließt.


Das stimmt nicht, denn die Wissenschaft befasst sich mit der gesamten Realität. Man kann die Existenz von Seelen oder Geistern, insbesondere von göttlichen Geistern, durchaus als eine wissenschaftliche Hypothese auffassen.
Dass es keine solchen übernatürlichen Wesen gibt, ist nicht unbedingt eine methodologische Voraussetzung, sondern vielmehr eine Schlussfolgerung aus den gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das heißt, die wissenschaftliche Forschung geht nicht apriorisch von der Inexistenz spiritueller Substanzen aus, sondern es sind die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung, die die aposteriorische Annahme der Inexistenz solcher Wesen nahelegen.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Do 7. Aug 2008, 16:53

Myron hat geschrieben:Das stimmt nicht, denn die Wissenschaft befasst sich mit der gesamten Realität. Man kann die Existenz von Seelen oder Geistern, insbesondere von göttlichen Geistern, durchaus als eine wissenschaftliche Hypothese auffassen.

Es ging um außerweltliche Wesenheiten, die 'übernatürlich' in die Welt hineinwirken, was nur bedeuten kann, dass sie zB Wirkungen erzeugen, für die es keine nachweisbare Ursache gibt, usw, dh einen Bruch mit der Kausalität (oder anderen Grundlagen wissenschaftlicher Erfahrung) erzeugen.
Solche Wirkungen wird die Naturwissenschaften niemals anerkennen, denn Kausalität ist vor aller Erfahrung wahr. Eher wird man versuchen, die Authenzität dieser Wirkungen zu bezweifeln oder aber, falls überwältigend bezeugt, sie statistisch zu erfassen versuchen und sie in die Schublade "ungeklärt" legen.

Mit anderen Worten: Jede messbare überweltliche Einwirkung in die Natur wird in der Wissenschaft aus methodischen Gründen auf irgendeine Weise "naturisiert". Geister sind ok, wenn sie sich gefälligst an die Prämissen wissenschaftlicher Erfahrung halten. Dadurch werden sie zu einem Teil der Natur.

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon El Schwalmo » Do 7. Aug 2008, 16:56

Myron hat geschrieben:Das heißt, die wissenschaftliche Forschung geht nicht apriorisch von der Inexistenz spiritueller Substanzen aus, sondern es sind die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung, die die aposteriorische Annahme der Inexistenz solcher Wesen nahelegen.

solange Du 'nahelagen' sagst und berücksichtigst, dass Du nur das wissenschaftlich untersuchen kannst, was im 'Netz der wissenschaftlichen Methode' hängenbleibt, bist Du auf der sicheren Seite.

Mich beschleicht ab und an der Verdacht, dass versucht wird, aus den Regeln des rationalen Diskurses eine Ontologie zu basteln. Spannende Frage, ob sich das Sein des Seienden nach unseren Erkenntnismöglichkeiten richten muss.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Do 7. Aug 2008, 16:59

Myron hat geschrieben:Es gibt keinen objektiven Grund zu der Annahme, dass es numinose Substanzen, sprich göttliche Wesen gibt, die auch in den Menschen "eindringen" und ihm damit buchstäblich göttliche Erlebnisse verschaffen.

Auf der Basis ontologisch-rationalen Denkens gibt es keinen objektiven Grund zu überhaupt irgendeiner Annahme, da kein direkter Kontakt zur objektiven Wirklichkeit, geschweige denn zu dort möglicherweise vorkommenden "Gründen" existiert.

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Qubit » Do 7. Aug 2008, 21:19

El Schwalmo hat geschrieben:Mich beschleicht ab und an der Verdacht, dass versucht wird, aus den Regeln des rationalen Diskurses eine Ontologie zu basteln. Spannende Frage, ob sich das Sein des Seienden nach unseren Erkenntnismöglichkeiten richten muss.


Betrachte es als ein Spiel mit offenen Spielregeln, von mir als "Kontext" benannt. Und wenn die (kritisch-rationalen) naturwissenschaflichen Spielregeln alles erklären, was es zu erklären gibt, dann haben wir gewonnen :^^:
Dazu gehören auch Phänomene wie "mythisch-religiöse Erkenntnisquellen" =)
Wenn nicht, dann ist nicht auszuschliessen, dass der menschliche Geist und Verstand hierfür nicht hinreichend ist..
obwohl gerade dort die Evolution (im allgemeinen Sinne) als Funktion der Zeit dann durchaus zur Hoffnung berechtigt :^^:
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » Do 7. Aug 2008, 21:57

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Es ging um außerweltliche Wesenheiten, die 'übernatürlich' in die Welt hineinwirken, was nur bedeuten kann, dass sie zB Wirkungen erzeugen, für die es keine nachweisbare Ursache gibt, usw, dh einen Bruch mit der Kausalität (oder anderen Grundlagen wissenschaftlicher Erfahrung) erzeugen.


Jede Art von Einwirkung oder Hineinwirkung ist eine Art von Verursachung.
Dem inner- oder außerweltlichen Wirken nichtphysischer Geister würde freilich eine rein psychische Kausalität zugrunde liegen, die nicht durch die physische Kausalität bedingt ist.
Wie eine absolut hyperphysische Psyche auf Physisches (und auch Fremdpsychisches) einwirken könnte, konnte allerdings bislang noch kein Mensch begreiflich machen.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Fr 8. Aug 2008, 14:12

Qubit hat geschrieben:Und wenn die (kritisch-rationalen) naturwissenschaflichen Spielregeln alles erklären, was es zu erklären gibt, dann haben wir gewonnen :^^:
Dazu gehören auch Phänomene wie "mythisch-religiöse Erkenntnisquellen" =)

Das ist, wie öfters betont,Bild schon aus logischen Gründen ausgeschlossen.

Qubit hat geschrieben:Wenn nicht, dann ist nicht auszuschliessen, dass der menschliche Geist und Verstand hierfür nicht hinreichend ist..

Richtig. Er braucht Denkvoraussetzungen, und die lassen sich nicht "erklären", denn das wäre - als petitio principii - unlogisch.

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon folgsam » Fr 8. Aug 2008, 15:53

Menschliche Denkvoraussetzungen lassen sich unter Umständen Evolutionsbiologisch und Neurospsychologisch erklären.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon El Schwalmo » Fr 8. Aug 2008, 16:07

Qubit hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Mich beschleicht ab und an der Verdacht, dass versucht wird, aus den Regeln des rationalen Diskurses eine Ontologie zu basteln. Spannende Frage, ob sich das Sein des Seienden nach unseren Erkenntnismöglichkeiten richten muss.

Betrachte es als ein Spiel mit offenen Spielregeln, von mir als "Kontext" benannt. Und wenn die (kritisch-rationalen) naturwissenschaflichen Spielregeln alles erklären, was es zu erklären gibt, dann haben wir gewonnen

'gewonnen' möglicherweise. Ich denke, dass Wittgenstein das ganz gut gesagt hat:

6.53
Die richtige Methode der Philosophie wäre eigentlich die: Nichts zu sagen, als was sich sagen lässt, also Sätze der Naturwissenschaft - also etwas, was mit Philosophie nichts zu tun hat -, und dann immer, wenn ein anderer etwas Metaphysisches sagen wollte, ihm nachzuweisen, dass er gewissen Zeichen in seinen Sätzen keine Bedeutung gegeben hat. Diese Methode wäre für den anderen unbefriedigend - er hätte nicht das Gefühl, dass wir ihn Philosophie lehrten - aber sie wäre die einzig streng richtige.


Es scheint mir kein Zufall zu sein, dass Wittgenstein seine Meinung so sehr geändert hat, dass er in Stegmüllers 'Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie' gleich zwei Mal eingetragen wurde. Spannend ist sicher auch, warum er sich (weiter?) entwickelt hat.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon El Schwalmo » Fr 8. Aug 2008, 16:11

folgsam hat geschrieben:Menschliche Denkvoraussetzungen lassen sich unter Umständen Evolutionsbiologisch und Neurospsychologisch erklären.

natürlich. Immerhin bist Du so vorsichtig, 'unter Umständen' zu schreiben, dann kannst Du nie falsch liegen.

Aber was weißt Du, falls die Umstände einträten? Dir wird dann vermutlich klar, dass Du im 'Wittgensteinschen Fliegenglas' sitzt und aus der Methodologie eine Ontolgie gebastelt hast. Was weißt Du dann über das 'Sein des Seienden'? Genese hat mit Geltung nichts zu tun.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » Fr 8. Aug 2008, 16:18

folgsam hat geschrieben:Menschliche Denkvoraussetzungen lassen sich unter Umständen Evolutionsbiologisch und Neurospsychologisch erklären.


Selbst wenn das gelingt, ist damit immer noch nicht die Frage nach der Wahrheit der Denkvoraussetzungen beantwortet.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon folgsam » Fr 8. Aug 2008, 16:23

El Schwalmo hat geschrieben:Was weißt Du dann über das 'Sein des Seienden'?


Was in Zukunft die kritisch-rationale Methode ans Tageslicht bringen und ermöglichen wird kann ich mir wohl in meinen kühnsten Träumen nicht ausmalen, doch sieht es für alle anderen "Weltzugänge" nicht so aus, als würden sie über das bisher darüber gesagte noch irgendwelche Fortschritte machen können.

Na gut, genug des Geschwurbels, ich setz mich wieder an meine Entwicklungsbiologie und Statistikscripte.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Fr 8. Aug 2008, 17:29

folgsam hat geschrieben:Menschliche Denkvoraussetzungen lassen sich unter Umständen Evolutionsbiologisch und Neurospsychologisch erklären.

So einfach ist das nicht. Denn diesen Voraussetzungen muss ja auch etwas vom Menschen Unabhängiges entsprechen, dh beispielsweise müsste Logik, um irgendeinen objektiven Wahrheitsgewinn erzeugen zu können, ja irgendwie in auch in der Struktur des Seins "an sich" vorhanden sein. Das können wir jedoch nicht beweisen, sondern nur aufgrund unserer Nützlichkeitserfolge als plausibel, dh "glaubhaft" annehmen.
Abgesehen davon sind Beweise unzulässig, in denen man das beweist (Logik), was man vorher schon vorausgesetzt hat.

Was wir beweisen können, kann und darf nicht unsere apriorische Denkvoraussetzung sein; diese Denkvoraussetzungen bilden den "Claim" unseres Denkens, über den man nicht hinauskommt.

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