Übernatürliches und Nichtkausalität

Re: Übernatürliches und Nichtkausalität

Beitragvon Myron » Mo 8. Sep 2008, 22:39

ganimed hat geschrieben:Also ich kann mir mit meinem Gehirn einfach nicht vorstellen, dass irgendwas ursachenlos zerfällt. Wieso sollte es das denn tun wenn es keinen Grund hat? :^^: Kannst du dir das wirklich vorstellen? Oder argumentierst du auf einer abstrakten Ebene ohne dass du eine Vorstellung des "wie soll das gehen" bräuchtest?


Das allgemeine Auftreten von Atomkernzerfällen ist insofern keine grundlose Angelegenheit, als dafür natürliche Kräfte (konkret: die schwache Wechselwirkung) und Gesetze (konkret: die Zerfallsgesetze) verantwortlich sind, die das Naturphänomen der Radioaktivität bestimmen. "Grundlos", d.i. spontan, ist lediglich der Zerfall eines einzelnen Kerns sowie die damit einhergehende Teilchenentsendung zum Zeitpunkt T. Dieser wird zu T von keinem anderen Ereignis bewirkt und ist in diesem Sinne unverursacht.
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Re: Übernatürliches und Nichtkausalität

Beitragvon atheist666 » Mo 8. Sep 2008, 23:45

Das dieser oder Kern "spontan" zerfällt ist aber trotzdem keine Widerlegung der Kausalität, weil eben die Ursache der Zerfall ansich ist.
Mit dem Wort Spontan ist das sowieso eine Sache für sich, deshalb habe ich es auch in Anführungsstrichen gesetzt.
Ich spreche jemanden spontan an, und gibt es dafür-letztlich-keinen Grund ?
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Re: Übernatürliches und Nichtkausalität

Beitragvon Myron » Di 9. Sep 2008, 00:51

atheist666 hat geschrieben:Das dieser oder Kern "spontan" zerfällt ist aber trotzdem keine Widerlegung der Kausalität, weil eben die Ursache der Zerfall ansich ist.


Der Zerfall kann aber nicht Ursache seiner selbst sein.
Selbst wenn man den radioaktiven Atomkernen als Grund ihres spontanen Zerfalls eine Art von innerer Zerfallsneigung oder innerem Zerfallsdrang zuspricht (*, stellt sich die Frage, ob es eine bestimmte Ursache dafür gibt, dass jener Drang genau zum Zeitpunkt T zu einem unwiderstehlichen Zwang wird, der bewirkt, dass der betreffende Atomkern zu T und zu keinem anderen Zeitpunkt zerfällt. Die Antwort scheint zu lauten: Nein.

(* Stichwort: "Propensität")
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Re: Übernatürliches und Nichtkausalität

Beitragvon atheist666 » Di 9. Sep 2008, 01:45

Ne Myron, so einfach ist es den doch nicht.

Wenn zwei Würfel betrachtet werden, von denen einer eine Unwucht hat, dann unterscheiden sich auf der Erde die Propensitäten beider Würfel, nach einem Wurf mit 6 oben zu landen. Bei einem Versuch in der Schwerelosigkeit sind die Propensitäten für die selben beiden Würfel hingegen gleich.


[Bei Zitaten bitte immer Autor bzw. Quelle angeben!—Myron]

Was hier beschrieben wird von Popper ist das Experiment selber, respektive seine Bedingungen, mehr aber auch nicht.
Natürlich, wenn ich den Weg dahin (zu den Bedingungen ) leugne, kann ich Akausalität verneinen, aber nur dann.
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Re: Übernatürliches und Nichtkausalität

Beitragvon Myron » Di 9. Sep 2008, 02:26

Myron hat geschrieben:Stichwort: "Propensität"


"A propensity is a probabilistic disposition of an object or a person to behave in a certain way—for example, the disposition of a radium atom to undergo decay in a given time-period with a certain degree of chance."

"Eine Propensität ist eine probabilistische Disposition eines Objektes oder einer Person, sich in bestimmter Weise zu verhalten—zum Beispiel die Disposition eines Radiumatoms, innerhalb eines gegebenen Zeitraumes mit einem bestimmten Grad an Wahrscheinlichkeit zu zerfallen."
[meine Übers.]

("Propensity." In The Oxford Companion to Philosophy, edited by Ted Honderich. Oxford: Oxford University Press, 1995.)
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Re: Übernatürliches und Nichtkausalität

Beitragvon atheist666 » Di 9. Sep 2008, 03:01

Da Du ja es unbedingt wissen willst, obwohl Du sehr genau weißt, daß ich das nur von der Wiki haben kann Myron, ist es trotzdem keine Widerlegung der Kausalität. Popper beschreibt Zustände, und immer noch, mehr als das nicht. Natürlich kann die oder jenes "möglich" sein, was aber tatsächlich eintritt wird determiniert durch eine voraugegangene Aktion.
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Re: Übernatürliches und Nichtkausalität

Beitragvon Myron » Di 9. Sep 2008, 03:34

Wenn mit "ursachenloses/grundloses Ereignis" eine Art von Ereignissen gemeint ist, deren jeweiliges Eintreten von der gesamten Natur, ihren Gesetzen und ihrer Geschichte absolut kausal unabhängig ist, d.h. in absolut keinem (deterministischen oder zumindest probabilistischen) Zusammenhang mit dem dynamischen kosmischen Bedingungsgefüge steht, dann erscheinen derartige Ereignisse in der Tat unmöglich.
(Aber was ist mit dem großen Anfangsereignis, dem Big Bang?—Ist er ein absoluter Anfang der Natur oder nicht? Wenn ja, wodurch könnte er dann bedingt gewesen sein?)

Anm.: Absolut ursachenlose Ereignisse (in obigem Sinn) scheinen allerdings nicht logisch unmöglich zu sein. Dinge, die "einfach so" geschehen, würden wir aber wohl eher nicht als natürlich bezeichnen wollen.
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Re: Übernatürliches und Nichtkausalität

Beitragvon atheist666 » Di 9. Sep 2008, 14:50

@ Myron
Du hast schon das Richtige angesprochen, nämlich die Logik, aber ist das alles oder muß man nicht viel eher die Erklärung für Phänome auch dialektisch erklären ?
Zum Urknall äußere ich mich auch noch, versprochen.
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Re: Übernatürliches und Nichtkausalität

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Di 9. Sep 2008, 16:54

Myron hat geschrieben:Anm.: Absolut ursachenlose Ereignisse (in obigem Sinn) scheinen allerdings nicht logisch unmöglich zu sein. Dinge, die "einfach so" geschehen, würden wir aber wohl eher nicht als natürlich bezeichnen wollen.
Doch, ich schon :mg:
Man muss nur die Größe "Zufall" tatsächlich als natürlich ansehen. Man sollte nur nicht alles mit "Zufall" erklären und/oder Zufall als eine Art Gott oder Gott als Substitut für den (echten) Zufall ansehen.
Hinter allem und jedem eine (jetzt!) erklärbare Ursache zu finden, war wohl auch ein Auslöser zur Religion. Man hat für was unerklärliches, scheinbar ursachenloses eine Erklärung/Ursache gesucht und sich eine gebastelt. Es liegt wohl in der Natur des Menschen bzw. der meisten Menschen für alles eine Ursache haben zu wollen, entweder eine rationale, "vernünftige" (naturwissenschaftlich erklärbare) Ursache oder (andere Personen und/oder andere Fälle) eine esoterisch-religiöse.
Nicht dass ich nicht meistens auch davon ausgehe, makroskopisch sowieso, dass alles alles eine (rationale, erklärbare, logische) Ursache hat, aber "shit happens" macht (auch im größeren) manchmal das Leben einfacher. :mg:
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Re: Übernatürliches und Nichtkausalität

Beitragvon Qubit » Di 9. Sep 2008, 17:59

Myron hat geschrieben:Ein Ereignis ist genau dann zufällig, wenn sein Eintreten zum Zeitpunkt T_2 > T_1 nicht durch den Gesamtzustand der Welt zum Zeitpunkt T_1 naturnotwendig bedingt ist.


Dieser Versuch einer Definition ist nicht unproblematisch, ein einfaches Beispiel:
T_1 fällt ein Regentropfen aus einer Wolke
T_2 du wirst nass
oder
T_2 mit Regenschirm wirst du nicht nass

In der Zeit von T_1 bis T_2 entscheidet sich, ob du nass wirst oder nicht (der Zeitpunkt der "Entscheidung" lässt sich gar beliebig nahe an T_2 bringen).
Kein Zeitpunkt T_1 < T_2 legt somit "naturnotwendig" fest, ob du nass wirst oder nicht, wenngleich dieses Ereigniss zum Zeitpunkt T_2 nicht zufällig sein muss ;-)

Man sollte generell Kausalität und Zufälligkeit nicht unter ein Dach bringen wollen, es sind zwei unterschiedliche Kategorien:
Auf der einen Seite stehen Kausalität und Akausalität, auf der anderen Seite Zufall und Notwendigkeit (~Determinismus).
Bei der ersten Kategorie schaut man von der Gegenwart in die Vergangenheit, bei der zweiten von der Gegenwart in die Zukunft.
Ein Zustand T_2 ist hierbei kausal, wenn es einen Zustand T_1 gibt, auf den T_2 zurückgeführt werden kann.
Er ist >>zum Zeitpunkt T_1<< zufällig, wenn er nicht aus T_1 folgen muss, anderenfalls deterministisch. Determinismus erfordert mithin insbesondere, dass es keinen Zustand T_1 < T_12 < T_2 gibt, der zufällig ist.
Die Quantenmechanik beschreibt zB Naturvorgänge kausal, aber indeterministisch. Ob das Radinuklid zum Zeitpunkt T_2 zerfallen ist, lässt sich nicht voraussagen. Aber wenn es zerfällt, dann folgt der Zerfall der Kausalität der Quantenmechanik (was als Quantenstatistik natürlich eine Vielzahl gleicher Radionuklide voraussetzt ;-))

Zur Ausgangsfrage:
Ein intrinsisch indeterministischer Zustand ist übernatürlich, wenn er sich nicht kausal auf einen natürlichen Zustand zurückführen lässt.
Das gilt gleichfalls für einen deterministischen Zustand.
Sollte es anderenfalls akausale Vorgänge in der Natur geben (wofür bisher keine Annahme besteht), dann lässt sich das akzeptieren oder nicht. Im letzteren Falle muss man nach Ursachen "ausserhalb" der Natur suchen und kann bestenfalls die Ursache selbst zur Natur machen ;-)
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Re: Übernatürliches und Nichtkausalität

Beitragvon HF******* » Di 9. Sep 2008, 19:11

@QBit: Der Sprachgebrauch in der Physik hinsichtlich der Quantenmechanik ist seit 1927 ein anderer, als er es im normalen Sprachgebrauch ist. Es wird dort als Realität bezeichnet, was gemessen wird, auch wenn sich aus den Zusammenhängen ergibt, dass die tatsächliche Realität weiter gehen muss.

Dementsprechend spricht man dort von Ursachenlosigkeit, wenn man die Ursache nicht messen kann: Das hat mit Indeterminismus nichts zu tun!

„Aber was geschieht denn wirklich in einem Atomvorgang? … Was man aus der Beobachtung entnimmt, ist aber eine Wahrscheinlichkeitsfunktion, also ein mathematischer Ausdruck, der Aussagen vereinigt über „Möglichkeiten“ oder „Tendenzen“ mit Aussagen über unsere Kenntnis von Tatsachen. Daher können wir das Ergebnis einer Beobachtung nicht vollständig objektivieren. Wir können nicht beschreiben, was zwischen dieser Beobachtung und der nächsten „passiert“.“ (Werner Heisenberg, Quantentheorie und Philosophie, Reclam 1979, S. 50)

und
„Dies bedeutet, dass schon der Begriff „Geschehen“ auf die Beobachtung beschränkt werden muss.“
(Werner Heisenberg, Quantentheorie und Philosophie, Reclam 1979, S. 53).


@Myron: Wenn Du jetzt diese Sprachdifferenz ignorierst (das ist wie englisch und japanisch), kommst Du zu der Behauptung, der Zeitpunkt des Atomzerfalls sei real ursachenlos. Im Sprachgebrauch der Quantenphysik heißt das etwas anderes als im allgemeinen Sprachgebrauch.

Wir wissen gar nicht, warum ein Atom überhaupt zerfällt. Nichtkausal lässt sich der Vorgang aber nicht einmal als Theorie konkret beschreiben.
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Re: Übernatürliches und Nichtkausalität

Beitragvon ganimed » Di 9. Sep 2008, 21:47

Puh, ich habe von den letzten Beiträgen hier kaum ein Wort verstanden. Beunruhigend irgendwie. Manchmal klingt es in meinen ungeübten Ohren wie philosophische Verstiegenheit, manchmal wie eine gute Persiflage auf abgehobene Nichtssagerei. Doch werde ich den Verdacht nicht los, dass ihr das tatsächlich alles so meint, die Formulierungen sinnvoll sind und ihr auch wirklich was gesagt habt. :^^:
Ihr habt eure Neigung zu Vereinfachungen und klaren Aussagen wirklich gut unter Kontrolle.

Eine etwas klarere Stelle war:
Myron hat geschrieben:...stellt sich die Frage, ob es eine bestimmte Ursache dafür gibt, dass jener Drang genau zum Zeitpunkt T zu einem unwiderstehlichen Zwang wird, der bewirkt, dass der betreffende Atomkern zu T und zu keinem anderen Zeitpunkt zerfällt. Die Antwort scheint zu lauten: Nein.

Das glaube ich zu verstehen. Nur fehlt da ja wieder die Hälfte. Die Frage ist doch dann: wieso scheint die Antwort "nein" zu lauten? Wenn alles im Makroskopischen eine Ursache hatte, und wenn die Antwort "ja" auch hier die einzige ist, die ohne Übernatürliches auskommt, wieso sollte man also die andere Antwort "nein" wählen?
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Re: Übernatürliches und Nichtkausalität

Beitragvon folgsam » Di 9. Sep 2008, 22:07

Hey, wir können uns noch glücklich schätzen, hier sind zumeist analytische Philosophen am Werk, da kann man wirklich nichtvon Geschwafel sprechen...

da gibts ganz andere philosophische Auswüchse...
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Re: Übernatürliches und Nichtkausalität

Beitragvon Qubit » Di 9. Sep 2008, 22:36

HFRudolph hat geschrieben:@QBit: Der Sprachgebrauch in der Physik hinsichtlich der Quantenmechanik ist seit 1927 ein anderer, als er es im normalen Sprachgebrauch ist. Es wird dort als Realität bezeichnet, was gemessen wird, auch wenn sich aus den Zusammenhängen ergibt, dass die tatsächliche Realität weiter gehen muss.

Dementsprechend spricht man dort von Ursachenlosigkeit, wenn man die Ursache nicht messen kann: Das hat mit Indeterminismus nichts zu tun!

„Aber was geschieht denn wirklich in einem Atomvorgang? … Was man aus der Beobachtung entnimmt, ist aber eine Wahrscheinlichkeitsfunktion, also ein mathematischer Ausdruck, der Aussagen vereinigt über „Möglichkeiten“ oder „Tendenzen“ mit Aussagen über unsere Kenntnis von Tatsachen. Daher können wir das Ergebnis einer Beobachtung nicht vollständig objektivieren. Wir können nicht beschreiben, was zwischen dieser Beobachtung und der nächsten „passiert“.“ (Werner Heisenberg, Quantentheorie und Philosophie, Reclam 1979, S. 50)

und
„Dies bedeutet, dass schon der Begriff „Geschehen“ auf die Beobachtung beschränkt werden muss.“
(Werner Heisenberg, Quantentheorie und Philosophie, Reclam 1979, S. 53).



Der Begriff "Realität" ist eine (weitergehende) Interpretation des quantenmechanischen Formulismus und widerspricht keineswegs der von mir wiedergegebenen minimalistischen Deutung. Und wenn du deine Zitate abermals aufmerksam liest, wirst du feststellen, dass hierin _keine_ Urasacheninterpretation zu finden ist. Im Gegenteil ist hier von der "Wirkung" die Rede, nicht von der "Ursache"..
[..]was geschieht denn wirklich[..]

;-)
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Re: Übernatürliches und Nichtkausalität

Beitragvon atheist666 » Mi 10. Sep 2008, 04:41

1von6,5Milliarden schrieb :
Nicht dass ich nicht meistens auch davon ausgehe, makroskopisch sowieso, dass alles alles eine (rationale, erklärbare, logische) Ursache hat, aber "shit happens" macht (auch im größeren) manchmal das Leben einfacher. :mg:


Eben, es mag ja für den Einzelnen das Leben einfacher machen, aber es widerlegt nicht die Kausalität ansich.
Die Frage, die sich mir immer wieder stellt ist die, warum Kausalität geleugnet wird und warum immer auf diese omninöse, angebliche Natur des Menschen abgehoben wird. Und es geht ja hier nicht nur mal so um "shit happens", sondern prinzipiell um das Hinterfragen von Ereignissen und wie wahrscheinlich sie sind.
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Re: Übernatürliches und Nichtkausalität

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mi 10. Sep 2008, 07:51

Wo wird Kausalität verleugnet?
Diese Aussage bedingt, dass du von Kausalitäten hieb- und stichfest weißt und diese werden von anderen bestritten. Was wäre dies denn?
(Esoterikquatsch bei dem wir wohl einer Meinung sind, bitte mal weglassen.)


Oder meinst du, dass die ("deine") Theorie alles, absolut alles - vom größten bis ins kleinste - müsste ein nachweisbare, feste, vorhersehbare Kausalität haben, von anderen nicht anerkannt und negiert oder als nicht nachweisbar oder gar widerlegbar/widerlegt angesehen wird?
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Re: Übernatürliches und Nichtkausalität

Beitragvon HF******* » Mi 10. Sep 2008, 11:07

@1von6,5Milliarden: Du hast oben Kausalität bestritten. Es geht auch nicht darum, ob wir einen Zustand vorhersehen oder vorherberechnen können oder ob es die Menschheit jemals können wird (natürlich nicht!), sondern es geht um den Punkt theoretischer Berechenbarkeit, ob die Natur also prinzipiell so beschaffen ist, ob sie prinzipell und theoretisch Eigenschaften hat, die erklärbar sind.

@QBit: Die Heisenberg Aussage bezieht sich auf den Zeitraum zwischen den Messungen, über den wir nichts wissen. Heisenberg geht an dieser Stelle genau darauf ein, ob mit der kopenhagnerer Interpretation behauptet werden sollte, dass in der Quantenphysik Indeterminismus herrscht. Heisenberg hat klargestellt, dass man über die Abläufe zwischen den Messergebnissen nichts weiß und dass man demnach auch keinen Schluss auf den Indeterminismus ziehen kann: Genau darauf beziehen sich diese Zitate.

Ich bin darauf eingegangen, weil der Atomzerfall von Myron zitiert wurde. Der Sachverhalt ist hinsichtlich der Kausalität dort ähnlich gelagert. Wir messen einmal, dass das Atom nicht zerfallen ist, danach messen wir den Atomzerfall. Wir wissen nicht, was dazwischen passiert ist. Eine Schlussfolgerung auf Akausalität kann demnach nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht getroffen werden, sondern allenfalls nach dem Sprachgebrauch der kopenhagnener Interpretation, was dann allerdings nicht bedeutet, dass dort der Indeterminismus nachgewiesen wird.

Der Atomzerfall hat daher mit der Frage "echten" Zufalls, also der Akausalität im Sinne des eigentlichen Sprachgebrauchs, gar nichts zu tun.
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Re: Übernatürliches und Nichtkausalität

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mi 10. Sep 2008, 12:03

HFRudolph hat geschrieben:@1von6,5Milliarden: Du hast oben Kausalität bestritten. Es geht auch nicht darum, ob wir einen Zustand vorhersehen oder vorherberechnen können oder ob es die Menschheit jemals können wird (natürlich nicht!), sondern es geht um den Punkt theoretischer Berechenbarkeit, ob die Natur also prinzipiell so beschaffen ist, ob sie prinzipell und theoretisch Eigenschaften hat, die erklärbar sind.

Wo ist jetzt der Unterschied bei der Berechenbarkeit? Ich habe (meine ich zumindest) deutlich sowohl die gegenwärtige wie auch zukünftige Berechenbarkeit von allem als nicht möglich bzw. höchst unwahrscheinlich bestritten.
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Re: Übernatürliches und Nichtkausalität

Beitragvon HF******* » Mi 10. Sep 2008, 12:12

Qubit hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Ein Ereignis ist genau dann zufällig, wenn sein Eintreten zum Zeitpunkt T_2 > T_1 nicht durch den Gesamtzustand der Welt zum Zeitpunkt T_1 naturnotwendig bedingt ist.


Dieser Versuch einer Definition ist nicht unproblematisch, ein einfaches Beispiel:
T_1 fällt ein Regentropfen aus einer Wolke
T_2 du wirst nass
oder
T_2 mit Regenschirm wirst du nicht nass

Du beschreibst einen echten akausalen Zufall. In der Kette muss irgendetwas passieren, was keine Ursache hat. Nach deterministischen Verständnis sind die Umstände, die in einer Ursachenkette dazu führen, dass Du Dir einen Regenschrim im Zeitpunkt des Aufpralls über den Kopf hältst, bereits in dem Zeitpunkt des Falls des Tropfens aus der Wolke als vorursachen feststehend angelegt. Andernfalls müssten sich Ereignisse grundlos im eigentlichen Sinne des Wortes abspielen. Mit "Grundlos" wäre nicht gemeint, dass etwa eine Gottheit den Tropfen mit ihrer unsichtbaren Hand davon wischt, bevor er Dich erreicht - das wäre ja ein Grund - sondern einfach so grundlos, ohne dass eine Frage danach zulässig wäre. Die Frage nach dem "Warum" bezüglich dieses Umstandes stellt sich aus indeterministischer Sichtweise gar nicht.
Aus indeterministischer Sicht ist also der Frage, was die Ursache ist stets die Frage vorweggeschaltet, ob es überhaupt eine Ursache geben kann.

QBit hat geschrieben:Kein Zeitpunkt T_1 < T_2 legt somit "naturnotwendig" fest, ob du nass wirst oder nicht, wenngleich dieses Ereigniss zum Zeitpunkt T_2 nicht zufällig sein muss ;-)

Doch:
Es muss
1. Akausal = "echt" zufällig sein (s. o.)
2. auch zufällig in dem Sinne, dass man die Ursache nicht benennen kann (Zufall in Form subjektiver Unkenntnis): Wenn Du die Ursache genau bennen kannst, kommt Akausalität nicht in Frage. Für das grundsätzliche Verständnis halte ich es immer für sinnvoller, einen kleinen Teilbereich herauszugreifen, etwa den Fall eines Tropfens innerhalb eines nahezu unendlich klein gedachten Zeitraums oder den Sekundebruchteil, in der Du die Entscheidung zum Aufspannen des Schirms triffst. Tatsächlich muss ein "oder" dazu führen, dass Du an einem Punkt nicht sagen kannst, warum bei dem identischen Zustand der gesamten Welt in T1 zwei unterschiedliche Ergebnisse herauskommen, Du kannst den Grund für die Abweichung nicht benennen, so dass auch im einfachen Sinne des Wortes immer Zufall vorliegen muss.

QBit hat geschrieben:Man sollte generell Kausalität und Zufälligkeit nicht unter ein Dach bringen wollen, es sind zwei unterschiedliche Kategorien.
Auf der einen Seite stehen Kausalität und Akausalität, auf der anderen Seite Zufall und Notwendigkeit (~Determinismus).
Bei der ersten Kategorie schaut man von der Gegenwart in die Vergangenheit, bei der zweiten von der Gegenwart in die Zukunft.

Je genauer man eine Teilursache betrachtet, umsomehr kann man als Ursache nur das Bezeichnen, was notwendig ein Ergebnis bedingt. Wenn der Erfolg auch ohne diesen Umstand eintreten kann, dann muss ich davon ausgehen, dass der Umstand nicht ursächlich war. Wenn ich aber einen und den selben Sachverhalt habe, der zu zwei Ergebnissen führen kann, dann würde ich schlussfolgern, dass ich die Ursache noch nicht benannt habe: Der betrachtete Ursachenkomplex ergibt zwei Ergebnisse, tatsächlich hantiere ich aber stets mit einer Blackbox, deren Inhalt ich nicht benennen kann: So etwa in der Quantenphysik, s. o.

Aufgrund eines verschobenen Realitätsbegriffs in der Quantenphysik, der lediglich der Unganauigkeit der Übersetzung von Formeln in Sprache geschuldet ist, spricht man dann davon, dass man mit der Blackbox auch die Ursache benannt hat: Das ist lediglich eine Frage der sprachlichen Beschreibung.

Die Quantenmechanik beschreibt zB Naturvorgänge kausal, aber indeterministisch. Ob das Radinuklid zum Zeitpunkt T_2 zerfallen ist, lässt sich nicht voraussagen. Aber wenn es zerfällt, dann folgt der Zerfall der Kausalität der Quantenmechanik (was als Quantenstatistik natürlich eine Vielzahl gleicher Radionuklide voraussetzt ;-))

Es geht dabei nur um das, was man messen kann, nicht darum, wie die hinter den Messergebnissen beschaffene Realität aussieht: Darüber trifft die Quantenmechanik nur sehr eingeschränkte Aussagen.

@QBit: Was verstehst Du unter einem deterministischen oder indeterministischen Zustand? Was hat ein Zustand mit der Fragestellung zu tun?

1von6,5Milliarden hat geschrieben:
HFRudolph hat geschrieben:@1von6,5Milliarden: Du hast oben Kausalität bestritten. Es geht auch nicht darum, ob wir einen Zustand vorhersehen oder vorherberechnen können oder ob es die Menschheit jemals können wird (natürlich nicht!), sondern es geht um den Punkt theoretischer Berechenbarkeit, ob die Natur also prinzipiell so beschaffen ist, ob sie prinzipell und theoretisch Eigenschaften hat, die erklärbar sind.

Wo ist jetzt der Unterschied bei der Berechenbarkeit? Ich habe (meine ich zumindest) deutlich sowohl die gegenwärtige wie auch zukünftige Berechenbarkeit von allem als nicht möglich bzw. höchst unwahrscheinlich bestritten.

Ja eben, die tatsächliche Möglichkeit des Menschen, etwas zu berechnen, hat mit Akausalität und "echtem" Zufall nichts zu tun.
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Re: Übernatürliches und Nichtkausalität

Beitragvon Myron » Mi 10. Sep 2008, 14:48

Qubit hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Ein Ereignis ist genau dann zufällig, wenn sein Eintreten zum Zeitpunkt T_2 > T_1 nicht durch den Gesamtzustand der Welt zum Zeitpunkt T_1 naturnotwendig bedingt ist.


Dieser Versuch einer Definition ist nicht unproblematisch, ein einfaches Beispiel:
T_1 fällt ein Regentropfen aus einer Wolke
T_2 du wirst nass
oder
T_2 mit Regenschirm wirst du nicht nass

In der Zeit von T_1 bis T_2 entscheidet sich, ob du nass wirst oder nicht (der Zeitpunkt der "Entscheidung" lässt sich gar beliebig nahe an T_2 bringen).
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Wenn der Determinismus wahr ist, dann steht bereits zum Zeitpunkt T_1 fest, ob es zu T_2 regnen wird und ob ich meinen Regenschirm aufspannen werde, um mich davor zu schützen. Weder mein Nasswerden noch mein Nichtnasswerden ist dann ein zufälliges Ereignis, da dem Determinismus nach ja sämtliche zukünftigen Ereignisse naturnotwendig durch die vergangenen Ereignisse bedingt sind.

"Causal determinism is, roughly speaking, the idea that every event is necessitated by antecedent events and conditions together with the laws of nature."
(http://plato.stanford.edu/entries/determinism-causal)

Deterministische Verursachung ist grundsätzlich Verursachung mit der Wahrscheinlichkeit 1.

Qubit hat geschrieben:Man sollte generell Kausalität und Zufälligkeit nicht unter ein Dach bringen wollen, es sind zwei unterschiedliche Kategorien:
Auf der einen Seite stehen Kausalität und Akausalität, auf der anderen Seite Zufall und Notwendigkeit (~Determinismus).
Bei der ersten Kategorie schaut man von der Gegenwart in die Vergangenheit, bei der zweiten von der Gegenwart in die Zukunft.


Bei der Ursachensuche schaut man in die Vergangenheit, aber an sich sind Verursachungen zukunftsgerichtet.
Ich gebe dir aber dahin gehend recht, dass Zufälligkeit und Notwendigkeit, d.h. Indeterminismus und Determinismus, sowie Ursächlichkeit und Ursachenlosigkeit zwei Paar Schuhe sind. Denn es gibt so etwas wie indeterministische (probabilistische) Verursachung (Siehe: http://plato.stanford.edu/entries/causa ... babilistic). Dass ein Ereignis indeterministischer/probabilistischer Natur ist, bedeutet also nicht, dass es ursachenlos, unverursacht ist.
Ein absolut unverursachtes Ereignis zu T_2 wäre eines, dem keine durch den naturgesetzlich bestimmten Gesamtzustand der Welt zu T_1 bedingte Eintrittswahrscheinlichkeit zukommt, und das somit davon absolut unabhängig wäre.
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