Bestattungsriten

Re: Bestattungsriten

Beitragvon edukir » Di 7. Apr 2009, 11:17

ujmp hat geschrieben:In der "Gehirn und Geist" 4/2009 ist ein interessanter Beitrag über den Ursprung der Religion. Dort geht jemand davon aus, dass es was mit Bestattungsritualen zu tun hatte. Witzigerweise, so wird dort angemerkt, haben atheistische Ideologien ausgesprochen viel Tam Tam mit ihren Toten gemacht, siehe Lenin.


Dieses Tam Tam war meines Wissens kein Zufall. Die Leutchen haben sich große Mühe gegeben religiöse Mechanismen zur Mobilisierung und Lenkung der Massen zu identifizieren und für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren - eine Vorgehensweise, die sich meines Erachtens mit dem Geist der Aufklärung nicht vereinbaren läßt.

Bei Bestattungsritualen könnte es sich meines Erachtens in der Tat um wichtige Präadaptionen im Vorfeld der Entstehung komplexer religiöser Systeme gehandelt haben. Unsere Vorfahren dürften sich bereits vor 2.5 Millionen Jahren mit dem Aaserwerb beschäftigt haben - vermutlich stehen die ältesten bekannten Steinwerkzeuge in diesem Kontext. Als zunehmend spezialialisierte Aasfresser und mit wachsenden kognitiven Fähigkeiten werden sie in der Folgezeit sicherlich zweierlei entwickelt haben: Ein detailliertes Wissen darüber, was mit Leichen in der freien Natur geschieht und eine tief sitzende Abneigung gegen die wichtigsten Konkurrenten am Aas (vielleicht finden wir Hyänen deswegen so häßlich). Als naheliegende Folge könnten sich Bemühungen ergeben haben die lieben Toten dem Zugriff der gehaßten Nahrungskonkurrenten zu entziehen - und das möglicherweise lange bevor dieses Verhalten mit irgendwelchen Mythen der Ahnenverehrung oder eines möglichen Lebens nach dem Tode assoziiert und weiter verfestigt wurden. Das Problem bei derartigen Spekulationen ist der Mangel an Möglichkeiten sie zu überprüfen. Sie zeigen jedoch, daß man aufpassen sollte in entsprechende archäologische Funde - z.B. bei den Neandertalern - nicht zu viel hinein zu interpretieren. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und Bestattungen sind für sich genommen kein hinreichender Beleg für die Existenz religiöser Vorstellungen.
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Re: Bestattungsriten

Beitragvon ujmp » Di 7. Apr 2009, 14:27

Ich glaube, der Knackpunkt und die Aktualität dieses Verweises auf Bestattungsriten besteht in dem Problem, dass es schwer oder gar nicht vortsellbar ist, nicht zu existieren. Der Gottesglaube beruht wohl auf der Frage nach dem Danach oder auch nach dem Dahinter. Eigentlich sind das sehr gute Fragen, z.B. was steckt hinter einem Gewitter oder den Jahreszeiten usw. Solche Fragen sind der Ursprung der Wissenschaft. Es kommt nur darauf an, mit welcher Art Antwort man sich zufrieden gibt. Und es ist offensichtlich so, dass es viele Menschen ohne Antwort nicht aushalten können.
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Re: Bestattungsriten

Beitragvon HF******* » Di 7. Apr 2009, 14:41

Das ist ja in Wirklichkeit keine Antwort, sich einfach irgendetwas auszudenken, dass dann auch noch inkonsistent ist.
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Re: Bestattungsriten

Beitragvon ujmp » Di 7. Apr 2009, 16:02

In religionsgeschichtlichen Büchern bin ich schon mehrmals auf die Aussage gestoßen, dass die Menschen früher vollkommen überzeugt waren, dass es Götter gibt. Ich gehe davon aus, das die Erfindung von persönlichen Mächten eine geniale Kulturleistung war, die gemessen an den Möglichkeiten ihrer Entstehungszeit eine hohe Erklärungskraft hatten, also einen wissenschaftlichen Fortschritt im besten Sinne darstellten. Immerhin steckt darin die Beobachtung des Nichtganzzufälligen und die Vermutung einer Berechenbarkeit. Heutzutage bewehren sich nur solche Konzepte im Vergleich mit heutigen wissenschaftlichen Konzepten nicht mehr so gut.
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