Religiöser Glaube

Religiöser Glaube

Beitragvon Myron » Fr 17. Apr 2009, 02:38

Ein interessanter Ansatz zum Begriff des religiösen Glaubens von Alvin Plantinga, einem der weltweit führenden theistischen Religionsphilosophen, die in der Tradition der Analytischen Philosophie stehen.

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Seinem Ansatz nach macht einen religiösen Glauben die besondere Rolle aus, die er im Leben des Glaubenden spielt:

"The truth here, perhaps, is that a belief isn't religious just in itself. The property of being religious isn't intrinsic to a belief; it is rather one a belief acquires when it functions in a certain way in the life of a given person or community. To be a religious belief, the belief in question would have to be appropriately connected with characteristically religious attitudes on the part of the believer, such attitudes as worship, love, commitment, awe, and the like. Consider someone who believes that there is such a person as God, all right, because the existence of God helps with several metaphysical problems (for example, the nature of causation, the nature of propositions, properties and sets, and the nature of proper function in creatures that are not human artifacts). However, this person has no inclination to worship or love God, no commitment to try to further God's projects in our world; perhaps, like the devils, he hates God and intentionally does whatever he can to frustrate God's purposes in the world. For such a person, belief that there is such a person as God need not be a religious belief. In this way it's possible that a pair of people share a given belief which functions as a religious belief in the life of only one of them."
———
"Die Wahrheit ist hier vielleicht, dass ein Glaube nicht einfach in sich religiös ist. Die Eigenschaft des Religiösseins wohnt einem Glauben nicht inne; sie ist vielmehr eine, die ein Glaube erwirbt, wenn er eine bestimme Rolle im Leben einer Person oder Gemeinschaft spielt. Um ein religiöser Glaube zu sein, müsste der betreffende Glaube richtigerweise mit typisch religiösen Haltungen aufseiten des Glaubenden verbunden sein, mit solchen Haltungen wie Verehrung, Liebe, Verpflichtung, Ehrfurcht und dergleichen. Nehmen wir jemanden, der glaubt, dass es so eine Person wie Gott gibt, weil die Existenz Gottes bei einer Reihe metaphysischer Probleme hilft (zum Beispiel das Wesen der Verursachung, das Wesen von Aussagen, Eigenschaften und Mengen, sowie das Wesen des richtigen Funktionierens in Geschöpfen, die nicht menschengemacht sind). Diese Person ist jedoch nicht geneigt, Gott zu verehren oder zu lieben, und sie sieht sich auch nicht verpflichtet zu versuchen, Gottes Vorhaben in unserer Welt voranzubringen. Vielleicht hasst sie Gott wie die Teufel und unternimmt gezielt alles, wozu sie imstande ist, um Gottes Absichten in der Welt zu durchkreuzen. Für eine solche Person braucht der Glaube, dass es so eine Person wie Gott gibt, kein religiöser Glaube zu sein. So ist es möglich, dass zwei Leute einen bestimmten Glauben teilen, wobei dieser nur im Leben des einen die Rolle eines religiösen Glaubens spielt." [© meine Übers.]

(Plantinga, Alvin. "Religion and Science." 2007. In Stanford Encyclopedia of Philosophy: http://plato.stanford.edu/entries/religion-science.)

Man könnte also zwischen rein theoretischen Theisten/Deisten und praktischen Theisten/Deisten unterscheiden, die ihren theistischen/deistischen Glauben auch leben.

Des Weiteren unterscheidet Plantinga zwischen einem bloß existenziellen Glauben an Gott (oder den Gott X), d.h. einem bloßen Glauben an die Existenz Gottes (oder des Gottes X), und einem darüber hinausgehenden, spezifisch religiösen Glauben an Gott:

"[B]elief in God is not the same thing as belief that God exists, or that there is such a thing as God. To believe that God exists is simply to accept a proposition of a certain sort—a proposition affirming that there is a personal being who, let's say, has existed from eternity, is almighty, perfectly wise, perfectly just, has created the world, and loves his creatures. To believe in God, however, is quite another matter. (...) Belief in God means trusting God, accepting Him, committing one's life to Him. (...) So believing in God is more than accepting the proposition that God exists. Still, it is at least that much. One can't sensibly believe in God and thank Him for the mountains without believing that there is such a person to be thanked, and the He is in some way responsible for the mountains. Nor can one trust in God and commit oneself to Him without believing that he exists."
———
"Der Glaube an Gott ist nicht dasselbe wie der Glaube, dass Gott existiert, oder dass es so etwas wie Gott gibt. Zu glauben, dass Gott existiert, heißt einfach, eine bestimmte Art von Aussage [als wahr] anzunehmen—eine Aussage, die bejaht, dass es ein persönliches Wesen gibt, das, sagen wir, seit Ewigkeit existiert, allmächtig, vollkommen weise, vollkommen gerecht ist, die Welt erschaffen hat und seine Geschöpfe liebt. An Gott zu glauben, ist hingegen eine ganz andere Sache. (...) Der Glaube an Gott beinhaltet, dass man Gott vertraut, ihn anerkennt, ihm sein Leben überantwortet. (...) Das Glauben an Gott besteht also in mehr als dem Annehmen [Fürwahrhalten] der Aussage, dass Gott existiert. Doch es besteht zumindest darin. Man kann nicht vernünftigerweise an Gott glauben und ihm für die Berge danken, ohne zu glauben, dass es eine solche Person gibt, der zu danken ist, und dass er in gewisser Weise für die Berge verantwortlich ist. Man kann auch nicht sein Vertrauen auf Gott setzen und sich auf eine Beziehung zu ihm einlassen, ohne zu glauben, dass er existiert."
[© meine Übers.]

(Plantinga, Alvin. God, Freedom, and Evil. 1974. Reprint, Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1977. pp. 1-2)
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Re: Religiöser Glaube

Beitragvon stine » Fr 17. Apr 2009, 08:57

Vielen Dank Myron, für deine, wie es scheint, unerschöpflichen Quellen zusätzlicher Wissensvermittlung.

Ich kann Alvin Plantinga hier nur zustimmen.
Glaube muss nicht religiös sein, wobei ein Religiöser höchstwahrscheinlich schon ein Glaubender ist. Religiöse Handlungen sind kulturelles Erbe, äußere Zeichen der gemeinsamen Quelle, die sich je nach Religionsart sehr unterscheiden können.

Die Frage bleibt jedoch: Woher kommt der Götter(Gott)glaube aus der Vergangenheit, wo noch kein kulturelles Erbe ihn propagiert hat? Wo ist der Ursprung? Das kann doch wohl nur gemutmaßt werden.

Hast du hierzu auch interessante Quellen?
LG stine
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Re: Religiöser Glaube

Beitragvon Schrödingers Kater » Fr 17. Apr 2009, 10:15

stine hat geschrieben:Die Frage bleibt jedoch: Woher kommt der Götter(Gott)glaube aus der Vergangenheit, wo noch kein kulturelles Erbe ihn propagiert hat? Wo ist der Ursprung? Das kann doch wohl nur gemutmaßt werden.


Literaturtipp:
Daniel Dennett, Breaking the Spell - Religion as a Natural Phenomenon
(auch auf deutsch erschienen: Den Bann brechen)
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Re: Religiöser Glaube

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Sa 25. Apr 2009, 10:08

Nich neu und langweilig.
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