fritz-ferdinand hat geschrieben:Dass du daran nichts spezifisch Religiöses erkennen kannst, hängt damit zusammen, dass Religion im Allgemeinen mit Glauben an etwas Transzendentales, Jenseitiges verbunden wird. Man kann aber auch einen anderen Ansatz wählen. Z.B. sich fragen, wozu benutzt ein gläubiger Mensch für sich die Religion, und kann das auch eine innerweltliche, sog. säkulare Religion leisten? Etwa Welterklärung, Sinnfindung, Quelle der Ethik.
Religion ist zweifellos eine menschliche Institution mit mehreren Dimensionen, was es ja für die Religionswissenschaftler so schwierig—wenn nicht praktisch unmöglich—macht, den Begriff <Religion> klar und einheitlich zu definieren.
"According to Ninian Smart, religions have the following 'seven dimensions'. (...):
1. Practical and Ritual
2. Experiential and Emotional
3. Narrative and Mythic
4. Doctrinal and Philosophical
5. Ethical and Legal
6. Social and Institutional
7. Material [churches, temples, works of art, statues, sacred sites, and holy places like pilgrimage sites]"(Keown, Damien.
Buddhism: A Very Short Introduction. Oxford: Oxford University Press, 2000. p. 5)
Im Vordergrund meiner Betrachtungen steht Punkt 4, d.h. das dogmatisch-philosophische Grundgerüst einer Religion.
Diese sieben Dimensionen schließen die Möglichkeit einer nichtsupernaturalistischen, nichttranszendentalistischen Art von Religion nicht aus. Es gibt sogar eine Richtung, die sich "religiöser Naturalismus" nennt (siehe:
http://www.religiousnaturalism.org oder
"What is Religious Naturalism?"). Allerdings stellt sich insbesondere innerhalb des naturalistischen Kontextes die Frage nach der Bedeutung des Begriffs <Religiosität>. (Dabei ist vielleicht zwischen diesem Begriff und dem Begriff <Religion> zu unterscheiden, sodass man von einer "Religiosität ohne Religion" sprechen könnte. Auch der bedeutungsnahe Begriff <Spiritualität> ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen.)
fritz-ferdinand hat geschrieben:Damit kommen wir zum Begriff Weltanschauung. Als Weltanschauungsgemeinschaft sind wir öffentlich-rechtlich anerkannt, und sind dem humanistischen Spektrum zuzurechnen.
Aber anscheinend nicht nur dem atheistisch-naturalistischen Humanismus, oder?
fritz-ferdinand hat geschrieben:Am Begriff Religion hat man festgehalten, aber ihn halt immer mehr umdefiniert, bzw, weiter gefasst.
Dabei besteht die Gefahr, dass er irgendwann zu einer leeren Worthülse verkommt, die schön klingt, aber eigentlich nichts mehr besagt.
fritz-ferdinand hat geschrieben:Das hängt auch damit zusammen, dass dem Begriff Religion unterschwellig immer die Eigenschaft von etwas Großem, Edlem und Ehrwürdigem zugeeignet wird, was anderen Begriffen wie Weltanschauung verweigert wird.
Ich habe seit längerem den Verdacht, dass "Spiritualität" im Grunde nur ein Synonym von "Sublimität" ist. Vielleicht verhält es sich mit "Religiosität" genauso.
fritz-ferdinand hat geschrieben:Das ist heute nicht mehr so der Fall. Etliche Freireligöse Gemeinschaften, die Freie Religion als "frei von Religion" uminterpretiert haben, haben sich den Humanisten angeschlossen (z.B. Württemberg), andere aber haben das explizit nicht getan (z.B. Mainz).
Zwischen den Lesarten "frei
in der Religion" und "frei
von der Religion" besteht in der Tat ein relevanter Unterschied (es sei denn, man spielt mit dem Begriff einer "religionslosen Religiosität").
Myron hat geschrieben:Klar! Ist doch schön, dass es solche Gruppen gibt. Was war es für mich einen Erleichterung, als ich
endlich diesbezüglich wohlwollende Leute gefunden hatte, mit denen ich mich hemmungslos über lebensphilosophische Fragen austoben konnte, ohne dass im Hintergrund ein Grenzen setzender Gott oder sowas drohte. Und das gemeinschaftliche kommt auch nicht zu kurz.
Wenn Menschen zusammenkommen, um frank und frei miteinander zu diskutieren, zu feiern oder sonstige Gemeinschaftserlebnisse zu haben, dann ist das an sich natürlich völlig in Ordnung, weil eben zutiefst menschlich.
Nichtsdestotrotz kommt es mir so vor, als könntet ihr eigentlich auf die Wörter "religiös" und "Religion" gänzlich verzichten und euch einfach "die Freigeister", "die Freidenker" oder vielleicht "die Freifühler" nennen.
Der Ursprung des Freireligiösentums liegt zwar in bestimmten fortschrittlichen Strömungen des Christentums, aber davon habt ihr euch doch mittlerweile—zumindest was die traditionellen Dogmen desselben angeht—äußerst weit entfernt, um nicht zu sagen vollständig gelöst.