Wie ist das mit Märchen für Kinder

Wie ist das mit Märchen für Kinder

Beitragvon Sinuhé » Sa 15. Aug 2009, 21:36

Sicherlich wird man die Märchen der Gebrüder Grimm oder andere, wie zb HC Anderson zur Weltliteratur zählen. Ich habe mir heute auf einem Flohmarkt ein großes Märchenbuch gekauft. In meiner Nachbarschaft sind einige liebe Kinder. Dürfte ich denen Märchen vorlesen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Da sind oft grausame Handlungen und Feen, Engel oder gar der liebe Gott sind meistens die Retter. Ich bin unsicher, ob ich das dürfen sollte.
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Re: Wie ist das mit Märchen für Kinder

Beitragvon Atanar » Sa 15. Aug 2009, 22:31

Wenn die Weihnachtsmänner in Handschellen abgeführt werden solltest du dir gedanken machen...vorher eigentlich kaum. Kinder können eigentlich sehr gut Realität von Fiktion unterscheiden wenn man ihnen genug Informationen gibt.
Die Armen kleinen werden sowieso schon ständig von den Medien mit fiktiven Geschichten überschüttet, jeder lernt bestimmt irgendwann von selbst das es die Teletubbies nicht gibt. Ich wäre höchstens mit Geschichten, bei denen die "Moral" fragwürdig ist vorsichtig ("Kleiner Däumling" zum Beispiel).
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Re: Wie ist das mit Märchen für Kinder

Beitragvon Zappa » So 16. Aug 2009, 18:30

Meiner Meinung nach vollkommen unbedenklich, solange die Reife des Kindes berücksichtigt wird. Sieh es als einfach als Ideenfutter an. Geschichten, Mythen, Phantasien ermöglichen es einem gedanklich und emotional Alternativen durchzuleben, das lehrt.

Selbstverständlich sollte man Kindern die Wahrheit sagen, wenn gefragt wird, ob es sich um eine Geschichte oder die Wahrheit handelt. Von dieser Regel sind nur wenige Ausnahmen "erlaubt", bzw. die sollte man sich genau überlegen (Weihnachtsmann z.B.).
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Re: Wie ist das mit Märchen für Kinder

Beitragvon Nanna » So 16. Aug 2009, 18:59

Ich sehe mehr in den grausamen Handlungen ein Problem. Ich habe irgendwann mit 12 oder 13 aus Langeweile Grimms Märchen gelesen und zwar komplett, und war schon eher erstaunt über die Brutalität, die dort teilweise herrschte. In manchen Märchen wimmelte es von grausamen Kämpfen und Hinrichtungsmethoden nur so, ähnlich wie im Alten Testament, das ich auch nicht für wahnsinnig kindergeeignet halte. Die meisten von uns kennen ja nur Hänsel und Gretel und sowas, wo es im Vergleich ziemlich gesittet zugeht. Ich halte die meisten Märchen eigentlich mittlerweile auch eher für etwas für Erwachsene. Auf jeden Fall sollte man sich ein Märchen vorher selber durchlesen, normalerweise sollte man dann erkennen, ob das mit dem Gewaltgrad, dem die Kinder sonst durch Medien und Freundeskreis so ausgesetzt sind, konform geht und natürlich ist das auch stark altersabhängig. Gerade wenn es um Kinder aus dr Nachbarschaft geht, wäre es eine wohl recht unkompliziert, einfach vorher die Eltern zu fragen.

Insgesamt halte ich ein Kennenlernen der wichtigsten Märchen auf jeden Fall für sinnvoll, allein schon, weil man sich in seiner eigenen Kultur auskennen sollte. Denn wie du schon sagst, Sinuhé, Märchen gehören auf jeden Fall zum großen Erbe der Literatur. Aus pädagogischer Sicht frage ich mich allerdings schon, ob es da nicht kindgerechtere Geschichten im Buchhandel gibt.
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Re: Wie ist das mit Märchen für Kinder

Beitragvon smalonius » So 16. Aug 2009, 19:58

Sinuhé hat geschrieben:Dürfte ich denen Märchen vorlesen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Da sind oft grausame Handlungen und Feen, Engel oder gar der liebe Gott sind meistens die Retter. Ich bin unsicher, ob ich das dürfen sollte.

Grundsätzlich denke ich, Kinder können das alles gut einordnen und verdauen.

Andererseits gibt es das eine oder andere Märchen, daß ich bestimmt nicht vorlesen würde. "Der getreue Heinrich" (?) zum Beispiel, in dem die Kinder geopfert werden müssen, damit der treue Freund wieder lebt. :erschreckt:

Aber es gibt ja genügend Material aus dem man auswählen kann. Daraus kannst du leicht wählen, was du als vorlesenswert empfindest. Und natürlich hängt das davon ab, wie alt deine Zielgruppe ist.
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Re: Wie ist das mit Märchen für Kinder

Beitragvon Sinuhé » So 16. Aug 2009, 20:14

Nanna, ein sehr guter Rat. Ich habe heute morgen in unserem Schachcafé das Thema Märchen eingebracht und einen enthusiastischen Märchenfan aus unserem Club das Herz aufgemacht. Er kennt fast alle Märchen, ist einer, den man eher für einen Kauz durchgehen lassen würde. Ich sagte ihm, daß ich gestern das Märchen von des Kaisers neuen Kleideren gelesen habe. Er sagte mir: Was galaubst du wohl, wieviele unserer Politiker des Kaisers neue Kleider anhaben?

Wenns denn zu einer Vorlesung kommt, werde ich mir natürlich die einzelnen Märchen vorher genau durchlesen und auch Fragen an die Kindere für die Diskussion danach überlegen. Zum Beispiel: Die Bremer Stadtmusikanten. Da haben sich 4 Freunde zusammengefunden, die niemand haben wollte, die gehen zusammen durch dick und dünn.

Ähnliche Gedanken werde ich mir natürlich vorher zu jedem Märchen machen, das ich, wenns denn dazu kommt, vorlesen werde.
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Re: Wie ist das mit Märchen für Kinder

Beitragvon Sappy » So 16. Aug 2009, 21:40

Ich habe als Kind die Märchen der Gebrüder Grimm geliebt und finde sie eigentlich auch heute noch toll. Ich denke das ist nicht grausamer als so manche Comics oder einige Sendungen im Fernsehen. Davon abgesehen, erklärt man Kindern ja schon immer Recht früh, dass es sowas wie Monster unter dem Bett nicht gibt und dann könnte man das ja auch einfach noch ausweiten und den bösen Wolf oder den gestiefelten Kater mit einbeziehen.

Im Übrigen habe ich das Thema Märchen auch mal im Deutschunterricht (5. Klasse, wenn ich mich nicht irre) durchgenommen und das wurde von niemandem boykottiert o.ä.
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Re: Wie ist das mit Märchen für Kinder

Beitragvon Sinuhé » So 16. Aug 2009, 21:56

Ja, sappy und andere, ich bin dann doch etwas sicherer geworden durch eure Kommentare. Kindern darf man Märchen vorlesen, man muß ihnen nur sagen, daß das halt liebe erfundene Geschichten sind. Man handelt dann im Gegensatz zu denen, die den Kindern Märchen erzählen, davon aber behaupten, daß diese Geschichten wahr sind.
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Re: Wie ist das mit Märchen für Kinder

Beitragvon Gernot Back » Mo 17. Aug 2009, 09:24

Hallo Nanna, hallo Zappa!

Zappa hat geschrieben:Selbstverständlich sollte man Kindern die Wahrheit sagen, wenn gefragt wird, ob es sich um eine Geschichte oder die Wahrheit handelt. Von dieser Regel sind nur wenige Ausnahmen "erlaubt", bzw. die sollte man sich genau überlegen (Weihnachtsmann z.B.).

In der Tat: Ich bin mir gar nicht so sicher, ob ich mich ohne die Verarsche mit dem Weihnachtsmann und seinem goldenen Buch für gute und seinem schwarzen Buch für böse Kinder je zum Atheisten entwickelt hätte...

Nanna hat geschrieben:Ich habe irgendwann mit 12 oder 13 aus Langeweile Grimms Märchen gelesen und zwar komplett, und war schon eher erstaunt über die Brutalität, die dort teilweise herrschte. In manchen Märchen wimmelte es von grausamen Kämpfen und Hinrichtungsmethoden nur so, ähnlich wie im Alten Testament, das ich auch nicht für wahnsinnig kindergeeignet halte.

Diese Grausamkeiten sind doch gerade der Grund, warum Kinder diese Märchen so lieben. Da können moderne Eltern ihren Kleinen noch so viel pädagogisch wertvolle Janosch-Kinderbücher kaufen, wenn die Oma dann mit dem spießig-sadistischen Struwwelpeter kommt, ist der viel spannender. Unter den Geschichten aus dem Struwwelpeter kommt der Splatter-Film mit dem Daumenlutscher bei Kindern auch immer noch am besten an; Sex & Crime sells, auch bei Kindern!

Also, in diesem Sinne, seid hübsch ordentlich und fromm!

Gruß Gernot
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Re: Wie ist das mit Märchen für Kinder

Beitragvon platon » Mo 17. Aug 2009, 20:12

Sappy hat geschrieben:Ich denke das ist nicht grausamer als so manche Comics oder einige Sendungen im Fernsehen.

Das ist ja das Schöne am Lesen. Da müssen sich Kinder ihre eigenen Bilder dazu im Kopf machen und die sind immer so, dass sie sie ertragen. Im Gegensatz zu Filmen, wo sie Bilder vorgesetzt bekommen, gegen die sie sich nicht wehren können.
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Re: Wie ist das mit Märchen für Kinder

Beitragvon Sinuhé » Mo 17. Aug 2009, 23:38

Kann ich dich, Platon, so verstehen, daß man Kindern ruhig alle möglichen Märchen vorlesen darf, wenn man nur sagt, daß das halt Märchen sind? Ich hab einen Brieffreund in einem anderen Frorum, dessen Sohn, 5, im Kindergarten sagt, daß der liebe Gott nur ein Märchen ist. Und das in Bayern.
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Re: Wie ist das mit Märchen für Kinder

Beitragvon Nanna » Di 18. Aug 2009, 11:13

Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, dann fällt mir doch auf, dass gewisse schöne Erlebnisse im Rückblick negativ konnotiert sind. Die Lektüre der Narnia-Geschichten, die ich als Kind wirklich geliebt habe, oder das Anhören religiöser Kindergeschichten fallen beispielsweise darunter. Obwohl ich das als Kind alles sehr schön fand, fällt mir im Nachhinein auf, wie sehr mir mit diesen Medien religiöse Botschaften eingehämmert wurden und ich habe diesen Geschichten in meiner Kindheit auch einen anderen Stellenwert gegeben, denn im Gegensatz zu Benjamin-Blümchen-Hörspielen war das ja nicht ausschließlich als Unterhaltung gedacht, das war mir schon damals klar.

Deshalb würde ich dir, Sinuhé, raten, ein bisschen darauf zu achten, welche Kinder, denen du Märchen vorliest, stark religiös vorgeprägt sind. Diese Kinder werden das, ob ihnen das heute schon bewusst ist oder nicht, mehr als religiöse Lehrstunde verstehen und im Gegensatz zu unvorbelasteten Kindern eben genau nicht als reine Fiktion ansehen. Im Beisein dieser Kinder könntest du ja Märchen auswählen, in denen Gott keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt, davon gibt es ja auch genug.
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Re: Wie ist das mit Märchen für Kinder

Beitragvon Matus » Di 18. Aug 2009, 12:34

Der Psychologe und Ethologe Norbert Bischof hat eine interessante Deutung der Mythen- vor allem der Märchen- in seinem Buch Kraftfeld der Mythen versucht. Er betrachtete diese als Meme, als Replikatoren dessen ökologische Nische die Phänomenologie der Kindesentwicklung ist. Das heißt das die Mythen dem Kind helfen mit seiner Entwickling zurecht zu kommen. Bischof setzte die Schöpfungsmythen in das 2. bis 5. Jahr. Die Trickster-mythen folgten 7-12 und ab 12 fingen dann die Helden-mythen an. Diese Zuordnung hat er mit psychologischer Forschung belegen versucht. Auf jeden Fall ein lesenswerter Ansatz, der zum Verständnis der Mythen hiflt.
Was das Lesen der Märchen betrifft, ich glaube es hat sogar einen aufklärenden Einfluss, wenn man darin das ganze kulturelle, ethnische oder religiöse Spektrum abdeckt.
lg,
m.
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Re: Wie ist das mit Märchen für Kinder

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Di 18. Aug 2009, 15:02

Sappy hat geschrieben:Ich denke das ist nicht grausamer als so manche Comics oder einige Sendungen im Fernsehen.
Ja und? Das ist schon richtig, aber stinkt ein Misthaufen deshalb weniger, weil ein anderer Misthaufen auch stinkt? Oder was wolltest du damit sagen?
smalonius hat geschrieben:Grundsätzlich denke ich, Kinder können das alles gut einordnen und verdauen.
Grundsätzlich würde ich sagen, es gibt Kinder die ab einem gewissen Alter sowas gut einordnen und ausscheiden können, grundsätzlich würde ich aber auch sagen, dass jedes Kind unterhalb eines gewissen Reifegrades das eine oder andere Märchen nicht richtig verdauen und wieder ausscheiden kann und manches Märchen, mancher Comic und viele Sendungen im Fernsehen mag selbst für manchen Erwachsenen nicht unbedingt ideal sein (beim Fernsehen mag mancher Schund für niemanden gut sein). Grundsätzlich würde ich sagen, deine Aussage ist so als Grundsatz falsch.
Zappa hat geschrieben:Meiner Meinung nach vollkommen unbedenklich, solange die Reife des Kindes berücksichtigt wird.
Ja, genau dies
Atanar hat geschrieben:Kinder können eigentlich sehr gut Realität von Fiktion unterscheiden wenn man ihnen genug Informationen gibt.
Man sollte Kinder weder über, noch unterschätzen.
Viele Kinder können absolut nicht Fiktion und Realität unterscheiden. Aber prinzipiell sind Märchen fiktionale Geschichten, man darf sich nur nicht dem Irrglauben higeben, dass ein Märchen immer oder nur was für Kinder war. Märchenerzählen ist ein Vorläufer der Glotze (Fernseher) und genausowenig wie jede Sendung dort für Kinder geeignet oder gedacht ist, war jedes Märchen für Kinder gedacht und manches nicht geeignet bzw. nicht für jedes Kind beliebigen Reifegrades geeignet.
Aber ich glaube schon, dass ein durchschnittliches Kind einige Märchen verträgt, aber irgendwie färbt alles ein bisschen ab, was ein Kind im Laufe seiner Entwicklung erfährt. Ob es immer den gewünschten - bei Märchen den eventuell vom Autor (oder Erzähler) geplanten Effekt hat, dies steht aber noch einmal auf einem anderen Blatt (siehe z.B. Sinuhés Beispiel mit der Gleichsetzung von Gott und Märchengestalt).
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Re: Wie ist das mit Märchen für Kinder

Beitragvon Nanna » Mi 19. Aug 2009, 10:21

Die Frage ist auch, über Kinder welchen Alters wir reden. Kinder unter sechs Jahren können beispielsweise das, was sie im Fernsehen sehen, nicht von der Realität unterscheiden und ich kann mir gut vorstellen, dass dieser indifferente Zugang auch bei erzählten Geschichten gewisse Probleme machen kann.
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Re: Wie ist das mit Märchen für Kinder

Beitragvon platon » Mi 19. Aug 2009, 18:56

Sinuhé hat geschrieben:Kann ich dich, Platon, so verstehen, daß man Kindern ruhig alle möglichen Märchen vorlesen darf, wenn man nur sagt, daß das halt Märchen sind?

Völlig richtig! Und ein Fünfjähriger, der schon weiß dass dieses angebliche Geistwesen, genannt Gott, ein Märchen - und nicht mal eines der guten - ist, ist ein ganz aufgewecktes Bürschchen. Solche Kinder braucht das Land.
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Re: Wie ist das mit Märchen für Kinder

Beitragvon Sappy » Mi 19. Aug 2009, 20:42

1von6,5Milliarden hat geschrieben:
Sappy hat geschrieben:Ich denke das ist nicht grausamer als so manche Comics oder einige Sendungen im Fernsehen.
Ja und? Das ist schon richtig, aber stinkt ein Misthaufen deshalb weniger, weil ein anderer Misthaufen auch stinkt? Oder was wolltest du damit sagen?


Na ja also speziell beim Fernsehen sind da ja Kinder oft alleine. Also das Kind wird vor dem Fernseher geparkt und die Eltern machen irgendwas anderes, sodass das Kind mit der Verarbeitung dieser Szenen auf sich selbst gestellt ist. Liest man aber ein Märchen vor, kann man darauf gezielt eingehen.
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Re: Wie ist das mit Märchen für Kinder

Beitragvon Matus » Mi 19. Aug 2009, 20:47

Leute,
bitte seid vorsichtiger, was ihr schreibt. Eure Ansichten könnten eventuell den Eltern Gewissenbisse verursachen bzw. die bei deren Erziehungsmassnahmen beeinflussen.
Ob die Kinder Realität und Fiktion unterscheiden können und ab wann, ist schließlich eine empirische und auch gut erforschte Frage. Was ich mich noch an meine Entwicklungspsychologie Vorlesung erinnere ist, dass der kritische Schritt die Entwicklung der "Theory of Mind"(ToM) ist. Das passiert im vierten Lebensjahr. ToM ist ein intuitives Verständnis, dass andere Leute Glauben, Ansichten und Gedanken auch haben, und zwar auch welche die sich von der eigenen Position (der Kinder) unterscheiden können. ToM gibt den Kindern die Möglichkeit parallel, gleichzeitig mehrere Perspektiven zu betrachten. Das hat den Nachteil dass die Kinder dann auch wirklich lügen können, oder Schadenfreude empfinden.
Allerdings wäre es falsch zu denken, die Kinder vor dem 4. Jahr seien völlig unempfindlich gegenüber der Realität. Ein Kind dass eine Banane am Ohr hält und damit telefoniert, weiß das es kein richtiges Handy ist. Es kann mehrere Perspektiven annehmen, allerdings nicht parallel sondern nur nacheinander. Ich erinnere mich an eine Anekdote mit dem Nikolaus. Ein Vater hat sich als Nikolaus verkleidet und seinen Kindern am heiligen Abend Geschenke gebracht. Alles lief toll, allerdings wenn sich der Papa in anderes Zimmer zurückgezogen hat ,um sich umzuziehen kam seine 3-jährige Tochter rein. Er hatte Bart und Mütze bereits abgelegt aber die Kleidung hatte er noch an. Die Tochter sieht das. Was macht sie? Sie läuft zum Vater und ruft "Papa, papa, du hast den Nikolaus verpasst, er war hier!" :santagrin: Das Kind konnte nicht gleichzeitig die zwei Perspektiven betrachten: "Papa ist da." und "Der Nikolaus ist da", es hat also die wahrscheinlichste Perspektive angenomen. Natürlich läuft das alles unbewusst und mechanisch. Man kann das Kind nicht beschuldigen und ToM lässt sich kaum tränieren.
Selbstverständlich entwickelt sich die ToM auch nach dem 4 Jahr weiter. Z.B. entwickeln die Kinder ToM höherer Ordnung, also können die Konstrukte wie "Ich denke, dass sie denkt, dass er denkt" betrachten.
ToM wäre ein Phänomen, dass zum Verständnis der Realität beiträgt. Wenn das Kind bewusst mehrere Theorien parallel betrachten kann, kann es diese auch nach Evidenz abwägen . Für weiter Phänomene konsultiert, bitte, am besten die einschlägige Literatur. Ich glaube man findet auch bei Wikipedia einen Haufen Zeug zu diesem Thema.
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Re: Wie ist das mit Märchen für Kinder

Beitragvon platon » Mi 19. Aug 2009, 22:32

Nanna hat geschrieben:was sie im Fernsehen sehen, nicht von der Realität unterscheiden

Es gibt aber einen fundamentalen Unterschied zwischen Geschichten erzählen und anschauen!
Beim Erzählen von Geschichten ist die Phantasie des Kindes gefragt. Was es sich nicht vorstellen kann, wird nicht aufgenommen.
Das ist beim Fernsehen völlig anders. Da wird die Phantasie durch die fertigen Bilder gleich mitgeliefert. Und mit der werden Kinder oft nicht fertig.
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Re: Wie ist das mit Märchen für Kinder

Beitragvon Nanna » Mi 19. Aug 2009, 22:55

Ja, da stimme ich dir zu, deshalb hatte ich es auch ein bisschen eingeschränkt. Ich denke, dass man als Erzähler darauf eingehen kann, ist wohl das entscheidenste.
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