Christentum Kopie vieler anderer Religionen?
Ja und Nein. Der Ursprung vieler Elemente könnte auf die (hypotethisch angenommenen) Proto-Indoeuropäer zurückgehen, die in prähistorischer Zeit etwa im heutigen Iran lebten und von dort aus sowohl Indien als auch Europa besiedelten. Dabei haben sie vor allem ihre Sprache, aber auch ihre Religion in diesen Gegenden verbreitet. Zum anderen gibt es anscheinend einige recht universelle Vorstellungen die vielen ursprünglichen Religionen vorzufinden sind: z.B. ist die Materie/Körper/Erde auffällig mit dem Bösen verknüpft, wobei Geist/Persönlichkeit/Seele/Himmel oft zusammen auftauchen (das hat wiederum nachvollziehbare, quasi kognitive Gründe).
Das Christentum ging aus dem Judentum hervor. In der frühen Entwicklung könnten historische Ereignisse und auch als „wahr“ empfundene fremde Gottheiten sozusagen als Fakten mit eingegangen sein (ursprünglich bedeutetete „keine anderen Götter neben mir“ nicht, dass es keine anderen Götter gibt, sondern dass der Christ nur den einen, eifersüchtigen, Gott anbeten soll). Eine dieser Episoden könnte die Herrschaft der
Hyksos in Ägypten gewesen sein, wo dessen Schutzgott
Seth mit jüdischen Ideen vermischt das Bild des Satan beeinflusst haben könnte. Bei den Juden stand die Wüste ursprünglich als das Unreine. Dorthin wurde der symbolisch mit den Sünden beladene Bock am
Jom Kippur-Fest getrieben (daher kommt die Bezeichnung Sündenbock).
Indo-Europäische Ideen könnten auf ähnliche Weise durch den zahlreichen Kontakt und die weitgehend mündliche Überlieferung an diversen Stellen ins Christentum eingegangen sein. Die frühen Israeliten waren z.b. auch eine Weile im
Babylonischen Exil und sind mit den dortigen Anschauungen in Kontakt gekommen. Auch Geschichten wie z.B. die Sintflut kommen in diversen Indo-Europäischen Religionen vor.
Nach Formierung der Kirche mussten sie sich durch diverse Sektierer „erwehren“ (z.B.
Manichäer,
Arianer), womit der Glaube stärker abgegrenzt und definiert wurde (Dogmen etc.). Dies zum Beispiel beim
ersten Konzil von Nicäa. Um auch die restliche Welt verstehen und in ihr allumfassendes Weltbild einbinden zu können, gingen die Kirchenvater davon aus, dass es keine fremden Götter neben dem einen Gott gibt.
Die anderen Religionen führten sie zunehmend auf das Wirken des Teufels zurück, was zentral an sich herausgebildeten dualistischen Vorstellungen hing (die wiederum eventuell stark durch den
Zoroastrismus gefärbt waren). Der Teufel wurde als „Affe Gottes“ betrachtet, der den wahren Gott nachäfft um ihm ebenbürtig zu erscheinen.
Der Zoroastrismus war eine sehr frühe Monotheistische, aber zugleich stark dualistische Religion aus eben dem Raum Iran. Sie hatte einen klaren Obergott (Ahura Mazda) aber auch einen fast gottgleichen dämonischen Gegenspieler (Ahriman). Viele Dinge des alltäglichen Lebens wurden dann entweder der einen Seite oder der anderen zugeschlagen (z.B. Vieh dem Obergott, Schlangen dem Dämon).
Bei den Christen wurde Jesus und sein messianisches Reich (Reich Gottes) immer wichtiger und zu beginn des Mittelalters bildete sich dann immer stärker auch das negative Spiegelbild — ich nenne es mal so — die ganze „Anti“ Mythologie heraus (Anti-Christ, Dämonen als Gegenspieler der Engel usw.). Diese dualistische Sichtweise hat dann entsprechend auch indirekt den Import heidnischer Inhalte auf der Seite befördert.
Zur Renaissance hin mischten sich dann Glaubensvorstellungen aus allen Ecken und Enden der bekannten Welt, beispielweise Zahlenmystik aus der
Kabbala oder auch niedrige Gottheiten wie
Hekate, die das Bild der europäischen Hexe anreicherte. Auch über weit außenliegende Bereiche kamen Einflüsse hinzu: zum Beispiel über das Theater. Kurzfassung: die Kirche hatte wechselseitig christliche Aufführungen verboten und erlaubt, wodurch dann weltliche Figuren übernahmen und umgekehrt, weltliche Spiele wurden durch einen gläubigen Überbau bereichert, dadurch hatte der Teufel Züge des Narren und umgekehrt. Daher kommt noch das Sprichwort „ein Schelm wer Böses dabei denkt“).
Auch gelang es der Kirche nicht ohne weiteres, die Menschen hierzulande dazu zu bringen den neuen Glauben anzunehmen. Sie haben dann teilweise in kleinen Schritten versucht, heidnische Inhalte durch christliche auszutauschen. Auch konnten sie nicht einfach alte Feste verschieben oder verbieten, also wurden christliche Feste teilweise auf heidnische Feste geschoben, um die alten Traditionen zu verdrängen (was bekanntlich katastrophal in die Hose ging, und sich in ein paar Tagen ja wieder bewahrheiten wird. Deshalb ist die Geburt Jesus jetzt mutmaßlich nahe der Wintersonnenwende).
Diese Beispiele sollen veranschaulichen, dass eine Religion keinesfalls hermetisch abgeschlossen und nach allen Seiten geschützt ist — aber von „Kopieren“ im Sinne von Abkupfern kann man wohl nicht sprechen.
P.S. Sorry für die Totengräberei. Der "Search Unread" Knopf brachte den Thread hervor und ich nahm an, der sei neuer.