Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Re: Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Beitragvon mat-in » Do 12. Mai 2011, 08:15

Aber das ist doch genau, was ich oben gesagt habe... das man versucht sich das ganze mit einfachen Dingen zurecht zu biegen. Er hat Ballerspiele gespielt, kein Wunder das er Leute erschossen hat... Er wurde von der Frau die er liebte abgewiesen, da fühlt man sich halt so...

Das Problem ist eben nur, daß man Amokläufer in den seltensten Fällen lebend fängt und dann werden sie glaube ich noch seltener der Wissenschaft zur Verfügung gestellt. Das Phänomen muß einen entwicklungsbiologischen/neurobiologischen/genetischen anteil haben und einen sozialen/erlernten/umweltbeeinflußten. Wenn nicht die richtigen Faktoren in einer seltenen Kombination zusammentreffen gibt es eben Menschen die öfters mal denken "bah, diese Deppen drängeln alle beim einsteigen in den Bus, ich könnt sie erschießen" oder sie sind vollkommen gelassen und nicht aus der Ruhe zu bringen, aber von ihrem Moralischen System her würde es kein Problem darstellen 10 Menschen zu erschießen. Sicher kommen da auch noch "abiotische Faktoren" wie die Verfügbarkeit von entsprechend verheerend wirkenden Waffen, das Verhalten von betroffenen und von Sicherheitskräften dazu. Alles in allem jedoch so selten und vertrackt, das wir noch eine Weile brauchen werden, es zu verstehen.

Noch interessanter finde ich, was die Medien daraus machen: Obwohl Riesling/Pils/Korn, Zigaretten oder Autofahren allein schon deutlich mehr Menschen (auch unschuldige) im Quartal töten als Amokläufe oder terroristische Anschläge in der BRD im Jahr hört man quasi nichts darüber und entsprechend ist niemand der Meinung etwas unternehmen zu müssen. (Zum Beispiel mal Trinkspiele verbieten statt Ballerspiele).
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Re: Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Beitragvon lorenz » Do 12. Mai 2011, 15:33

Amoklauf, um den es hier jetzt ausführlich geht, ist aber schon eine ganz ordentliche "thematische Wucherung" angesichts des Themas "religiöser Fanatismus". Amoklaufen wird gerne praktiziert von Menschen, die überhaupt keine religiösen Fanatiker sind. Andererseits gibt es eine Menge religiöse Fanatiker, die niemals amoklaufen würden. Meine ehemaligen Brüder und Schwestern von der neuapostolischen Sekte z. B. waren solche Kandidaten. (Ich erinnere mich mit Schaudern an so eine Predigt, die in dem Satz gipfelte: "Ja, wir MÜSSEN fanatisch sein!")
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Re: Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Beitragvon mat-in » Do 12. Mai 2011, 17:11

Ja, ich hab auch zwei mal drauf hingewiesen, daß ich nicht denke, das es sich um das gleiche Phänomen handelt und auch Gründe angeführt. Da andere das aber - ohne Angabe von Gründen - nicht so sehen... warum nicht auch über Amokläufe diskutieren, wenn sich die Diskussion eben da hin bewegt.
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Re: Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Beitragvon Nanna » Do 12. Mai 2011, 18:31

ujmp hat geschrieben:In der Diskussion um Winnenden wurde ernstlich angeführt, dass der Junge von einem Mädchen abgewiesen wurde. Ich wette, dass es Milliarden junge Männer gibt, die diese Erfahrung machen - und trotzdem nicht um sich schießen. Sowas meine ich.

Was Argumente auf der Ebene angeht sind wir sicherlich einer Meinung.
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Re: Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Beitragvon stine » Do 12. Mai 2011, 19:40

Ja, und es gibt eine Menge Gläubige, die trotz ihres Glaubens keine Ungläubigen vernichten wollen.

Es scheint eben eine Störung im Gehirn zu sein, es fehlt ein Gen, das "stop" ruft, wenn es um die Gefährdung des eigenen oder des Lebens anderer geht.

Man könnte hier ja auch jegliches Kriegs- oder Terrorszenario nehmen.
Welche Ausbildung und welche Gehirnwäsche ist notwendig, um aus einem netten Jungen plötzlich einen Soldaten oder Terroristen zu machen und geht das überhaupt mit jedem x-beliebigen?
Würdet ihr auf Menschen schießen, wenn ihr den Befehl dazu bekommt?
Wenn man euch sagt, der Anderssprechende ist ein Feind?
Wieviele junge Männer sind für ihr "lieb Vaterland" in den beiden Weltkriegen zu Kämpfern in einer Sache geworden, die ihnen ohne Gehirnwäsche egal gewesen wäre?
Und was hat die Presse für Schuld auf sich geladen, wer macht Propagandanachrichten? Lügen ohne rot zu werden?

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Re: Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Beitragvon Nanna » Do 12. Mai 2011, 20:00

Es braucht oft gar keine "Gehirnwäsche". Ich empfehle die Lektüre von Hannah Arendts "Die Banalität des Bösen", da stellt sie anhand der NS-Zeit sehr gut dar, wie wenig es braucht, normale und geistig gesunde Menschen auf abgründigste Wege zu führen. Auch an das Stanford-Prison-Experiment sei erinnert.
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Re: Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Beitragvon mat-in » Do 12. Mai 2011, 21:07

Da möchte ich noch "in darkness waiting" von John Shirley zusteuern. Ein Roman aber zu genau dem Thema...

Ich denke dennoch das gewaltbereiter Fanatismus immer gezielt verursacht und meist gesteuert wird von Leuten die tiefgläubige aber beinflußbare Menschen ausnutzen.
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Re: Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Beitragvon Nanna » Do 12. Mai 2011, 23:00

Genau das halte ich für eine Wunschthese, um einen Schuldigen indentifizieren zu können und sich die Illusion erhalten zu können, das Unkontrollierbare sei doch irgendwie zu kontrollieren und wäre ja letztlich doch immer rational gesteuert. Fanatismus erscheint mir aber eher als Phänomen, das eine ganze Reihe auslösender Faktoren benötigt, die in ihrer Komplexität nicht kontrollierbar sind und das ab einem gewissen tipping point zum selbstverstärkenden Automatismus wird. Menschen steigern sich nunmal unter bestimmten Umständen in Dinge hinein und sind gewisse Bindungen zur sozialen Realität erstmal gekappt, reicht die Selbstdisziplinierung aus, um das irreale Denksystem prima am Laufen zu halten.

Ich sage damit nicht, dass Fanatismus nicht intrumentalisiert würde, das wurde und wird er andauernd und ja, so manch graue Eminenz zieht sicherlich hier und da die Strippen um größere Ziele zu erreichen, die Radikalisierung geht unter bestimmten Bedingungen aber eben doch von alleine und dürfte auch kaum in ihrer Stoßrichtung steuerbar sein.
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Re: Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Beitragvon musicman » Do 12. Mai 2011, 23:59

Nanna hat geschrieben: Fanatismus erscheint mir aber eher als Phänomen, das eine ganze Reihe auslösender Faktoren benötigt, die in ihrer Komplexität nicht kontrollierbar sind und das ab einem gewissen tipping point zum selbstverstärkenden Automatismus wird.


Das denke ich auch, es muss eine bestimmte Mischung aus sozialen, psychologischen und evtl auch genetischen Faktoren zustande kommen und das auch noch zum richtigen Zeitpunkt im Leben um diesen tipping point zu erreichen, von dann ab geht es auf die Reise zum point of no return.Was mich irritiert ist, wie jemand zur Überzeugung kommt, dass ausgerechnet seine Religion diejenige mit Exlusivrecht auf Wahrheit ist, es bedarf doch keiner großen intellektuellen Leistung, mal die Überlegung anzustellen, dass ein paar Milliarden Menschen etwas anderes glauben und es eigentlich nicht sein kann, dass ausgerechnet ich und meine Kollegen die Einzigen sind die Bescheid wissen, das kann doch gar nicht sein - rein statistisch.
Was also bringt die Leute dazu, genau das anzunehmen ?
Die Allermeisten gehören nur zufällig ihrer Religion an, was ebenfalls dagegen spricht Mitglied eines exlusiven Zirkels zu sein und auch um diese Überlegung anzustellen braucht man nicht unbedingt Abitur.
Genaugenommen muß man sogar etwas doof sein, um Fanatiker werden zu können, dagegen spricht aber, dass auch unter Fanatikern intelligente Leute zu finden sind, vielleicht ist es partielle Ignoranz die noch dazu kommen muß, um für die Karriere als Fanatiker gerüstet zu sein.

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Re: Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Beitragvon ujmp » Fr 13. Mai 2011, 05:37

Nanna hat geschrieben: Auch an das Stanford-Prison-Experiment sei erinnert.

Donnerwetter! (Das kannte ich noch gar nicht)
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Re: Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Beitragvon stine » Fr 13. Mai 2011, 07:21

Naja, das Experiment gibt nicht ganz den objektiven Einblick auf menschliches Verhalten, wie es zuerst scheint.
Weder die Gefangenen waren "echt" noch die Wärter. Das heißt, wer nichts ausgefressen hat und keine Veranlagung dazu hat Straftaten zu begehen, insbesondere schwere Straftaten, die extreme Behandlung der Gefangenen weist darauf hin, dass es sich um "Schwerverbrecher" gehandelt haben könnte, wer sich also nichts zu Schulden hat kommen lassen, hat also instinktiv das Gefühl der "ungerechten" Behandlung und will natürlich ausbrechen.
Die Wärter waren auch "nur Normalos" ohne besondere Schulung und ohne besondere Verhaltensanordnung.

Die Aussage des Experiments ist für mich, dass Personal geschult werden muss und dass unschuldig Verurteilte sich wehren. Man könnte höchstens die Aussage machen, dass politisch (unschuldige) Gefangene die misshandelt wurden berechtigterweise zu Staatsfeinden werden können.

Ich finde auch, dass das Ergebnis, schon nach drei Tagen kam es zu Misshandlungen, nicht gerade für den Charakter der auserwählten "Wärter" spricht. Vielleicht sollte man das Experiment mit gebildeten Humanisten als Wärter wiederholen :mg:

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Re: Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Fr 13. Mai 2011, 07:37

Nicht schlecht erkannt, nur wer wird Aufseher? (Soweit ich weiß, mögen die Knasstaufseher übrigens nicht Wärter genannt werden, sie wären ja nicht im Zoo :mg: )
Gerade in den USA aber auch bei uns dürfte Knastwächter selten ein Traumberuf sein. Der Staat, in den USA auch der Privatbetreiber, hat keine große Auswahl, zumindest keine große, gute Auswahl, es meldet sich sicher nicht nur die Crème de la Crème und auch bei der Ausbildung wird gerne gespart. Sieht man ja nicht direkt und gerade Law-and-Order-Politiker sind nicht unbedingt Freunde besserer Bedingungen für Knastis, weder für die vor- noch hinter den Gittern. (mir bekannte JVA-Vollzugsbeamte und ihre Angehörigen bezeichnen auch JVA-Vollzugsbeamte als Knastis)
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Re: Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Beitragvon Nanna » Fr 13. Mai 2011, 10:01

stine, es handelte sich nicht um irgendwelche Gossengestalten:
Wikipedia hat geschrieben:Auf eine von den Wissenschaftlern geschaltete Zeitungsannonce in Palo Alto meldeten sich über 70 Studenten. Bei diagnostischen Interviews und einem Persönlichkeitstest wurden 24 Studenten aus der Mittelschicht ausgewählt, die normale, durchschnittliche Ergebnisse erzielten.
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Re: Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Beitragvon stine » Fr 13. Mai 2011, 10:32

Nanna, ja das hab ich auch gelesen, aber 24 Studenten aus der Mittelschicht ausgewählt, die normale, durchschnittliche Ergebnisse erzielten - ist das was Besonderes?
Schwerverbrecher noch Gefängnisaufseher sind häufig auch nicht aus dieser Schicht.
Ich verstehe nicht, was das Experiment eigentlich aussagen sollte, ausser dass in jedem aus der Mittelschicht stammenden Studenten, der normale, durchschnittliche Ergebnisse erzielt ein Grobian stecken könnte, sofern er falsch behandelt wird.

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Re: Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Beitragvon Nanna » Fr 13. Mai 2011, 12:03

Das Erschreckende sind vor allem die Geschwindigkeit, mit der die Empathie degnerierte und der rapide Verfall ethischer Normen, schließlich hat das Experiment gerade mal drei Tage gedauert und die Aufseher wurden zu ihrem Verhalten weder angeleitet noch gezwungen. Das Experiment wirft durchaus Fragen zur Fähigkeit der Selbstkontrolle eines durchschnittlichen Menschen auf.
Auch das Milgram-Experiment hat ähnlich erschreckende Ergebnisse gezeigt, wobei der Fokus hier stärker auf Autoritätsthörigkeit lag. Wenn wir da aber mal die Brücke zum Fanatismus schlagen, dann dürfte klar werden, wie einfach es im Grunde ist, eine entsprechend labile und von Ideologien abhängige Person zu einem bestimmten Verhalten zu bringen, wenn der Betreffende glaubt (u.U. sich auch selbst eingeredet hat), dass dieses Verhalten von ihm verlangt wird, und wenn es ein Selbstmordanschlag ist.
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Re: Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Beitragvon xander1 » Sa 14. Mai 2011, 09:15

Wer macht es sich einfach?

Jemand der eine Lösung vorschlägt und dazu schreibt, dass man es letztendlich nicht wissen kann

oder

Jemand der danach schreibt, dass man es nicht wissen kann und keine Lösung vorschlägt und dem Vorredner vorwirft dass er es sich leicht macht, weil er einen Lösungsvorschlag darbietet ?

Und noch eine Frage:
Was von beidem ist konstruktiv und was ist destruktiv?

Ich will das gar nicht weiter diskutieren, weil ich mir denken kann, warum niemand mein Lösungsvorschlag für wahrscheinlich halten will. Das ist klar eine Frage davon was die Ziele der einzelnen Personen sind und da nützen Argumente wenig. Wieso sollte sich jemand dazu argumentativ dazu bringen lassen in einer schlechten Position stehen zu bleiben? Und genau das ist der Punkt worauf ich mit meinem vorigen Posting hinaus wollte.

Es wird sich nichts ändern, so lange sich die Menschen nicht ändern wollen, solange die Menschen nicht einmal einsehen etwas falsch gemacht zu haben und alle Schuld beim Amokläufer sehen. Darauf baut doch die ganze Argumentation von den meisten hier auf.

Warum wohl?
Nur damit man die Schuld bei sich nicht selbst suchen muss, sind auf einmal die Gene Schuld am Charakter des Amokläufers. Warum sollte man sonst so eine weit hergeholte Argumentation vorziehen.

EDIT:

Letztendlich ist es die Wechselwirkung zwischen Amokläufer und Gesellschaft. Es ist unwahrscheinlich, dass jemand Amok läuft ohne Kontakt zur Gesellschaft gehabt zu haben. Und einem einzelnen lässt sich die Schuld immer viel leichter zuschieben, als der Gesellschaft.
Zuletzt geändert von xander1 am Sa 14. Mai 2011, 09:38, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Beitragvon ujmp » Sa 14. Mai 2011, 09:25

Nanna hat geschrieben:Das Erschreckende sind vor allem die Geschwindigkeit, mit der die Empathie degnerierte

Das kann man eigentlich nicht ablesen. Empathie bdeutet ja nicht Wohlwollen. Eine Strafmaßnahme setzt Empathie voraus - man muss den Schmerz des anderen ja irgendwie einschätzen.
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Re: Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Beitragvon stine » Sa 14. Mai 2011, 12:05

xander1 hat geschrieben:Warum wohl?
Nur damit man die Schuld bei sich nicht selbst suchen muss, sind auf einmal die Gene Schuld am Charakter des Amokläufers. Warum sollte man sonst so eine weit hergeholte Argumentation vorziehen.
Natürlich ist es so, dass auch die Gesellschaft, das soziale Umfeld immer eine entscheidende Rolle dabei spielt. Warum hat man die Not des späteren Amokläufers nicht gesehen? Warum konnte man seine Hilferufe nicht hören oder sehen?

Aber die Schuld nur dem sozialen Umfeld zu geben ist nicht richtig, weil wie schon vorher von einigen niedergeschrieben, ja viele Menschen seelische Not leiden und trotzdem niemanden töten und schon gar nicht eine Menge von Unschuldigen in den Tod mitreissen.

Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass ein potentieller Amokläufer prinzipiell schon ganz anders tickt, wie die Durchschnittsbevölkerung. Er konzentriert seine Probleme, seine Missstimmungen und seine versteckte Aggression auf einen bestimmten Sachverhalt, macht bestimmte Menschen und ein bestimmtes Umfeld für seine eigene Misere verantwortlich. Und dann braucht es nur noch einen Auslöser und die passende Gelegenheit, um sich endlich explosiv Luft zu machen.
Ich weiß gar nicht, ob man so jemandem als Laie überhaupt helfen könnte.
Gut zureden reicht hier sicherlich nicht.

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Re: Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Beitragvon ujmp » Sa 14. Mai 2011, 12:35

Es ist noch nicht einmal gesagt, dass ein Amokläufer überhaupt so etwas wie Probleme hat. Ein Amoklauf ereignet sich einfach ab und zu, glücklicherweise sehr selten. Wenn es wirklich soetwas wie einen sozialen Einfluss gibt, dann den, dass man dem Menschen zuschreibt, unter bestimmten Bedingungen nicht anders handeln zu können. Damit rechtfertigt man dieses Verhalten und stellt es u.U. sogar als Verhaltensmuster zu Verfügung, so dass sich evtl. ein Junge mit gewöhnlichen Pubertäts-Problemen selbst eine Ausweglosigkeit zuschreibt und durch das auf ihn eingeprasselte pseudowissenschaftliche Talkrundengeschwätz sogar mit "sozialer Billigung" rechnet, wenn er austickt. Ok, wenn die äußeren Umstände tatsächlich einen Menschen zu einem Amoklauf treiben können, dann muss man vor solchen Umständen auch warnen. Aber: die Wissenschaft kann solche Umstände nicht nennen. Sie kann anhand von äußeren Umständen keinen Amoklauf prognostizieren. Es ist reine Kaffeesatzleserei.
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Re: Wie entsteht religiöser Fanatismus?

Beitragvon Nanna » Sa 14. Mai 2011, 14:12

Vielleicht wäre es möglich, wenn man alle Faktoren kennen würde, aber realistischerweise hast du natürlich recht. Es gibt keine Checkliste, die realistischerweise irgendeine Chance hat, potentielle Amokläufer präventiv zu diagnostizieren. Das ist bei Mördern übrigens genauso. Die meisten Leute wissen am Morgen des Tages, an dem sie jemanden töten, noch gar nicht, dass sie am folgenden Abend Mörder sein werden. Natürlich heißt das nicht, das alle Prävention Unsinn ist, aber man muss zuallererst mal akzeptieren, dass die Unsicherheit nicht ausradierbar ist.


@xander1:
Du kannst gerne eine präventive Totalimmunisierung für deine Argumentation betreiben, wenn du dich damit besser fühlst. Ich finde, dass deine singuläre Herleitung von Amokläufen aus amoralischen Zuständen der Gesellschaft - was auch immer das bitteschön konkret sein soll - reichlich inkonsistent ist und in der Form als Erklärungsansatz keinerlei Sinn macht. Du kannst dich von mir aus darüber aufregen, dass ich nicht konstruktiv genug gegenüber deinem Vorschlag war, nur sehe ich keinen Grund, gegenüber allgemeinen Worthülsenansammlungen irgendwie konstruktiv sein zu müssen. Die Medien, Gesellschaftsmehrheit und ähnliche beliebte Schuldige für alles Übel der Welt anzugreifen, ohne mehr konstatieren zu können, als dass ein "amoralischer Zustand" vorherrsche, ist ein völlig aussagefreier Allgemeinplatz, deshalb habe ich das Wort "Lösungsansatz" in meiner Antwort auch in Anführungszeichen gesetzt.

Natürlich ist es superbequem, sich jetzt selber als einsamen verfolgten Rufer in der Wüste hinzustellen, der von der Mehrheitsgesellschaft/der Obrigkeit/dem Forumsadmin/einem sonstigen übermächtigen Gegner für das Aussprechen unangenehmer Wahrheiten ausgeschlossen wird. Der Witz ist nur, du hast keine unangenehme Wahrheit ausgesprochen, du hast lediglich das "pseudowissenschaftliche Talkrundengeschwätz" (Zitat ujump) nachgebetet und wunderst dich jetzt, dass so mancher dieses grob vereinfachende Gesäusel nicht mehr hören kann. Wenn es hier überhaupt einen Skandal gibt, dann, dass die "Verdorbenheit der Gesellschaft" permanent über alle möglichen Medien angeprangert wird, nur um dann von denselben vielen Leuten auf denselben vielen Kanälen zu hören, dass genau diese Botschaft gezielt blockiert würde.
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