Die Rohe Botschaft. Jesus und die Geschichtsfälschung.

Mit dem Titel Der Rebell Gottes präsentiert der SPIEGEL (Nr.17) passend zu Ostern den aktuellen Forschungsstand zur kontroversen Figur des Jesus Christus. Der Leitartikel selbst macht etwas schärfer mit dem Titel Die rohe Botschaft auf.
Wenn du wenig Zeit hast und alles schon kennst, springe zum Fazit.
Hintergrund
Im Palästina der damaligen Zeit kochte es. König Herodes, der von Rom gestützt wurde, war verstorben und hatte sein Reich unter seinen Söhnen aufgeteilt, die als Jünglinge verspottet wurden. Seinerzeit hatte er durch Kungeleien einen Kultadel weniger privilegierter Juden gefördert, die jeweils die Posten als Hohepriester inne hielten. Dafür spendierte er unter anderem einen prunkvollen Jahwe-Tempel.
Für die meisten normalen Juden war die römische Besatzungszeit aus mehrfacher Hinsicht unerträglich. Die Steuern und Abgaben waren sehr hoch, vor allem aber war der römische Lebensstil den Juden ein Dorn im Auge. Dabei spielte das Motiv der "Unreinheit" offenbar eine zentrale Rolle. Juden hatten (und haben) sehr strikte Regeln, nicht nur was die Zubereitung von Speisen anging. Für sie war die Anwesenheit der römischen Besatzung eine Art religiöse Verunreinigung des Landes. Die Juden litten also eine Art Kulturschock. Sie sehnten sich nach jemanden, der der römischen Besatzung ein Ende bereiten würde. Nach Herodes Tod gab es zahlreiche Aufständische, selbsternannte Erlöser und Terrorgruppen wie die Zeloten, die das Pflaster Palästina für die Römer sehr widerspenstig machten. Harte Strafen wurden verhängt und Exempel statuiert. Der Kreuztod war eine Maßnahme, die als Abschreckung dienen sollte.
Wer war Jesus?
Jesus, der sich einen Namen als "Zauberer" gemacht hatte, war nur einer von vielen selbsternannten Auserwählten, die das Land bereisten. Er war Sohn eines Maurers (nicht Zimmermanns) und ein Hausierer, der mit seiner Gruppe an Getreuen von Gegend zu Gegend zog und dabei einem Schnorrertum nachging. Der häufige Ortswechsel diente dazu, den römischen Behörden zu entgehen, wobei er es vermied, allzu viel Ärger auf sich zu ziehen. Möglicherweise hat er deshalb häufig in mehrdeutigen Floskeln gesprochen. Ansonsten soll er die Römer eher ignoriert haben.
Über seine Persönlichkeit ist nicht viel bekannt. Er war recht charismatisch und überdurchschnittlich intelligent und vermutlich recht arrogant und überheblich und hatte die "ausgeprägte Gabe [...] andere Leute als 'Idioten' hinzustellen" (s.113).
Möglicherweise strebte er eine andere Regierungsform an, wobei er die Juden als ein "föderalistisch strukturiertes Bundesvolk" mit den Aposteln als Anführern sah (s. 108). Seine Ansichten lassen vermuten, dass er eine Art Synthese aus römischer und jüdischer Gesellschaft für richtig hielt. Er war der Völlerei offenbar nicht abgeneigt (Lukas 7:34) und liebte anscheinend auch andere Annehmlichkeiten, die die Juden ablehnten, sah sich aber dennoch als Jude und empörte sich über viele römische Gepflogenheit. Vor allem Götzen, Drogen und Sexualität; "Eine schlichte Urmoral stellte sich dem ökonomisch sprießendem römischen Reich der Cäsaren entgegen" (S.113).
Der strenge gängige jüdische Glaube führte dazu, dass Juden einen in Not geratenen (oder verblutenden) an Sabbat nicht helfen würden. Die Römer störten sich offenbar nicht daran. Jesus hatte in der Hinsicht eine moderate Auffassung. Er war weniger krass als die üblichen Juden, aber hielt menschliche Moralvorstellungen hoch. Das lässt sich als Besonderheit und Leistung stilisieren. Entgegen steht, dass Soldaten und Besatzer auch in anderen Zeiten nicht gerade als Gradmesser für moralisches Verhalten geeignet sind. Jesus es also mit den strengen jüdischen Regeln insgesamt nicht so genau, lehnte aber auch den ausschweifenden Lebensstil der Besatzer ab. Dadurch hatte er Feinde auf beiden Seiten.
Seine Heilungen waren wahrscheinlich eine Mischung aus Scharlatanerie und Placebo-Effekt, mit der er sich seine Bleibe verdiente. Er lebte praktisch von seiner Beliebtheit und ließ sich in Naturalien auszahlen. Dabei werden seine Heilungserfolge so gedeutet, dass die jüdische Volksseele durch die empfundene Unreinheit der römischen Herrschaft erkrankt war, und Jesus offenbar die richtigen Worte und Gesten fand, Linderung zu verschaffen. Die meisten Heldentaten wurden allerdings erst viel später dazu gedichtet (in den zeitgenössischen Texten fällt Jesus nicht so besonders auf, wie es im Nachhinein den Anschein macht).
Er selbst war wohl nicht der ruhige, sanftmütige Mensch, als der er immer dargestellt wird. Er empörte sich und war aufbrausend, weshalb er im Tempel die Tische mit dem Wechselgeld umwarf. Wenigstens Jesus Anhänger waren offenbar gewaltbereit. Der Jünger Simon, der den Beinamen "der Zelot" trug, gehörte dieser Gruppe an, die wir nach heutigen Maßstäben als Terroristen bezeichnen würden. Petrus trug den Beinamen "Bajona", was mit "Aufwiegler" oder gar "Terrorist" übersetzt wird.
Fazit
Der Lesenswerte Artikel schließt mit der Bemerkung die natürlich Wasser auf meine Mühlen ist: "So gesehen würde die christliche Religion auf Geschichtsklitterung fußen". Doch wenn sich diese Richtung weiter untermauern lässt, hätte es einigen recht schwerwiegende Folgen.
Gerade der letzte Punkt ist für mich ein Hauptanliegen und bislang der größte Stolperstein für eine "Gleichberechtigung" von Brights und Supers, insbesondere Christen. Wir stellen Mahnmale und Denkmäler für die Verbrechen der Nazi-Herrschaft auf, zeigen fortwährend Dokumentationen und behandeln das Thema vielfach in den Schulen, damit sich bestimmte Dinge nicht wiederholen können. Geschichtsfälschung insbesondere um den Holocaust herum trifft zu Recht auf sehr heftige Reaktionen.
Auf der anderen Seite gerät die erkämpfte kritische Distanz zum Christentum, die es beispielsweise zur Gründerzeit der USA und der Aufklärung noch gab, langsam in Vergessenheit. Zuerst erscheint das Christentum als moralisch höherwertig, von Liebe und allerlei Nettigkeiten geprägt. Dann bietet sich die Ideologie erneut als Partner für die Herrschenden an, wobei sie im gutmütigen aber prinzipientreuen Ton daher kommt. Unterdessen sind bei den Unterstützern nicht nur moderne Humanisten mit dabei, sondern auch alle wahnsinnigeren Spielarten, die man sich gleich mit ins Haus holt. Religiöse Ansichten sind eben nicht schwarz/weiß, jemand der ansonsten recht modern wirkt, kann gut und gerne religiös motivierte krude Auffassungen zu anderen gesellschaftlichen Themen haben (typischerweise z.B. zu Homosexualität).
Ich bleibe gespannt, was sich auf dem Gebiet noch so ergibt, und wann jemand in den respektieren Medien die (österlichen) Eier hat, die christliche Lügengeschichte gründlich aufzuräumen. Ich erhoffe mir einiges wenn Deschner seinen 10. und letzten Band seiner "Kriminalgeschichte des Christentums" fertig gestellt hat. Da er aber nicht mehr der Jüngste ist, könnte auch sein Ableben das Thema nach vorne bringen, wie auch der leider sehr bedauernswerte Zustand von Christopher Hitchens. Das wären so ziemlich die ungünstigsten Anlässe, aber wenn Atheisten auch sowas Märtyrer brauchen, muss es wohl so sein.
Wenn du wenig Zeit hast und alles schon kennst, springe zum Fazit.
Hintergrund
Im Palästina der damaligen Zeit kochte es. König Herodes, der von Rom gestützt wurde, war verstorben und hatte sein Reich unter seinen Söhnen aufgeteilt, die als Jünglinge verspottet wurden. Seinerzeit hatte er durch Kungeleien einen Kultadel weniger privilegierter Juden gefördert, die jeweils die Posten als Hohepriester inne hielten. Dafür spendierte er unter anderem einen prunkvollen Jahwe-Tempel.
Für die meisten normalen Juden war die römische Besatzungszeit aus mehrfacher Hinsicht unerträglich. Die Steuern und Abgaben waren sehr hoch, vor allem aber war der römische Lebensstil den Juden ein Dorn im Auge. Dabei spielte das Motiv der "Unreinheit" offenbar eine zentrale Rolle. Juden hatten (und haben) sehr strikte Regeln, nicht nur was die Zubereitung von Speisen anging. Für sie war die Anwesenheit der römischen Besatzung eine Art religiöse Verunreinigung des Landes. Die Juden litten also eine Art Kulturschock. Sie sehnten sich nach jemanden, der der römischen Besatzung ein Ende bereiten würde. Nach Herodes Tod gab es zahlreiche Aufständische, selbsternannte Erlöser und Terrorgruppen wie die Zeloten, die das Pflaster Palästina für die Römer sehr widerspenstig machten. Harte Strafen wurden verhängt und Exempel statuiert. Der Kreuztod war eine Maßnahme, die als Abschreckung dienen sollte.
Wer war Jesus?
Jesus, der sich einen Namen als "Zauberer" gemacht hatte, war nur einer von vielen selbsternannten Auserwählten, die das Land bereisten. Er war Sohn eines Maurers (nicht Zimmermanns) und ein Hausierer, der mit seiner Gruppe an Getreuen von Gegend zu Gegend zog und dabei einem Schnorrertum nachging. Der häufige Ortswechsel diente dazu, den römischen Behörden zu entgehen, wobei er es vermied, allzu viel Ärger auf sich zu ziehen. Möglicherweise hat er deshalb häufig in mehrdeutigen Floskeln gesprochen. Ansonsten soll er die Römer eher ignoriert haben.
Über seine Persönlichkeit ist nicht viel bekannt. Er war recht charismatisch und überdurchschnittlich intelligent und vermutlich recht arrogant und überheblich und hatte die "ausgeprägte Gabe [...] andere Leute als 'Idioten' hinzustellen" (s.113).
Möglicherweise strebte er eine andere Regierungsform an, wobei er die Juden als ein "föderalistisch strukturiertes Bundesvolk" mit den Aposteln als Anführern sah (s. 108). Seine Ansichten lassen vermuten, dass er eine Art Synthese aus römischer und jüdischer Gesellschaft für richtig hielt. Er war der Völlerei offenbar nicht abgeneigt (Lukas 7:34) und liebte anscheinend auch andere Annehmlichkeiten, die die Juden ablehnten, sah sich aber dennoch als Jude und empörte sich über viele römische Gepflogenheit. Vor allem Götzen, Drogen und Sexualität; "Eine schlichte Urmoral stellte sich dem ökonomisch sprießendem römischen Reich der Cäsaren entgegen" (S.113).
Der strenge gängige jüdische Glaube führte dazu, dass Juden einen in Not geratenen (oder verblutenden) an Sabbat nicht helfen würden. Die Römer störten sich offenbar nicht daran. Jesus hatte in der Hinsicht eine moderate Auffassung. Er war weniger krass als die üblichen Juden, aber hielt menschliche Moralvorstellungen hoch. Das lässt sich als Besonderheit und Leistung stilisieren. Entgegen steht, dass Soldaten und Besatzer auch in anderen Zeiten nicht gerade als Gradmesser für moralisches Verhalten geeignet sind. Jesus es also mit den strengen jüdischen Regeln insgesamt nicht so genau, lehnte aber auch den ausschweifenden Lebensstil der Besatzer ab. Dadurch hatte er Feinde auf beiden Seiten.
Seine Heilungen waren wahrscheinlich eine Mischung aus Scharlatanerie und Placebo-Effekt, mit der er sich seine Bleibe verdiente. Er lebte praktisch von seiner Beliebtheit und ließ sich in Naturalien auszahlen. Dabei werden seine Heilungserfolge so gedeutet, dass die jüdische Volksseele durch die empfundene Unreinheit der römischen Herrschaft erkrankt war, und Jesus offenbar die richtigen Worte und Gesten fand, Linderung zu verschaffen. Die meisten Heldentaten wurden allerdings erst viel später dazu gedichtet (in den zeitgenössischen Texten fällt Jesus nicht so besonders auf, wie es im Nachhinein den Anschein macht).
Er selbst war wohl nicht der ruhige, sanftmütige Mensch, als der er immer dargestellt wird. Er empörte sich und war aufbrausend, weshalb er im Tempel die Tische mit dem Wechselgeld umwarf. Wenigstens Jesus Anhänger waren offenbar gewaltbereit. Der Jünger Simon, der den Beinamen "der Zelot" trug, gehörte dieser Gruppe an, die wir nach heutigen Maßstäben als Terroristen bezeichnen würden. Petrus trug den Beinamen "Bajona", was mit "Aufwiegler" oder gar "Terrorist" übersetzt wird.
Fazit
Der Lesenswerte Artikel schließt mit der Bemerkung die natürlich Wasser auf meine Mühlen ist: "So gesehen würde die christliche Religion auf Geschichtsklitterung fußen". Doch wenn sich diese Richtung weiter untermauern lässt, hätte es einigen recht schwerwiegende Folgen.
- Vorzeige-Erfolge des Christentums richten sich anscheinend gegen religiösen Unsinn. Jesus "modernisiert" das Judentum, Martin Luther "modernisiert" den Katholizismus. Beide sind in diesem Sinne vielmehr "Humanisten", die aus ihrer Zeit heraus "humanistische" Verbesserung herbeiführten. Gäbe es die verrückten religiösen Ideen nicht, bräuchte es keine religiösen Helden, die den religiösen Wahnsinn mäßigen.
- Das vorherrschende Bild von Jesus als barmherziger, mildtätiger Mensch ist höchstwahrscheinlich falsch. Er war eher ein arroganter, aber charismatischer Schnorrer der sich mit Kriminellen, Terroristen und Außenseitern umgab. Positiv ausgedrückt war er mehr ein moralischer Robin Hood, der aber im Prinzip nur dem gesunden Menschenverstand folgte (was man angesichts von Römer-Besatzern und Juden mit kruden religiösen Vorstellungen nur so sagen kann).
- Eigentlich nicht überraschend, aber somit ist nicht nur der Werdegang und die Herrschaft des Christentums heftig geschichtsverfälscht und beschönigt, sondern auch die ersten Anfänge. Das Jesus etwas anders war, als üblich dargestellt ist eine Sache. Die falsche, anbiedernde Darstellung der Römer-Besatzung und gleichzeitige Verteufelung der Juden hatte weitreichende Folgen. Leider konnte ich bisher keine Belege für eine tatsächliche christliche Nächstenliebe finden. Mögliche Quellen und seriöse Berichte diskreditieren sich leider durch ihre erkennbare Befangenheit. Der SPIEGEL-Vorzeige-Autor Dirk Kurbjuweit schrieb in Ausgabe 14 "Gott ist kein Politker" erneut von einer rühmlichen christlichen Tradition der Nächstenliebe, auch wenn sein Artikel insgesamt das Thema Kirche/Staat kritisch betrachtet. Anstatt an geeigneter Stelle wenigstens einen einzigen Beleg zu liefern, wird es einfach als Selbstverständlichkeit ausgelassen, so wie es praktisch überall der Fall ist. Auf die Nachfrage ob jemand Belege hat, wird selbst im englischen Brights-Forum von den Ex-Christen aggressiv beantwortet, ein Beleg schuldig bleibend.
Gerade der letzte Punkt ist für mich ein Hauptanliegen und bislang der größte Stolperstein für eine "Gleichberechtigung" von Brights und Supers, insbesondere Christen. Wir stellen Mahnmale und Denkmäler für die Verbrechen der Nazi-Herrschaft auf, zeigen fortwährend Dokumentationen und behandeln das Thema vielfach in den Schulen, damit sich bestimmte Dinge nicht wiederholen können. Geschichtsfälschung insbesondere um den Holocaust herum trifft zu Recht auf sehr heftige Reaktionen.
Auf der anderen Seite gerät die erkämpfte kritische Distanz zum Christentum, die es beispielsweise zur Gründerzeit der USA und der Aufklärung noch gab, langsam in Vergessenheit. Zuerst erscheint das Christentum als moralisch höherwertig, von Liebe und allerlei Nettigkeiten geprägt. Dann bietet sich die Ideologie erneut als Partner für die Herrschenden an, wobei sie im gutmütigen aber prinzipientreuen Ton daher kommt. Unterdessen sind bei den Unterstützern nicht nur moderne Humanisten mit dabei, sondern auch alle wahnsinnigeren Spielarten, die man sich gleich mit ins Haus holt. Religiöse Ansichten sind eben nicht schwarz/weiß, jemand der ansonsten recht modern wirkt, kann gut und gerne religiös motivierte krude Auffassungen zu anderen gesellschaftlichen Themen haben (typischerweise z.B. zu Homosexualität).
Ich bleibe gespannt, was sich auf dem Gebiet noch so ergibt, und wann jemand in den respektieren Medien die (österlichen) Eier hat, die christliche Lügengeschichte gründlich aufzuräumen. Ich erhoffe mir einiges wenn Deschner seinen 10. und letzten Band seiner "Kriminalgeschichte des Christentums" fertig gestellt hat. Da er aber nicht mehr der Jüngste ist, könnte auch sein Ableben das Thema nach vorne bringen, wie auch der leider sehr bedauernswerte Zustand von Christopher Hitchens. Das wären so ziemlich die ungünstigsten Anlässe, aber wenn Atheisten auch sowas Märtyrer brauchen, muss es wohl so sein.