Teh Asphyx hat geschrieben:Meinst Du das Sein oder das Seiende?
Ich hatte Marx im Hinterkopf, aber bei der Frage müsste ich sagen, das Seiende.
Teh Asphyx hat geschrieben:Auf jeden Fall ist da was dran, ich denke zum Beispiel, dass die Frauenbewegung zu einem Großteil auch den technischen Möglichkeiten der Zeit zu verdanken ist. Aber dass die Frau unterdrückt war hat nichts damit zu tun, dass es diese technischen Möglichkeiten vorher nicht gab, da es schon früher mehrere Matriarchate gab (nicht nur personell sondern auch strukturell). Auch sehe ich die Frauenbewegung nicht so sehr als Befreiung aus patriarchalen Strukturen, sondern nur als Bewegung zu der Möglichkeit, dass Frauen ebenso an diesen Herrschaftsverhältnissen teilhaben dürfen.
Ist glaube ich was dran. Mit dem technischen Fortschritt ist die Bedeutung der Muskelkraft nahezu verschwunden.
Teh Asphyx hat geschrieben:Der westliche Kapitalismus hat da ganz eigene interessante Formen dieser Herrschaft entwickelt, die vielleicht die perverseste Form ist, die die Welt je gesehen hat, indem einem die Illusion gegeben wird, man würde sich selbst verwirklichen und seinem Begehren nachgehen, um einen letztlich die Möglichkeit zu rauben, tatsächlich seinem Begehren nachzugehen. Und mein Kritikpunkt an spirituelle Bewegungen (allen voran der Buddhismus) und Esoterik ist nicht wie bei den Skeptikern, dass es sich dabei um Spinner halten würde (was eben nicht der Fall ist), sondern dass sie ohne es zu wissen, obwohl sie sich für alternativ halten, genau in dieses Verhältnis reinspielen und ebenso dazu dienen diese Illusion aufzubauen. Deswegen sprechen alle davon, dass jeder Mensch nach Glück streben würde.
Für mich stellt sich immer noch die Frage in Bezug auf diesen Thread, ob Ken Wilber da einen Weg raus sucht, oder einen gefunden hat, der da genau wieder reinführt.
Wie schon mal zitiert, ist Wilber der Auffassung, dass man Rollen auf ablegen, über die hinauswachsen kann. In langen Fußnote in EKL geht er auf dasVerhältnis von Oberflächen und Tiefe ein und behandelt dort auch diese Frage.
Teh Asphyx hat geschrieben:Dagegen, dass Precht versucht, für den Normalsterblichen verständlich zu sein, habe ich nichts. Die Grenzwertigkeit betrifft seine Inhalte. Da habe ich das wohl missverstanden.
Was die Riege der Kollaborateure … äh … Mainstream-Akademiker zu jemanden sagt, interessiert mich eher herzlich wenig, bzw. sehe ich es schon fast als Hinweis auf Qualität, wenn da einer abgelehnt wird.
Och, die sind mitunter schon außerordendlich gut. Aber es gibt Philosophen, die geben sich nicht mal im Ansatz Mühe von Normalsterblichen verstanden werden zu können.
Teh Asphyx hat geschrieben:Ich finde ihn da auch etwas unklar, weil er auf der anderen Seite auch behauptet, ein Interesse an dem Bedürfnis nach Transzendenz zu haben (irgendwo habe ich das Gerücht vernommen, dass er selbst mal Zen praktiziert hätte). Da gleichzeitig so abwertend zu sein scheint mir etwas paradox.
Jetzt habe ich den Faden verloren und weiß grad nicht mehr von wem die Rede ist.
Teh Asphyx hat geschrieben:Selbst wenn es ein Durchbruch zu den Triebwünschen ist, ist es ja interessant. Allerdings weigern sich manche doch sehr vehement gegen eine solche Auffassung, weil sie unbedingt wollen, dass es etwas echt übernatürliches war.
Aber ich kenne halt auch Menschen – deswegen meine These des dritten Typen –, die tatsächlich über einen anderen auf solche Erfahrungen kommen, also dadurch dass man sich selbst so sehr wünscht, dass der andere eine spirituelle Erfahrung hat (zum Beispiel bei gemeinsamer Meditation) bekommt die andere Person auch für den, der es wünscht, diese Erfahrung.
Dieses Phänomen scheint mir überhaupt erst ausschlaggebend dafür zu sein, dass Menschen mit Interesse an Spiritualität sich ganz oft eine Gruppe gleich gesinnter suchen, nicht anders bei Religion. Das hieße, dass auch der Glaube und die Spiritualität keine Sache im Menschen selbst sind, sondern eine intersubjektive Erfahrung, etwas, was eigentlich auf der Beziehungsebene stattfindet. Und wer das als Transzendenz des Ich auffasst, liegt auch nicht falsch damit, denn es ist dann ja das pure Erlebnis dessen, dass das Ich immer auch im Anderen ist.
Ich glaube es ist beides. Dem Löwenanteil macht man glaube ich schon im stillen Kämmerlein, aber dann kann es auch Phasen geben, wo man mit anderen zusammen was erlebt.
Teh Asphyx hat geschrieben:Ich erlebe diese Transzendenz übrigens regelmäßig durch die Musik.
Ich finde, eine sehr einfache Art, eine Transzendenz des Ich zu erleben (und das ist auch mein stärkster Einwand gegen einen radikalen Konstruktivismus) ist, irgendetwas anzusehen und festzustellen, dass die Wahrnehmung dieses Etwas nicht in mir, sondern außerhalb von mir stattfindet. Wenn ich gerade beim Schreiben den Bildschirm betrachte, dann ist meine Wahrnehmung im Bildschirm und nicht in meinen Augen oder in meinem Gehirn (trotz dessen, dass da biologisch gerade etwas passiert). Nicht ich konstruiere, dass etwas um mich herum ist, sondern da ist etwas, außerhalb von mir, was mein Bewusstsein bewirkt. Mein Bewusstsein befindet sich also immer zwischen mir und den Dingen, die ich wahrnehme und ist somit selbst eine Beziehung, die die biologischen Vorgänge in meinem Gehirn bewirkt.
Da kann man sich endlos drüber streiten, aber ein wichtiger Punkt (den der frühe Wilber mal schön abgehandelt hat) ist in der Tat, zu was von sich man eigentlich „Ich“ sagt.
Hat man das Gefühl Gehirn zu sein und der Körper ist nur so eine Art Lasttier? Gibt es Bereiche der Psyche zu denen man „Ich“ sagt und dann zu anderen nicht? Fühlt man sich mit dem ganzen Körper eins und sagt zu ihm „Ich“? Und so weiter, ist schon sehr aussagekräftig.
Teh Asphyx hat geschrieben:Du sprichst konkret von Achtsamkeits-Meditation, richtig? Es gibt ja auch Energie-Meditation aus dem Tao Yoga, damit hab ich mich nämlich mehr (praktisch) befasst und da gibt es doch ein paar signifikante Unterschiede.
Das Problem bei mir, als ich Achtsamkeits-Meditation ausprobiert habe, war, dass ich da fast eine Panik-Attacke bei bekommen habe, weil da alles durcheinander lief und kein Fokus da war.
Was ich jetzt meinte, was Zen, aber die sind ja sehr ähnlich, die Disziplinen.
Zen hat den Vorteil, dass man die Augen auf hat, das erdet und in einer sehr struktuierten Umgebung ist. Wenn Dir das Schwierigkeiten dieser Art bereitet, würde ich es aber lassen oder nur unter Aufsicht und nicht zu lange praktizieren.
Teh Asphyx hat geschrieben: Mich erinnerte das sehr an den Effekt von THC oder Alkohol, möglich dass es auch deswegen gut in der Schmerz- und Stress-Therapie zu gebrauchen ist, stellt dann aber letztlich nichts weiter als eine Ersatzdroge dar. Es lag allerdings auch klar an der Anleitung, dass das so aus dem Ruder lief (nicht an der Person, die es angeleitet hat, sie hat es nach bestem Gewissen gemacht, sondern an völlig falsch gelehrten Techniken).
Eigentlich ist Meditation das genaue Gegenteil von Droge, sie soll ja die Klarheit und Wachheit steigern.
Teh Asphyx hat geschrieben:Die Beschreibung erinnert mich auch an einen THC-Rausch, von meiner Erfahrung her (ist schon sehr lange her, dass ich so was zu mir genommen habe, der Grund, dass ich ganz schnell damit aufgehört habe, hat was damit zu tun, dass ich gemerkt habe, dass der Rausch nur eine Illusion war, der mich echte transzendente Erfahrungen über die Musik sogar verbaut hat).
Mich hat das ehrlich gesagt in keiner Weise an einen THC-Rausch erinnert.
Teh Asphyx hat geschrieben:Ich kann verstehen, dass so eine Erfahrung etwas faszinierendes, anziehendes und auch süchtig machendes hat, aber ich weiß nicht … irgendwas wurmt mich da (was wie gesagt auch mit eigener Erfahrung und weniger mit intellektueller Herablassung zu tun hat).
Naja, eine Panikattacke ist nichts was man will, kann ich gut verstehen, insofern wäre ich da auch vorsichtig, aber süchtig machend ist Meditation nun nicht.
Es gibt andere Techniken die LSD ähnliche Erfahrungen ermöglichen, aber Meditation der genannten Form, ist eigentlich recht stabiliserend und öde.
Teh Asphyx hat geschrieben:Vor allem habe ich das Gefühl, dass die meisten ihr Ich aufgeben wollen, bevor sie sich selbst überhaupt entdeckt haben.
Das Gefühl hast Du völlig zurecht und es ist ein großes Problem!
Teh Asphyx hat geschrieben:Das ist dann am Ende mehr Selbsttäuschung als Erleuchtung (ich weiß nicht, ob das nur Zufall ist, aber fast alle Buddhisten, die ich kennengelernt habe, die sich so nannten, hatten einen starken Hang zum Alkohol). Da will man wohl irgendwie gleich das Kind mit dem Bade ausschütten. Das ist wahrscheinlich auch ein Problem daran, dass man diese Erfahrungen, die es anzustreben gilt, nicht intersubjektiv ausdrücken kann (und das oft auch ausdrücklich ablehnt).
Doch, man kann sie ausdrücken, nur nicht aufsagen, das ist ein Unterschied.
Teh Asphyx hat geschrieben:Hm, ich hatte eigentlich immer den Eindruck, dass es eher darum geht, solche Werturteile gar nicht mehr zu haben.
Das ist irgendwann draus gemacht worden.
Teh Asphyx hat geschrieben:Ich denke nur, dass das am Problem in der jetzigen Gesellschaft vorbei zielt, da die Menschen gar nicht Ego-Fixiert sind, sondern auf einen nicht existenten Anderen, wobei aber die Fixierung ein Handeln auslöst, das aussieht wie reine Egomanie. Ich sehe das Problem viel eher darin, dass es so wenig Empathie gibt, weil es kein richtiges Ego mehr gibt und ein weiterer Versuch, vom Ego wegzukommen, ist da eher kontraproduktiv. „Ego cogito, ergo sum“ und „Life is real only then, when ‚I am’“.”
Hier bin ich Deiner Meinung. Empathiemangel ist ja geradezu ein Synonym für Egofixiertheit, aber ich stimme Dir zu, sich dem anderen gegenüber zu öffnen, heißt immer auch sich selbst gegenüber zu öffnen.. Dass man hier so schroff unterschieden hat ist auch eher eine Note, die durch die westliche Interpretation reingekommen ist. Die Buddhisten (hier auch die, für die der Buddhismus nicht Volksreligion ist, die genauso konventionell interpretiert, wie andere Religionen auch) wollen Leid verringern und wenn man selbst leidet, wendet man sich dem zu, leiden „andere“ wendet man sich ihnen zu und das eigentlich in ganz einfacher und direkter Weise.