Allwissenheit, Vorwissenheit, Willensfreiheit

Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Vollbreit » Mi 20. Jun 2012, 09:33

Heute habe ich mehr Zeit, daher noch mal eine ausführlichere Antwort von mir.

Dr Fraggles hat geschrieben:Die ursprüngliche Frage in der philosophischen Willensfreiheitdiskussion war die Frage "Freiheit oder Determinismus"? Diese Frage ist heute sehr unpopulär. Heute dreht sich die Diskussion primär um das Vereinbarkeitsproblem.


Und das aus gutem Grund, denn die Forderung (der inkompatibilistischen Deterministen) der Mensch könne überhaupt nicht frei sein, verstrickt sich in Selbstwidersprüchen, die Forderung (der inkompatibilistischen Libertarier – um die scheint es Dir zu gehen) der Mensch sei a) in der harten Variante, in seiner Willensbildung vollkommen unabhängig von allen Kausalketten oder Einflüssen von außen, scheint mir schlicht und ergreifend UNDENKBAR zu sein: Wie kann ich etwas wollen, ob nun Vanilleeis, Schmerzfreiheit, Fliegen, ewiges Leben, größere Attraktivität oder was es auch sei, ohne zuvor die Erfahrung bspw. eines eigenen Mangels gemacht zu haben? Das scheint mir einfach nicht möglich zu sein. Agent fragt an anderer Stelle immer gerne – und zurecht – wer denn überhaupt einen solchen, harten libertaristischen Freiheitsbegriff verwendet – und irgendwie kennt niemand jemanden, der das tut und seine Position erklären kann.

Bleibt also b) der sanfte, inkompatibilistische Libertarismus, der irgendwie die Auffassung vertritt, der Mensch sei zwar im Großen und Ganzen abhängig von Einflüssen um ihn herum, aber wenn es um die eigene Willensbildung geht, switcht er sozusagen in seine Innenwelt und dort ist er frei und ganz bei sich, dort kann ihm niemand hineinreden, dort nimmt er Abstand von allen „Äußerlichkeiten“ und Einflüssen.

Ich kann mir vorstellen, dass hier ein entscheidender Punkt ist, an dem es zu Missverständnissen kommt, denn Kompatibilisten, sind nicht ein Gegner der Auffassung, dass ein Mensch ganz bei und für sich, allein entscheiden kann, sondern sie sind ebenfalls der Meinung, dass das geht.

Der Prozess der Entscheidungsfindung ist für beide, sanfte Libertarier und Kompatibilisten ein privater Prozess, man geht ggf. in sich, reflektiert, wägt ab, hört auf die Stimme der eigenen Intuition und unter all das zieht man einen Strich und am Ende steht bei beiden eine selbst gefundene und begründbare Einstellung, Meinung oder Entscheidung.

Ein Unterschied scheint nun, so wie ich ihn wahrnehme, dort zu liegen, dass sanfte Libertarier meinen, dieser innere Prozess sei nun ein Stück weit aus der normalen Welt und der Kausalität raus, von ihr unabhängig und erst mit der Handlung nach der Wahl, tritt man wieder die Kausalität ein.
Dabei spricht aber auch Geert Keil davon, dass die Rahmenbedingungen für diesen Diskurs u.a. lauten, dass die Naturgesetze gelten und alles mit rechten Dingen zugeht. Wie das zwischenzeitliche aus der Kausalität treten genau vor sich gehen soll, kann ich mir aber nicht vorstellen und würde es gerne erklärt haben.

Ein anderer Punkt ist das so oder auch anders Können.
Willensfreiheit, so behaupten Libertarier, bestehe darin oder nur dann, wenn man sich bei einer Entscheidung auch anders hätte entscheiden können.
Ob Vanille oder Schoko, Todesstrafe oder nicht, oder komplexe Vorstellungen über Ethik, Liebe oder sonst etwas ist dabei eigentlich zweitrangig.

Wie aber sollte es möglich sein, wenn ich bspw. überzeugt bin, dass es ein Leben nach dem Tod nicht geben kann – eine Überlegung, zu der ich vielleicht nach reiflicher Überlegung und dem ausführlichen Studium mehrerer Quellen und Stimmen gekommen bin – dass ich in dieser Frage auch anders hätte entscheiden können?

Es könnte sein, dass jemand meint, Bewusstsein sei so eng mit dem Gehirn assoziiert oder von diesem kausal abhängig, dass, wenn das Gehirn zerfällt, das Bewusstsein bei diesem Menschen unweigerlich und irreparabel ausgelöscht sein muss. (Das muss keinesfalls Deine Einstellung sein, aber jemand könnte diese Einstellung haben.) Wie sollte ein Mensch, der diese Einstellung hat, bezüglich der Frage, ob ein Leben nach dem Tod möglich ist, nun einmal zu dem Schluss gelangen, dies sei unmöglich – ein äußerst wahrscheinlicher, wenn nicht zwingender Schluss bei diesen Prämissen – und ein anderes Mal (oder genau so gut) auch die Einstellung haben können, dies sei durchaus möglich?

Wie eine Wahl ausfällt, hängt doch ganz kausal von meinen Prämissen ab, ob beim Leben nach dem Tod, der Todesstrafe oder der Eissorte.
Wenn ich die Wahl habe zwischen Vanille oder Schoko und meine Prämissen in diesem Augenblick sind, a) die Möglichkeit Eis zu essen anzunehmen (ich könnte insofern auch anders, etwa wenn ich gerade auf der Hinfahrt ein Bericht über Salmonellen im Eis hörte und mir nun Sorgen mache oder eine Diät mache, das ist alles drin, nur irgendwelche Prämissen gelten ja zum Zeitpunkt der Entscheidung und müssen gelten), b) einfach das zu essen, was mir besser schmeckt (wobei ich Vanille sehr gerne mag und Schoko nicht) und c) der Ober fragt: „Vanille oder Schoko?“, dann ist die Wahl bei diesen Prämissen – die auch andere sein könnten – doch zwingend. Oder wie siehst Du das?

Ich entscheide mich prinzipiell Eis zu essen, entscheide, das zu essen, worauf ich Lust habe und habe die Wahl zwischen, einer Sorte, die ich sehr gerne mag und einer, die ich gar nicht mag, das ist doch eine Entscheidung die kausal verläuft und auch bei einer (und jeder) Wiederholung müsste ich mich so entscheiden. Wie könnte ich auch anders können?

Ist es nicht schlicht blödsinnig zu sagen, es gelten die obigen Prämissen, a) ich entscheide mich Eis zu essen, b) das was mir schmeckt (Vanille) und c) die Wahl zu haben zwischen Schoko und Vanille und Schoko zu wählen? Was daran frei?

Frei wirkt das nur, wenn man weitere Hilfsprämissen einführt, was man machen kann, nur sollte man sie angeben:
- Gerade heute, wollte ich mal etwas anders machen
- Ich wollte meinem Ruf, als einer, der immer dasselbe futtert, mal entgegegwirken
- Ich wollte mal ausprobieren, ob mir Schoko heute nicht doch schmeckt
- Ich habe gehört, gerade hier gibt es ein phantastisches Schokoeis
- …

Das ist alles möglich, das kann mir auch alles spontan einfallen, lebt aber m.E. von Prämissen, wie auch immer ich gerade zu ihnen gelange. Bspw. kann ich in letzter Zeit oft Bemerkungen über meinen sehr vorhersehbaren Lebensstil gehört haben, die mich berührten, aber auch das hätte seine Geschichte. Und es wäre andere Bedingungen, als bei dem Beispiel mit den obigen Prämissen.
Wenn ich aber gerade heute meinen „Ruf“ verändern will, dann steht meine Entscheidung gerade heute doch auch – gemäß meiner Prämissen – und sollte ich mich noch mal unter IDENTISCHEN Bedingungen entscheiden, wie sollte ich anders wählen?
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » Mi 20. Jun 2012, 14:07

@Vollbreit und AgentProvokateur:

Ich bin wohl etwas missverstanden worden, was meine vorhergehende Kritik des kompatibilistischen Freiheitsbegriffs betrifft.
Meine Kritik intendierte weder eine indirekte Plausibilisierung oder argumentative Bevorzugung der libertaristischen Freiheitsidee noch war es meine Absicht den kompatibilistischen Freiheitsbegriff bezüglich seiner graduellen Eigenschaft zu diskreditieren (was wohl fälschlich aus meinem Esel/Traktor-Hinweis gefolgert wurde).
Dass der libertaristische Freiheitsbegriff für mich indiskutabel ist, hat primär mit dem Fehlen einers "dritten Weges" zu tun (der bisher zumindest meinem Kenntnisstand nach argumentativ nicht vorliegt aber auch grundsätzlich nicht vorstellbar zu sein scheint): entweder ist eine Handlung begründet oder nicht, ein Dazwischen scheint schlicht nicht denkbar...d.h. entweder sind Entscheide determiniert oder zufällig. Weder das eine noch das andere dient aber einer libertaristischen Freiheitsauffassung. Nicht ganz einig gehe ich aber mit AgentProvokateur wenn er gegen den libertaristischen Freiheitsbegriff damit argumentiert, dass man dann auch völlig Willkürliches wollen können müsste (verwandt dazu Vollbreits vorherige Ansicht man müsse dann ja auch Unmögliches tun/wählen können). Denn auch hier könnte man argumentieren, dass es graduelle Abstufungen plausibler Gründe/Entscheidungen gibt, d.h. ich könnte zwar frei entscheiden ob ich Tee oder Kaffee in einer gegebenen Situation trinke (weil mir beide Getränke schmecken) nicht aber ob ich Tee oder Terpentin trinke (und hier gäbe es eben auch keine klare Grenze ab wann ein Getränk für mich schlicht nicht mehr plausibel zu wählen wäre).

Meine Kritik am Kompatibilismus ist keine welche dessen innere Konsistenz oder Begrifflichkeit betrifft (eine solche würde ja vielmehr gerade den libertaristischen betreffen). Meine Kritik am Kompatibilismus ist die, dass er, ähm...kompatibel ist. Mehr beinhaltet meine Kritik nicht, wobei die Idee der Gradualität rein gar nichts an dieser Kritik ändert. Der libertaristische Freiheitsbegriff (nochmals: auch aus meiner Sicht ist er nicht plausibel begründbar) ermöglicht Implikationen welche dem kompatibilistischen verschlossen sind (zumindest wenn man redlich bleibt). Ob man diese Implikationen (an vorderster Front: Verantwortlichkeit...nicht nur hinsichtlich der Moral !) als wesentlich erachtet oder nicht, mag dann lediglich eine Geschmacksfrage oder eine der Gewöhnung sein (freilich mit den dann ihm eigenen Implikationen). Ich tendiere dazu die Tatsache des Fehlens eines freien Willens aber als ein für die Lebenspraxis nicht relevant werden könnende Tatsache zu beurteilen. D.h. der "spontane" Lebensvollzug ist schlicht nicht kompatibel mit einer kompatibilistischen Freiheitsauffassung (wir kommen nicht darum herum uns in vielfältigsten Situationen libertaristiche Freiheit zu unterstellen). "Wer die Unfreiheit des Willens fühlt, ist geisteskrank, wer sie leugnet, ist dumm."(Nietzsche...wenn auch nicht in allen Bereichen das Mass aller Dinge, so vielleicht hier doch nicht ganz danebenliegend).
Dass eine eingeschränkt-graduelle (im oben beschriebenen Sinne) libertaristische Freiheit (könnte eine solche jenseits von Determinismus und Zufall plausibel gedacht werden) in präzis definierten Entscheidungssituationen durchaus sinnvoller als eine kompatibilistische wäre, scheint mir evident.

@AgentProvokateur: werde das Allwissenheits-Thema erst heute abend wieder aufnehmen können.
@Vollbreit: auch dich muss ich vertrösten falls du einen detaillierteren Kommentar zu deinen Ansichten willst.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Vollbreit » Mi 20. Jun 2012, 15:08

@ DrFraggles:

Du brauchst meinen Beitrag meinetwegen nicht zu kommentieren, bzw. nur dort, wo er sich auf Unstimmigkeiten bezieht, die direkt das Thema berühren und/oder zur Klärung beitragen.

Dr Fraggles hat geschrieben:Nicht ganz einig gehe ich aber mit AgentProvokateur wenn er gegen den libertaristischen Freiheitsbegriff damit argumentiert, dass man dann auch völlig Willkürliches wollen können müsste (verwandt dazu Vollbreits vorherige Ansicht man müsse dann ja auch Unmögliches tun/wählen können). Denn auch hier könnte man argumentieren, dass es graduelle Abstufungen plausibler Gründe/Entscheidungen gibt, d.h. ich könnte zwar frei entscheiden ob ich Tee oder Kaffee in einer gegebenen Situation trinke (weil mir beide Getränke schmecken) nicht aber ob ich Tee oder Terpentin trinke (und hier gäbe es eben auch keine klare Grenze ab wann ein Getränk für mich schlicht nicht mehr plausibel zu wählen wäre).


Aus welchem Grund sollte ich die Wahl zwischen Terpentin und Tee denn nicht haben?


Dr Fraggles hat geschrieben:Meine Kritik am Kompatibilismus ist keine welche deren innere Konsistenz oder Begrifflichkeit betrifft (Gradualität). Meine Kritik am Kompatibilismus ist die, dass er, ähm...kompatibel ist. Mehr beinhatet meine Kritik nicht, wobei die Idee der Gradualität rein gar nichts an dieser Kritik ändert.


Kompatibel womit? Kann sich ja nur um den Determinismus handeln.
Aber wenn Du meinst, es gäbe Freiheit auch ohne Determinismus, müsstest Du eben doch darstellen, wie sich dieser Begriff von der Willkür oder dem Zufall unterscheiden.
Und wenn sie es nicht tun, dann im nächsten Schritt darstellen, wie, wo und warum Willkür und/oder Zufall die Willensfreiheit vergößern.

Dr Fraggles hat geschrieben:Der libertaristische Freiheitsbegriff (nochmals: auch aus meiner Sicht ist er nicht plausibel begründbar) ermöglicht Implikationen welche dem kompatibilistischen verschlossen sind (zumindest wenn man redlich bleibt).


Ja, er ermöglicht einen ursachenfreien Willensfreiheitsbegriff.
Gerade der ist aber m.E. kein Gewinn, sondern das Problem.
Darüber hinaus wüsste ich nicht, wo der libertaristische Freiheitsbegriff mehr kann als der kompatibilistische.

Dr Fraggles hat geschrieben:Ob man diese Implikationen (an vorderster Front: Verantwortlichkeit...nicht nur hinsichtlich der Moral !) als wesentlich erachtet oder nicht, mag dann lediglich eine Geschmacksfrage oder eine der Gewöhnung sein (freilich mit den dann ihm eigenen Implikationen).


Auch Sicht es Kompatibilismus ist man für seine Taten verantwortlich, denn man hat ja die freie Wahl. Du scheinst hier wieder zu denken, man habe die Wahl irgendwie doch nicht.
Aber wenn Freiheit bedeutet, selbst auf der Basis eigener Prämissen entscheiden zu können, dann hat man auch aus kompatibilistischer Sicht die Wahl – wo der Libertarismus hier mehr anzubieten scheint, ist dies eher unbegründet, denn worin der Zugewinn liegt, hört man meistens nicht.

Dr Fraggles hat geschrieben:Ich tendiere dazu, die Tatsache des Fehlens eines freien Willens aber als ein für die Lebenspraxis nicht relevant werden könnende Tatsache zu beurteilen. D.h. der "spontane" Lebensvollzug ist schlicht nicht kompatibel mit einer kompatibilistischen Freiheitsauffassung (wir kommen nicht darum herum uns in vielfältigsten Situationen libertaristiche Freiheit zu unterstellen).


Doch sicher. Es geht ja nicht darum vor jeder Entscheidung eine stundenlange sterile Selbstbefragung vorzunehmen, sondern einzig und allein darum, dass man eine rationale Begründung geben könnte.

Ist ja eigentlich – da Du öfter auch die Philosophie verweist – nichts anderes, als die Ansicht, etwas von Sellars, Brandom, Habermas und anderen, dass wir uns in einem Raum der Begründungen begegnen und dass das Spiel, was Mensch und Tier unterscheidet, das des Gebens und Verlangens von Gründen ist. Das meint ja auch nicht, dass wir jede Aussage und jede Handlung tatsächlich begründen, aber wir wissen voneinander, dass wir es könnten und sind uns Gewahr, dass wir uns in diesem Raum begegnen – auch wenn wir das im Einzelfall anders nennen: Es bedeutet, dass andere berechtigt sind uns nach unseren Motiven, Widersprüchen, Versäumnissen zu befragen, natürlich auch das nicht kontextfrei, die Ehefrau fragt anderes, als der Fremde auf der Straße und auch der Fragende darf nicht alles zu jeder Zeit fragen, sondern steht in jenem Raum der Gründe auch unter Beobachtung und muss sein Vorgehen selbst prinzipiell rechtfertigen können, gemäß der ggw. normativen Richtigkeiten.

Dasselbe gilt für das kompatibilistische Spiel und das lässt durchaus Raum für Spoantaneitäten, Intuitives und so weiter.

Dr Fraggles hat geschrieben:"Wer die Unfreiheit des Willens fühlt, ist geisteskrank, wer sie leugnet, ist dumm."(Nietzsche...wenn auch nicht in allen Bereichen das Mass aller Dinge, so vielleicht hier doch nicht ganz danebenliegend).


Man müsste wissen, was Nietzsche hier genau meint, ich weiß es nicht.

Dr Fraggles hat geschrieben:Dass eine eingeschränkt-graduelle (im oben beschriebenen Sinne) libertaristische Freiheit (könnte eine solche jenseits von Determinismus und Zufall plausibel gedacht werden) in präzis definierten Entscheidungssituationen durchaus sinnvoller als eine kompatibilistische wäre, scheint mir evident.


Etwas was evident scheint, ist es eher nicht. ;-)
Du willst Libertarier sein, ohne Libertarier zu sein, d.h. Du willst Dich nicht auf die Schwächen des Libetarismus, die Du erkennst, festnageln lassen, andererseits aber vom Liberatarismus keinen Abstand nehmen. Das kannst Du aber nicht durchhalten ohne in Widersprüche zu geraten.

Klär doch statt dessen lieber und das möglichst genau, worin genau Du die Nachteile des Kompatibilismus siehst, denn Du scheinst ja welche zu sehen.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » Mi 20. Jun 2012, 15:28

@ Vollbreit:
Nur Folgendes, der Rest später:
a)Du kritisierst meist völlig an meiner Position vorbei, da ich deine Kritikpunkte ja oft schon selbst benannt und als nicht auflösbar eingestanden habe.
b)Wie kannst du behaupten, dass es eine Wahlfreiheit gibt und zugleich die Entscheidungen determiniert sind (denn letzteres besagt doch der Kompatibilismus, tut er das aber nicht, verstrickt er sich in die identischen Probleme wie der libertarische Freiheitsidee. Denn zwischen unterschiedlichen eigenen Prämissen zu wählen, würde höherrangige Prämissen voraussetzen etc....was zu einem unendlichen Regress führen würde)?
C)Unterstelle mir bitte nicht Sachen (wie schon Darth nefarius): ich bin davon überzeugt, dass der Mensch in seinen Entscheiden determiniert ist und zwar durchgängig...er keine Wahl hat, die diesen Namen in irgendeiner Weise verdient (er ist diesbezüglich nicht freier als ein Stein). Dass diese Auffassung aber nicht vereinbar ist mit anderen Ideen ist ebenso klar. Du behauptest doch eine (trotz allem Determiniertsein) mysteriöse Wahlfreiheit! Was du unter Spontanäität und Intuitivem verstehst können wir offen lassen...determiniert sind ja auch sie.
Zuletzt geändert von Dr Fraggles am Mi 20. Jun 2012, 15:42, insgesamt 4-mal geändert.
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Re: Allwissenheit, Vorwissenheit, Willensfreiheit

Beitragvon Myron » Mi 20. Jun 2012, 15:30

Foreknowledge and Free Will: http://plato.stanford.edu/entries/free- ... knowledge/

Omniscience and Divine Foreknowledge: http://www.iep.utm.edu/omnisci/
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Vollbreit » Mi 20. Jun 2012, 16:18

Dr Fraggles hat geschrieben:a)Du kritisierst meist völlig an meiner Position vorbei, da ich deine Kritikpunkte ja oft schon selbst benannt und als nicht auflösbar eingestanden habe.


Das tut mir leid, weil ich weiß, dass es unangenehm ist, missverstanden zu werden, aber es liegt wirklich daran, dass ich Deine Position momentan schlicht nicht erkennen kann.
Das meine ich nicht abwertend, sondern ich weiß nicht wo genau Du Dich in der Lücke zwischen Libertarimus und Determinismus verorten möchtest.

Vielleicht weißt Du es selbst nicht und auch das wäre nicht weiter schlimm und ist nicht bös‘ gemeint, denn manchmal klärt sich das ja erst im Verlauf so einer Diskussion.

Dr Fraggles hat geschrieben:b)Wie kannst du behaupten, dass es eine Wahlfreiheit gibt und zugleich die Entscheidungen determiniert sind (denn letzteres besagt doch der Kompatibilismus)?


Ja, genau das besagt der Kompatibilismus.
Es müsste geklärt werden, was Wahlfreiheit beim Willen bedeuten soll, für mich bedeutet es, wenn ich bestimmte Ansichten, Vorlieben, Meinungen, Prämissen habe und diese ohne Zwang miteinander abgleichen kann, dann würde ich sagen, dass ich frei gewählt habe.
Dazu muss ich nicht zwingend wissen, warum mir eine Farbe, ein Geschmack oder eine Sportart besser gefällt als eine andere, aber ich kann dennoch zwanglos behaupten, dass mich Fußball mehr interessiert als Dressurreiten und dazu kann ich auch stehen.
Habe ich nun im Fernsehen die Wahl zwischen Fußball und Dressurreiten, wähle ich wohl Fußball.

Ich bin mir aber bewusst, dass ich (nach gängigen Kriterien) mir meine Eltern nicht ausgesucht habe, noch überhaupt geboren zu werden, auch nicht meine Haarbarbe und wohl auch nicht, warum mir Vanille besser als Schoko schmeckt.
Aber, Frage an Dich, bin ich deshalb schon unfrei, wer wäre dann überhaupt frei und wie würde ein Freiheitsbegriff aussehen, der all diese Kriterien erfüllt – wäre er nicht nahe an der Allmacht?

Was Dich hier offenbar massiv stört, ist der ins Spiel kommende Determinismus.
Dazu noch mal: 1) Der Kompatibilismus meint es mit dem Determinismus ernst und geht – zumindest im Gedankenexperiment – von einem totalen, harten, 100%igen Determinismus aus.
2) Wenn ich davon ausgehe, dass alles determiniert ist, dann heißt das zwar a) dass Gott (sofern es ihn gibt) alles wissen kann, was kommen wird, sofern Gott allwissend gedacht wird.
b) heißt das aber nicht, dass ich Gottes Sichtweise einnehmen kann, d.h. mein Wissen ist immer nur Teil, Ausschnitt, vorläufig, unvollkommen.
Genau diese Unvollkommenheit bewerkstelligt MEINE (aber nicht Gottes) Freiheit, denn durch die Vorläufigkeit meines Wissens, weiß ich heute eventuell weniger als morgen und was ich morgen evtl. weiß, kann meine Einstellung verändern (meine Prämissen sind dann evtl. nicht mehr die von eben).
Und dann bin ich frei meine Einstellung zur Finanzhilfe für Griechenland zu verändern.
Aus Gottes allwissender Sicht (aber nicht aus meiner) steht schon längst fest, was aus Griechenland wird und es steht auch fest, ob und wie oft und wodurch sich meine Einstellung zur Griechenlandhilfe verändern wird, aber zu dieser Sicht habe ich eben keinen Zugang. (Und nicht nur ich, auch Du und auch sonst niemand aus der Sprachgemeinschaft hat diesen Zugang.)
Gottes Freiheit ist also eine andere als meine, aber in beiden Fällen scheint mir der Begriff gerechtfertigt.

Dr Fraggles hat geschrieben:C)Unterstelle mir bitte nicht Sachen (wie schon Darth nefarius): ich bin davon überzeugt, dass der Mensch in seinen Entscheiden determiniert ist und zwar durchgängig...er keine Wahl hat, die diesen Namen in irgendeiner Weise verdient (er ist diesbezüglich nicht freier als ein Stein).


Ich glaube Grund zu der Annahme zu haben, dass mich mit Darth Nefarius rein gar nichts verbindet, so bezogen auf Weltbilder, Ansichten, Einschätzungen dieser und jeder Art, vergessen wir ihn also.
Und in der Tat bedeutet für mich und andere Kompatibilisten der Deteriminismus NICHT, dass der freie Wille damit unmöglich ist.

Dr Fraggles hat geschrieben:Dass diese Auffassung aber nicht vereinbar ist mit anderen Ideen ist ebenso klar. Du behauptest doch eine (trotz allem Determiniertsein) mysteriöse Wahlfreiheit! Was du unter Spontanäität und Intuitivem verstehst können wir offen lassen...determiniert sind ja auch sie.


Ja, wenn alles haarklein determiniert ist, auch dass ich in 20 Minuten eine (für mich) spontane Idee haben werden, dann kann ich diese Idee ja dennoch haben und sie kann für mich spontan sein.
Spontan für mich heißt ja nur, dass mir das vorher gar nicht in den Sinn gekommen ist, wenn Dir das längst klar war, kann das ja sein, ändert aber auch nichts daran, dass es für mich spontan war.
Dieser Begriff kann nicht letztlich als objektiv behandelt werden, ob eine Idee die ich jetzt habe, wirklich spontan in einem Sinne ist, der über mich hinaus geht, entscheidet die Sprachgemeinschaft. Wenn bei meiner ganz originellen Idee alle die Augen drehen, werde ich mit der Originalitätsbehauptung kaum durchkommen.
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Re: Allwissenheit, Vorwissenheit, Willensfreiheit

Beitragvon Dr Fraggles » Mi 20. Jun 2012, 20:16

@Vollbreit:
Meine Position habe ich SEHR klar formuliert: für mich gibt es keinen freien Willen (in einer gegebenen Situation so oder auch anders handeln können). Wenn alles determiniert ist, schliesst das die Möglichkeit wählen zu können aus (deine Interpretation von "wählen können" ist in meinen Augen der purste Euphemismus und schlimmer: eine Irreführung). Wenn du ernsthaft behauptest dass der Kompatibilismus behautet, dass bei einem universalen Determinismus zugleich gewählt werden könne, dann weiss ich nicht wovon du sprichst. Kein Kompatibilist sagt, dass man so oder anders handeln kann...ihre "Freiheiten" sind gänzlich andere und haben mit so oder anders handeln können (und das alleine kann sinnvoll mit "wählen können" gemeint) nichts, aber gar nichts zu tun.

"Unsere gewöhnliche Rede über Handlungen, Überlegungen und Entscheidungen ist im Rahmen der selbstverständlichen vortheoretischen Annahmen entstanden, dass die Zukunft offen und beeinflussbar ist, und dass wir im Handeln eine dieser offenen Möglichkeiten ergreifen. Wer dies Annahme zurückzieht, weil er den Weltlauf als alternativlos fixiert hält, sollte besser von Quasi-Überlegungen, Quasi-Fähigkeiten, Quasi-Entscheidungen und Quasi-Freiheit sprechen.
(...)keine Freiheit, die ihren Namen verdient, kommt ohne offene Möglichkeiten aus. Alternative Möglichkeiten sind nicht alles, was es für Freiheit braucht, aber ohne alternative Möglichkeiten ist alles nichts.
Werde im klassischen Kompatibilismus noch in seinen Weiterentwicklungen durch Moore, Strawson und Frankfurt gibt es ein Argument dafür, dass Freiheit im starken Sinn - Anderskönnenunter gleichen Umständen - mit dem Determinismus vereinbar ist. Argumentiert wird vielmehr dafür, den libertarischen Freiheitsbegriff durch einen anderen zu ersetzen. Es ist insofern irreführend die Vereinbarkeitsfrage als den Kern des Streits anzusehen. Der Streit dreht sich wesentlich um den richtigen Freiheitsbegriff." (aus Geert Keil "Willensfreiheit")

Ich habe keine Lust weiter darüber zu debattieren. Ich weiss, dass ich bisher KLARSTENS meine Position dargelegt habe. Was ich diesbezüglich für wahr halte und was mich daran irritiert, habe ich geschrieben: der libertarische Freiheitsbegriff ist nicht begründbar, der kompatibilistische hat mit Freiheit nichts zu tun.
Ich glaub ich lese nicht richtig wenn du schreibst ich schwanke zwischen verschiedenen Positionen: genau das machst du wenn du meinst der Kompatibilismus liesse Raum für Wahlfreiheit (es sei denn als völlig irreführende Beschreibung).
Meine Position ist eine Freiheitsskeptische, d.h. Freiheit ist in meinen Augen weder mit dem Determinismus noch mit dem Indeterminismus vereinbar.
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Re: Allwissenheit, Vorwissenheit, Willensfreiheit

Beitragvon AgentProvocateur » Mi 20. Jun 2012, 20:46

Dr Fraggles hat geschrieben:"Unsere gewöhnliche Rede über Handlungen, Überlegungen und Entscheidungen ist im Rahmen der selbstverständlichen vortheoretischen Annahmen entstanden, dass die Zukunft offen und beeinflussbar ist, und dass wir im Handeln eine dieser offenen Möglichkeiten ergreifen. Wer dies Annahme zurückzieht, weil er den Weltlauf als alternativlos fixiert hält, sollte besser von Quasi-Überlegungen, Quasi-Fähigkeiten, Quasi-Entscheidungen und Quasi-Freiheit sprechen.
(...)keine Freiheit, die ihren Namen verdient, kommt ohne offene Möglichkeiten aus. Alternative Möglichkeiten sind nicht alles, was es für Freiheit braucht, aber ohne alternative Möglichkeiten ist alles nichts.
Werde im klassischen Kompatibilismus noch in seinen Weiterentwicklungen durch Moore, Strawson und Frankfurt gibt es ein Argument dafür, dass Freiheit im starken Sinn - Anderskönnenunter gleichen Umständen - mit dem Determinismus vereinbar ist. Argumentiert wird vielmehr dafür, den libertarischen Freiheitsbegriff durch einen anderen zu ersetzen. Es ist insofern irreführend die Vereinbarkeitsfrage als den Kern des Streits anzusehen. Der Streit dreht sich wesentlich um den richtigen Freiheitsbegriff." (aus Geert Keil "Willensfreiheit")

Das riesige Problem ist bloß, dass es noch niemals jemand geschafft hat, 'offene Möglichkeiten', 'offene Zukunft', 'alternative Möglichkeiten', 'andershandeln-können-unter-gleichen-Umständen', bzw. den 'libertarischen Freiheitsbegriff' positiv nachvollziehbar darzulegen. Alle Versuche bisher in diese Richtung liefen immer nur auf ein 'es-konnte-nicht-anders-kommen-wenn-man-alle-Faktoren-berücksichtigt' hinaus. Aber 'es-konnte-nicht-anders-kommen-wenn-man-alle-Faktoren-berücksichtigt' ist nun mal etwas grundsätzlich anderes als ein 'er-hätte-auch-anders-handeln-können'. Und es ist unzulässig, einfach zu behaupten, Ersteres würde ja Zweiteres ausschließen - solange man Zweiteres gar nicht darlegen kann. Und ich meine, dass Kompatibilismus eine sehr komfortable Position ist, solange der Inkompatibilist keine positive Darlegung seines Freiheitsbegriffes leisten kann. Dabei giltet es z.B. nicht, einfach auf ein Zufallselement zu verweisen, weil das lediglich ein unbefriedigendes, weil hier irrelevantes 'es-hätte-auch-anders-kommen' herstellen kann. Und überhaupt läuft ein 'er-hätte-auch-anders-handeln-können-angenommen-alle-Faktoren-waren-absolut-identisch' letztlich auf folgende logisch unmögliches Szenario hinaus: "angenommen, Situation S sei identisch zu Situation S', kann dann gelten: S' != S"? Und das kann selbstverständlich laut Voraussetzung nicht der Fall sein. Und daher ist der libertarische Freiheitsbegriff meiner Ansicht nach per se leer, unverständlich, weil logisch unmöglich.

Aber, wie gesagt, wegen mir können wir die Willensfreiheit hier auch ein bisschen hinten an stellen. Ich habe noch einen interessanten Link zum Thema gefunden: Divine Foreknowledge and Newcomb's Paradox

Und noch eine Anmerkung: das grundlegende Problem hier ist meiner Ansicht nach Folgendes: es sind problemlos zwei absolut identische Welten denkbar, Welt A und Welt B, wobei sich A und B lediglich darin unterscheiden, dass, von einem Standpunkt außerhalb von A bzw. B gesehen, (d.h.: innerhalb von A und B gesehen nicht entscheidbar), es in A einen freien Willen (was auch immer man darunter versteht und angenommen, dieser sei logisch möglich) gibt und in B nicht. Falls wir nämlich ein Wesen annehmen, das alles über A weiß und kein Wesen, das alles über B weiß und annehmen, dass Allwissenheit Freiheit auschließt.
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Re: Allwissenheit, Vorwissenheit, Willensfreiheit

Beitragvon Vollbreit » Mi 20. Jun 2012, 22:02

Dr Fraggles hat geschrieben:Meine Position habe ich SEHR klar formuliert: für mich gibt es keinen freien Willen (in einer gegebenen Situation so oder auch anders handeln können). Wenn alles determiniert ist, schliesst das die Möglichkeit wählen zu können aus (deine Interpretation von "wählen können" ist in meinen Augen der purste Euphemismus und schlimmer: eine Irreführung).


Okay, dann weiß ich, was Du denkst, danke.

Dr Fraggles hat geschrieben:Wenn du ernsthaft behauptest dass der Kompatibilismus behautet, dass bei einem universalen Determinismus zugleich gewählt werden könne, dann weiss ich nicht wovon du sprichst.

Dr Fraggles hat geschrieben:Kein Kompatibilist sagt, dass man so oder anders handeln kann...ihre "Freiheiten" sind gänzlich andere und haben mit so oder anders handeln können (und das alleine kann sinnvoll mit "wählen können" gemeint) nichts, aber gar nichts zu tun.


Ich habe das mal getrennt, weil es zwei verschiedene Punkte sind:
Zum einen, sagen Kompatibilisten nicht (und ich auch nicht), dass man unter identischen Bedingungen so oder auch anders wählen könnte. Egal wie oft man den Vorgang wiederholt, unter identischen Bedingungen würde man immer gleich entscheiden müssen.
Dennoch hat man eine Wahl, da man auf dem Boden gegenwärtiger Prämissen abwägt und dann entscheidet.

Geert Keil hat geschrieben:"Unsere gewöhnliche Rede über Handlungen, Überlegungen und Entscheidungen ist im Rahmen der selbstverständlichen vortheoretischen Annahmen entstanden, dass die Zukunft offen und beeinflussbar ist, und dass wir im Handeln eine dieser offenen Möglichkeiten ergreifen. Wer dies Annahme zurückzieht, weil er den Weltlauf als alternativlos fixiert hält, sollte besser von Quasi-Überlegungen, Quasi-Fähigkeiten, Quasi-Entscheidungen und Quasi-Freiheit sprechen.
(...)keine Freiheit, die ihren Namen verdient, kommt ohne offene Möglichkeiten aus. Alternative Möglichkeiten sind nicht alles, was es für Freiheit braucht, aber ohne alternative Möglichkeiten ist alles nichts.
Werde im klassischen Kompatibilismus noch in seinen Weiterentwicklungen durch Moore, Strawson und Frankfurt gibt es ein Argument dafür, dass Freiheit im starken Sinn - Anderskönnenunter gleichen Umständen - mit dem Determinismus vereinbar ist. Argumentiert wird vielmehr dafür, den libertarischen Freiheitsbegriff durch einen anderen zu ersetzen. Es ist insofern irreführend die Vereinbarkeitsfrage als den Kern des Streits anzusehen. Der Streit dreht sich wesentlich um den richtigen Freiheitsbegriff." (aus Geert Keil "Willensfreiheit")


Anderskönnen unter gleichen Umständen, das geht nicht aus meiner Sicht und ich weiß auch nicht, wie man das erklären will.

Dr Fraggles hat geschrieben:Ich habe keine Lust weiter darüber zu debattieren. Ich weiss, dass ich bisher KLARSTENS meine Position dargelegt habe. Was ich diesbezüglich für wahr halte und was mich daran irritiert, habe ich geschrieben: der libertarische Freiheitsbegriff ist nicht begründbar, der kompatibilistische hat mit Freiheit nichts zu tun.


Das war mir nicht mehr geläufig, nun ist es mir bewusst, die letzten Beiträge hörten sich für mich anders an, aber Du hast Deine Position ja klar gargestellt.

Dr Fraggles hat geschrieben:Ich glaub ich lese nicht richtig wenn du schreibst ich schwanke zwischen verschiedenen Positionen: genau das machst du wenn du meinst der Kompatibilismus liesse Raum für Wahlfreiheit (es sei denn als völlig irreführende Beschreibung).
Meine Position ist eine Freiheitsskeptische, d.h. Freiheit ist in meinen Augen weder mit dem Determinismus noch mit dem Indeterminismus vereinbar.


Ja, das habe ich jetzt verstanden, halte es aber immer noch für falsch, wie irreführend der Freiheitsbegriff der Kompatibilisten letzten Endes ist, müssten wir untersuchen, falls Du möchtest, wie schon gesagt, wie können auch dem Vorschlag von Agent Provocateur folgen.


Agent Provocateur hat geschrieben:Und noch eine Anmerkung: das grundlegende Problem hier ist meiner Ansicht nach Folgendes: es sind problemlos zwei absolut identische Welten denkbar, Welt A und Welt B, wobei sich A und B lediglich darin unterscheiden, dass, von einem Standpunkt außerhalb von A bzw. B gesehen, (d.h.: innerhalb von A und B gesehen nicht entscheidbar), es in A einen freien Willen (was auch immer man darunter versteht und angenommen, dieser sei logisch möglich) gibt und in B nicht. Falls wir nämlich ein Wesen annehmen, das alles über A weiß und kein Wesen, das alles über B weiß und annehmen, dass Allwissenheit Freiheit auschließt.


Das habe ich nicht verstanden: Wenn Allwissenheit Freiheit ausschließt und es in A ein Wesen gibt, das alles über A weiß, dann ist dieses Wesen doch allwissend und dürfte dann doch keinen freien Willen besitzen!?

Und wenn in Welt B kein Wesen alles über B weiß, dann ist das doch im Grunde unsere, menschliche Situation, in der die Frage nach der Willensfreiheit dann nicht zu entscheiden wäre?
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Re: Allwissenheit, Vorwissenheit, Willensfreiheit

Beitragvon AgentProvocateur » Mi 20. Jun 2012, 23:04

Mein hypothetisches Szenario war folgendes: wenn a) (Prämisse) Allwissenheit Freiheit ausschließt und wir ein allwissendes Wesen außerhalb (= das ohne jeglichen Einfluss auf den Ablauf von A agierte) von A annehmen, das komplett alles über A weiß, dann gäbe es in A voraussetzungsgemäß laut a) keinen freien Willen, (egal, wie A beschaffen wäre).

Wenn wir alternativ eine zu A identische Welt B, in der es einen freien Willen gibt, annehmen, (unter der notwendigen Voraussetzung, dass ein freier Wille - was auch immer genau darunter verstanden wird - grundsätzlich logisch möglich ist) und gleichzeitig annehmen, dass es bisher kein Wesen gab, das bezüglich B allwissend ist, dann wäre ein freier Wille in B gegeben, in der zu B identischen Welt A jedoch nicht. (Ich zumindest sehe bisher nicht, wieso das per se unmöglich sein könne, dass es derartige identische Welten A und B geben könne, vielleicht aber gibt es ein - oder mehrere Argumente - dagegen.)

Nehmen wir weiter an, dass es plötzlich ein Wesen gäbe - wieder außerhalb von B - das allwissend bezüglich B (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) wäre. Dann wären die Wesen in B - unter der Voraussetzung, dass Allwissenheit Willensfreiheit ausschließt - plötzlich nicht mehr willensfrei. Und plötzlich wieder willensfrei, falls das allwissende Wesen stürbe, (zumindest in dem Falle willensfrei bezüglich derjenigen Entscheidungen, die das allwissende Wesen noch nicht (vorher-)gesehen hatte).

Was meiner Ansicht nach ziemlich absurd ist. (Falls man hier keinerlei Zusatzannahmen trifft - darüber, warum und wie das Wesen Allwissenheit habe, die wiederum auf die Beschaffenheiten der Welten zurückschlagen. Aber solche Zusatzannahmen wurden mE bisher nicht genannt. Und wenn sie genannt werden, ist die Frage, ob dann überhaupt Allwissenheit hier eine Rolle spielt, ob dann nicht lediglich die Beschaffenheit der Welt - z.B. eine als als metaphysisch existierend verstandene Kausalität - eine Rolle spielt.)

Was wir aber - meiner Ansicht nach - nicht tun können, ist folgendes: ein allwissendes Wesen innerhalb (= ein Wesen, das A oder B beeinflusste) von A oder von B annehmen. Bzw. das wäre ein meiner Ansicht nach ein entweder logisch unmögliches Szenario (falls man davon ausgeht, dass das Wesen die Zukunft berechnen kann) oder aber ein Szenario, das anscheinend (nach bisherigen Erkenntnissen - mit allem immer möglichen Irrtumsvorbehalt) auf unsere Welt nicht zutrifft.

Anders gesagt: ein allwissendes Wesen, das auf Nachfrage die Zukunft von jedem Wesen in unserer Welt (z.B. mir gegenüber meine Zukunft) exakt vorhersagen könnte, ist mE unmöglich. (Aber nicht logisch unmöglich, sondern lediglich unmöglich, falls wir Allmacht ausschließen. Falls das vorhersagende Wesen jedoch nicht lediglich allwissend wäre, sondern auch allmächtig, wenn es daher einfach alles, was es vorhersagt, auch geschehen macht. Aber wir reden ja hier nicht über Allmacht, sondern 'nur' über Allwissenheit, so habe ich zumindest Dr Fraggles verstanden. Und außerdem hätte dann die Vorhersage weniger mit dem Wissen zu tun, sondern nur mit der (All-)Macht.)

(Noch eine Anmerkung: ob ein Wesen, das allwissend bezüglich aller existierenden Welten - d.h. auch bezüglich seiner Welt - wäre, selber willensfrei wäre, ist noch eine zusätzliche, andere Frage.)
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Re: Allwissenheit, Vorwissenheit, Willensfreiheit

Beitragvon Vollbreit » Mi 20. Jun 2012, 23:57

AgentProvocateur hat geschrieben:Mein hypothetisches Szenario war folgendes: …
(Ich zumindest sehe bisher nicht, wieso das per se unmöglich sein könne, dass es derartige identische Welten A und B geben könne, vielleicht aber gibt es ein - oder mehrere Argumente - dagegen.)


Vielen Dank, jetzt habe ich es verstanden.
Ein Gegenargument finde ich nicht.

AgentProvocateur hat geschrieben:Nehmen wir weiter an, dass es plötzlich ein Wesen gäbe - wieder außerhalb von B - das allwissend bezüglich B (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) wäre. Dann wären die Wesen in B - unter der Voraussetzung, dass Allwissenheit Willensfreiheit ausschließt - plötzlich nicht mehr willensfrei. Und plötzlich wieder willensfrei, falls das allwissende Wesen stürbe, (zumindest in dem Falle willensfrei bezüglich derjenigen Entscheidungen, die das allwissende Wesen noch nicht (vorher-)gesehen hatte).


Kann ich so nicht sehen, denn die Prämisse ergibt ja nur dann Sinn, wenn es um die Freiheit des allwissenden Wesens geht und nicht bspw. um unsere.
Es sei denn die Prämisse ist bestimmend gesetzt, aber dann könnte die Prämisse auch lauten, Willensfreiheit ist dann nicht gegeben, wenn jemand einen roten Pullover trägt.
Definitionsgemäß wäre es dann auch so, dass wenn einer einen roten Pulli trägt der freie Wille abhanden gekommen wäre und wieder da, wenn keiner einen roten Pulli trägt.

AgentProvocateur hat geschrieben:Was meiner Ansicht nach ziemlich absurd ist. (Falls man hier keinerlei Zusatzannahmen trifft - darüber, warum und wie das Wesen Allwissenheit habe, die wiederum auf die Beschaffenheiten der Welten zurückschlagen. Aber solche Zusatzannahmen wurden mE bisher nicht genannt. Und wenn sie genannt werden, ist die Frage, ob dann überhaupt Allwissenheit hier eine Rolle spielt, ob dann nicht lediglich die Beschaffenheit der Welt - z.B. eine als als metaphysisch existierend verstandene Kausalität - eine Rolle spielt.)


Ja, das scheinen wir ähnlich zu sehen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Was wir aber - meiner Ansicht nach - nicht tun können, ist folgendes: ein allwissendes Wesen innerhalb (= ein Wesen, das A oder B beeinflusste) von A oder von B annehmen. Bzw. das wäre ein meiner Ansicht nach ein entweder logisch unmögliches Szenario (falls man davon ausgeht, dass das Wesen die Zukunft berechnen kann) oder aber ein Szenario, das anscheinend (nach bisherigen Erkenntnissen - mit allem immer möglichen Irrtumsvorbehalt) auf unsere Welt nicht zutrifft.


Ja, das würde analog zu den Einwänden gegen eine Laplaceschen Dämon in einen Regress führen.
Es müsste sein Verhalten in der Zukunft mitberechnen können und das würde seine Entscheidung womöglich beeinflussen… der Regress.
Anders scheint mir der Fall zu sein, wenn wir neben Allwissen auch noch Allmacht annehmen, denn dann kann der Gott Wissen was passiert und sollte er unzufrieden sein, eingreifen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Anders gesagt: ein allwissendes Wesen, das auf Nachfrage die Zukunft von jedem Wesen in unserer Welt (z.B. mir gegenüber meine Zukunft) exakt vorhersagen könnte, ist mE unmöglich.


Ah, das ist der Punkt, die Möglichkeit dem dem Wesen nachfragen zu können.
Das war mir so nicht klar.

AgentProvocateur hat geschrieben: (Aber nicht logisch unmöglich, sondern lediglich unmöglich, falls wir Allmacht ausschließen. Falls das vorhersagende Wesen jedoch nicht lediglich allwissend wäre, sondern auch allmächtig, wenn es daher einfach alles, was es vorhersagt, auch geschehen macht. Aber wir reden ja hier nicht über Allmacht, sondern 'nur' über Allwissenheit, so habe ich zumindest Dr Fraggles verstanden. Und außerdem hätte dann die Vorhersage weniger mit dem Wissen zu tun, sondern nur mit der (All-)Macht.)


Jepp, sehe ich auch so.

AgentProvocateur hat geschrieben:(Noch eine Anmerkung: ob ein Wesen, das allwissend bezüglich aller existierenden Welten - d.h. auch bezüglich seiner Welt - wäre, selber willensfrei wäre, ist noch eine zusätzliche, andere Frage.)


Ja, bin ich noch frei, wenn ich weiß, wie ich mich entscheiden werde?
Eigentlich verändert es meine Prämissen ja nicht, andererseits liegt die Freiheit ja zum Teil darin, dass man nicht weiß, was geschieht, mindestens im Bezug auf die eigene Entscheidung.
Würde ich jetzt meinen Koffer packen um pünktlich den Flieger zu einem Seminar zu kriegen, von dem ich heute schon weiß, dass es Morgen ausfallen wird, weil der Seminarleiter sich ein Bein bricht? Keine Ahnung.

Vom Ende her betrachtet scheint Freiheit tatsächlich die Unwissenheit zu brauchen, kurioserweise.
Aber intuitiv einsehbar ist bei dem Thema ja fast nichts.
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Re: Allwissenheit, Vorwissenheit, Willensfreiheit

Beitragvon Dr Fraggles » Do 21. Jun 2012, 00:56

...
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon AgentProvocateur » Do 21. Jun 2012, 01:43

Dazu will ich noch was sagen:

Dr Fraggles hat geschrieben:Dass der libertaristische Freiheitsbegriff für mich indiskutabel ist, hat primär mit dem Fehlen einers "dritten Weges" zu tun (der bisher zumindest meinem Kenntnisstand nach argumentativ nicht vorliegt aber auch grundsätzlich nicht vorstellbar zu sein scheint): entweder ist eine Handlung begründet oder nicht, ein Dazwischen scheint schlicht nicht denkbar...d.h. entweder sind Entscheide determiniert oder zufällig. Weder das eine noch das andere dient aber einer libertaristischen Freiheitsauffassung. [...] Der libertaristische Freiheitsbegriff (nochmals: auch aus meiner Sicht ist er nicht plausibel begründbar) ermöglicht Implikationen welche dem kompatibilistischen verschlossen sind (zumindest wenn man redlich bleibt). Ob man diese Implikationen (an vorderster Front: Verantwortlichkeit...nicht nur hinsichtlich der Moral !) als wesentlich erachtet oder nicht, mag dann lediglich eine Geschmacksfrage oder eine der Gewöhnung sein (freilich mit den dann ihm eigenen Implikationen). Ich tendiere dazu die Tatsache des Fehlens eines freien Willens aber als ein für die Lebenspraxis nicht relevant werden könnende Tatsache zu beurteilen. D.h. der "spontane" Lebensvollzug ist schlicht nicht kompatibel mit einer kompatibilistischen Freiheitsauffassung (wir kommen nicht darum herum uns in vielfältigsten Situationen libertaristiche Freiheit zu unterstellen). "Wer die Unfreiheit des Willens fühlt, ist geisteskrank, wer sie leugnet, ist dumm."(Nietzsche...wenn auch nicht in allen Bereichen das Mass aller Dinge, so vielleicht hier doch nicht ganz danebenliegend).
Dass eine eingeschränkt-graduelle (im oben beschriebenen Sinne) libertaristische Freiheit (könnte eine solche jenseits von Determinismus und Zufall plausibel gedacht werden) in präzis definierten Entscheidungssituationen durchaus sinnvoller als eine kompatibilistische wäre, scheint mir evident.

Entschuldige mal bitte, aber das erscheint mir völlig absurd. Einerseits sagst Du, dass der libertarische Freiheitsbegriff nicht fassbar sei, indiskutabel sei, undenkbar sei, nicht plausibel begründbar sei; anderseits aber behauptest Du, es erscheine Dir evident, dass er sinnvoll (bzw. sinnvoller als der kompatibilistische) sei?

Wie aber bitteschön kann etwas, das undenkbar, weil logisch unmöglich, ist, mit irgend etwas anderem verglichen, in Bezug gesetzt werden? Wie kann man ernsthaft behaupten, dass etwas Undefinierbares, ja, logisch Unmögliches notwendige Voraussetzung für etwas anderes (z.B. Verantwortung) sei? Mir erscheint das nun jenseits von jeglicher Evidenz, ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Egal, welche und wieviele Zufallsfaktoren Du zu einer Entscheidung auch hinzufügen magst: wieso sollten diese ausschlaggebend für berechtigte Zuweisung von Verantwortung sein? Meiner Ansicht nach ist genau das Gegenteil der Fall: je mehr jemand sich bewusst und absichtlich (und unter Abschätzung der möglichen Folgen) für eine Handlung entschieden hat, (was bedeutet: nicht! zufällig!), um so mehr ist es gerechtfertigt, ihm dafür Verantwortung zuzuweisen. Und je weniger er das hat - z.B. weil da (definitionsgemäß unbeeinflussbare) Zufallsfaktoren eine Rolle gespielt haben - um so weniger.

Und wenn hier weder Zufallsfaktoren noch (determinierte = von etwas anderem abhängigen, d.h. nicht einfach so aus dem Nichts hervorploppende) Gründe eine Rolle spielen sollen: was denn bitteschön sonst? Wie kann man den libertarischen Freiheitsbegriff positiv fassen? Das ist der allererste Schritt, den Inkompatibilisten leisten müssen. Erst dann kann man darüber reden, für was ein freier Wille in ihrem Sinne notwendige Voraussetzung sein könne/müsse/wie auch immer.
----
Aber nochmal: von mir aus können wir gerne die Willensfreiheit auch erst mal vergessen und über Allwissenheit reden. Und/oder in dem Zusammenhang auch über Newcomb's Paradox, (siehe meinen letzten Link oben).
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Re: Allwissenheit, Vorwissenheit, Willensfreiheit

Beitragvon Dr Fraggles » Do 21. Jun 2012, 01:44

AgentProvocateur hat geschrieben:Mein hypothetisches Szenario war folgendes: wenn a) (Prämisse) Allwissenheit Freiheit ausschließt und wir ein allwissendes Wesen außerhalb (= das ohne jeglichen Einfluss auf den Ablauf von A agierte) von A annehmen, das komplett alles über A weiß, dann gäbe es in A voraussetzungsgemäß laut a) keinen freien Willen, (egal, wie A beschaffen wäre).

Wenn wir alternativ eine zu A identische Welt B, in der es einen freien Willen gibt, annehmen, (unter der notwendigen Voraussetzung, dass ein freier Wille - was auch immer genau darunter verstanden wird - grundsätzlich logisch möglich ist) und gleichzeitig annehmen, dass es bisher kein Wesen gab, das bezüglich B allwissend ist, dann wäre ein freier Wille in B gegeben, in der zu B identischen Welt A jedoch nicht. (Ich zumindest sehe bisher nicht, wieso das per se unmöglich sein könne, dass es derartige identische Welten A und B geben könne, vielleicht aber gibt es ein - oder mehrere Argumente - dagegen.)

Nehmen wir weiter an, dass es plötzlich ein Wesen gäbe - wieder außerhalb von B - das allwissend bezüglich B (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) wäre. Dann wären die Wesen in B - unter der Voraussetzung, dass Allwissenheit Willensfreiheit ausschließt - plötzlich nicht mehr willensfrei. Und plötzlich wieder willensfrei, falls das allwissende Wesen stürbe, (zumindest in dem Falle willensfrei bezüglich derjenigen Entscheidungen, die das allwissende Wesen noch nicht (vorher-)gesehen hatte).

Was meiner Ansicht nach ziemlich absurd ist. (Falls man hier keinerlei Zusatzannahmen trifft - darüber, warum und wie das Wesen Allwissenheit habe, die wiederum auf die Beschaffenheiten der Welten zurückschlagen. Aber solche Zusatzannahmen wurden mE bisher nicht genannt. Und wenn sie genannt werden, ist die Frage, ob dann überhaupt Allwissenheit hier eine Rolle spielt, ob dann nicht lediglich die Beschaffenheit der Welt - z.B. eine als als metaphysisch existierend verstandene Kausalität - eine Rolle spielt.)

Was wir aber - meiner Ansicht nach - nicht tun können, ist folgendes: ein allwissendes Wesen innerhalb (= ein Wesen, das A oder B beeinflusste) von A oder von B annehmen. Bzw. das wäre ein meiner Ansicht nach ein entweder logisch unmögliches Szenario (falls man davon ausgeht, dass das Wesen die Zukunft berechnen kann) oder aber ein Szenario, das anscheinend (nach bisherigen Erkenntnissen - mit allem immer möglichen Irrtumsvorbehalt) auf unsere Welt nicht zutrifft.


Wenn man zwei Welten A und B hat welche zu einem bestimmten Zeitpunkt identisch wären, die eine "in Begleitung" eines allwissenden Wesens, die andere nicht (und Willensfreiheit als notwendige Bedingung so oder anders handeln können implizierte), dann ist mir nicht klar wie diese Identität der Welten hinsichtlich der freien Handlungen (von Zufällen mal abgesehen) aufrechterhalten werden könnte. Welt A würde sich gemäss der Allwissenheit entwickeln, Welt B würde sich aber davon abweichend entwickeln. Rein statistisch würde die Chance auf Übereinstimmung sehr schnell gegen Null sinken...möglicherweise ist dieser Einwand aber auch völlig irrelevant bezüglich dem Ziel deiner Argumentation.
Wenn es so ist, dass Allwissenheit Willensfreiheit ausschliesst, dann finde ich es schlüssig, dass der freie Wille dann möglich ist wenn keine Allwissenheit über die betreffende Welt existiert und umgekehrt. Angenommen Welt B ist zunächst ohne allwissenden "Zuschauer" und dieser Gesamtzustand ändert sich durch Hinzutreten eines allwissenden Wesens, dann ist ein freier Wille der die Welt B bewohnenden Wesen ausgeschlossen, stirbt das Wesen wäre ein freier Wille wieder möglich. Dies ist aber eine rein logischer Sachverhalt (Allwissenheit schliesst Willensfreiheit bzw. fehlende Allwissenheit erlaubt Willensfreiheit). Der Haken an der Geschichte scheint mir zu sein, dass ein Wechsel vom Vorhandensein der Allwissenheit zum Fehlen einer solchen die Welt mitverändern müsste (Wesen in diesem Fall die Willensfreiheit "wegnehmen"). Aber selbst dies scheint nur dann in eine wirkliche Absurdität zu führen wenn man folgert, dass die Allwissenheit oder dessen Fehlen die Konstitution der Welt determiniert, Allwissenheit determiniert die Welt nicht sondern setzt lediglich ihre Determiniertheit voraus. Diese ontologische Veränderung der Welt wäre dann ein separates Problem welches nicht erklärt wäre durch das Auftauchen/Verschwinden eines allwissenden Wesens. Oder anders: gerade weil die Allwissenheit die Welt nicht determiniert, könnte man das Szenario als absurd taxieren, was vermutlich deine Position ist (und da würde dann wohl allein die Allmacht als "plausibler" Kandidat für eine Lösung in Frage kommen).
Zuletzt geändert von Dr Fraggles am Do 21. Jun 2012, 02:16, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » Do 21. Jun 2012, 01:57

AgentProvocateur hat geschrieben:Dazu will ich noch was sagen:

Dr Fraggles hat geschrieben:Dass der libertaristische Freiheitsbegriff für mich indiskutabel ist, hat primär mit dem Fehlen einers "dritten Weges" zu tun (der bisher zumindest meinem Kenntnisstand nach argumentativ nicht vorliegt aber auch grundsätzlich nicht vorstellbar zu sein scheint): entweder ist eine Handlung begründet oder nicht, ein Dazwischen scheint schlicht nicht denkbar...d.h. entweder sind Entscheide determiniert oder zufällig. Weder das eine noch das andere dient aber einer libertaristischen Freiheitsauffassung. [...] Der libertaristische Freiheitsbegriff (nochmals: auch aus meiner Sicht ist er nicht plausibel begründbar) ermöglicht Implikationen welche dem kompatibilistischen verschlossen sind (zumindest wenn man redlich bleibt). Ob man diese Implikationen (an vorderster Front: Verantwortlichkeit...nicht nur hinsichtlich der Moral !) als wesentlich erachtet oder nicht, mag dann lediglich eine Geschmacksfrage oder eine der Gewöhnung sein (freilich mit den dann ihm eigenen Implikationen). Ich tendiere dazu die Tatsache des Fehlens eines freien Willens aber als ein für die Lebenspraxis nicht relevant werden könnende Tatsache zu beurteilen. D.h. der "spontane" Lebensvollzug ist schlicht nicht kompatibel mit einer kompatibilistischen Freiheitsauffassung (wir kommen nicht darum herum uns in vielfältigsten Situationen libertaristiche Freiheit zu unterstellen). "Wer die Unfreiheit des Willens fühlt, ist geisteskrank, wer sie leugnet, ist dumm."(Nietzsche...wenn auch nicht in allen Bereichen das Mass aller Dinge, so vielleicht hier doch nicht ganz danebenliegend).
Dass eine eingeschränkt-graduelle (im oben beschriebenen Sinne) libertaristische Freiheit (könnte eine solche jenseits von Determinismus und Zufall plausibel gedacht werden) in präzis definierten Entscheidungssituationen durchaus sinnvoller als eine kompatibilistische wäre, scheint mir evident.

Entschuldige mal bitte, aber das erscheint mir völlig absurd. Einerseits sagst Du, dass der libertarische Freiheitsbegriff nicht fassbar sei, indiskutabel sei, undenkbar sei, nicht plausibel begründbar sei; anderseits aber behauptest Du, es erscheine Dir evident, dass er sinnvoll (bzw. sinnvoller als der kompatibilistische) sei?

Wie aber bitteschön kann etwas, das undenkbar, weil logisch unmöglich, ist, mit irgend etwas anderem verglichen, in Bezug gesetzt werden? Wie kann man ernsthaft behaupten, dass etwas Undefinierbares, ja, logisch Unmögliches notwendige Voraussetzung für etwas anderes (z.B. Verantwortung) sei? Mir erscheint das nun jenseits von jeglicher Evidenz, ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Egal, welche und wieviele Zufallsfaktoren Du zu einer Entscheidung auch hinzufügen magst: wieso sollten diese ausschlaggebend für berechtigte Zuweisung von Verantwortung sein? Meiner Ansicht nach ist genau das Gegenteil der Fall: je mehr jemand sich bewusst und absichtlich (und unter Abschätzung der möglichen Folgen) für eine Handlung entschieden hat, (was bedeutet: nicht! zufällig!), um so mehr ist es gerechtfertigt, ihm dafür Verantwortung zuzuweisen. Und je weniger er das hat - z.B. weil da (definitionsgemäß unbeeinflussbare) Zufallsfaktoren eine Rolle gespielt haben - um so weniger.

Und wenn hier weder Zufallsfaktoren noch (determinierte = von etwas anderem abhängigen, d.h. nicht einfach so aus dem Nichts hervorploppende) Gründe eine Rolle spielen sollen: was denn bitteschön sonst? Wie kann man den libertarischen Freiheitsbegriff positiv fassen? Das ist der allererste Schritt, den Inkompatibilisten leisten müssen. Erst dann kann man darüber reden, für was ein freier Wille in ihrem Sinne notwendige Voraussetzung sein könne/müsse/wie auch immer.
----
Aber nochmal: von mir aus können wir gerne die Willensfreiheit auch erst mal vergessen und über Allwissenheit reden. Und/oder in dem Zusammenhang auch über Newcomb's Paradox, (siehe meinen letzten Link oben).


Nur kurz: Ich sehe da keinen Widerspruch: ich kann doch behaupten, dass der freie Wille (so oder nicht anders handeln können) logisch nicht denkbar ist, d.h. dass wir nur die Denkalternativen Determiniertsein oder Zufall haben worin der Sinn des libertarischen Freiheitsbegriffes aber nicht aufgeht...aber zugleich behaupten, dass ich mir etwas darunter vorstellen kann wenn ich sage, dass man in einer gegebenen Situation sich so oder anders entscheiden kann (ich habe Mühe mir vorzustellen, dass das jemand nicht können sollte...denn das ist Teil unserer Alltagsintuition diesen Begriff betreffend).
Wenn nun jede Handlung, jeder Willensbilgungsprozess determiniert ist: ja, warum sollte ich dann verantwortlich sein für meine Entscheidungen. Ich kann doch plausiblerweise nur dann für etwas Gerade stehen wenn ich auch anders hätte handeln können. Dass Willensfreiheit oder auch Verantwortlichkeit Bewusstheit, Reflexionsfähigkeit etc. impliziert, ist auch für mich klar, ich rede nun wirklich nirgends von einer Willensfreiheit welche vom Zufall gesteuert wird (und das tut auch kein Vertereter der libertarischen Freiheit).
Und nochmals der Klarheit wegen: für mich ist der libertarische Freiheitsbegriff nicht haltbar (aus logischen Gründen), der kompatibilistische ist nicht haltbar (aus ethischen Gründen).
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Re: Allwissenheit, Vorwissenheit, Willensfreiheit

Beitragvon AgentProvocateur » Do 21. Jun 2012, 02:29

Dr Fraggles hat geschrieben:[...] Allwissenheit determiniert die Welt nicht sondern setzt lediglich ihre Determiniertheit voraus. [...]

Ich glaube, genau das ist der Knackpunkt hier zwischen uns. Wir sind uns (so scheint mir zumindest) darüber einig, dass Allwissenheit die Welt nicht determiniert, aber wir scheinen unterschiedlicher Auffassung darüber zu sein, ob Allwissenheit bezüglich einer Welt W die Determiniertheit von W implizieren müsse. Ich meine das nicht und ich sehe auch nicht, wieso das folgen solle.

Und mein Einwand an der Stelle ist nun folgender: nehmen wir nun for the sake of argument mal an, diese Implikation würde logisch (oder sonstwie) notwendigerweise folgen, (nur als Annahme, das glaube ich, wie gesagt, mitnichten). Dann würde ich aber immer noch bestreiten wollen, dass Allwissenheit hier eine Rolle spielte. Ich würde behaupten wollen, dass lediglich die Determiniertheit (= die Beschaffenheit der Welt und nicht! das hypothetische Wissen eines außerweltlichen hypothetischen Wesens) eine Rolle spielen würde. Ich würde also behaupten wollen, dass das Wissen oder Nicht-Wissen des hypothetischen (und: im Gedankenexperiment für uns prinzipiell unerkennbaren!) Wesens für unsere Frage völlig irrelevant sei.

Sprich: ob es ein solches Wesen gibt oder nicht, kann für die Frage nach der Willensfreiheit keine Rolle spielen. Zumindest nicht, solange es keinen Einfluss auf den Willen/die Entscheidungen nimmt.

Aber: ich gebe zu, dass, wenn es Dir gelänge, a) zu zeigen, dass Determismus Willensfreiheit ausschließt und b) Allwissenheit Determinimus notwendigerweise impliziere, Du zumindest indirekt von Allwissenheit auf Nicht-Willensfreiheit schließen könntest, (falls Du zusätzlich! Allwissenheit so definierst, dass sie das Wissen um die Zukunft beinhalten müsse - was ich aber für fragwürdig hielte, denn ich würde Allwissenheit so definieren: "X ist allwissend bezüglich der Welt W, wenn X jetzt alle Wahrheitswerte aller Aussagen bezüglich W kennt, die jetzt gekannt werden können").

Bloß: ich denke, Du kannst noch nicht mal a) zeigen. Und aber selbst wenn Du a) zeigen könntest: dann könnte es eben sein, dass schlicht Allwissenheit nicht das Wissen um die Zukunft (bzw. bestimmter Abläufe der Zukunft) beinhaltet. Irgendwie läuft das für mich auf einen unnötigen Umweg, bzw. sogar auf eine zirkuläre Argumentation hinaus.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon AgentProvocateur » Do 21. Jun 2012, 02:57

Dr Fraggles hat geschrieben:Nur kurz: Ich sehe da keinen Widerspruch: ich kann doch behaupten, dass der freie Wille (so oder nicht anders handeln können) logisch nicht denkbar ist, d.h. dass wir nur die Denkalternativen Determiniertsein oder Zufall haben worin der Sinn des libertarischen Freiheitsbegriffes aber nicht aufgeht...

Worin geht der Sinn des libertarischen Freiheitsbegriffes denn auf? Was bedeutet er, wie kann ich mir das vorstellen? Wie kann ich etwas Drtittes denken, wo es kein Drittes geben kann?

Dr Fraggles hat geschrieben:aber zugleich behaupten, dass ich mir etwas darunter vorstellen kann wenn ich sage, dass man in einer gegebenen Situation sich so oder anders entscheiden kann (ich habe Mühe mir vorzustellen, dass das jemand nicht können sollte...denn das ist Teil unserer Alltagsintuition diesen Begriff betreffend).

Klar kannst Du Dich in einer Situation mit mehreren Alternativen so oder so entscheiden, wieso solltest Du das nicht können? Liegt doch dann an Dir, wie Du Dich entscheidest. Oder meinst Du, dass das nicht an Dir läge?

Dr Fraggles hat geschrieben:Wenn nun jede Handlung, jeder Willensbilgungsprozess determiniert ist: ja, warum sollte ich dann verantwortlich sein für meine Entscheidungen. Ich kann doch plausiblerweise nur dann für etwas Gerade stehen wenn ich auch anders hätte handeln können. Dass Willensfreiheit oder auch Verantwortlichkeit Bewusstheit, Reflexionsfähigkeit etc. impliziert, ist auch für mich klar, ich rede nun wirklich nirgends von einer Willensfreiheit welche vom Zufall gesteuert wird (und das tut auch kein Vertereter der libertarischen Freiheit).

Nun, die Entscheidungen von verantwortlichen Individuen sind gesteuert von Überlegungen, Prägungen, Vorlieben, Abwägungen, Reflexionen, Intuitionen, Bewertungen etc. pp. Und davon sind sie - im besten Falle - auch determiniert. Jeder Zufall, den wir hinzunehmen, kann nichts für Verantwortung Ausschlagebendes hinzufügen. Zumindest soweit sind wir uns wohl einig. Gut, aber was sonst soll Deiner Ansicht nach hinzukommen, was fehlt, um gerechtfertigt Verantwortung zuweisen zu können? Diesen Punkt verstehe ich nicht.

(Und da ist noch ein anderer, ganz kleiner, aber dennoch nicht ganz unwesentlicher Punkt: nehmen wir mal an, wir könnten gar nichts gerechtfertigt tun. Was und wieso wollte man dann etwas jemandem gerechtfertigt vorwerfen? Dann wäre es doch einfach völlig egal, (weil: alternativlos), ob jemand einen anderen für verantwortlich hielte oder nicht, dann gäbe es ja schlicht keine Alternative dazu. Dann wäre eben alles so, wie es wäre, alternativlos. Es ist einfach mal wieder völlig absurd, zu sagen: "wir handeln alle so, wie wir handeln, völlig alternativlos, weil determiniert und also dürfen wir nicht einen anderen für verantwortlich halten, weil keiner anders kann, als er tut und also müssen wir anders tun, als wir tun, (nämlich die anderen für unverantwortlich halten)".

Dr Fraggles hat geschrieben:Und nochmals der Klarheit wegen: für mich ist der libertarische Freiheitsbegriff nicht haltbar (aus logischen Gründen), der kompatibilistische ist nicht haltbar (aus ethischen Gründen).

Ein beliebiger, unverständlicher, weil logisch nicht fassbarer Begriff (nennen wir ihn mal spaßeshalber 'Stankibank') ist nicht haltbar, aber er ist dennoch notwendige Voraussetzung für etwas anderes (hier: Verantwortung)? Das verstehe, wer will, ich verstehe es nicht.

Und wieso ist der kompatibilistische Freiheitsbegriff aus ethischen Gründen nicht haltbar? Weil er nicht Stankibank ist?
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Re: Allwissenheit, Vorwissenheit, Willensfreiheit

Beitragvon Dr Fraggles » Do 21. Jun 2012, 03:12

AgentProvocateur hat geschrieben:
Dr Fraggles hat geschrieben:[...] Allwissenheit determiniert die Welt nicht sondern setzt lediglich ihre Determiniertheit voraus. [...]

Ich glaube, genau das ist der Knackpunkt hier zwischen uns. Wir sind uns (so scheint mir zumindest) darüber einig, dass Allwissenheit die Welt nicht determiniert, aber wir scheinen unterschiedlicher Auffassung darüber zu sein, ob Allwissenheit bezüglich einer Welt W die Determiniertheit von W implizieren müsse. Ich meine das nicht und ich sehe auch nicht, wieso das folgen solle.

Und mein Einwand an der Stelle ist nun folgender: nehmen wir nun for the sake of argument mal an, diese Implikation würde logisch (oder sonstwie) notwendigerweise folgen, (nur als Annahme, das glaube ich, wie gesagt, mitnichten). Dann würde ich aber immer noch bestreiten wollen, dass Allwissenheit hier eine Rolle spielte. Ich würde behaupten wollen, dass lediglich die Determiniertheit (= die Beschaffenheit der Welt und nicht! das hypothetische Wissen eines außerweltlichen hypothetischen Wesens) eine Rolle spielen würde. Ich würde also behaupten wollen, dass das Wissen oder Nicht-Wissen des hypothetischen (und: im Gedankenexperiment für uns prinzipiell unerkennbaren!) Wesens für unsere Frage völlig irrelevant sei.

Sprich: ob es ein solches Wesen gibt oder nicht, kann für die Frage nach der Willensfreiheit keine Rolle spielen. Zumindest nicht, solange es keinen Einfluss auf den Willen/die Entscheidungen nimmt.

Aber: ich gebe zu, dass, wenn es Dir gelänge, a) zu zeigen, dass Determismus Willensfreiheit ausschließt und b) Allwissenheit Determinimus notwendigerweise impliziere, Du zumindest indirekt von Allwissenheit auf Nicht-Willensfreiheit schließen könntest, (falls Du zusätzlich! Allwissenheit so definierst, dass sie das Wissen um die Zukunft beinhalten müsse - was ich aber für fragwürdig hielte, denn ich würde Allwissenheit so definieren: "X ist allwissend bezüglich der Welt W, wenn X jetzt alle Wahrheitswerte aller Aussagen bezüglich W kennt, die jetzt gekannt werden können").

Bloß: ich denke, Du kannst noch nicht mal a) zeigen. Und aber selbst wenn Du a) zeigen könntest: dann könnte es eben sein, dass schlicht Allwissenheit nicht das Wissen um die Zukunft (bzw. bestimmter Abläufe der Zukunft) beinhaltet. Irgendwie läuft das für mich auf einen unnötigen Umweg, bzw. sogar auf eine zirkuläre Argumentation hinaus.


Dass Allwissenheit die Determiniertheit der Welt voraussetzt ist für mich evident: Allwissenheit impliziert Determiniertheit. Wie könnte Wissen über was auch immer existieren wenn das worauf sich das Wissen bezieht nicht eindeutig festgelegt wäre?
Natürlich genügt die Determiniertheit der Welt um die Willensfreiheit auszuschliessen (das ist eine Definitionsfrage) und das ist auch der Grund warum der freie Wille nicht existiert im Falle der Existenz von Allwissenheit. Ich habe schon früh darauf hingewiesen, dass die Allwissenheit nichts determiniert, aber wo Allwissenheit ist, dort ist aus meiner Sicht eben eine Determiniertheit notwendig gegeben. Wie sollte Allwissenheit (oder schlicht Wissen) über etwas möglich sein, wenn das worauf sich das Wissen bezieht selber unbestimmt wäre (und das folgt wenn man sagt dass Wissen Determiniertheit nicht impliziert).
Insofern kommt es zunächst aufs selbe raus ob man in der Fragestellung Allwissenheit mit Determiniertheit ersetzt. Allerdings impliziert für mich Allwissenheit notwendig Determiniertheit welches ja überhaupt mein zentrales Argument in dieser Frage ist/war.
Falls so ein allwissendes Wesen existiert, schliesst das Willensfreiheit aus (ob nun das Wesen direkten Einfluss auf den gewussten Gegenstand nimmt via Allmacht oder ob eine andere Erklärung für seine Allwissenheit existiert, ist sekundär).
Zu a): Willensfreiheit (so oder anders handeln können) und Determinismus schliessen sich gegenseitig aus. Das ist eine reine Definitionsfrage.
Zu b): Ich denke dass du die "Beweislast" trägst plausibel darzulegen wie es Wissen geben soll ohne dass der gewusste Gegenstand/Ereignis/Zustand determiniert (und damit bestimmt) ist.
Natürlich impliziert Allwissenheit nur einen Determinismus bezüglich des Gewussten, ist die Zukunft nicht Teil der Allwissenheit so ist natürlich die Willensfreiheit nicht ausgeschlossen...aber das ist wieder nur eine reine Definitionsfrage und das ist reichlich uninteressant, da dann jeder anfängt die Sachen so zu definieren, dass er Recht behält. Ich habe meine Prämissen/Definitionen (gerade auch bezüglich Willensfreiheit und Allwissenheit, Determiniertheit versteht sich wohl mittlerweile von selbst) schon zu Anfang der Diskussion dargelegt, ändert man sie, was bei gegebenem Konsens legitim ist, hat man eine neue Situation, welche mit der ursprünglichen unter Umständen wenig zu tun hat.
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Re: Allwissenheit, Vorwissenheit, Willensfreiheit

Beitragvon AgentProvocateur » Do 21. Jun 2012, 19:38

Ich bin nun ziemlich verwirrt, weil das für mich jetzt so aussieht, als ob Du 'Bestimmtheit' mit 'Determiniertheit' gleich setzen wolltest. Aber das ist nicht das Gleiche. Wir betrachten ein Geschehen X und dann ist X im Nachhinein eindeutig festgelegt/bestimmt - ist nämlich so geschehen, wie es geschehen ist und nicht anders. Aber das bedeutet doch nicht auch automatisch, dass X determiniert war.

Setzen wir für X mal den Atomzerfall eines bestimmten Atomes. Der kann sehr wohl bestimmt sein - das Atom ist zum Zeitpunkt t zerfallen - aber daraus kann man doch nicht folgern, dass das determiniert geschehen ist.

Ein Geschehen, das determiniert ist, ist dann auch auch bestimmt. Aber der Umkehrschluss (wenn etwas bestimmt ist, ist es auch determiniert) ist falsch. Zumindest unter Zugrundelegung dessen, was ich unter 'Determiniertheit' verstehe.

So wie aber Du hier 'Determiniertheit' verwendest, läuft das letztlich auf die Gleichsetzung 'Existenz' == 'Determiniertheit' hinaus.

Und so sieht Dein Punkt a) ("Willensfreiheit (so oder anders handeln können) und Determinismus schliessen sich gegenseitig aus. Das ist eine reine Definitionsfrage.") sehr merkwürdig aus, denn das liefe ja dann darauf hinaus, dass ein freier Wille per definitionem nicht existieren könne. Und wenn so, dann kann man sich alles Drumherumgerede (z.B. über Allwissenheit) völlig sparen; wäre alles nur Ablenkung vom schlichten Fakt, dass der freie Wille schlicht per se so definiert wurde, dass er nicht existieren kann. Und dann sollte man nur diesen Fakt betrachten, alles Zusätzliche sind dann nur red herrings.
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Re: Gott und Allwissenheit - ein widersprüchliches Konzept?

Beitragvon Dr Fraggles » Do 21. Jun 2012, 23:30

[MOD]Zitat gekürzt. Bitte beachte §2.3.1 unserer Forenregeln![/MOD/Myron]
AgentProvocateur hat geschrieben:Und wieso ist der kompatibilistische Freiheitsbegriff aus ethischen Gründen nicht haltbar? Weil er nicht Stankibank ist?


@AgentProvokateur:

Ich denke wir können die Diskussion dieses Thema betreffend abbrechen. Entweder wir reden völlig aneinander vorbei oder ich weiss nicht was...
Zum letzten Mal:
a) Ich glaube nicht an eine libertarischen Freiheitsbegriff weil er nicht gedacht werden kann...das ist die logisch-analytische Seite, also die Seite welche den Wahrheitsanspruch dieser Form von Willensfreiheit untersucht: das Konzept einer libertarischen Willensfreiheit ist absurd oder wie auch immer du das nennen magst. Er ist falsch bzw. nicht plausibel (wenn man davon ausgeht, dass Absurdes oder wie auch immer nicht wahr, plausibel sein kann).
b) Ich behaupte aber dennoch, dass ein hypothetisch existierender libertarischer freier Wille Sinn machen würde, d.h.einer der vernünftig denkbar wäre, also der "dritte Weg" zwischen Determiniertheit und Zufall (bezüglich moralisch relevanter Entscheidungen/Handlungen und deren Zurechenbarkeit incl. den folgenden Belohnungs- und Strafpraxen aber auch bezüglich leidhafter Folgen unfreier Handlungen). Sinn bedeutet hier nicht logisch stimmig, sondern dass er Verantwortlichkeit erst plausibel machen kann etc. Vielleicht, was ich mittlerweile vermute, ist das eine Sache des Geschmacks: ich finde es einfach widersinnig jemanden zu bestrafen obwohl er nicht anders konnte (und genau das sagt der Kompatibilismus, trotz allem Reden von Entscheidungen, wählen können etc.).
c) Jeder Freiheitsbegriff der mit dem Determinismus vereinbar ist, ist für mich zwar wahrheitsfähig aber reduziert den Freiheitsbegriff zu einer gehaltlosen Chimäre (was Verantwortlichkeit etc. betrifft). Wenn du sagst, dass bei gegebenen Alternativen ich so oder so entscheiden kann, dann meinst du das aber eben nicht im Sinne des Libertarismus (so oder anders handeln können in einer gegebenen Situation). Du verwendest zwar dieselben Ausdrücke, meinst aber etwas völlig anderes. Ich bezeichne das nach wie vor als euphemistisch und irreführend. Man sollte von Entscheidung nur dort reden wo eine echte Wahlmöglichkeit gegeben ist.
d)Dein Einwand, dass wenn alles alternativlos ist, auch jede Reaktion auf determiniertes Handeln alternativlos ist, ist ein ganz schwaches Scheinargument (welches z.B. auch Geert Keil völlig falsch versteht). Es ist die Geschichte des verurteilten Verbrechers der sagt:"Richter ich konnte doch gar nicht anders(weil alles determiniert ist)." Richter:"(In dem Fall) ich auch nicht."
Rein abstrakt-logisch mag das Argument Gültigkeit besitzen, aber sobald es in die Realität übersetzt wird (wie im angegebenen Beispiel) ist es haltlos. Da hast du eine Knacknuss: wesshalb versagt das Argument in der Praxis?
Zuletzt geändert von Dr Fraggles am Fr 22. Jun 2012, 00:19, insgesamt 2-mal geändert.
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