Wozu dient der Gottesbegriff?

Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon stine » Do 21. Jun 2012, 07:08

Darth Nefarius hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Komisch, du negierst eine Aussage, um dann genau das Selbe auszusagen.

Du hast meine Aussage nicht verstanden, hier nochmal die Gegenüberstellung und ein vollständigeres Zitat (ich habe die wichtigen Stellen untersrichen und mangelnde Ausführung markiert):
stine hat geschrieben:Der Gottesbegriff dient mE dazu, diese Welt für uns Menschen als Übergang zu betrachten(?). Diese Welt ist ein Stück unseres Seins. Sie macht sozusagen den irdisch gewordenen Zustand unseres Seins erst möglich.
Sich bewusst zu werden, dass das Leben endlich ist, war mit Sicherheit ein großer Aspekt, sich überhaupt religiös zu verhalten.
Der Gottesbegriff ist und bleibt die Ahnung all dessen und gerade drum, wird er uns noch lange begleiten.

So, hier hast du also begründet, dass die Erkenntnis (/das "sich bewusst werden"), dass wir sterblich sind, die Religiösität begründet. Ich habe dies bestritten und genau das Gegenteil behauptet:
Darth Nefarius hat geschrieben:Religion bedeutet, genau diese Erkenntnis zu leugnen, indem man von "Unsterblichkeit der Seele" oder Wiedergeburt redet.
Und?
Weil man sich seines irdischen begrenzten Lebens bewusst wurde, flüchtete man in die Religion, weil diese die Unsterblichlichkeit der Seele beinhaltet. Wo ist der Widerspruch zu deiner Aussage?

:ka: stine
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Do 21. Jun 2012, 07:22

Lumen hat geschrieben:Sollte ich die Aufforderung zum Zweifeln, Gehorsam missachten, Hinterfragen und Kritisieren (des Glaubens, oder der Autoritäten) wirklich einseitig überlesen haben, ist es sicher kein Problem, entsprechende Stellen kurz zu nennen (grob in welchem Zusammenhang reichte mir aus). Ich glaube nämlich nicht, dass ich eine selektive Wahrnehmung dazu habe.

Es gibt sehr viele Beispiele und man kann sehr leicht zeigen, dass deine Wahrnehmung selektiv ist. Die ganze Bibel fordert z.B. durchweg dazu auf "anderen" Göttern gegenüber kritisch zu sein. Andererseits: Zeig mir mal z.B. eine Verfassung oder ein Grundgesetz, dass diese deine Ansprüche erfüllt. "Im Recht fühlt sich, wer in seiner Streitsache als erster auftritt, bis sein Nächster kommt und ihn ausforscht." Spr. 18.17 ;-)
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Do 21. Jun 2012, 07:41

@Darth Nefarius, post scriptum

Aber ich wollte eigentlich nicht hier steckenbleiben. Es ist klar, daß uns eine Institution, die darüber wacht, was gedacht werden darf, fremd vorkommt. Sollte heutzutage jemand auftreten, der irgendwelche ungenügenden Beweise für eine Theorie liefert, dann würde man einen solchen modernen Galilei einfach als spekulativen Denker bezeichnen, um es mal positiv auszudrücken. Wenn sich dann Jahrhunderte später zeigen sollte, daß er doch recht hatte (wie es im Fall des historischen Galilei der Fall war), dann wird man ihn vielleicht als "Visionär" oder "Wegbereiter" bezeichnen. Die Kirche hat im Rückblick den Fehler begangen, einem im Grunde mittelmäßigem, wenig orignellem Wissenschaftler die Bühne der Inquisition bereitet zu haben, mit Robert Bellarmi als Vorsitzendem.

Duhem hatte 1908 erklärt:

"Angenommen, die Hypothesen des Kopernikus könnten alle bekannten Erscheinungen erklären, dann könnte man daraus schliessen, dass sie möglicherweise wahr sind, keineswegs aber, dass sie notwendig stimmen. Um diesen letzten Schluss zu ziehen, müsste man ja beweisen, dass kein anderes System erdenkbar ist, das die Erscheinungen genau so gut erklärt. Dieser letzte Beweis ist aber nie geführt worden."

Heute können wir sagen: doch, ist er. Die Relativitätstheorie bildet eben dieses andere System. Aber von ihrer Sprengkraft ahnten weder Galilei noch Bellarmi noch Duhem etwas.

Doch das Thema des threads ist nicht atheistische Mythenbildung, sondern wozu der Gottesbegriff dient. Ich hatte Peter Knauer zitiert, mit seiner These von der "restlosen Bezogenheit". Ich muss ehrlicherweise gestehen, dass ich bei der Lektüre erst ganz am Anfang stehe. Es ist aber schon jetzt deutlich, worauf das ganze hinaus läuft:

Nach einer bestimmten Denktradition zerfällt "die Welt" in eine endliche Zahl disjunkter Teilklassen von Dingen, Eigenschaften und Beziehungen. Statt von Dingen, Eigenschaften oder Beziehungen könnte man vielleicht auch von Substanzen, Akzidentien und Relationen sprechen. Diese Auffassung nenne ich die aristotelische Auffassung. Der Mensch ist nach dieser Auffassung von den übrigen Dingen getrennt. Durch seine Vernunft kann er aber die anderen Dinge oder die restliche Welt benennen, sie beschreiben und Beziehungen zwischen ihnen entdecken.

Der eben gerade geschilderten Substanzontologie steht die relationale Ontologie entgegen. Nach ihr zerfällt die Welt nicht in verschiedene Teilklassen von Dingen, Eigenschaften und Beziehungen. Der Mensch ist folglich auch nicht ein Objekt neben vielen verschiedenen anderen. Wenn er sich und die übrige Welt als zwei wahrnehmen kann, also sich getrennt von der übrigen Welt, dann nur als Ergebnis eines nachträglichen Reflexionsprozesses. Getrenntsein ist nur denkbar, nicht wirklich. Streng genommen ist Getrenntsein nicht einmal denkbar, sondern beruht auf einer Selbsttäuschung.

Im Grunde wird dieser Gedanke schon im Mittelalter diskutiert, z.B. bei Meister Eckhart in der Deutschen Predigt Nr. 49, das Auge-Holz Beispiel.

Ich möchte hier nicht der einen vor der anderen Ontologie den Vorzug geben. Wer bin ich, daß ich das entscheiden könnte? Ich möchte nur darauf hinweisen, daß die Fragen nach Gott, Welt usw. solches Denken stimulieren können.
Zuletzt geändert von laie am Do 21. Jun 2012, 08:28, insgesamt 4-mal geändert.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Do 21. Jun 2012, 07:45

Vollbreit hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Die Frage ist einfach immer: Verhalten sich die Dinge so, wie ich es erwarte? Und wenn nicht, habe ich mich schlicht geirrt - und nicht etwa ein Mysterium entdeckt.

Statt dessen, leben wir alle in einem konstanten Gewirr aus Spekulationen über das was Morgen sein wird und Gestern war, über Beziehungen, wie andere uns wohl sehen und so weiter.

Das ist irrelevant. Ausschließlich die Hypothese, dass die Welt genau das ist, was wir wahrnehmen hat uns zu der Erkenntnis geführt, dass wir unsere Hypothesen verbessern können. Nur weil du kein Wahrheitskriterium hast, wirst du ja nicht auf Medikamente oder dein Handy verzichten.

Vollbreit hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Das kann man begründet bezweifeln. Sie können auch einfach Spaß am Saufen oder an der Kunst gehabt haben. Die Malereien sind schlicht Ausdruck ihrer Wünsche.

Inwiefern widersprechen denn diese Vorstellungen der Annahme, es habe sich um religiöse Kulte gehandelt?

Man kann es auch als religiösen Ritus interpretieren, wenn jemand regelmäßig an einen Baum pinkelt, das ist nur eine Frage, wie weit man den Begriff Religion fasst...

Vollbreit hat geschrieben:
Wie meinst Du, ist der Glaube an Gott oder Transzendenz in die Welt gekommen?
Er ist ja nun mal da und das nicht erst seit gestern.
Wieso glaubst Du, kann sich der „Fehler“ so hartnäckig halten?
Wir benutzen heute keinen Faustkeil mehr, weite Teile der Welt sind von Nahrungsmittelknappheit verschont, also. Religion gibt es immer noch.

Das ist eine irrelevantes Argument. Krebs gibt es auch noch - das spricht keinesegs für ihn.

Vollbreit hat geschrieben:
Noch vor wenigen Tagen hat mir eine ältere katholische Koreanerin mit leuchten Augen erzählt, wie die Exerzitien und die Beichte bei ihr wirken. Sie hatte lange mit ihrem Glauben gerungen und eines Tages machte sie bei einem großen Ritual mit, bei der sie auf der Rückfahrt im Zug fünf Stunden lang geweint hat (wohl aus Ergriffenheit) und sich etwas in ihr verändert hat. Sie erzählte mir glaubhaft, dass die Beichte seit dem jedes Mal wie eine Befreiung ist und die förmlich spürt, wie sie ihre Sorgen loslassen kann und sie mit Gott oder dem heiligen Geist verbunden ist. D.h. ihre Hypothesen werden andauernd bestätigt, die Frau steht mitten im Leben, hat einen verantwortungsvollen Beruf, einen Mann und (min.) 2 Kinder, wirkt im besten Sinne vollkommen normal, warum sollte sie eine andere Perspektive einnehmen?

Sie soll ihre Perspektive behalten, wenn es ihr hilft. Es ist nur so, dass es nicht helfen wird, sobald sie ein wirkliches Problem hat, z.B. wenn ihr Kind an Krebs erkrankt und stirbt. Dann wird sie lernen in Fakten zu denken und evlt. die Wissenschaft schätzen lernen.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Do 21. Jun 2012, 08:45

ujmp hat geschrieben:Das ist irrelevant. Ausschließlich die Hypothese, dass die Welt genau das ist, was wir wahrnehmen hat uns zu der Erkenntnis geführt, dass wir unsere Hypothesen verbessern können. Nur weil du kein Wahrheitskriterium hast, wirst du ja nicht auf Medikamente oder dein Handy verzichten.


Die Frage ist doch, wann man sich als Einzelner (oder Gruppe) aufgefordert fühlt, seine Hypothesen zu überdenken.
Gesetzt, jemand glaubt an Gott, warum sollte der, wenn er glaubensmäßig auf dem Niveau eine Hand wäscht die andere steht (was keinesfalls zwingend ist), davon ausgehen, dass Gott z.B. die Bittgebete zu erfüllen hat?
Die Wissenschaft geht ja auch nicht so vor, dass sie, wenn ein Satz einer Theorie falsifiziert ist, die ganze Theorie wegschmeißt, warum sollten Gläubige das tun, die ja noch in der Überzeugung stehen mit einem intelligenten Wesen zu kommunizieren und nicht einfach hinschauen, wie sich ein Gegenstand in Säure verhält.
Glaubt jemand in einem reiferen Sinne an Gott, so wird er die Antwort Gottes wohl nicht direkt als Stimme im Ohr erwarten, sondern als plötzliches Auftreten günstiger Umstände.
Ein Ungläubiger wird vielleicht sagen: „Hey, das war doch nicht Gott, das war einfach eine zufällige Begegnung“, aber warum sollte man als Gläubiger hier nun sein ganzes Weltbild kippen?
Wegen des Gebotes des Denkökonomie, für das in keiner Weise ein Zwang besteht?

Menschen zweifeln dann an ihrem Glauben, wenn sie alles, was sie ihrer Meinung nach tun müssen erfüllt und eingehalten haben und Gott sich komplett verweigert. Da gibt es zwar noch ein paar Kniffe, wie den, dass es dem, dem es hier schlecht geht im Himmelreich besonders gut geht oder das Gott mich bei harten Prüfungen besonders lieben muss oder mir sehr viel zutraut – gar nicht mal dumm, wenn man eine wohlmeinende Intelligenz an der anderen Seite der Leitung wähnt, aber wenn Gott sich komplett entzieht, kommen gläubige Menschen ins Zweifeln.

Wie das dann weiter geht, ob man aus Angst vor Strafe besonders fromm bleibt, enttäuschter Atheist wird oder zu einer höheren Form des Glaubens findet, ist individuell verschieden.

ujmp hat geschrieben:Man kann es auch als religiösen Ritus interpretieren, wenn jemand regelmäßig an einen Baum pinkelt, das ist nur eine Frage, wie weit man den Begriff Religion fasst...


Ja, keine schlechte Frage. Wann genau beginnt Religion?
Muss ich an Gott glauben? Dann ist der Buddhismus keine Religion.
Manchen gefällt es ja, alles Unheil dieser Welt der Religion zuzuschreiben, da wird dann alles was selbst in deren Augen nicht mehr passt zur Pseudo- oder Quasireligion erklärt, darum wäre es durchaus interessant zu klären, ob der Kommunismus religiöser ist, als der Buddhismus.

ujmp hat geschrieben:Das ist eine irrelevantes Argument. Krebs gibt es auch noch - das spricht keinesegs für ihn.


Naja, Äpfel und Birnen, oder?
Krebs wollen eigentlich alle Menschen nicht haben, Religion findet seine Anhänger durchaus aus freiem Willen.

ujmp hat geschrieben:Sie soll ihre Perspektive behalten, wenn es ihr hilft. Es ist nur so, dass es nicht helfen wird, sobald sie ein wirkliches Problem hat, z.B. wenn ihr Kind an Krebs erkrankt und stirbt. Dann wird sie lernen in Fakten zu denken und evlt. die Wissenschaft schätzen lernen.


Das ist so eine typische Einstellung, die ich nicht nachvollziehen kann. Wer an Gott glaubt, darf nicht zum Arzt gehen oder ein Handy benutzen… warum noch mal?
Wer Wissenschaftler ist darf sich nicht verlieben, weil er ja weiß, dass das nur ein Tanz der Hormone ist, oder wie?
Da arbeitet man doch nur die eigenen Projektionen ab und gewinnt das, was man reinsteckt.
Religiös = irrational. Wer religiös und rational ist, kann demzufolge nicht richtig religiös sein und wer zur Chemo geht und betet, hat zum Krebs auch noch eine schizophrene Psychose.

Wir wollen ja eigentlich klären, wie der Gottesbegriff entstanden ist, hier sind wir eher bei der Überwindung. Im Grunde ist der Gottesbegriff vollkommen rational und es liegt an der Interpretationsfähigkeit des Glaubenden, wie platt oder virtuos er gehandhabt wird.
Natürlich gibt es platte Gläubige, es gibt aber auch extrem platte Wissenschaftler, empirische Beweise sind ja nicht schwer zu finden.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » Do 21. Jun 2012, 10:58

laie hat geschrieben:Entweder kennst du etwas nicht oder du verstehst etwas nicht, deine Reaktion ist immer gleich: Ignoranz.

Das kann ich über dich behaupten, hier ist die URL für einen dir interessanten Text:
http://www.focus.de/wissen/mensch/geschichte/tid-7702/kirchengeschichte_aid_136185.html
Wenn dir der Text zu schwer ist, beschäftige dich mit den ethymologisch und ideoligsch verwandten Illuminati-oder ließ das Buch oder schau den Film.
stine hat geschrieben:Und?
Weil man sich seines irdischen begrenzten Lebens bewusst wurde, flüchtete man in die Religion, weil diese die Unsterblichlichkeit der Seele beinhaltet. Wo ist der Widerspruch zu deiner Aussage?

Ganz einfach: Du sagst, man kam durch Erkenntnis xyz zur Kirche, ich sage, dass man diese Erkenntnis durch die Flucht zur Kirche vermeiden wollte. Zuvor hast du es ja nicht als "Flucht zur Kirche" bezeichnet, sondern nur als "Aspekt" bezeichnet. Wenn du etwas anderes meintest, war deine Wortwahl und der Kontext ungünstig gewählt.
ujmp hat geschrieben:Duhem hatte 1908 erklärt:

"Angenommen, die Hypothesen des Kopernikus könnten alle bekannten Erscheinungen erklären, dann könnte man daraus schliessen, dass sie möglicherweise wahr sind, keineswegs aber, dass sie notwendig stimmen. Um diesen letzten Schluss zu ziehen, müsste man ja beweisen, dass kein anderes System erdenkbar ist, das die Erscheinungen genau so gut erklärt. Dieser letzte Beweis ist aber nie geführt worden."

Das hat er 1908 erklärt, heute ist das anders. Auch zu Zeiten Kopernikus konnte man so gut wie nichts beweisen,, trotzdem existierte bereits der wissenschaftliche Ansprcuh ein Modell möglichst einfach und korrekt zu gestalten. Das Aufstellen von Parallaxen gehörte nicht dazu, also musste eine doktrinfreiere Sichtweise her. Seine Theorie mag zu dem Zeitpunkt nicht beweisbarer gewesen sein, aber sie war vom Ansatz her wissenschaftlicher. Auf den Rest antworte ich später.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Do 21. Jun 2012, 11:13

ujmp hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Sollte ich die Aufforderung zum Zweifeln, Gehorsam missachten, Hinterfragen und Kritisieren (des Glaubens, oder der Autoritäten) wirklich einseitig überlesen haben, ist es sicher kein Problem, entsprechende Stellen kurz zu nennen (grob in welchem Zusammenhang reichte mir aus). Ich glaube nämlich nicht, dass ich eine selektive Wahrnehmung dazu habe.

Es gibt sehr viele Beispiele und man kann sehr leicht zeigen, dass deine Wahrnehmung selektiv ist. Die ganze Bibel fordert z.B. durchweg dazu auf "anderen" Göttern gegenüber kritisch zu sein. Andererseits: Zeig mir mal z.B. eine Verfassung oder ein Grundgesetz, dass diese deine Ansprüche erfüllt. "Im Recht fühlt sich, wer in seiner Streitsache als erster auftritt, bis sein Nächster kommt und ihn ausforscht." Spr. 18.17 ;-)


Forderungen sind manchmal symmetrisch, aber oft asymmetrisch. Ein Angestellter soll den Anweisungen des Vorgesetzen folgen, aber nicht den Anweisungen eines Vorgesetzen eines konkurriernden Unternehmens. Das ist nicht gleichbedeutend damit, Autorität immer in Frage zu stellen. Aber es ist sehr wohl eine Unternehmenskultur denkbar, wo das tatsächlich gefordert wird. Skeptizismus ist im wissenschaftlichen Betrieb zum Beispiel symmetrisch, nach innen und nach außen gerichtet. Mit deinem Beispiel könnte sich jede Diktatur auf die Schulter klopfen, wenn das Fußvolk allen Autoritäten mißtrauen soll und aktiv umstürzen soll, außer die eigene.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Do 21. Jun 2012, 12:56

Darth Nefarius hat geschrieben:beschäftige dich mit den ethymologisch und ideoligsch verwandten Illuminati-oder ließ das Buch oder schau den Film.


Jetzt wird mir einiges klar....



Der Antiklerikalismus speist sich aus Vorurteilen. Das sieht man deutlich bei dir und deinen Beiträgen. Zum Beispiel schreibe ich und belege dies auch, daß das kopernikanische Weltbild schon recht bald gelehrt wurde und daß die Kalenderreform von 1582 auf eben diesem Weltbild beruht. Dann kommst du an und erzählst mir irgendwas von Exkommunikation, Tod usw. Aber das wundert mich nicht. Es geht ja immer noch die Mär um, erst Galileo habe das kopernikanische Weltbild verteidigt und zum Durchbruch verholfen. Nach dem Prozess ("und sie bewegt sich doch"), so geht die Mär dann weiter, war dann der allmähliche Siegeszug des heliozentrischen Weltbildes nicht mehr aufzuhalten gewesen. Seltsam, daß dieses Weltbild 50 Jahre vor Erscheinen des Dialogs über die hauptsächlichen Weltsysteme Eingang in eine Kalenderreform gefunden hatte, findest du nicht :irre: ? Zur Überprüfung der Kalenderreform mit den beobachtbaren Himmelsbewegungen wurde die Vatikanische Sternwarte gegründet, eine der ältesten der Neuzeit:

Wikipedia hat geschrieben:Das Institut wurde in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts zur Durchführung der gregorianischen Kalenderreform und zur Überprüfung des Kalenders durch Gregor XIII. gegründet. Ab 1578 ließ Gregor XIII. den Turm der Winde errichten und stellte ihn den jesuitischen Astronomen und Mathematikern des Collegio Romano für die mit der Kalenderreform verbundenen Arbeiten zur Verfügung.


Im Übrigen stammt das Zitat von Duhem nicht von ujmp, sondern von mir. Vielleicht kannst du es noch ausbessern (lassen)
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Do 21. Jun 2012, 14:43

Das bringt uns auf die grundlegende Frage, warum es überhaupt eine Kalenderreform brauchte. Was war es? Genau: man wollte wissen, wann Ostern ist. Der Gottesbegriff führte also zu einer Kalenderreform, nach der heute alle Flugzeuge dieser Welt unterwegs sind.

P.S.

@Darth Nefarius

eine Bemerkung zu deinem Link über Kirchengeschichte. Da geht es um die Inquisition in Spanien:

"Dort nahm 1478 mit päpstlicher Erlaubnis der Staat die Zügel in die Hand...."
Kirchengeschichte: Spanien griff härter durch - weiter lesen auf FOCUS Online: http://www.focus.de/wissen/mensch/gesch ... 36185.html

Der Artikel behandelt die Unterdrückung von Bevölkerungsgruppen durch die spanische Krone! Was hat das mit Kirche zu tun?

"Drucker, Händler und Leser wurden überwacht und mussten sich ihre Werke von der spanischen Krone genehmigen lassen.... "
Kirchengeschichte: Spanien griff härter durch - weiter lesen auf FOCUS Online: http://www.focus.de/wissen/mensch/gesch ... 36185.html"

Eine Seite zuvor wird der Vatikan dafür gelobt, seine Archive geöffnet zu haben, allerdings ist man jetzt enttäuscht darüber, daß dieses Archiv eben doch nicht die Ansammlung grausamer Folterberichte und Massenmorde enthält, die man erhofft hatte. Zitat:

"... eine Offenheit, die dem Vatikan nur die Wenigsten zugetraut hatten. Und die vielleicht gar nicht so mutig war wie gedacht: Erste Untersuchungen von Historikern legen inzwischen nahe, dass die Kirche wohl weniger grausam gegen Andersdenkende vorgegangen ist, als viele es zuvor angenommen hatten...."
Kirchengeschichte: Verfolgung im Namen Gottes - weiter lesen auf FOCUS Online: http://www.focus.de/wissen/mensch/gesch ... 36183.html

Was willst du mit dem Artikel zeigen?
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Do 21. Jun 2012, 15:29

laie hat Recht, die Kirche war weniger grausam als später das gemeine Fußvolk. Der Papst war vom Hexenhammer entsetzt, zum Beispiel. Außerdem hatten geistliche Proto-Wissenschaftler die Idee, Gottes Schöpfung besser zu verstehen und haben sich deshalb auch mit Naturwissenschaften beschäftigt. Der Umgang mit Galileo war vergleichsweise in Ordnung, der mit Giordano Bruno dann eher nicht.

laie hat geschrieben:Das bringt uns auf die grundlegende Frage, warum es überhaupt eine Kalenderreform brauchte. Was war es? Genau: man wollte wissen, wann Ostern ist. Der Gottesbegriff führte also zu einer Kalenderreform, nach der heute alle Flugzeuge dieser Welt unterwegs sind.


Ja, und sie fliegen in Himmelsrichtungen die die Namen germanischer Zwerge tragen an Wochentagen, die germanischen Gottheiten gewidmet waren und auch noch (teilweise jedenfalls) so heißen. Hab grad ein Deja Vu.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » Do 21. Jun 2012, 16:06

laie hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:beschäftige dich mit den ethymologisch und ideoligsch verwandten Illuminati-oder ließ das Buch oder schau den Film.


Jetzt wird mir einiges klar....

Jaja, als ob ich nur diese Quellen nahegelegt habe. Ganz im Ernst, du wirfst mir vor, ich würde einiges auslassen, dabei habe ich dies geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Das kann ich über dich behaupten, hier ist die URL für einen dir interessanten Text:
http://www.focus.de/wissen/mensch/gesch ... 36185.html
Wenn dir der Text zu schwer ist, beschäftige dich mit den ethymologisch und ideoligsch verwandten Illuminati-oder ließ das Buch oder schau den Film.

meinst du nicht, dass dieser Kontext wichtig ist? Der letzte Satz war nur ein Witz! Diese Klarstellung (mit Quelle!) erübrigt auch deinen weitergehenden Mist:
laie hat geschrieben:Zum Beispiel schreibe ich und belege dies auch, daß das kopernikanische Weltbild schon recht bald gelehrt wurde und daß die Kalenderreform von 1582 auf eben diesem Weltbild beruht. Dann kommst du an und erzählst mir irgendwas von Exkommunikation, Tod usw. Aber das wundert mich nicht.

Du hast nur ein Ausnahmebeispiel genannt, zum Rest habe ich im vorigen Kommentar genug geschrieben.
laie hat geschrieben:Der Artikel behandelt die Unterdrückung von Bevölkerungsgruppen durch die spanische Krone! Was hat das mit Kirche zu tun?

Mit "päpstlicher Erlaubnis" sagt genug. Die Krone hatte einiges Interesse, sich die Kirche als Stütze zu sichern, umgekehrt brauchte die Kirche Spanien als Absicherung gegen Frankreich, das interesse an Neapel hatte (und logischerweise durch Rom im Ernstfall marschieren würde). Lies "il Principe", dann wirst du einen Einblick in die Politik der Kirche bekommen, die Situation Italiens oder besser der einzelnen Stadtstaaten hatte auch Bedeutung für die Politik Europas. Ein Titel wie "katholische Majestät" war viel wert. Jetzt forsche mal nach, was für Titel der französische und der spanische König erhielten und überprüfe die Nationalität des Papstes um 1500.
laie hat geschrieben:Eine Seite zuvor wird der Vatikan dafür gelobt, seine Archive geöffnet zu haben, allerdings ist man jetzt enttäuscht darüber, daß dieses Archiv eben doch nicht die Ansammlung grausamer Folterberichte und Massenmorde enthält, die man erhofft hatte. Zitat:

Ist dir bekannt, dass die Archive gewandert sind? Selbst wenn wir annehmen, dass die selbe Kirche, die Geschäfte mit der Mafia gemacht hat (was bekannt wurde) tatsächlich all ihre Archive ohne unangenehme Dokumente öffnen würde, sind zu zeiten Napoleons 2/3 einfach verbrannt worden, weil man "keine Lust hatte, alles zu transportieren".
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Do 21. Jun 2012, 16:17

@Darth Nefarius: Du machst es schwer, dich ernst zu nehmen. Du hast ja noch nicht einmal die Kontrolle über deine eigenen Waffen, siehe deinen Link über die Kirchengeschichte, der gründlich nach hinten los ging. Diese Unbedachtheit ist freilich kein Einzelfall bei Dir:

Darth Nefarius hat geschrieben:Lies "il Principe", dann wirst du einen Einblick in die Politik der Kirche bekommen,


Ich habe Il Principe gelesen, als du davon noch nicht einmal vom Hörensagen etwas gehört hattest. Das Werk ist Lorenzo di Medici gewidmet, einem weltlichen Fürsten, keinem Papst!

"mit päpstlicher Erlaubnis": ja, das sagt etwas darüber aus, wie schwach der Vatikan tatsächlich als politische Institution war

@Lumen: ja, das mit Giordano war nicht nett. Stimmt.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » Do 21. Jun 2012, 18:39

laie hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Lies "il Principe", dann wirst du einen Einblick in die Politik der Kirche bekommen,


Das Werk ist Lorenzo di Medici gewidmet, einem weltlichen Fürsten, keinem Papst!

Mir ist klar, wem es gewidmet ist, inoffiziell ist es meinem Avatar gewidmet (wie vermutet wird). Die ganzen Verweise auf Cesare Borgia sind eindeutig und er war Sohn des Papstes. Ich habe auch nicht gesagt, dass dieses Werk dem Papst Alexander VI. gewidmet war, sondern es nur einen Einblick in die politischen Notwendigkeiten und Verstrickungen liefert, den Papst habe ich in diesem Satz nichtmal erwähnt. Deine Feststellung ist irrelevant, weil ich nichts Gegenteiliges behauptet habe. Du musst genauer lesen!
laie hat geschrieben:"mit päpstlicher Erlaubnis": ja, das sagt etwas darüber aus, wie schwach der Vatikan tatsächlich als politische Institution war

Ja und nein, schließlich haben viele Päpste mit Exkommunikationen auch in Adelskreisen nicht gespart, wenn sie eine Gefahr darstellten. Dies zeigte Wirkung. Sie mochte militärisch nicht die bedeutenste Macht gewesen sein, ihre Gunst bedeutete aber in Kontinentaleuropa den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Fr 22. Jun 2012, 06:09

Nicht meine Feststellung war irrelevant, sondern du bewegst dich auf einem Terrain, auf dem du sichtlich nicht zuhause bist. Du hattest doch mir "den Fürsten" empfohlen, weil es angeblich "einen Einblick in die Politik der Kirche" gewähre. Dann stellst du, quasi als Untermauerung, sogar klar, daß das Werk eigentlich dem Sohn des damaligen Papstes gewidmet sei. Und jetzt sagst du wieder, du hättest den Papst mit keinem Wort erwähnt und auch nichts gegenteiliges behauptet.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 22. Jun 2012, 12:45

laie hat geschrieben:Nicht meine Feststellung war irrelevant, sondern du bewegst dich auf einem Terrain, auf dem du sichtlich nicht zuhause bist. Du hattest doch mir "den Fürsten" empfohlen, weil es angeblich "einen Einblick in die Politik der Kirche" gewähre.

Genau, und "die Politik der Kirche" ist nicht gleichbedeutend mit "dem Papst gewidmet". Macchiavelli hat definitiv am Hofe des Papstes von Cesare Borgia gelernt. Ohne Vorwissen hätte er dieses Werk nicht geschrieben.
Dann stellst du, quasi als Untermauerung, sogar klar, daß das Werk eigentlich dem Sohn des damaligen Papstes gewidmet sei. Und jetzt sagst du wieder, du hättest den Papst mit keinem Wort erwähnt und auch nichts gegenteiliges behauptet.
Ich habe gemeint, dass ich ihn zuvor nicht erwäht hatte, danach habe ich erst von Cesare Borgia geredet. Und hier ist nochmal mein Satz:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe auch nicht gesagt, dass dieses Werk dem Papst Alexander VI. gewidmet war, sondern es nur einen Einblick in die politischen Notwendigkeiten und Verstrickungen liefert, den Papst habe ich in diesem Satz nichtmal erwähnt.
Mit "diesem Satz" war eindeutig der von dir zitierte gemeint. Wie gesagt, du musst genauer lesen und verstehen, dass der Hauptmann der päpstlichen Garde ein Teil der Kirchenpolitik war.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » So 24. Jun 2012, 12:06

Vollbreit hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Das ist irrelevant. Ausschließlich die Hypothese, dass die Welt genau das ist, was wir wahrnehmen hat uns zu der Erkenntnis geführt, dass wir unsere Hypothesen verbessern können. Nur weil du kein Wahrheitskriterium hast, wirst du ja nicht auf Medikamente oder dein Handy verzichten.


Die Wissenschaft geht ja auch nicht so vor, dass sie, wenn ein Satz einer Theorie falsifiziert ist, die ganze Theorie wegschmeißt, warum sollten Gläubige das tun, die ja noch in der Überzeugung stehen mit einem intelligenten Wesen zu kommunizieren und nicht einfach hinschauen, wie sich ein Gegenstand in Säure verhält.

Ich meine hier die gängige Popperkritik rauszulesen, die auf dem m.E. ebenso gängigen Missverstehen von Poppers Falsifikationismus beruht. Wenden uns mal einem simplem Alltagsproblem zu:

Ich habe festgestellt, dass meine Frühstückseier gelegentlich zu hart sind. Ich möchte erreichen ("Problem lösen"), dass mein Frühstücksei immer weich ist. Frage: WAS MUSS ICH WIE ÄNDERN? Beobachtungen: Kartoffeln werden um so weicher, je länger sie kochen, länger als 20 Minuten können meine Eier nie gekocht haben. Hypothese Nr.1: Das Ei wird um so weicher, je länger es kocht. Experiment Nr.1: Ei 20 Minuten kochen. Resultat Nr.1: a) Das Ei wird nicht weich, Hypothese Nr.1 ist widerlegt, WEIL DAS ERGEBNIS NICHT MEINER ERWARTUNG ENTSPRICHT. Hypothese Nr.2: Das Ei wird um so weicher, je kürzer es kocht. Experiment..., Resultat: Hypothese Nr.2 stimmt, WEIL SIE MIT MEINER ERWARTUNG ÜBEREINSTIMMT. Hypothese Nr.4: Das Ei wird so, wie ich es erwarte, wenn ich es 5.5 Minuten koche, Experiment, Resultat, usw.

Die Sophistereien der Popper-Kritik können gegen diese "Logik der Forschung" nichts ausrichten. Auch die Probleme, die aus der Kommunikation entstehen können ("Meinst du Wachteleier, kochst du mit Wasser, kannst du das für alle Universen garantieren?") tangieren diese Logik nicht im geringsten. Es ist auch unerheblich, ob mir das Ei objektiv oder subjektiv schmeckt, ob die 5.5 Minuten real vergangen sind oder die Zeitvorstellung nur eine Einbildung ist usw, SOLANGE ICH DAS ERGEBNIS SO BEEINFLUSSEN KANN, DASS ES MEINER ERWARTUNG ENTSPRICHT. Die berechtigte Positivismuskritik tangiert die Logik der Forschung nicht. Es gibt keine praktikable Alternative zu der Annahme, dass die Welt so ist wie wir sie wahrnehmen und alle Forschung basiert auf dieser Annahme.

Hypothese Nr.5: Das Ei wird so, wie ich es will, wenn ich den Herrn Jesus darum bitte, es so sein zu lassen. Experiment..., Resultat: Klappt nicht, aber es würde klappen, wenn es den Sündenfall nicht gegeben hätte. Frage: Ist es intelligent, auf Gebete zu setzen? Ich würde sagen, nein.

Vollbreit hat geschrieben:Ja, keine schlechte Frage. Wann genau beginnt Religion?


Na ja, Definitionsfragen führen oft zu langen Diskussionen ohne Ergebnis. Lass uns lieber über "Verhalten" sprechen.

Vollbreit hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Das ist eine irrelevantes Argument. Krebs gibt es auch noch - das spricht keinesegs für ihn.


Naja, Äpfel und Birnen, oder?
Krebs wollen eigentlich alle Menschen nicht haben, Religion findet seine Anhänger durchaus aus freiem Willen.

Es bleibt ein irrelevantes Argument. Drogen finden auch freiwillige Anhänger. Die Existenz von was auch immer belegt nie seine Notwendigkeit oder Nützlichkeit.

Vollbreit hat geschrieben:Wer religiös und rational ist, kann demzufolge nicht richtig religiös sein und wer zur Chemo geht und betet, hat zum Krebs auch noch eine schizophrene Psychose.

Er soll soviel beten, wie er kann, wenn das Gebet ihm hilft. - Danach sieht es aber nunmal nicht aus.

Vollbreit hat geschrieben:Wir wollen ja eigentlich klären, wie der Gottesbegriff entstanden ist, hier sind wir eher bei der Überwindung. Im Grunde ist der Gottesbegriff vollkommen rational

Rationalität ist ja nicht das Problem am Gottesbegriff in sich. Das Problem ist, dass es keinen vernünftigen Anlass für seine Entstehung und Beibehaltung gibt.

Meiner Meinung nach hängt der Gottesbegriff an der Unterstellung, die Welt sei von dem freien Willen einer Person abhängig. Dass die Welt etwas will, ist eine Prädisposition und in diesem Sinne keine Erfindung. Kant hätte das vielleicht "Erkenntnis a priori" genannt. Die Erfahrung lehrt dann aber, dass diese Vorstellung falsch ist. Kleinkinder lernen auch irgendwann, dass sie nicht der Mittelpunkt der Welt sind, dass Mama nicht die einzige beeinflussbare Größe ist, dass es neben Personen auch Gegenstände gibt, die keinen Willen haben.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Mo 25. Jun 2012, 11:08

ujmp hat geschrieben:Ich meine hier die gängige Popperkritik rauszulesen, die auf dem m.E. ebenso gängigen Missverstehen von Poppers Falsifikationismus beruht. Wenden uns mal einem simplem Alltagsproblem zu: Ich habe festgestellt, dass meine Frühstückseier gelegentlich zu hart sind. Ich möchte erreichen ("Problem lösen"), dass mein Frühstücksei immer weich ist. Frage: WAS MUSS ICH WIE ÄNDERN? [...]


Sehr gut! :up:

ujmp hat geschrieben:[...] Rationalität ist ja nicht das Problem am Gottesbegriff in sich. Das Problem ist, dass es keinen vernünftigen Anlass für seine Entstehung und Beibehaltung gibt. Meiner Meinung nach hängt der Gottesbegriff an der Unterstellung, die Welt sei von dem freien Willen einer Person abhängig. [...]


Da Gott, nach allem was wir wissen, nicht wahrnehmbar handelt und selbst nicht wahrnehmbar ist, hat jemand keinen Anlass von einer "Gott Hypothese" überzeugt zu werden. Der Gläubige unterscheidet sich nur minimal von einem Atheisten, denn er ist ebenfalls nicht von der "Gott Hypothese" all der anderen Götter überzeugt. Der Atheist geht nur einen kleinen Schritt weiter. Das ist eigentlich der Kern des Atheismus, einfach nicht hinreichend überzeugt worden zu sein, dass Jahweh, Allah, Thor, Zeus, Krishna und viele weitere Gestalten wirklich existieren. Theisten verlangen ja sogar, dass "ihr" Gott überzeugender ist, als all die anderen. Dabei soll der potentielle Gläubige ein ganzes Paket gleich mitbuchen, positiver Glaube an den einen Gott, aber direkt eine Verneinung der anderen und zusätzlich noch verschiedene andere Behauptungen mitnehmen. Dass das Ganze methodischer Unfug ist, sollte jedem bei näherer Betrachtung auffallen, auch einem Gläubigen. In Wahrheit ist die "Gott-Hypothese" einer spezifischen Religion ein bewegliches Ziel, das komplett wandelbar ist und sich nie defintiv manifestiert, weil das der Verbreitung der religiösen Idee im Wege stehen würde.

Umgekehrt gedacht, als "Idee, die sich möglichst effektiv verbreiten möchte" ergibt Religion, Gott, Jesus, seine spezifische Geschichte usw. hingegen sehr viel Sinn. Vor die beiden Möglichkeiten gestellt: "Gott Hypothese" oder "Idee Hypothese" ist eine Hypothese extrem viel wahrscheinlicher als die andere.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Mo 25. Jun 2012, 14:59

ujmp hat geschrieben:Rationalität ist ja nicht das Problem am Gottesbegriff in sich. Das Problem ist, dass es keinen vernünftigen Anlass für seine Entstehung und Beibehaltung gibt.


Das stimmt, solange es sich beim Gottesbegriff nur um einen alternativen Welterklärungsversuch handeln würde. Ich habe mich bereits weiter oben gegen diese Auffassung gewandt, daß man sich unter "Gott" nur ein vor-läufiges naturwissenschaftliches Wissen vorstellen soll.

Daß es sich bei "Gott" um eine Konkurrenzveranstaltung zu der Wissenschaft handeln soll, ist schon deshalb zu kurz gegriffen, weil es nicht erklärt, warum es gläubige Wissenschaftler gab und noch immer gibt.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Mo 25. Jun 2012, 15:26

ujmp hat geschrieben:Es gibt keine praktikable Alternative zu der Annahme, dass die Welt so ist wie wir sie wahrnehmen und alle Forschung basiert auf dieser Annahme.


Doch, die, dass die Welt nicht so ist, wie wir sie wahrnehmen.
Wir interpretieren Welt. Im sinnesphysiologischen Bereich ist das auch schon so, aber die Unterschiede sind vergleichsweise gering, so dass wir hier guten Gewissens naive Realisten sein dürfen. Freilich gibt es auch hier 1000 Gegenbeispiele, der Stock im Wasser, von dem wir sehen, dass er abknickt, die berühmte Oase während der Wüstenwanderung, gerade z.B. Dennett hat ja Spaß daran, immer wieder zu betonen, dass unsere Wahrnehmungen in die Irre geführt werden können.

Je mehr man in die Bereich geht, die klassisch als interpretativ gelten, umso stärken wird dieser Effekt. Da braucht man keine Religion zu bemühen, es reicht die Party am Abend oder die Kollegen im Büro, wie sie Mitarbeiter X sehen.

Ist Deine Welt eigentlich exakt dieselbe, wie von Darth Nefarius? Meinst Du, dass lässt sich befriedigend damit erklären, dass eine von Euch beiden eine Sehschwäche hat? Und wer nimmt denn die Welt von Euch wirklich so wahr, wie sie ist?

ujmp hat geschrieben:Hypothese Nr.5: Das Ei wird so, wie ich es will, wenn ich den Herrn Jesus darum bitte, es so sein zu lassen. Experiment..., Resultat: Klappt nicht, aber es würde klappen, wenn es den Sündenfall nicht gegeben hätte. Frage: Ist es intelligent, auf Gebete zu setzen? Ich würde sagen, nein.

`
Wo hast Du diese Begründung zuletzt gehört?

ujmp hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ja, keine schlechte Frage. Wann genau beginnt Religion?


Na ja, Definitionsfragen führen oft zu langen Diskussionen ohne Ergebnis. Lass uns lieber über "Verhalten" sprechen.


Je nach Standpunkt ist es komplett ausgeschlossen, über etwas anderes zu reden.

[
ujmp hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Das ist eine irrelevantes Argument. Krebs gibt es auch noch - das spricht keinesegs für ihn.


Naja, Äpfel und Birnen, oder?
Krebs wollen eigentlich alle Menschen nicht haben, Religion findet seine Anhänger durchaus aus freiem Willen.

Es bleibt ein irrelevantes Argument. Drogen finden auch freiwillige Anhänger. Die Existenz von was auch immer belegt nie seine Notwendigkeit oder Nützlichkeit.


Ja, aber willst Du damit sagen?
Drogen werden freiwillig genommen, nützlich sind sie auch.

ujmp hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wer religiös und rational ist, kann demzufolge nicht richtig religiös sein und wer zur Chemo geht und betet, hat zum Krebs auch noch eine schizophrene Psychose.

Er soll soviel beten, wie er kann, wenn das Gebet ihm hilft. - Danach sieht es aber nunmal nicht aus.


Stimmt nicht, kommt immer drauf an, wer die Untersuchung durchgeführt hat und was gerade Mode ist.

ujmp hat geschrieben:Meiner Rationalität ist ja nicht das Problem am Gottesbegriff in sich. Das Problem ist, dass es keinen vernünftigen Anlass für seine Entstehung und Beibehaltung gibt.


Wessen Problem? Gläubige haben damit keines. Ich halte die Gottesidee nebenbei auch für sehr rational. Wie kann etwas, auf etwas dahinter (also etwas Abstraktes, Unsichtbares) verweisen und irrational sein? Rationalität ist die Grundvoraussetzung um einen Gottesbegriff zu konzipieren, darum haben Tiere ihn auch nicht.

Ich sehe ferner auch nicht, warum es irrational sein sollte, nicht bei Gottesbegriff zu verweilen.
Was Du wohl sagen willst, ist, dass es bessere Erklärungen gibt als religiöse, kommt natürlich drauf an, ob man da eine Konkurrenzsituation sieht. laie ist anderer Ansicht, seine Argumente sind nicht immer die schlechtesten. Ich sehe den erkenntnistheoretischen oder wissenschaftlichen Anspruch hinter heiligen Schriften aber auch nicht immer so klar.

ujmp hat geschrieben:Meiner Meinung nach hängt der Gottesbegriff an der Unterstellung, die Welt sei von dem freien Willen einer Person abhängig. Dass die Welt etwas will, ist eine Prädisposition und in diesem Sinne keine Erfindung.


Heute wollte jemand etwas von mir. Ist der nicht Welt?
Oder meinst Du die Welt in ihrer Gesamtheit? Nun, schwieriger Begriff, aber wir wollen ja lieber über Verhalten reden.

ujmp hat geschrieben:Kant hätte das vielleicht "Erkenntnis a priori" genannt. Die Erfahrung lehrt dann aber, dass diese Vorstellung falsch ist. Kleinkinder lernen auch irgendwann, dass sie nicht der Mittelpunkt der Welt sind, dass Mama nicht die einzige beeinflussbare Größe ist, dass es neben Personen auch Gegenstände gibt, die keinen Willen haben.


Ich finde es erstaunlich, dass Du zu so definitiven Aussagen über das Universum in der Lage bist.
Ich bin da eher agnostisch.
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RE: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Mo 25. Jun 2012, 17:11

ujmp hat geschrieben:Dass die Welt etwas will, ist eine Prädisposition und in diesem Sinne keine Erfindung. Kant hätte das vielleicht "Erkenntnis a priori" genannt. Die Erfahrung lehrt dann aber, dass diese Vorstellung falsch ist.


Ich weiss nicht, ob Kant den Glauben an eine Welt, die "etwas will", "Erkenntnis a priori" genannt hätte. Dazu kenne ich Kant zuwenig. Aber ist denn nicht der Satz vom Nichtwiderspruch oder vom Ausgeschlossen Dritten vor jeder Erfahrung gegeben? Und wird er deshalb nicht zurecht als Erkenntnis a priori verstanden? Und kommt nicht Meister Eckhart aufgrund dieser Erkenntnis a priori zu dem virtuosen Schluss, daß Gott nicht erkennt, weil er ist, sondern, weil er erkennt, darum ist er?

Vollbreit hat geschrieben:Rationalität ist die Grundvoraussetzung um einen Gottesbegriff zu konzipieren, darum haben Tiere ihn auch nicht.


Eben. Philosophischen Strömungen wie dem Thomismus oder dem Neuthomismus Rationalität abzusprechen, ist absurd. Ohne Kenntnis dieser Strömungen aber bleibt der Gottesbegriff ein bloße Konkurrenzveranstaltung zur Wissenschaft.
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