Wozu dient der Gottesbegriff?

Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » So 17. Jun 2012, 23:27

Darth Nefarius hat geschrieben: Und da sagen manche, ich sei ein Egomane!

Cesare Borgia will nicht argumentieren, dazu ist er intellektuell nicht fähig. Er will vor allem herrschen und unter den geeigneten Umständen ist sein Argument Mord.

Darth Nefarius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Übrigens ist alles eine Frage der Konditionierung.

Nein, das ist schon Schnee von vorvorgestern.

Nö, dieses Modell ist noch verwendbar, Konditionierung ist kein Schnee von Gestern.

In der Straße, wo ich wohne, kannst du damit niemanden übertölpeln. Du hattest eine All-Aussage gemacht - was sehr selten klug ist. Ein gehöriger Teil des menschlichen Verhaltens beruht aufhartverdrahteten Modellen und lässt sich daher nicht konditionieren.

Darth Nefarius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Es ist evtl. nützlich, jedes Rascheln im Wald als das Anschleichen eines Fressfeindes zu deuten, also den Angriff des Fressfeindes gedanklich vorweg zu nehmen. Denn absolute Gewissheit darüber, dass mich ein Bär fressen will, hab ich ja erst wenn ich mich in seinem Verdauungskanal befinde - vielleicht wollte er ja bloß beißen... ;-) Daraus resultiert möglicherweise die Fähigkeit, etwas ohne Gewissheit trotzdem anzunehmen - vorsichtshalber.

Gehe ich richtig in der Annahme, dass du diesen Mechanismus in der Denkweise und Analyse der Umwelt auch auf den Gottesbegriff anwenden kannst? Könntest du mir tatsächlich zugestimmt haben??

Derart klare und solide Überlegungen würden mich bei dir überraschen. Aber jemanden der so viel textet wie du, passiert wohl auch mal sowas. Aber wie auch immer, dies auf die Entwicklung des Gottesbegriffes anzuwenden war ja der Sinn des Postings, weil dies der Gegenstand dieser Diskussion ist.

Ich hab aber nicht von analytischem Denken gesprochen, sondern erstmal nur von einem Verhalten. Das analytische Denken hat vermutlich umgekehrt die Vorstellung, alles sei intentional, erst in Frage gestellt. Die Gottesvorstellung beruht nicht auf dem, was wir Erkenntnis nennen. Das analytische Denken hat wahrscheinlich von der Gottesvorstellung weggeführt. Das drückt übrigens die biblische Geschichte des "Sündenfalls", wie ich finde, außerst tiefsinnig aus. Der Mensch wurde in dem Augenblick Mensch, als er an Gott zu zweifeln begann...
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Nanna » So 17. Jun 2012, 23:39

ujmp hat geschrieben:Das analytische Denken hat vermutlich umgekehrt die Vorstellung, alles sei intentional, erst in Frage gestellt. Die Gottesvorstellung beruht nicht auf dem, was wir Erkenntnis nennen. Das analytische Denken hat wahrscheinlich von der Gottesvorstellung weggeführt. Das drückt übrigens die biblische Geschichte des "Sündenfalls", wie ich finde, außerst tiefsinnig aus. Der Mensch wurde in dem Augenblick Mensch, als er an Gott zu zweifeln begann...

Dazu ein kurzer assoziativer Gedanke: Ich nehme an, dass die Erfindung der Transzendenz ein notwendiger Schritt in diese Erkenntnisrichtung war. Indem das vermeintlich Intentionale, jedoch mangels offensichtlichem Urheber nicht Erklärbare, in die Sphäre des Transzendenten ausgelagert wurde, wurde erst die Möglichkeit geschaffen, die Natur von übernatürlichen Hypothesen zu befreien und in einem zweiten Schritt den "Container" des Transzendenten als Gesamtpaket in Frage zu stellen, weil er als Erklärung der Mechanismen der Natur immer weniger notwendig wurde. Also, erst wird geordnet in Immanenz und Transzendenz, sozusagen die Spreu vom Weizen getrennt, und anschließend, aber eben erst dann, ist das Negieren transzendenter Ideen möglich.

Insofern könnte man auf die Frage, wozu der Gottesbegriff dient, antworten, dass er ein Mittel war und ist, das Übernatürliche aus der Welt aufzusaugen, auf eine Entität (Gott) zu reduzieren und diese Entität dann ihrerseits kritisierbar zu machen. Quasi ein Fliegenfänger: Er saugt alle übernatürlichen Ideen (Fliegen) auf, vernichtet alle anderen Götter neben sich und bringt uns in die bequeme Situation, den Fliegenfänger samt Fliegen am Ende vom Haken zu nehmen und als Gesamtpaket entsorgen zu können.

Ist natürlich etwas teleologisch gedacht, aber es ist ja auch schon spät in der Nacht... ;-)
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Mo 18. Jun 2012, 06:16

Ich habe den thread nur überpflogen. Mir fiel auf, dass hier immer von einer bestimmten Gottesvorstellung gesprochen wird, und zwar von der personifizierten Naturkraft ("Gott des Blitzes", "Erntegott" usw.), an die die Menschen sich wenden können.

Solche Gottesvorstellungen wurden allmählich durch Einblicke in die Kausalität natürlicher Vorgänge ersetzt. Meine These ist nun: der Glaube an personifizierte Naturkräfte ist eine Randerscheinung und gar nicht wichtig. Im AT wird Gott zwar als Schöpfer vorausgesetzt, aber dann hat es sich damit auch. Dann geht es nicht mehr um präwissenschaftliche Vorstellungen, über die man sich nach Belieben lustig machen kann ("bronzezeitlich").

In Griechenland ist die Situation ähnlich. Platon, Sokrates, etc. haben kein Interesse daran, sich mit Vulkangöttern aufzuhalten. Trotzdem findet sich eine Gottesvorstellung auch in ihren Werken ("daimon").
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Mo 18. Jun 2012, 06:23

ujmp hat geschrieben:Das ist dasselbe Niveau, wie Stines Antwort. Versteht mal, dass man einen Gottesbegriff erst benutzen kann, wenn man ihn hat. Genau so wie das Rad. Dass das Rad nützlich ist ist eine Trivialität. Es zu erfinden ist nicht ganz so trivial, die präkolumbianischen Hochkulturen Amerikas kannten es z.B. nicht.


Doch, gekannt haben sie es schon. Es gibt vorkolumbianische Kinderspielzeuge auf Räder. Aber genutzt haben sie es nicht, wie es scheint.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon stine » Mo 18. Jun 2012, 07:09

ujmp hat geschrieben:
stine hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:... und auch du hast diesbezüglich mit einem Zweck argumentiert.
Ja sicher, kennst du eine Entwicklung die zwecklos ist?

Z.B. ist die Evolution nicht zweckgerichtet, das hab ich dir ja schon gefühlte 500 Mal erklärt.
Ja, und um weiteren 500 Malen entgegen zu wirken: ich denke trotzdem, dass auch die Tatsache: Was nicht störend ist, vererbt sich weiter! eine gewisse Art von Zweckdienlichkeit erfüllt.
Und schon überhaupt ist das Erfinden einer Gottheit keine Evolution mehr, sondern das war bereits eine Denksportaufgabe der Menschen und ab hier muss es tatsächlich einen Sinn und Zweck gegeben haben. Außer dem Lachsack ist seit Menschengedenken jede Erfindung einem Zweck dienlich.

ujmp hat geschrieben:Das analytische Denken hat vermutlich umgekehrt die Vorstellung, alles sei intentional, erst in Frage gestellt. Die Gottesvorstellung beruht nicht auf dem, was wir Erkenntnis nennen. Das analytische Denken hat wahrscheinlich von der Gottesvorstellung weggeführt. Das drückt übrigens die biblische Geschichte des "Sündenfalls", wie ich finde, außerst tiefsinnig aus. Der Mensch wurde in dem Augenblick Mensch, als er an Gott zu zweifeln begann...
Diese Lesart des alten Testaments teile ich mit dir. (ausnahmsweise :^^: ) Ganz klar ist das Paradies seitdem verloren, seit der Mensch Gut und Böse auseinanderhalten kann und sich seinem Tun verantworten muss.

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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Mo 18. Jun 2012, 07:30

Bloß schnell dazu, muss zur Arbeit..
laie hat geschrieben:Doch, gekannt haben sie es schon. Es gibt vorkolumbianische Kinderspielzeuge auf Räder. Aber genutzt haben sie es nicht, wie es scheint.

Das kenne sich auch so. Sagen wir mal so: Das Rad als Idee gab es bestimmt immer mal wieder bei irgend einem Individuum. Vielleicht hat sich das Spielzeug sogar ein Kind gebaut? Damit sie aber eine richtige Erfindung wird, muss man eine Idee auch zu Ende denken und ihren Wert verstehen.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Mo 18. Jun 2012, 08:29

stine hat geschrieben:Die Frage wäre für mich nun wieder, wieso man irgendwann auf den Monotheismus setzte?
Wer hat aus den verschiedenen Göttern den Einen gemacht? Und warum?
Dann wäre die Frage, warum ist Gott männlich und warum liebt er nur das eine Volk Israel?


Ich glaube, das ist der zweite Schritt vor dem ersten.
Die Antwort auf die Fragen, scheinen mit dem Menschen als Ackerbauern und Viehzüchter zu tun zu haben. Gott wurde männlich und der oberste Dienstherr bekam seien große Vormachtstellung vor allem in der Zeit, als der Mensch auf das Planen angewiesen war und Monate in die Zukunft denken musste, Vorräte für den Winter, im Frühling einsäen, im Herbst ernten, hier sind ganz andere Qualitäten gefragt, als beim Jäger und Sammler.

Das erklärt zwar noch nicht die einzelnen Schritte, aber auf diesem Weg wird aus den eher spontanen, magisch-affektbetonten Göttern ein rationaler Gottvater, aber da gibt es verschiedene Deutungen, die wir ja später noch durchprobieren können.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Mo 18. Jun 2012, 08:30

ujmp hat geschrieben:Auf die Erkenntnis, dass es sinnlos ist, mit einem Stein zu reden, sollte die Erkenntnis folgen, dass es auch sinnlos ist, mit einem Gott zu reden. Wenn man nur die reine Erkenntnis betrachtet, dürfte es den Begriff Gott daher schon lange nicht mehr geben, denn noch nie hat ein Mensch seinen Gott wirklich handeln gesehen.


Nun machst Du m.E. den Fehler, den Du bei stine kritisierst, indem Du ein Denken und ein Weltbild unterstellst, dass der damalige Mensch noch gar nicht hatte. In einem mythischen oder magischen oder sogar archaischen Weltbild zu leben, setzt andere Zeitbegriffe voraus, z.B. ein zyklisches Zeiterleben, viel weniger ein wenn …, dann … Denken.

Das Problem ist, dass die Natur ja antwortet, nur nicht in der Sprache des Menschen, die ja damals auch noch eine andere war, durchtränkt vom Mythos. Die Natur schickte eben Blitze und Regen, es gab Tag und Nacht, Sommer und Winter, es gab diverse Tiere, plötzliche Krankheiten und nicht zu vergessen, Träume und Drogen. Diese waren oft in einen Kult eingebunden, die wurden nur zu besonderen Zeiten konsumiert, weil sie Schnittstellen waren, um mit den Göttern zu kommunizieren, also da war jede Menge los, auch an Kommunikation.

Der Animismus, bei dem wohl tatsächlich jeder Stein beseelt war, wurde ja auch als erstes kassiert, aber riesige Berge, die sich hinter Wolken verstecken, in denen es oft grollt und so weiter, das ist schon sehr lebendig. Die Götter gaben ihre Antwort in Form von Ge- und Misslingen der Jagd, der Ernte, vielleicht einer kultischen Aufführung.

Vielleicht müssen wir wirklich an die Stelle der ersten Projektion und versuchen zu spüren, wie man da empfunden hat. Ich habe mal im Radio dazu gehört, dass die ersten Höhlenmalereien mit hoher Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit religiösen Kulten standen, bei denen es um eine theaterähnliche Inszenierung ging, in der getanzt und gesungen wurde.

Könnte also sein, dass das religiöse Denken eine Art Urdenken oder Urbedürfnis ist, aber da Affen es nicht zeigen, muss zwischendurch etwas passiert sein.
Denkt man evolutionär, fragt man sich ja immer, was für eine Funktion das religiöse Denken wohl gehabt haben könnte.

Vielleicht nur Kommunikation, als Sicherheit, als Lust?
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Mo 18. Jun 2012, 08:32

Ich meine, daß die Frage, wozu der Gottesbegriff dient, mit der Frage verknüpft werden muss, ob wir frei in unserem Entscheiden sind. Ich meine, wir können uns als Urheber unseres Willens erleben. Dieses Erleben ist entscheidend daran gebunden, ob wir in der Lage sind, zu überlegen und uns selbst zum Thema oder Problem machen können. Was wir hingegen nicht wissen, ist, ob eine Entscheidung gut für uns oder die anderen ist. Darum ist der Ausgangspunkt im AT auch die Frage, ob der Mensch unterscheiden kann, was gut und was böse ist.

Ich bin davon überzeugt, daß jeder von uns einem grundsätzlichen selbstgesetzen Lebensziel folgt. Dieses Ziel ist nicht unbedingt unveränderlich und starr. Wir können ein Ziel durch ein anderes ersetzen. Wir können diese Ziele miteinander vergleichen, und dann das neue Ziel besser finden als das alte. Und es kann durchaus sein, daß auch dieses neue Ziel nicht endgültig ist. Neue Möglichkeiten stürzen auf uns ein. Eine Gottesvorstellung, die Vorstellung von einem letzten Ziel, das von keinem anderen Ziel mehr abhängt, kann u.U. meine Zielwahl hier auf Erden kanalisieren. Ein solches letzes Ziel heisst absolut. Dazu muss eine solche Vorstellung freilich abstrakt genug formuliert sein. Vor allem darf eine solche Zielvorstellung keine irdischen Ziele enthalten, die irgendwie religiös verbrämt sind. Es geht ja auch in der modernen Fundamentaltheologie nicht mehr um die Existenz Gottes, sondern mehr um den Bezug des Menschen zum Absoluten.

ujmp hat geschrieben:Die Gottesvorstellung beruht nicht auf dem, was wir Erkenntnis nennen.


In der 1. Pariser Quaestio von Meister Eckhart (1302) geht es um die Frage, ob in Gott Sein und Erkenntnis gleich seien. Eckhart kommt zu folgendem Schluss: Gott denkt nicht, weil er ist, sondern er ist, weil er denkt!

Und noch früher:

Augustin hat geschrieben:"Si enim fallor, sum. nam qui non est, utique nec falli potest."

„Selbst wenn ich mich täusche, bin ich. Denn wer nicht ist, kann sich jedenfalls auch nicht täuschen.“
( De Civitate Dei (Vom Gottesstaat) 11,26)


Ebenso auch:

Augustin hat geschrieben:„wird jemand darüber zweifeln, dass er lebt, sich erinnert, Einsichten hat, will, denkt, weiß und urteilt? […] Mag einer auch sonst zweifeln, über was er will, über diese Zweifel selbst kann er nicht zweifeln“
– De trinitate X, 10


Schließlich noch die Summa contra gentiles, die Summe gegen die Heiden von Thomas von Aquin; ein grossangelegter, wenn vermutlich auch nicht recht erfolgreicher Versuch, Menschen, die von dem Gott der Kirche noch nie etwas gehört haben, mit rein argumentativen Mitteln von Gott zu überzeugen, ohne Rückgriff auf Bibel oder Kirchenheilige.

Der Zusammenhang von Denken und Sein ist im Christentum immer schon thematisiert worden.

Vollbreit hat geschrieben:Könnte also sein, dass das religiöse Denken eine Art Urdenken oder Urbedürfnis ist, aber da Affen es nicht zeigen, muss zwischendurch etwas passiert sein.
Denkt man evolutionär, fragt man sich ja immer, was für eine Funktion das religiöse Denken wohl gehabt haben könnte.


Hab ich heute früh auch daran gedacht. So wie Levi-Strauss in seiner Mythologica den Nachweis zu führen sucht, daß verschiedene Mythenversionen ihren Ursprung im binären Denken des Menschen haben.
Zuletzt geändert von laie am Mo 18. Jun 2012, 09:28, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Mo 18. Jun 2012, 08:56

ujmp hat geschrieben:Es ist evtl. nützlich, jedes Rascheln im Wald als das Anschleichen eines Fressfeindes zu deuten, also den Angriff des Fressfeindes gedanklich vorweg zu nehmen. […]
Daraus resultiert möglicherweise die Fähigkeit, etwas ohne Gewissheit trotzdem anzunehmen - vorsichtshalber.


Gute Überlegung, aber dann müsste Gott ja primär furchteinflößend sein, die allseits lauernde Gefahr. Aber Du meintest es vermutlich breiter, von einem bestimmten vorhandenen Phänomen – dem Rascheln – auf etwas Unbekanntes dahinter zu schließen?

Ja, sowas kann durchaus zu kausalen Verknüpfungen führen, andererseits ist Menschsein ja ein Lösen und Binden von Kausalverknüpfungen, die immer wieder aus dem reinen Automatismus hinausführen.

In der Psychologie gibt es eine schöne Antwort, die der entstehenden Lücke, wenn das Kind von der Mutter für eine gewisse Zeit getrennt ist. Durch das evolutionär recht junge Entstehen von Affekten (die es erst bei höheren Säugetieren gibt), kann Mutter das Kind viel effektiver versorgen, Affekte ermöglichen eine direkte Kommunikation von Mutter und Kind, das Resultat ist eine größere Bindung, bei der Trennung schmerzhaft erlebt wird.

Das Kind ist aber in der Lage kurzzeitige Trennungen zu tolerieren und kann diese Zeit mit Ersatzobjekten überbrücken, zu denen dann eine vorübergehende affektive Beziehung aufgebaut wird. Der Nutzen ist wiederum der, dass solche Kinder später ohne Schaden von der Mutter loskommen und in der Lage sind andere Beziehungen einzugehen.
Das ist die psychologische Wurzel für Religionen und ich glaube an dieser Stelle verstehen wir besser, warum Religion mit positiven Empfindungen verknüpft ist.

Das kann man glaube ich gut mit Deinen Überlegungen verbinden, denn was den Menschen zum Menschen macht, ist ja wesentlich auch die Fähigkeit Idealen nachzuleben Kunst, Ethik, Religion, Liebe und Wissenschaft entspringen alle aus derselben Wurzel und ein Ideal ist ja nichts anderes als etwas gedanklich vorweg zu nehmen, wie Du oben schreibst, es ist ein: So könnte es sein.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Mo 18. Jun 2012, 10:05

Nanna hat geschrieben:Indem das vermeintlich Intentionale, jedoch mangels offensichtlichem Urheber nicht Erklärbare, in die Sphäre des Transzendenten ausgelagert wurde, wurde erst die Möglichkeit geschaffen, die Natur von übernatürlichen Hypothesen zu befreien und in einem zweiten Schritt den "Container" des Transzendenten als Gesamtpaket in Frage zu stellen, weil er als Erklärung der Mechanismen der Natur immer weniger notwendig wurde. Also, erst wird geordnet in Immanenz und Transzendenz, sozusagen die Spreu vom Weizen getrennt, und anschließend, aber eben erst dann, ist das Negieren transzendenter Ideen möglich.


Diese Antwort ist geprägt von der Sicherheit der Fehlerhaftigkeit der Religionen.
Gerade heute wird aber auch von den führenden Brights anerkannt, dass Religionen eventuell einen evolutionären Nutzen, also Vorteil haben könnten.

Natürlich stecken Religionen – wie alles andere auch – voll von Fehlern, Halbheiten, Probeläufen, aber das Transzendente ist einfach eine Idealisierung, im religiösen Ideal verkörpert sie das Streben nach den besten menschenmöglichen Eigenschaften.

Die moderne Trennungslinie verläuft m.E. zwischen Erkenntnis und Geborgenheit.
Wir denken, das eine würde uns das andere beschaffen und legen ein ziemliches Gewicht auf die Erkenntnis. Die Wahrheit wird uns schon frei machen, immer mehr Forschung und Technik verbessern unser Leben, aber der Mensch hat eben auch eine emotionale Seite, die zwar im allgemeinen Machbarkeitsdenken ziemlich entwertet ist, nur ist die Abstimmung mit den Füßen ja auch eine etwas andere, als die Diskussionen unter Akademikern.

Ich würde das auch nicht gegeneinander ausspielen wollen, man muss beides mitnehmen, ich habe nur auch mehr und mehr den Eindruck, dass Glauben zu können, kein Mangelzustand ist, der bedeutet, nicht Denken zu können, sondern, wirklich eine Gnade ist, das Gefühl geborgen und aufgenommen zu sein. Ich glaube nicht, dass das nur über den Weg der Religion geht, aber ich glaube, dass Religion eine der Möglichkeiten darstellt.

Insofern ist das Transzendente schon ausgelagert, nur ist der Naturbegriff ebenfalls ein metaphysisches Konstrukt, die dahinterliegende Ordnung ebenfalls eine Projektion des Menschen.
Der Irrtum liegt einfach in der Ansicht, als sei die Natur einfach, so wie sie ist vorhanden und der ganze Rest nicht. Dazu müsste man dann aber fragen, welchen Nutzen der Naturbegriff hat.
Schon die Definition dessen, was Natur eigentlich sein soll, ist ja kein leichtes Spiel.
http://de.wikipedia.org/wiki/Natur
Es sieht immer nur dann so toll aus, wenn man tut, als wüsste man worüber man redet und als wüssten die, die über Gott, Qualia usw., reden es nicht.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon stine » Mo 18. Jun 2012, 10:29

Vollbreit hat geschrieben:Die moderne Trennungslinie verläuft m.E. zwischen Erkenntnis und Geborgenheit.
Ich würde sagen, das ist die Ideallinie auf der sich die meisten bewegen. Von Trennung würde ich erst sprechen, wenn sich jemand für das eine oder das andere ausschließlich entscheidet und das ist sehr selten, wenn überhaupt möglich. Die meisten religionslosen Atheisten kennen das Gefühl "irgendwie, irgendwo" eingebunden zu sein noch aus ihrer Kindheit. Die Verbissenheit des Abnabelns kommt ja gerade daher, dass es schwer ist, sich von einem vorhandenen Gefühl zu trennen.
Aber auch ohne Erkenntnis nur im Gefühl zu baden ist fast unmöglich.
Vielleicht ist das aber auch nur eine Annahme von mir.

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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Mo 18. Jun 2012, 12:31

Wir empfinden Ekel, wenn wir verdorbene Speisen sehen. Unsere Haare, auf Rücken und Armen, stellen sich auf, wenn wir erschreckt oder alarmiert werden. Wir ballen Fäuste wenn wir wütend sind, machen uns klein und meiden Blickkontakt wenn wir Beschwichtigen wollen, und empfinden Schmerz, wenn wir uns verletzen und lernen damit unseren Körper vor Schaden zu bewahren. Das sind alles Entwicklungen, die im Laufe der Evolution enstanden, nützlich waren, und vererbt wurden (und die wir mit Lebewesen teilen, die ebenfalls nach der jeweiligen "Erfindung" hervorgangen sind und mit denen wir gemeinsame Vorfahren teilen). Verschiedene Stadien der Entwicklung durchlaufen wir auch individuell durch, da auch der Aufbau eines Organismus "organisch" entstanden ist. Niemand hat eine neue Serie konzipiert und sich dann überlegt, was ein fertiger, ausgewachsener Mensch so braucht und dann ein Programm entwickelt, wie das natürlich wachsen könnte. Stattdessen muss sich das Wachstumprogramm des Organismus ebenfalls evolutionär mitentwickeln (es sei aber gesagt, dass die Evolution sich nicht Eins zu Eins beim Heranwachsen abspielt). Warum ist das wichtig? Bei einem Rascheln im Busch, die Nackenhaare aufzustellen und wegzulaufen ist eine Entwicklung, die weit vor der Menschwerdung stattfand und die wir bis heute haben, obwohl unser Überleben heute nicht mehr wirklich von der korrekten Deutung des Raschelns im Busches abhängt. Ebenso ist das Interpretieren der Motivation anderer Akteure, seien es Fressfeinde, Beutetiere, oder Mitgleider des Rudels, der Herde oder sozialen Gruppe älter als das Menschsein. Die Mustererkennung ist älter als das Menschsein. Es war offenkundig besser zwei Augenpaare eines möglichen Raubtieres einmal zu oft in einem Gestrüpp zu erkennen, als einmal zu wenig.

Die Ich-Werdung, oder auch Individuation die wir individuell durchlaufen ist eventuell vergleichbar mit dem, was in früheren (vor-) menschlichen Gruppen passierte. Es gibt anfänglich ein dämmriges Bewusstsein, dass aber schon Akteure und Muster erkennen und bewerten kann, aber kaum ein "Ich" kennt. Nach Campbell, der sich wiederum auf Psychoanalytiker wie Jung stützt, spiegeln Mythologien die Entwicklung (und Wandlung) der Persönlichkeit wieder. Anfänglich ist der Mensch eine Einheit mit seiner Mutter und seiner Familie und muss in der Folge natürlicherweise ein eigenständiges Individium werden, dass seinerseits eine Familie gründen kann. Dabei gibt es aber auch hier keine vorgesehene Planung eines Schöpfers. Im Tierreich beisst die Mutter das Jungtier irgendwann weg (oder der Vater) und verjagt es instinktiv und dann muss es alleine klar kommen. Viele Kulturen haben dafür zum Beispiel mythologiische Initationsriten geschaffen, wo Jungen und Mädchen (allgemein in unterschiedlichen Riten) jeweils zu Mann und Frau werden. Mit diesen ganzen Bauteilen, kann man sich der Erfindung von Göttern annähern.

  • Die ersten Götter waren vermutlich Vater- und Mutterfiguren. In den bekannten Mythologien haben sie stets ambivalente Züge (analog zum "Lauf der Dinge"). Sie spenden leben und nehmen es beliebig wieder weg, sind mal fürsorglich, mal tödlich. Bei Menschen haben Männer und Frauen bekanntlich unterschiedliche natürliche Rollen, die Mutter bringt das Kind zur Welt und hat allein dadurch einen anderen Bezug dazu, als der Vater. Dies spiegelt sich in den Mythologien wieder. Die Mutter ist mit der Erde und der Natur assoziert, der Vater mit dem Himmel. Die Abtrennung von der Mutter ist ebenso thematisiert, wie die Anerkennung des Vaters zu gewinnen. Ich will das garnicht "biologisieren", sondern stelle vielmehr fest, dass z.B. Initationsriten mit verschiedenen "Prüfungen" solche Funktionen erfüllen und das Buhlen um die Gunst eines Vater-Gotts schon ziemlich gut dazu passt.
  • Warum Himmelsgötter oft Väter sind, oder wenigstens männlich sind, hat unterschiedliche Gründe. In dem Moment aber, wo Information wichtig wird, ist es strategisch auch nützlich, die Gunst eines "Überblickers" zu haben. Es mag ein chaotisches, unheimliches Wesen sein, dass da über den Wolken haust, aber wenn es sehen kann, in welche Richtung die Herden ziehen, wäre es vielleicht eine gute Idee, es zu beschwichtigen und um Rat zu fragen. Ich gehe davon aus, dass es also nicht den Einen Grund gab, wie ein Gottesbegriff entstand, sondern dieser sich mit der Kultur langsam angereichert und ausgedehnt hat. Die Herkunft ist nur eine Komponente (die Sachsen stammen vom mythischen Stammvater-Halbgott Saxneat/Saxnôt ab, die Juden vom mythischen Moses usw.), Informationen zu haben und somit Sicherheit (und Sicherheitsgefühl) zu erlangen ein anderes, sich mit einer Macht verbünden eine weitere Komponente.
  • Auch recht "banale" Sachverhalte, teils mit biologisher Grundlage spiegeln sich in Mythologien wieder. Zum Beispiel das Thema der "Veränderung". Das stetige, graduelle Verändern ist für Menschen offenbar nicht intuitiv. Menschen denken in Kategorien und Abschnitten, in zählbaren, diskreten Einheiten. Alles ist eingeteilt, von Jahreszeiten bis Lebensabschnitten (Mädchen > Frau) und somit ist auch die Wandlung immer mit dem Tod verbunden. Die Initiation ist immer zugleich Tod (des Mädchens) und Geburt (der Frau). Etwas vorangegangen muss sterben, damit das "neue" entstehen kann. Die Heldenreisen von Jesus bis Buddha (und verlängert fast jeder Hollywood-Film) stellt diesen Sachverhalt dar. Auf dem Weg dahin muss der Mensch diverse psychische Hürden überwinden, die in den Geschichten als Wächter und Gegner, als numinöse Gestalten auftauchen. In der Alltagssprache hat sich der "Schweinehund" erhalten, den wir überwinden müssen um ein neuer Mensch zu werden (z.b. eine schlankere, attraktivere Inkarnation von uns selbst). Im religiösen Sinne, ist der physische Tod folglich nur eine weitere Episode. Warum wir diese Vorstellung besser und intuitiver finden hat meiner Meinung nach auch wieder biologische und physikalische Ursachen (tote Menschen verändern sich subjektiv zuerst "innerlich", sie schlafen, ihre Persönlichkeit scheint woanders hingegangen zu sein, die Anzeichen des Todes sind allesamt Indizes, Menschen haben außerkörperliche Erfahrungen z.B. durch Drogen und habe somit intuitiv die Idee, dass sie ihren Körper verlassen können usw.)
  • Außerkörperliche Erfahrungen waren für die Menschen früher (und genaugenomen heute noch) nicht unüblich, sei es im Traum oder herbeigeführt durch Drogen oder Meditation. Diese Erfahrungen geben direkt zu der "Hypothese" Anlass, dass es außerkörperliche Wesen, also Geister oder Seelen, gibt. Zusammen mit Empathie und anderen Eigenschaften ist es nicht schwer sich vorzustellen, dass auch andere Menschen diese geistige Welt (Ahnenwelt, Geisterwelt usw.) bereisen können und dass dort außerdem jene Akteure hausen, die das Wetter und andere Geschicke steuern. Die Entwicklung mythologischer Orte oder Medien (in denen Seelen fleuchen und kreuchen) ist naheliegend. Der Tod ist daher auch oft der Bruder des Schlafes. Es leuchtet ein, dass wenn jemand jede Nacht irgendwo hin geht und dabei schläft (schlafend aussieht) der Vorgang beim Tod im Prinzip genauso sein müsste, nur das die Seele an diesem anderen Ort bleibt.
  • Was das Christentum angeht, ist der christliche Gott viel näher an anderen Mythologien dran, als Christen eventuell eingestehen wollen. Es gibt eine gewisse Nähe zum persischen Ahura Mazda, zu Zeus und anderen Himmelsgottheiten (vergl. auch Thor's wütendes, aufbrausendes Gemüt). Etymologisch auch über Deus, Theis(mus), Zeus, Ziu (Tyr > Tyr's Day = Tuesday — Dienstag — Dis), Dis Pater usw.
  • Der christliche Gott hat einen Namen und der lautet "JHWH" (Jahwe), wohingegen "Gott" ein germanisches Wort ist, das allmählich mit der christianisierung eine Bedeutungsverschiebung erhielt. Siehe dazu auch "Gott" "Die ehemals geschlechtsneutrale Begrifflichkeit „Gott“ wurde daraufhin im Germanischen männlich, sobald sie den christlichen Gott bezeichnete. So trat in Folge der Christianisierung der heute bestehende Bedeutungswandel ein, in dem das Wort umgedeutet und auf den − meist als männlich empfundenen − jüdisch-christlichen Gott JHWH (hebräisch ‏יהוה‎) angewendet wurde."
  • Die Abstraktion ist ja selbst in der Bibel zwischen Alten und Neuem Testament überaus deutlich, wo diese sehr figürliche und anschauliche Darstellung dann in zwei entgegengesetzte Richtungen entwickelt wird, Gott wird menschlich (als Jesus) und wird dann selbst abstrakter. Ich würde sagen, diese Doppelgestalt ermöglicht erst, dass ein abstrakter Gott wie der (moderne) Christliche sich überhaupt so verbreiten konnte. Der Trick selbst stammt möglicherweise aus östlichen Religionen und der älteren Buddha-Geschichte und wurde dann nochmal mit Mohammed kopiert. Menschen brauchen etwas greifbares, verständliches. Für Kinder gibt es deshalb auch noch immer den "lieben Gott" mit dem weißen Rauschebart. Für den erwachsenen Gläubigen gibt es dann den abstrakten Gottesbegriff. Der Monotheismus (lies: der parasitäre Gehirnwurm) ist deshalb erfolgreich, weil er sich sehr gut an die menschliche Psyche angepasst hat.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Mo 18. Jun 2012, 15:19

Interessante Wiederholung des sog. evolutionistisch-funktionalistischen Paradigmas in den anthropologischen Wissenschaften, was eigentlich schon seit 70 Jahren Wissenschaftsgeschichte ist. Aber gut.

Ich weiss nicht, ob ich alles verstanden habe, aber ich habe es so verstanden, daß in jeder Religion gewisse Urängste des "Steinzeitmenschen" thematisiert und "gelöst" werden. Diese Urängste bilden sozusagen unser Erbe, ohne dass wir davon wissen. Bisschen C.G.Jung dabei oder? Ach ja, da steht's ja:

Lumen hat geschrieben:Nach Campbell, der sich wiederum auf Psychoanalytiker wie Jung stützt



Kurz: die eine Hälfte der Menschheit wähnt sich noch auf den Bäumen und ist religiös, während die andere darüber aufgeklärt wurde, daß sie auf der Erde lebt. Da muss man Dir ja noch dankbar sein, daß du der ersten Hälfte nicht noch prälogisches oder totemistisches Denken unterstellt hast.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Mo 18. Jun 2012, 16:09

laie hat geschrieben:Kurz: die eine Hälfte der Menschheit wähnt sich noch auf den Bäumen und ist religiös, während die andere darüber aufgeklärt wurde, daß sie auf der Erde lebt. Da muss man Dir ja noch dankbar sein, daß du der ersten Hälfte nicht noch prälogisches oder totemistisches Denken unterstellt hast.


Das ist eine falsche Ableitung. Wir befinden uns in einer unheimlichen Situation und es stellen sich die Nackenhaare auf (Fakt). Manche halten dies für das Wirken von Geistern auf einer Astralebene (Theorie 1), andere denken, es habe biologische Ursachen (Theorie 2). Keiner von beiden "wähnt sich noch auf Bäumen" oder ist in der Entwicklung tatsächlich auf einer anderen Stufe. Auch mit Steinzeit oder zwingend steinzeitlichem Denken hat dies nichts zu tun. Auch ein heutiger Mensch könnte Religionen entwickeln, denn die biologischen Anlagen und bestimmte Umstände sind gegeben (Fakt: alle Menschen haben Eltern. Alle Menschen werden geboren. Alle Menschen müssen sterben usw.). Es sind Leute mit unterschiedlichen Erklärungsmodellen. Erklärungsmodelle sind aber nicht gleichwertig, da nicht gleich wahrscheinlich (nach allem was wir wissen). Die anti-aufklärerische, radikal-relativistische, wissenschafts-kritische Position lese ich bei dir (und manch anderem) öfter mal raus. Sofern sich deine Kritik nicht mal irgendwie verdichtet, wäre es gut, wenn du wenigstens genauso sauber argumentieren würdest, wie du es von anderen (und von mir) einforderst.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 18. Jun 2012, 16:30

ujmp hat geschrieben:Cesare Borgia will nicht argumentieren, dazu ist er intellektuell nicht fähig. Er will vor allem herrschen und unter den geeigneten Umständen ist sein Argument Mord.

...sagt ein Strichmännchen mit Bogen. :lachtot: Du lebst doch noch, oder?
ujmp hat geschrieben:In der Straße, wo ich wohne, kannst du damit niemanden übertölpeln. Du hattest eine All-Aussage gemacht - was sehr selten klug ist. Ein gehöriger Teil des menschlichen Verhaltens beruht aufhartverdrahteten Modellen und lässt sich daher nicht konditionieren.

Fängt das schon wieder an. "Alles eine Frage Der Konditionierung" war nur eine Einleitung, nimm nicht alles wörtlich und konkretisiere deine Kritik.
ujmp hat geschrieben:Derart klare und solide Überlegungen würden mich bei dir überraschen. Aber jemanden der so viel textet wie du, passiert wohl auch mal sowas. Aber wie auch immer, dies auf die Entwicklung des Gottesbegriffes anzuwenden war ja der Sinn des Postings, weil dies der Gegenstand dieser Diskussion ist.

Ach so. Ist es nicht so, dass der blinde Bogenschütze auch mal ein Ziel getroffen hat?! tatsächlich sind meine Gedanken immer strukturiert, dir fehlt meist das Verständnis, sie als solche zu erkennen.
ujmp hat geschrieben:Ich hab aber nicht von analytischem Denken gesprochen, sondern erstmal nur von einem Verhalten.

Das analytische Denken ist ein Bestandteil unseres Verhaltens. Ohne die Fähigkeit, eintsprechend zu denken, würden wir uns logischerweise anders verhalten.
ujmp hat geschrieben: Das analytische Denken hat vermutlich umgekehrt die Vorstellung, alles sei intentional, erst in Frage gestellt.

Vermutlich, bei einigen ist dieses Denken weniger ausgeprägt als bei anderen, nicht wahr?
ujmp hat geschrieben: Die Gottesvorstellung beruht nicht auf dem, was wir Erkenntnis nennen.

Wie definierst du hier Erkenntnis? Und damit frage ich dich (obwohl du dich hinter "wir" versteckst)!
ujmp hat geschrieben: Das drückt übrigens die biblische Geschichte des "Sündenfalls", wie ich finde, außerst tiefsinnig aus. Der Mensch wurde in dem Augenblick Mensch, als er an Gott zu zweifeln begann...

Nö, er bekam die Erbsünde, weil er ungehorsam war, das hatte nicht unbedingt etwas mit Denken zu tun. Das ist deine Interpretation, die nicht sehr wahrscheinlich ist, weil die Intention dann wäre, das Zweifeln wäre in irgnedeiner Weise etwas "Gutes", Kirchen und Religionen mögen Zweifel nicht.
laie hat geschrieben:Solche Gottesvorstellungen wurden allmählich durch Einblicke in die Kausalität natürlicher Vorgänge ersetzt. Meine These ist nun: der Glaube an personifizierte Naturkräfte ist eine Randerscheinung und gar nicht wichtig. Im AT wird Gott zwar als Schöpfer vorausgesetzt, aber dann hat es sich damit auch. Dann geht es nicht mehr um präwissenschaftliche Vorstellungen, über die man sich nach Belieben lustig machen kann ("bronzezeitlich").

Die Frage nach dem Ursprung muss über den "Erntegott" laufen, auch im alten Testament ist dieser letztlich nur so einer. Und über die könnte man sich lustig machen, wenn die Vorstellung nicht so pervers wäre, wie sie geschildert wird. Der Gottesbegriff heute ist nur eine Art Tradition, sie dient heute z. Bsp. bei den kommunistisch-atheistischen Chinesen als Attraktion und Erfüller der materiellen Sorgen.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Mo 18. Jun 2012, 18:22

Darth Nefarius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Cesare Borgia will nicht argumentieren, dazu ist er intellektuell nicht fähig. Er will vor allem herrschen und unter den geeigneten Umständen ist sein Argument Mord.

...sagt ein Strichmännchen mit Bogen. :lachtot: Du lebst doch noch, oder?


Naja, Backpfeiffengesicht und Strichmännchen unterliegen Lawrence in eindeutiger, unzweifelhafter Weise. Dieser unterliegt allerdings auch sehr eindeutig der Quarkspeise mit Gesicht.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 18. Jun 2012, 20:05

Lumen hat geschrieben:Naja, Backpfeiffengesicht und Strichmännchen unterliegen Lawrence in eindeutiger, unzweifelhafter Weise. Dieser unterliegt allerdings auch sehr eindeutig der Quarkspeise mit Gesicht.

Sollte das irgendeine künstlerische Bewertung der Avatare sein? Ich finde deinen Lawrence nicht sonderlich beeindruckend, historische und philosophische Bedeutung ist Trupf. Ich habe dieses Geplänkel bezüglich der Avatare nicht angefangen, will es aber nochmal beenden, wenn ihr einverstanden seid, bevor das wieder zu persönlich wird (was unseriös und dem Klima nicht förderlich ist). Damit spreche ich konkret ujmp an, wir hatten das alles schon und du konntest auch beim ersten mal nicht klarmachen, warum dein Strichmännchen als Avatar toller ist als mein Borgia. Dein Argument war ja der Mord, eine sehr einseitige und unwürdige Assoziation, die Philosophen wie Nietzsche und Machiavelli (den man auch so bezeichnen könnte) nicht teilten. Abgesehen davon ist dein Avatar auch eine Tötungsmaschine, nur eben eine wesentlich primitivere.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Mo 18. Jun 2012, 20:35

Darth Nefarius hat geschrieben:Sollte das irgendeine künstlerische Bewertung der Avatare sein? [...]


Das sollte Spaß sein. Nichts für ungut. Weiter im Topic.


ujmp hat geschrieben:Das drückt übrigens die biblische Geschichte des "Sündenfalls", wie ich finde, außerst tiefsinnig aus. Der Mensch wurde in dem Augenblick Mensch, als er an Gott zu zweifeln begann...


Umgekehrt würde ich sagen. Die Religion will hier eine wesentliche Eigenschaft des Menschen einschränken: die des Zweifelns und Abwägens. Personifiziert auch als Schlange und Teufel, als Zweifler und Lästerer. Dazu die Frucht vom "Baum der Erkenntnis". Diese Elemente deuten auf eine erkenntnis- und zweifelsferne Ideologie hin, die stattdessen sehr eindeutig und eindringlich blinden Gehorsam und Autoritätshörigkeit propagiert (Abraham, der bereit ist seinen Sohn zu töten, bei Nichtgehorsam zur Salzsäule erstarren, auf Zuruf Kanaaniter meucheln kommt ja dann auch danach).
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Mo 18. Jun 2012, 21:01

Ich würde da ujmp durchaus zustimmen, es gibt ja nicht nur im Christentum das Motiv, dass Gott den Betrug oder Grenzübertritt nicht unmöglich macht. Auch Prometheus, der den Götter das Feuer (das Licht der Erkenntnis) raubte, wurde ja zum Gründer des Geschlechts der sterblichen Menschen.
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