Wozu dient der Gottesbegriff?

Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Mo 30. Dez 2013, 17:39

Vollbreit hat geschrieben:Das könnte auf verschlungenen Pfaden dann doch zu einer Naturalismuskritik führen, deren Befund lautet, dass man die Natur des menschlichen Geistes in einer verobjektivierten Welt nicht unter kriegt, da in einer objektivierten Welt das beobachtende Subjekt immer schon mitgedacht werden muss.

Das "beobachtende Subjekt" ist einfach ein Teil der objektiven Beobachtung. Es fühlt Schwerkraft oder Hitze, weil es diese Dinge gibt. Es stimmt schon, dass Beobachtungen theoriegeladen sind. Dass muss man sich aber nur bewusst machen - dann kann man es sogar als Chance betrachten. Abgesehen davon - wie stellen wir die Theoriegeladenheit einer Beobachtung fest?- (Alles in Deckung, ihr Feinde der Empirie!) Durch Beobachtung, wie sonst!

Weil wir grad beim Thema sind: Ich find Vipassana-Mediation recht attraktiv, die man bekanntlich ohne religiöse Annahmen betreiben kann. Da geht es u.a. sehr stark darum, die Beliebigkeit der eigenen Konzepte zu erkennen. Ich finde da übrigens ganz viel von Poppers Fallibilismus wieder.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Di 31. Dez 2013, 01:19

Vollbreit hat geschrieben:Das könnte auf verschlungenen Pfaden dann doch zu einer Naturalismuskritik führen, deren Befund lautet, dass man die Natur des menschlichen Geistes in einer verobjektivierten Welt nicht unter kriegt, da in einer objektivierten Welt das beobachtende Subjekt immer schon mitgedacht werden muss.


Die Unterteilung in Objekte und Subjekte ist ein Artefakt des Denkens, und meiner Ansicht nach keine Tatsache. An keiner Stelle wandelt sich das objektive ins subjektive. Die Umwelt ragt in dich hinein bis in deine Zellkerne, so wie du in in die Umwelt hineinragst. Photonen werden über chemische Prozesse zu neuronalen Mustern, ebenso Schallwellen. Substanzen und Moleküle greifen sogar auf die "genetischen Programme" zu und können sie gewissermaßen ein- und ausschalten und auch dauerhaft verändern, was unter Epigenetik zusammengefasst wird. Durch dein Agieren bist du selbst Teil der (sozialen) Umwelt anderer Menschen und kannst entsprechende Prozesse selbst verändern, einschließlich epigenetischer. Die Umwelt umgestalten und mit ihr Verwachsen macht der Mensch andauernd. Nur unser Wahrnehmungsapparat zieht die Grenzen, zerteilt das Wahrgenommene in Referenten, klebt Etiketten drauf an dem sich dann professionelle Schwurbler, allen Voran die Theologen, abarbeiten. Philosophen gehen gerade einen ähnlichen Weg.

Die Unterscheidung zwischen Gehirn von Außen und Geist von innen bietet eine Unterteilung in Subjekt und Objekt an, aber auch da ist außer Wortspielerei nichts besonderes zu finden. Zwar wehrt sich mancher gegen den Vergleich, aber letztlich können wir auch Software von "Außen" betrachten, als Zahlenreihen von Nullen und Einsen und von "Innen" wenn die Programme auf dem Bildschirm erscheinen. Wir haben noch nicht genügend herausgefunden um das beim Gehirn zu können, aber ganz so rätselhaft wie mancher Philosoph das behauptet ist es auch nicht mehr. Die vermeintliche Schranke wird möglicherweise eines Tages ganz fallen (es kann sein, dass es aus prinzipiellen, nicht mysteriösen Gründen, nie klappen kann). Bis dahin nähern wir uns an, indem Wissenschaftler auf einem Monitor an der aktivierten Gehirnregion erkennen können, in etwa, was der Proband denkt. Das wird auch immer genauer werden.

Zu Qualia empehle ich Daniel Dennett, Quining Qualia, PDF (auch in Intuition Pumps, 2013). Dazu empfehle den sensationellen Stanford Kurs für Jeden (Englischkenntnisse und Zeit vorausgesetzt) vom großartigen Prof. Robert M. Sapolsky, der auch teils drögen Stoff unterhaltsam erklärt. Das ist ein interdisziplinärer Rundumschlag, geht bei Eigenarten des Denkens los (Stichwort: Tyrannei der Kategorien), wo die Grundlage dafür gelegt wird, dass es eben verschiedene "Warten" gibt, von denen sich Phänomene am besten Begutachten lassen, über kuriose biologische Fakten, Spieltheorie, Tit-For-Tat usw. über Genetik, usw.

Bei Genetik braucht man etwas nerven, aber es lohnt sich. Wenn man denn realisiert, was das bedeutet, was er erklärt, kann es schonmal "woah!" machen. Wer eine solche Möglichkeit NICHT wahrnimmt, die noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre ist selber Schuld. Hier die Playlist zum vormerken, und hier ist der erste Teil, den man sich mal gönnen kann.

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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Di 31. Dez 2013, 09:11

ujmp hat geschrieben:Das "beobachtende Subjekt" ist einfach ein Teil der objektiven Beobachtung. Es fühlt Schwerkraft oder Hitze, weil es diese Dinge gibt.

Ja, als andere Seite, als Beobachter. Und zwar immer.
Subjektivisten wollen erkennbar die Welt rauskürzen. Könnte alles nur (m)ein Traum sein.
Objektivisten meinen, es würde nicht weiter auffallen, wenn das Subjekt irgendwo zwischen allen Messvorgängen verschwindet, aber es stellt nicht nur immer noch die andere Seite dar, sondern die grundsätzlich andere Seite des ganzen Konstrukts.

ujmp hat geschrieben:Es stimmt schon, dass Beobachtungen theoriegeladen sind. Dass muss man sich aber nur bewusst machen - dann kann man es sogar als Chance betrachten. Abgesehen davon - wie stellen wir die Theoriegeladenheit einer Beobachtung fest?- (Alles in Deckung, ihr Feinde der Empirie!) Durch Beobachtung, wie sonst!

Da näherst Du Dich dem Problem, allerdings dem Grundproblem des Empirismus, jene ordnende, theoriefähige Instanz zu vorauszusetzen, die erst empirisch entstehen soll,
wobei nie klar ist, was ontologisch und was erkenntnistheoretisch gemeinst ist.

Und es stimmt schon: Man kann so etwas wie Theoriegeladenheit beoabchten aber nur als verstehende Subjekt.
Die Normativität unseres Daseins können wir beobachten und wir können dem nachgehen, nur im Hirnscan ist davon nichts zu sehen.
Auch das Mentale (nicht die Hirnfunktionen) können wir als Objekt betrachten, aber wir können es nicht vermessen, wir müssen teilnehmend verstehen.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Di 31. Dez 2013, 10:23

Lumen hat geschrieben:Die Unterteilung in Objekte und Subjekte ist ein Artefakt des Denkens, und meiner Ansicht nach keine Tatsache.

Ja, das ist Heideggers Kritik. Er sagt, dass wir uns immer schon aufs Innigste mit Welt verbunden vorfinden.
Später dann, nach dem wir mit Welt schon ganz praktisch umgegangen sind, fangen wir an Theorien über die Welt und über Dinge aufzustellen und machen die Verbundenheit damit künstlich zur Trennung. Auf einmal gibt es mich hier und das (egal ob ein Förmchen, oder Welt als Ganzes) dort.

Nur genau das versuchen viele naturalistischen Strömungen, die Welt zum Objekt zu machen. Aber immer wenn ich das tue und auf „den Vogel dort“ zeige, muss ich gleichzeitig den Beobachter mitdenken. Egal ob Feldstecher oder fMRT mit algorithmisierter Messung, irgendwo steht immer noch ein verstehndes Bewusstsein auf der anderen Seite.
Durch bloße Nichtbeachtung oder Vergessen löst sich das nicht auf.

Lumen hat geschrieben:An keiner Stelle wandelt sich das objektive ins subjektive. Die Umwelt ragt in dich hinein bis in deine Zellkerne, so wie du in in die Umwelt hineinragst.
Darum geht es nicht. Du verweist zwar auf die Verschränktheit von Subjekt und Welt, aber der Befund ist, dass wir uns ja dennoch als Subjekt empfinden und dass das eine recht frühe Erfahrung ist und eine, die unhintergehbar ist.
Es ist das alte skeptische Spiel des Descartes, wenn er fragt, wessen ich mir überhaupt gewiss sein kann und antwortet: dass ich bin.
Und es gilt heute noch, in dem Sinne, dass ich mir meiner Existenz gewiss sei darf. Und es ist wohl das einzige dessen man sich wirklich gewiss sein kann.
Der Fehler des Descartes liegt in der Annahme, dass dieses Ich auf einmal voraussetzungslos in der Welt steht. Und die wesentlichen Voraussetzungen sind nicht Kohlenstoff und Sauerstoff (wenn man die notwendig und hinreichend Unterteilung einführen will), sondern Sprachpragmatik und eine sie implizit und explizit vermittelnde Mitwelt.


Lumen hat geschrieben:Photonen werden über chemische Prozesse zu neuronalen Mustern, ebenso Schallwellen. Substanzen und Moleküle greifen sogar auf die "genetischen Programme" zu und können sie gewissermaßen ein- und ausschalten und auch dauerhaft verändern, was unter Epigenetik zusammengefasst wird. ...
Das ist soweit alles richtig, unterstellt aber bereits, dass der Naturalismus allumfassend zuständig ist und lässt Kritik so gar nicht erst aufkommen.
Du erzählst die Geschichte der Ich-Entstehung aus Sicht des Naturalismus durch einen evolutionären Prozess.

Die Frage ist, wie erklärt eine solche Theorie den Geist, meinetwegen das Bewusstsein, in einer Weise, dass wir uns damit auch gemeint fühlen. Der Clou bei den diversen biologischen Erklärungsversuchen und auch der Spiel- und Systemtheorie, ist immer, dem Ich über kurz oder lang zu erklären, dass es eigentlich nicht existiert. Das Ich ist in all diesen Ansätzen immer ein ziemlich passiver Container für ein überindividuell ablaufendes Programm: egoistische Gene, autonome Hirnprozesse, ein spieltheoretischer Algorithmus, soziale und biologische Systeme.
Das Problem ist nun, dass am Ende dieses Prozesses das Ich, das Subjekt immer bis zur Unkenntlichkeit zerrieben ist, ziemlich unabhängig davon auf welche Varianten (oder deren Kombination) man setzt. Und so kann man schnell zu der Idee kommen, wenn man nur in solchen Theorien badet, das Ich sei eigentlich ein vollkommen überflüssiges Epiphänomen.

Und Dennetts Antwort auf den Einwand des Subjekts, ist immer die gleiche: Du musst dich irren. Die Funktion des Subjekts ist die des sich stets irrenden (in Süße Träume gibt Dennett sich alle Mühe, in den Kapiteln über Heterophänomenologie und Wahrnehmungspsychologie genau das nachzuweisen), abgesehen davon, dass es sich um irgendeine evolutionär nützliche Überlebenstrategie handeln soll.

Doch das Subjekt, das diese Theorien verstehend annimmt und gut findet und – ein Zug der so offensichtlich selbstwidersprüchlich ist, dass ich mich wirklich wundere, wie er so grandios übersehen werden kann – jede Menge Selbstbewusstsein und Überlegenheitsgefühle aus diesem „ich versteh' das alles viel besser als du“ ableitet, ist sehr vital und steht stillschweigend natürlich noch immer auf der anderen Seite auch jener Theorie.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 31. Dez 2013, 13:28

Vollbreit hat geschrieben:Das Dao (was man nennen kann, ist nicht das ewige Dao) fällt wohl eher mit dem Guten bei Plato zusammen, je nach dem, wie man Plato versteht.
Das Dao ist das immer sich Entziehende, stets Negative, da man es verfehlt, wenn man es positiv bestimmen wollte.

Ich sehe da keinen Zusammenhang, wenn ich doch meist soetwas im Kontext des Dao lese:
Wikipedia hat geschrieben:Die Übersetzung nähert sich nur sehr grob an den abstrakten Gehalt des Wortes im daoistischen Kontext an, denn das Dàodéjīng des Lǎozǐ stellte das Dào zum ersten Mal als eine Art von transzendenter höchster Wirklichkeit und Wahrheit dar.
- das klingt für mich doch sehr nach Platons Urbildern und hat keinen wirklichen Bezug zur Ethik, eher zur Erkenntnistheorie.
Der Bezug zu dem Zitat besteht nur insofern, dass du dich in philosophischem Kauderwelsch ergießt, was auf die Dauer sehr anstrengend sein kann und für mir einer der Gründe zu sein scheint, dass hier immer nur dieselben paar Leute diskutieren (oder kurz mal irgendein religiöser Fanatiker oder ein Spinner, der seine Werbung loswerden will). Auch wenn ich mit dem spirituellen Konzept des Daoismus gar nichts anfangen kann (also dem wohl größten Teil dieser Philosophie), ist es für mich eventuell eine praktische Rechtfertigung in Situationen, wo mir religiöse Spinner vorwerfen, ich würde die Natur pervertieren oder sowas - wenn ich aber mit einer anderen Religion kontere, hat mein Bestreben nach Unsterblichkeit eine gewisse spirituelle Rechtfertigung, ohne viele Argumente an das dumme Gegenüber zu verschwenden. Für euch hingegen kann es auch noch einen Konsens bieten, der auch für die breitere Masse verständlich ist. Aber ich habe auch angemerkt, dass der Kommentar aus dem Rahmen fällt - ich wollte das schon länger loswerden.
Vollbreit hat geschrieben:@ umjp und Darth:

Das könnte auf verschlungenen Pfaden dann doch zu einer Naturalismuskritik führen, deren Befund lautet, dass man die Natur des menschlichen Geistes in einer verobjektivierten Welt nicht unter kriegt, da in einer objektivierten Welt das beobachtende Subjekt immer schon mitgedacht werden muss.

Siehst du, wegen so einem Kauderwelsch wird es ermüdend, die Texte zu lesen. Aber ich gebe mir mal Mühe, darauf zu antworten: Ich sehe das anders, da ich doch gerade den einzig nachvollziehbaren Ursprung des menschlichen "Geistes" biete: Ursprung und Gestalt in den Zuständen der Materie. "Der Geist" hat also als Metapher für kognitive Prozesse, die einem Organ entspringen, welches Informationen der Umgebung elektrochemisch verarbeitet, Platz. Verobjaktiviert scheint mir meine Position auch nicht, sie ist intersubjektiv und gerade in Wissenschaften legt man sich nicht auf "Wahrheiten", sondern "Theorien" fest und berücksichtigt gleichzeitig andere Meinungen/Theorien (sofern sie wissenschaftlichen Ursprungs sind). Das Subjekt findet meiner Ansicht auch genug Beachtung, wo doch sehr liberale und wenig konkrete Menschenbilder angeboten werden (in der wissenschaftlichen Welt allgemein - in bestimmten Fachrichtungen sieht es anders aus), die dem Subjekt viel Freiheit zur Definition lässt.
Lumen hat geschrieben:Substanzen und Moleküle greifen sogar auf die "genetischen Programme" zu und können sie gewissermaßen ein- und ausschalten und auch dauerhaft verändern, was unter Epigenetik zusammengefasst wird.

Endlich mal einer, der meine Sprache spricht! Die nennt man übrigens Transkriptionsfaktoren oder Liganden solcher - Vitamine und Steroide sind da zu erwähnen. "Dauerhaft verändern" ist hingegen mit Vorsicht zu genießen - in der meiotischen Vererbung wird das Methylierungsmuster wieder gelöscht durch Demethylasen (ein kleiner, wahrscheinlich zufälliger Anteil bleibt jedoch bestehen).
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 31. Dez 2013, 13:44

Vollbreit hat geschrieben:Die Frage ist, wie erklärt eine solche Theorie den Geist, meinetwegen das Bewusstsein, in einer Weise, dass wir uns damit auch gemeint fühlen. Der Clou bei den diversen biologischen Erklärungsversuchen und auch der Spiel- und Systemtheorie, ist immer, dem Ich über kurz oder lang zu erklären, dass es eigentlich nicht existiert. Das Ich ist in all diesen Ansätzen immer ein ziemlich passiver Container für ein überindividuell ablaufendes Programm: egoistische Gene, autonome Hirnprozesse, ein spieltheoretischer Algorithmus, soziale und biologische Systeme.
Das Problem ist nun, dass am Ende dieses Prozesses das Ich, das Subjekt immer bis zur Unkenntlichkeit zerrieben ist, ziemlich unabhängig davon auf welche Varianten (oder deren Kombination) man setzt. Und so kann man schnell zu der Idee kommen, wenn man nur in solchen Theorien badet, das Ich sei eigentlich ein vollkommen überflüssiges Epiphänomen.

Ich sehe keine Notwendigkeit in deinem Eindruck - nur weil biologische Erklärungen dein Sein erklären durch allgemeine Gesetze, Ereignisse und Mechanismen, verschwindet dein "Ich" deswegen nicht - das Problem scheint vielmehr in deiner Fähigkeit zur Akzeptanz dieser Erklärungen zu liegen, die du nicht als eigen anerkennst und damit für dich nicht das "Ich" miteinbezieht. Triebsteuerung beziehst du nicht auf dich, deswegen fällt es nicht unter dein "Ich"-Verständnis, auch wenn du distanziert vielleicht anerkennen kannst, dass es Triebe gibt und auch du sie besitzt. Egoismus scheint dir vielleicht auch rational ein plausibles Konzept zu sein, aber nur bis zu dem Grad, wo es dein "Ich" betrifft. Die Mechanismen für neuronale Signaltransduktion und die Funktionsweise von Neurotransmittern könnte man dir vielleicht auch erklären, aber du würdest es nicht auf dich beziehen, weil du dich nicht als chemische Maschine sehen willst. Klar kann nach so einer detaillierten Erklärung dessen, was dich ausmacht, nicht viel Spielraum für das "Ich" existieren, wenn du all diese Erklärungen von dir weist und nur auf oberflächlicher Ebene auf deinen Körper beziehst. Mir hingegen geht es ganz anders, da ich diese Erklärungen für sehr hilfreich halte, die empirischen Hintergründe dessen, was meinen Charakter ausmacht wie z.Bsp. auch die konkreten Lebenssituationen meiner Eltern und Großeltern und welcher Umgebung sie entstammen - welchen Selektionsdrücken, die mich letztlich zu dem machten, was ich bin und es gleichzeitig für andere, die anderen Welten entstammen so schwer macht, mich zu verstehen. Jede Religion bietet ein Menschenbild an - ich fühle mich von ihnen auch nicht angesprochen und distanziere mich deswegen von ihnen. Auch wenn das keine wirklich gute Analogie ist - besser passend ist vielleicht (um in euer Kauderwelsch zu welchseln) Sartres "Ekel" des Individuums. Ich persönlich empfinde ihn nicht durch entsprechende Strukturierung und Erklärung der Welt auf unmythische Art, die den Menschen von seinem hohen Ross nimmt (nichts gegen gesunde Arroganz, aber dann bitte erarbeitet und nicht aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe) - auf dich könnte das hingegen zutreffen, aber eben nur, weil dir die Begeisterungsfähigkeit für diese Erklärungen fehlt, die teilweise aus dem Nichtwissen resultiert (um eine naturwissenschftliche Erklärung verständlich zu machen, muss man vieles runterbrechen und dann kann die Antwort sehr simpel lauten, dass sie schon fast enttäuscht und einer "42" gleichkommt).
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Di 31. Dez 2013, 13:58

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Das Dao (was man nennen kann, ist nicht das ewige Dao) fällt wohl eher mit dem Guten bei Plato zusammen, je nach dem, wie man Plato versteht.
Das Dao ist das immer sich Entziehende, stets Negative, da man es verfehlt, wenn man es positiv bestimmen wollte.

Ich sehe da keinen Zusammenhang, wenn ich doch meist soetwas im Kontext des Dao lese:
Wikipedia hat geschrieben:Die Übersetzung nähert sich nur sehr grob an den abstrakten Gehalt des Wortes im daoistischen Kontext an, denn das Dàodéjīng des Lǎozǐ stellte das Dào zum ersten Mal als eine Art von transzendenter höchster Wirklichkeit und Wahrheit dar.
- das klingt für mich doch sehr nach Platons Urbildern und hat keinen wirklichen Bezug zur Ethik, eher zur Erkenntnistheorie.

„Das Dao, was man nennen kann, ist nicht das ewige Dao.“ Das ist aus dem Dao de King und beschreibt das sich jeder Beschreibung Entziehende.

Darth Nefarius hat geschrieben:Der Bezug zu dem Zitat besteht nur insofern, dass du dich in philosophischem Kauderwelsch ergießt, was auf die Dauer sehr anstrengend sein kann und für mir einer der Gründe zu sein scheint, dass hier immer nur dieselben paar Leute diskutieren (oder kurz mal irgendein religiöser Fanatiker oder ein Spinner, der seine Werbung loswerden will).
Mir ist bewusst, dass die Philosophie intellektuell (über)fordernd sein kann.
Meine dreimonatige Abwesenheit, in der zumindest ich das Forum nicht mit Philosophie kontaminiert habe, hat nach meiner Beobachutng nicht zu einem neuen Aufblühen beigetragen, sondern u.a. zu einer Selbstreflexion darüber, warum hier keiner mehr schreibt. Insofern finde ich Dein Argument nicht so wahnsinnig überzeugend.

Darth Nefarius hat geschrieben:Auch wenn ich …

Auch wenn es schwer für Dich zu ertragen ist. Ich wollt' mal beim Thema bleiben und nicht über Dich reden.

Darth Nefarius hat geschrieben:Aber ich gebe mir mal Mühe, darauf zu antworten: ...

Das brauchst Du nicht, da Du bei der Naturalismuskritik gar nicht verstehst, worum es geht.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 31. Dez 2013, 17:32

Vollbreit hat geschrieben:Mir ist bewusst, dass die Philosophie intellektuell (über)fordernd sein kann.

Oh, da hast du mich falsch verstanden. Es ist nicht schwierig eure philosophischen Standpunkte zu verstehen - schwierig ist die unnötig komplizierte Wortwahl und die teils überflüssigen Kategorisierungen, um einen Standpunkt auszudrücken. Ich bemühe mich meist die schwierigen Begriffe aus der Biologie und Chemie wegzulassen, wenn sie keinen Beitrag zum Verständnis leisten - ich erwähne auch z.Bsp. nicht, dass entsprechende Standpunkte bei Löffler, Petrides oder Stryer nachzulesen sind, wohingegen ihr wohl nie müde werdet den Namen Popper und Co. zu nennen. Vielleicht erachtest du persönlich aufgrund der Kategorisierungen in Objektivismus und Subjektivismus es für nötig, diese auch zu nennen - aber als Laie steht man wohl da und denkt sich :irre: , da diese Dinge im Zusammenhang mit dem diskutierten Standpunkt der Naturwissenschaftler nie erwähnt werden und damit aus dieser Perspektive völlig untauglich sind. Teilweise ist dies auch das Problem in der Diskussion, wenn auch noch ein Dualismus zwischen Materie und metaphysischer Sphäre aufgebaut wird - der für einen Naturwissenschaftler (und wohl auch für viele Atheisten) nicht existiert.
Das größte Problem ergibt sich dann aus dem Beharren auf diesen Kategorien und der Meinung, dass allein das Postulieren solcher Kategorien die Existenz von Dingen wie Seele oder Geist rechtfertigt. So wird eine Diskussion sehr theoretisch mit zweifelhafter Argumentation. Ich würde da empfehlen, sich an Nanna zu orientieren, der wohl über ebensoviel Fachwissen verfügt und dennoch zu den "einfachen Leuten" - oder einfach zu anderen Fachkreisen sprechen kann.
Vollbreit hat geschrieben:Meine dreimonatige Abwesenheit, in der zumindest ich das Forum nicht mit Philosophie kontaminiert habe, hat nach meiner Beobachutng nicht zu einem neuen Aufblühen beigetragen, sondern u.a. zu einer Selbstreflexion darüber, warum hier keiner mehr schreibt. Insofern finde ich Dein Argument nicht so wahnsinnig überzeugend.

Zufällig war ich in einem ähnlichen Zeitraum ebensowenig beschäftigt - damit relativiert sich dein Eindruck.
Vollbreit hat geschrieben:Das brauchst Du nicht, da Du bei der Naturalismuskritik gar nicht verstehst, worum es geht.

Kaum angefangen wieder hier zu schreiben und schon wieder den versnobten Pseudointellektuellen raushängen lassen, der sich zu gut für die Welt ist? Nun, zumindest unterstreichst du meine Kritik an einem solchen Diskussionsstil.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Mi 1. Jan 2014, 13:19

Hallo Darth.

Frohes neues Jahr erst mal.

Ich richte mich in meiner Antwort immer nach meinem Empfinden, inwieweit ich meine, dass mein jeweiliges Gegenüber ein echtes Interesse am Thema hat.
Sehe ich ein Interesse bin ich gerne zu ausführlicheren Antwort bereit, habe ich den Eindruck, dass das durch den „Philosophie ist sowieso Quatsch“-Wolf gedreht wird, schenke ich mir in der Regel die Mühe, da ich keinen zwingen kann und will, sich für Themen zu interessieren, die ihm nicht behagen oder die er nicht versteht.

In einem hast Du recht. Philosophie ist immer auch Philosophiegeschichte, d.h. ein Name steht da oft für ein Programm, was in der Naturwissenschaft weniger der Fall ist. Schwer immer die Positionen darzustellen, weil das dann fürchterlich ausufern würde, aber Du wirst sehen, dass es in der Philosophie einen Kanon gibt, von Leuten, die immer wieder genannt werden. Bei fast allen geschieht das zurecht und der Weg entsteht beim gehen, d.h. indem man immer wieder drauf achtet, wer in welchem Kontext genannt wird und einfach mal in die Ideenwelt des einen oder anderen eintaucht.

Eine Ultrakurzeinführung kann man aus zwei Richtungen geben, zeitlich und strömungs- oder linienmäßig.
Von Beginn an gibt es eigentlich die Linien der Empiristen und der Idealisten – ich nenn' die mal so, man könnte auch Rationalisten sagen.
Erstaunlich, dass sich nach 2500 Jahren im Grunde wenig daran geändert hat. Das zieht sich als roten Faden durch und Plato steht im Lager der Idealisten, Aristoteles im Lager der Empiristen.
Hume und Kant sind wieder so sich ergänzende Antipoden, Hume für die Empiristen, von Kant sagen die einen er hätte Empirismus und Idealismus vereint, die anderen sagen, er sei eher Idealist, auf jeden Fall bereitete Kant wesentliche Gedanken vor und man kann sich streiten wie fertig oder nur angedacht man z.B. den Konstruktivismus oder Holismus bei ihm findet. Kant versucht aber erkennbar, Empirismus und Idealismus zu vereinen, die Pointe bei ihm ist oft, dass es vernünftig sein soll, dies oder jenes zu tun und dieses transzendentale (nicht transzendente) Reich der reinen Vernunft ist es dann auch, was vielen Empiristen nicht behagt.

Neuerdings – also seit einigen Jahrzehnten - gibt es den Trend der Detranszendentalisierung, was bedeutet, dass Kants Ideenwelt (mit „Ding an sich“ und so) abgerüstet und ausgeräumt wird, zugunsten sozialperspektivischer Spiele oder Zuschreibungen.
Was aber bleibt, ist der alte Streit von Empirismus gegen Idealismus (der inzwischen eher Sprachpragmatismus heißt) bis in unsere Tage.
Und da sagt die eine Fraktion, grob gesagt: Naja Bewusstsein, das sieht doch wohl jeder, ist nicht vom Himmel gefallen, sondern ist, wie alles andere auch, ein Produkt der Evolution, vom Einfachen zum immer Komplexeren, fertig, der Rest ist Detailarbeit.
Und doch wird man Kant nicht los, der darauf hinweist, dass bei all dem, von dem uns der Empirismus erzählt, dass es schlicht aus der Erfahrung kommt und einfach geordnet werden muss, eines immer schon vorausgesetzt wird: dass da nämlich eine ordnende (synthetische) Instanz bereits existiert.


Drehen wir das Bild mal um 90° dann mache ich jetzt einen sehr subjektiven und groben bis brutalen Schnitt. In meiner Wahrnehmung gibt es eine Philosophie vor der linguistischen Wende und eine vollkommen andere danach. Das tut erstens all den großen Philosophen unrecht, die davor waren und die zum Kanon gehören, aber Philosophie wird oft und gerne mit „den alten Griechen“ assoziiert, es ist ein eigenes Thema sie alle gebührend zu würdigen aber mit der linguistischen Wende wurde alles anders, kein Stein blieb auf dem anderen und mit den Griechen hat das wenig zu tun. (Lustigerweise ist diese Wende in einem Rückzugsgefecht entstanden und aus der Not geboren. Ein um die andere Disziplin kam der Philosophie an die empirischen Wissenschaften abhanden und übrig blieb als Spielfeld fast nur noch Sprache.) Nun ist für die einen die linguistischen Wende ein epochaler Wandel, für die anderen der größte Unfug, den es gibt.

Ein kardinales Missverständnis wäre es, zu glauben, linguistische Wende hieße, die Welt sei aus Begriffen gemacht oder, wenn sich die Begriffe veränderten, veränderte sich auch die Welt. Irgendwie werden immer de Saussure, den keine Sau kennt, Wittgenstein und auch Heidegger und Zusammenhang mit dieser Wende genannt.
Ohne auf die Inhalte einzugehen, will ich noch ein kleines Detail erwähnen. Irgendwann war einigen klar, dass die linguistische Wende den Bogen überspannte und es kam zu dem was man pragmatische Wende innerhalb der linguistischen Wende nannte und entstanden ist die Sprachpragmatik, von der schon die Rede war, m.E. die stärkste Kraft der aktuellen Philosophie.

Einer der aktuellen Starphilosophen, Robert Brandom – Sprachpragmatiker, durchaus eher der Humeschen Tradition zuzuordnen – ist da ein Brückenbauer, vor allem sieht er klipp und klar die Grenzen des Naturalismus, die nach seiner Auffassung wesentlich darin bestehen, dass wir uns nicht in einer objektiv gegebenen Welt vorfinden, derer wir uns einfach bedienen können, sondern, dass wir in eine Welt der Sprachspiele und damit ein verstehendes und normatives Gefüge geboren werden, dass die empirischen Dinge ordnet und uns - mehr implizit als explizit - sagt, wie wir mit ihr umgehen sollen. (Auf dieses Verhältnis von Lebenswelt, Alltagswelt und objektiver Welt, geht auch Habermas ein.)

Damit sind wir mitten im Herzen der aktuellen Kritik am Naturalismus, auch wenn das jetzt noch nicht erkennbar ist, ich werde es weiter ausführen.
Ganz kurz angerissen, sind wir nicht einfach nur Wesen, die einander beobachten und des anderen Verhalten analysieren, dieser behavioristische Ansatz ist viel zu grobschlächtig, sondern wir schreiben einander Einstellungen zu (was übrigens früh und gut Dennett erkannt hat) und agieren komplex auf der Ebene von Zuschreibungen (von normativen Einstellungen) und Festlegungen (dessen, was aus diesen folgt) als Wesen, die fähig sind, einander Gründe zu geben.


Nächster und letzter Schnitt: Für die meisten Brights mag das weit weg klingen, doch die Parallelen sind erstaunlicherweise näher als man denkt. Dawkins hat mit dem Konzept der egoistischen Gene – das ich, wie erwähnt vollkommen unzureichend und grob finde, sobald man Menschen betrachtet – von der Struktur her den Modus gefunden, der in einem erheblichen Maße die linguistische Wende ausmacht.
Früher dachte man Gene und Sprache seien etwas, was der Mensch besitzt, doch Wittgenstein, Heidegger, der (von den Biologen Varela und Maturana geprägte) Soziologe Luhmann und zuletzt Dawkins sehen den Menschen als etwas, der von Sprache oder Genen besessen wird, als etwas, in dem und durch den sich überindividuelle Muster ausdrücken.
Die gute Botschaft ist: Wer Dawkins' Idee der egoistischen Gene wirklich versteht, kann im Grunde sofort anknüpfen an die Ideen eines Heidegger, Luhmann und vermutlich auch Wittgenstein, der Haken an der Sache ist, dass alle dasselbe Problem teilen. Eben weil das Ich nur noch Ausdrucksmittel für überindividuelle Muster ist, wird das Ich marginalisiert, manchmal bis zur Unkenntlichkeit und dann fragt man sich, ob es das Ich oder Subjekt eigentlich wirklich gibt und wozu das Ding nötig ist.

War da was? Ja, Kants ewig gültiger Einspruch. Das was die Empiristen (und in Gestalt konstruktivistischer Neurobiologen – die wie Gerhard Roth aus der Luhmann Schule kommen) irgendwann nicht mehr erkennen können, ist doch noch immer die Voraussetzung die still mitgedacht wird und natürlich immer die andere Seite des gesamten Projekts objektiver Forschung.
Und da ist noch was. Das Ich ist nicht einfach etwas, was sich gemäß überindividueller Muster zu verhalten gezwungen sieht, sondern es ist die ganze Zeit hochaktiver, verstehender Teilnehmer sehr komplexer Sprachspiele. Wissenschaftliche Forschung ist eines dieser Spiele. Und so kann Habermas in 2012 sagen :
„Das Mentale lässt sich zwar als Objekt betrachten, aber zugänglich ist es nur im Vollzugsmodus als tätiger und rezipierender Geist.“ (2012, S.35, ebd)

Und Brandom in einem Interview:
Robert Brandom hat geschrieben:One of the central tasks of philosophy is to understand the normativity of human belief and agency, the dimension of responsibility it involves, the way we bind ourselves and make ourselves subject to assessments of the correctness or appropriateness of our attitudes. I don’t think there is a natural scientific story to be told about this sort of conceptual normativity. But that is not to say that it is super natural. I think it is an essentially social phenomenon: we brought commitments and entitlements into the world when we started to take or treat each other in practice not only as doing things, but as committed or entitledto do them. One can no more understand this normative dimension of our activity by looking into our brains than one can understand what it is to join a political party or to mortgage one’s house by studying carefully the marks on paper that constitute the signature by which (in the right social setting) one did those things.
(http://filosofia.dafist.unige.it/epi/hp ... _inter.pdf S.2f)


Beim Blick ins Hirn sieht man keine Normen, natürlich nicht. Alles was wir in Sprachspielen tun, das Begriffsgebäude, was wir errichten, fällt beim Blick uns Hirn völlig in sich zusammen (weil die Rekonstruktion semantischer und kausaler Ketten vom gereizten Erfolgsorgan aus nicht mehr möglich ist: man weiß nicht was es letztlich war, was die Nervenzellen zum reagieren brachte, schon die Absicht hinter dem Glockenklang - oder war es nur ein zufälliges Geräusch? -, der den Speichel fließen lässt, wird unerkennbar, in stinknormalen semantischen Spielen jedoch keinesfalls, da kann man sagen, man habe einen Hund auf einen Glockenklang konditioniert) und doch, die ewige Pointe, bilden genau diese Sprachspiele den Hintergrund vor dem sich auch die empirische Wissenschaft entfaltet und überhaupt erst entfalten kann.

Hoffe, Du kannst mit dem Update was anfangen.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 1. Jan 2014, 15:44

Vollbreit hat geschrieben:Ich richte mich in meiner Antwort immer nach meinem Empfinden, inwieweit ich meine, dass mein jeweiliges Gegenüber ein echtes Interesse am Thema hat.
Sehe ich ein Interesse bin ich gerne zu ausführlicheren Antwort bereit, habe ich den Eindruck, dass das durch den „Philosophie ist sowieso Quatsch“-Wolf gedreht wird, schenke ich mir in der Regel die Mühe, da ich keinen zwingen kann und will, sich für Themen zu interessieren, die ihm nicht behagen oder die er nicht versteht.

Würde ich Philosophie als Quatsch betrachten, hätte ich mich nie mit ihr beschäftigt (und damit meine ich zwar kein Studium, wohl aber das Lesen bestimmter philosophischer Werke und die Diskussionen in diesem Forum - und das Denken über nicht-alltägliche Fragestellungen allgemein, die nur abstrakt einen Bezug zum Alltag haben). Aus deiner Sicht mag das zwar wenig sein, ist aber weit mehr als du von der krassen Mehrheit erwarten kannst. Deswegen erwarte ich bei Beteiligung den Minimalrespekt, einem die Fähigkeit zur Partizipation nicht abzusprechen - schließlich musst du es nüchtern sehen: Philosophen sind auch nur Menschen, sie verdienen nicht unbedingt viel Geld, sofern sie überhaupt Arbeit finden, haben meist auch keinen NC und die meisten Interessenten tun etwas anderes, wenn sie eine andere - nützlichere Fähigkeit besitzen. Die Philosophie ist für mich deswegen nicht minderwertig - bei Philosophen selbst jedoch ist die pragmatische Frage berechtigt, ob auf der anderen Seite jemand sitzt, der auch jemals etwas Nützliches beigetragen hat oder überhaupt Geld verdient - einen Bezug zur alltäglichen Realität, zur echten körperlichen und geistigen Anstrengung hat. Diese Skepsis habe ich gegenüber jedem "Intellektuellen" - ein Wort, das kein Naturwissenschaftler für sich beansprucht, weil es für die Künstler, Schriftsteller und Philosophen reserviert ist, die sich nicht dadurch gesellschaftlich adeln können, sich Schriftsteller oder Philosophen zu nennen (was hingegen ein Biochemiker, Mediziner und Physiker kann - da dies mit Disziplin, Verantwortung und Kompetenz assoziiert wird.). Sich als "Intellektuellen" zu bezeichnen entstammt meiner Ansicht nach einer gewissen Scham aufgrund von praktischer Inkompetenz und gleichzeitig dem Anspruch, Anerkennung zu finden. Deswegen lache ich mich immer kaputt, wenn ein Philosoph mir gegenüber arrogant wird - als hätte er etwas objektiv bedeutendes geleistet. Das soll nicht heißen, dass Philosophie unbedeutend ist, aber ab dem Punkt überbewertet wird, wenn sich jemand durch die bloße Theorie versucht zu adeln. Ich bin ein Hobbyphilosoph und bin völlig pragmatisch in meinen Fragestellungen (bei denen gerade du auch anerkennen musst, dass sie nicht banal sind) - die immer Bedeutung für mein direktes Leben haben und kein theoretisches Gebilde darstellt, das für mich keine Relevanz oder Notwendigkeit besitzt (wie z.Bsp. Ethik, was für viele theoretisch wichtig zu sein scheint, jedoch gleichzeitig oft in praktischer Anwendung übergangen wird).
Vollbreit hat geschrieben:In einem hast Du recht. Philosophie ist immer auch Philosophiegeschichte, d.h. ein Name steht da oft für ein Programm, was in der Naturwissenschaft weniger der Fall ist. Schwer immer die Positionen darzustellen, weil das dann fürchterlich ausufern würde, aber Du wirst sehen, dass es in der Philosophie einen Kanon gibt, von Leuten, die immer wieder genannt werden. Bei fast allen geschieht das zurecht und der Weg entsteht beim gehen, d.h. indem man immer wieder drauf achtet, wer in welchem Kontext genannt wird und einfach mal in die Ideenwelt des einen oder anderen eintaucht.

Das brauchst du mir nicht schulmeisterlich zu erklären - ich sehe das auch so, aber eben nur bei Namen wie Nietzsche, Kant, Platon, Marx, Aristoteles, Sopenhauer, Descartes, Feuerbach, Macchiavelli und wenigen weiteren - aber gerade diese Namen lese ich hier sehr selten. Stattdessen kann man hier "Popper" fast öfter lesen als bei Sigmar Gabriel "Willi Brandt" hören - diese Beschränktheit (das ist nicht intellektuell, sondern nur perspektivisch gemeint) wird weder der Philosophie noch der SPD gerecht. Wenn es denn wenigstens Philosophen wären, die eine neue und moderne Ansichten vertreten würden, anstatt bürgerliche Kompromissphilosophien, die leicht verdaulich sind, propagierten, hätte ich ein geringeres Problem damit - aber das ist hier nicht der Fall. Und das scheint mir auch keine Seltenheit bei "reinen" Philosophen zu sein, die sich mit nichts anderem beschäftigen - einen echten Nihilisten, radikalen Deterministen oder dergleichen findet man unter ihnen fast nie, da solche Überzeugungen mit gewissen Ausprägungen von Tatendrang oder definierten Konsequenzen für das eigene Leben verbunden sind und nicht mit falschem Idealismus.
Vollbreit hat geschrieben:Eine Ultrakurzeinführung kann man aus zwei Richtungen geben, zeitlich und strömungs- oder linienmäßig.
Von Beginn an gibt es eigentlich die Linien der Empiristen und der Idealisten – ich nenn' die mal so, man könnte auch Rationalisten sagen.
Erstaunlich, dass sich nach 2500 Jahren im Grunde wenig daran geändert hat. Das zieht sich als roten Faden durch und Plato steht im Lager der Idealisten, Aristoteles im Lager der Empiristen.

Ich kenne Hume und Aristoteles - du brauchst nicht bei Adam und Eva anzufangen - auch ich habe eine gewisse Bildung in diesem Bereich (was auch bedeutet, dass ich Originaltexte kenne, gelesen und verstanden habe). Und nach einer Einführung habe ich nicht gefragt. Ich gebe dir ja auch keine in Genetik, wenn es nicht erforderlich ist oder du nicht danach fragst.
Vollbreit hat geschrieben:Kant versucht aber erkennbar, Empirismus und Idealismus zu vereinen, die Pointe bei ihm ist oft, dass es vernünftig sein soll, dies oder jenes zu tun und dieses transzendentale (nicht transzendente) Reich der reinen Vernunft ist es dann auch, was vielen Empiristen nicht behagt.

Damit habe ich mich auch in der Oberstufe auseinandergesetzt und habe Kant auch schnell als rosinenpickenden Idealisten entlarvt. Für ihn ist die Beobachtung nur dann für den rationalistischen Standpunkt relevant wie sie letzterem nicht widerspricht. Ich habe in diesem Forum auch oft genug anhand von direkten Zitaten weitere Schwächen dieses überbewerteten Mannes gezeigt.
Vollbreit hat geschrieben:Und da sagt die eine Fraktion, grob gesagt: Naja Bewusstsein, das sieht doch wohl jeder, ist nicht vom Himmel gefallen, sondern ist, wie alles andere auch, ein Produkt der Evolution, vom Einfachen zum immer Komplexeren, fertig, der Rest ist Detailarbeit.

Leidest du unter Gedächtnisschwund? Ich bin kein Neuling in diesem Forum und wir beide haben bereits selbst in verschiedenen Diskussionen die klassischen Fronten der Philosophien repräsentiert.
Vollbreit hat geschrieben:Ein kardinales Missverständnis wäre es, zu glauben, linguistische Wende hieße, die Welt sei aus Begriffen gemacht oder, wenn sich die Begriffe veränderten, veränderte sich auch die Welt.

Das ist es, was ich gewissen Personen hier vorwerfe - ich glaube auch zurecht. Eine Kategorisierung aufgrund ihrer sprachlichen Tradition und irgendwelcher dualistischen Ideen aufrechterhalten zu wollen, ist für mich unsinnig. Begriffe wie Freiheit, Altruismus, Seele werden nicht notwendig, um einen Gegenpool zu Determinismus, Egoismus und Materie zu erzeugen, da diese angeblich andernfalls "alles" beschreiben würden. Dann kommt es zu Diskussionen über die Definitionshoheit und nicht die Frage, ob eine Definition überhaupt noch aktuell oder angemessen ist. Ich denke, diese Art der Argumentation kommt dir bekannt vor - du wendest sie schließlich regelmäßig an. Dieses Schema an Argumentation kann wohl kaum einen anderen Ursprung als die der sprachlichen Überfrachtung der Philosophie haben.
Vollbreit hat geschrieben:Einer der aktuellen Starphilosophen, Robert Brandom – Sprachpragmatiker, durchaus eher der Humeschen Tradition zuzuordnen – ist da ein Brückenbauer, vor allem sieht er klipp und klar die Grenzen des Naturalismus, die nach seiner Auffassung wesentlich darin bestehen, dass wir uns nicht in einer objektiv gegebenen Welt vorfinden, derer wir uns einfach bedienen können, sondern, dass wir in eine Welt der Sprachspiele und damit ein verstehendes und normatives Gefüge geboren werden, dass die empirischen Dinge ordnet und uns - mehr implizit als explizit - sagt, wie wir mit ihr umgehen sollen. (Auf dieses Verhältnis von Lebenswelt, Alltagswelt und objektiver Welt, geht auch Habermas ein.)

Ein weiteres Beispiel für überflüssige Kategorisierung: Naturalismus. Diejenigen, die von euch kritisiert werden, beziehen das noch nichtmal auf sich - verfehlt dann die Kritik nicht ihre Absicht? Ich sehe auch nicht die Notwendigkeit, von "Objektivismus" oder "Subjektivismus" zu reden, da mir die Klassifizierung entsprechend einfach nicht einleuchtet.
Vollbreit hat geschrieben:Damit sind wir mitten im Herzen der aktuellen Kritik am Naturalismus, auch wenn das jetzt noch nicht erkennbar ist, ich werde es weiter ausführen.
Ganz kurz angerissen, sind wir nicht einfach nur Wesen, die einander beobachten und des anderen Verhalten analysieren, dieser behavioristische Ansatz ist viel zu grobschlächtig, sondern wir schreiben einander Einstellungen zu (was übrigens früh und gut Dennett erkannt hat) und agieren komplex auf der Ebene von Zuschreibungen (von normativen Einstellungen) und Festlegungen (dessen, was aus diesen folgt) als Wesen, die fähig sind, einander Gründe zu geben.

Das hingegen ist angemessen formuliert und verständlich. Allerdings sehe ich bei bestem Willen keinen Bezug zwischen der Kritik am "Objektivismus" und der Kritik an "Behaviorismus" - unabhängig davon, ob ich eine von beiden berechtigt finde. Die Position, dass Menschen einander auch Einstellungen zuordnen scheint mir nicht weniger "objektivistisch" gedacht als der behavioristische Ansatz. Und was wiederum Objaktivismus mit Naturalismus zu tun haben soll, ist mir auch nicht ersichtlich. Mir ist auh nicht klar, wie man soetwas schwammiges wie den Naturalismus allgemein kritisieren will.
Vollbreit hat geschrieben:Früher dachte man Gene und Sprache seien etwas, was der Mensch besitzt, doch Wittgenstein, Heidegger, der (von den Biologen Varela und Maturana geprägte) Soziologe Luhmann und zuletzt Dawkins sehen den Menschen als etwas, der von Sprache oder Genen besessen wird, als etwas, in dem und durch den sich überindividuelle Muster ausdrücken.
Die gute Botschaft ist: Wer Dawkins' Idee der egoistischen Gene wirklich versteht, kann im Grunde sofort anknüpfen an die Ideen eines Heidegger, Luhmann und vermutlich auch Wittgenstein, der Haken an der Sache ist, dass alle dasselbe Problem teilen. Eben weil das Ich nur noch Ausdrucksmittel für überindividuelle Muster ist, wird das Ich marginalisiert, manchmal bis zur Unkenntlichkeit und dann fragt man sich, ob es das Ich oder Subjekt eigentlich wirklich gibt und wozu das Ding nötig ist.

Wie gesagt, sehe ich das nicht so - ich habe das auch begründet in vorangegangenen Kommentaren: Einen Archaetyp (oder mehrere zu definieren) verwässert das Ich nicht oder ignoriert es - es beschreibt lediglich den Anteil, der bekannten, beobachteten Gesetzesmäßigkeiten folgt. Lediglich aus Animositäten scheinen mir deswegen manche sich Gruppen zugeordnet zu fühlen, mit denen sie sich nicht identifizieren - dadurch fühlen sie ihr "ich" deswegen nicht berücksichtigt. Ich bitte um eine direkte Reaktion auf zumindest diesen Absatz, da er für mich meine zentrale Kritik darstellt. Ich brauche weniger über Nebenkriegsschauplätze wie den Stellenwert der Philosophie oder einzelnen Strömungen zu philosophieren.
Vollbreit hat geschrieben:War da was? Ja, Kants ewig gültiger Einspruch. Das was die Empiristen (und in Gestalt konstruktivistischer Neurobiologen – die wie Gerhard Roth aus der Luhmann Schule kommen) irgendwann nicht mehr erkennen können, ist doch noch immer die Voraussetzung die still mitgedacht wird und natürlich immer die andere Seite des gesamten Projekts objektiver Forschung.

Und was wäre diese Vorraussetzung? Dieses immer "still-mitgedachte"? Wenn etwas kritisiert wird, bitte ich auch um Direktheit. Meinst du hier noch das "Ich"? Wenn ja, dann liegt das Problem nicht im Empirismus, sondern in der Perspektive. Ich habe bereits geschrieben, wieso ich das Ich als durchaus berücksichtigt betrachte - von Vollständigkeit habe jedoch weder ich noch irgendein anderer relevanter Naturwissenschftler gesprochen, aber zu behaupten, es würde gar nicht beschrieben werden, wird den Empiristen nicht gerecht. Wie auch in den Geisteswissenschaften (oder den Wissenschaften allgemein) wird immer nur ein Teilaspekt beschrieben und berücksichtigt - Chemiker beschweren sich auch nicht über Physiker, wenn die nur ihre Atomkerne und subatomaren Teilchen berücksichtigen, anstatt andere Aspekte der Materie - dafür sind sie selbst zuständig. Und Biologen beschweren sich ihrerseits auch nicht über Chemiker. Diese Gruppen leisten etwas, zudem die wenigsten Geisteswissenschaftler fähig sind: Sie arbeiten zusammen und erkennen die Perspektive des anderen aber auch die eigene als partiell und nicht absolutistisch an. Klar kann dennoch eine subjektive, scherzhafte Geringschätzung untereinander vorkommen - das ergibt sich natürlich aus der offensichtlichen Bevorzugung der eigenen Perspektive. Die Notwendigkeit der anderen wird jedoch nicht in Abrede gestellt. Dazu sind Geisteswissenschaftler kaum fähig, aus teilweise noch anderen Gründen.
Vollbreit hat geschrieben:Und da ist noch was. Das Ich ist nicht einfach etwas, was sich gemäß überindividueller Muster zu verhalten gezwungen sieht, sondern es ist die ganze Zeit hochaktiver, verstehender Teilnehmer sehr komplexer Sprachspiele. Wissenschaftliche Forschung ist eines dieser Spiele. Und so kann Habermas in 2012 sagen :
„Das Mentale lässt sich zwar als Objekt betrachten, aber zugänglich ist es nur im Vollzugsmodus als tätiger und rezipierender Geist.“ (2012, S.35, ebd)

Sprachspielerei - auch seine Perspektive ist eine von vielen. Ich sehe keine Argumentation in diesem Absatz, sondern nur Behauptungen. Die Normativität wird als einzig legitimer Zugang zum Ich betrachtet - unbegründet.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Mi 1. Jan 2014, 17:01

Vollbreit hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Die Unterteilung in Objekte und Subjekte ist ein Artefakt des Denkens, und meiner Ansicht nach keine Tatsache.

Ja, das ist Heideggers Kritik. Er sagt, dass wir uns immer schon aufs Innigste mit Welt verbunden vorfinden.

Dieser einen Sache würde ich gerne mal auf den Grund gehen.
M.E. sind "Objekt" und "Subjekt" keine Artefakte. Ich erkenne an, dass meine - ich nenne es mal locker - "Innenwelt" nicht losgelöst von der "Außenwelt" gedacht werden kann. Eine "Grenze" zwischen beiden kann man sich meinetwegen als "fließend" denken, sagen wir mal, wie den Übergang von "rechts" nach "links". Sind "rechts" und "links" Artefakte? - M.E. nein, genauso wenig wie "Objekt" und "Subjekt"! Es sind sozusagen Verortungen. Auch wenn man - um die Analogie noch mal aufzugreifen - nicht genau sagen kann, wo genau das Rechts und das Links ist, kann man doch sehr sinnvolle und unmissverständliche relative Aussagen treffen. Ok, von einem rein "philosophischen Standpunkt" kann man diese Differenzierung "Objekt" und "Subjekt" gewiss irgendwie wegdenken. Ich hab aber meine Zweifel, ob das so gescheit ist, also, ob das einen praktischen Wert hat. Dass ein Mensch sich als Subjekt gegenüber dem Objekt empfindet, ist erst mal eine Tatsache, und die lässt sich vermutlich genau so schwer beeinflussen, wie z.B. die Tatsache dass wir uns keinen Gegenstand ohne Ausdehnung vorstellen können. Und es scheint auch ganz gut so zu sein.

Das Subjekt mit dem Objekt gleichzusetzen läuft in meinen Augen nämlich darauf hinaus, unsere Vorstellungswelt mit der Welt selbst gleichzusetzen. Bei wahrhaft sinnlosen und belanglosen Fragen, wie bei der Frage nach der Existenz eines Gottes, stört das evtl. nicht weiter - lass sie rumspinnen! Die interessanten Fragen sind aber diejenigen mit existentieller Bedeutung und speziell deshalb, weil man sie falsch beantworten kann. Dass ein Subjekt dasselbe Objekt auf unterschiedliche Weise beurteilen kann, speziell, dass es das Objekt eben auch falsch beurteilen kann, ist für mich ein schlagender Beweis, dass Subjekt und Objekt nicht als identisch gedacht werden können. In dem Augenblick, wo man das tut, hört ja das Denken auf - für wen auch immer das gut ist!
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Do 2. Jan 2014, 08:23

Darth Nefarius hat geschrieben:Würde ich Philosophie als Quatsch betrachten, hätte ich mich nie mit ihr beschäftigt....
Aus deiner Sicht mag das zwar wenig sein, ist aber weit mehr als du von der krassen Mehrheit erwarten kannst....

Ich sehe jede Beschäftigung mit Philosophie – stellvertretend für alles Reflexive wie aufdeckende Psychotherapie, Künstlertum, Gespräche, in gewisser Weise Meditation, vielleicht Geschichte, Soziologie und Politik - als sinnvoll an.

Darth Nefarius hat geschrieben:Deswegen erwarte ich bei Beteiligung den Minimalrespekt...
...den Du selbst nach Lust und Laune zu- und absprichst?

Darth Nefarius hat geschrieben:Philosophen sind auch nur Menschen, sie verdienen nicht unbedingt viel Geld, sofern sie überhaupt Arbeit finden, haben meist auch keinen NC und die meisten Interessenten tun etwas anderes, wenn sie eine andere - nützlichere Fähigkeit besitzen.
Unter anderem die, die Ausrichtung allein am „Nutzen“ ziemlich naiv und eindimensional zu finden.

Darth Nefarius hat geschrieben:Die Philosophie ist für mich deswegen nicht minderwertig - bei Philosophen selbst jedoch ist die pragmatische Frage berechtigt, ob auf der anderen Seite jemand sitzt, der auch jemals etwas Nützliches beigetragen hat oder überhaupt Geld verdient - einen Bezug zur alltäglichen Realität, zur echten körperlichen und geistigen Anstrengung hat.
Sind das nicht primitive Klischees? Würde es etwas an Hegels Werk ändern, wenn er außerdem Marathonläufer gewesen wäre? Wo findet denn das „echte Leben“ statt, dessen Gegenposition immer besungen wird? Unter Tage? In den Schützengräben? Als Intensivkrankenschwester? Mir hat noch nie jemand erklären können, warum ein Buch zu lesen oder zu meditieren weniger „echtes Leben“ sein soll, als unter Neonlicht Froschaugen zu zerschneiden oder im Wald die Axt zu schwingen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Diese Skepsis habe ich gegenüber jedem "Intellektuellen" - ... Sich als "Intellektuellen" zu bezeichnen entstammt meiner Ansicht nach einer gewissen Scham aufgrund von praktischer Inkompetenz und gleichzeitig dem Anspruch, Anerkennung zu finden. Deswegen lache ich mich immer kaputt, wenn ein Philosoph mir gegenüber arrogant wird - als hätte er etwas objektiv bedeutendes geleistet.
Nur wird bei Deiner langen Vorrede spätestens hier überdeutlich, dass der Neid durch alle Knopflöcher quillt.
Es ist immer das gleiche simple Spiel, hinter gefühlter Großartigkeit steht Entwertung anderer, die man kleiner machen muss, die Wurzel ist der Neid.
Fast von biologistischer Simplizität.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich bin ein Hobbyphilosoph und bin völlig pragmatisch in meinen Fragestellungen (bei denen gerade du auch anerkennen musst, dass sie nicht banal sind) - die immer Bedeutung für mein direktes Leben haben und kein theoretisches Gebilde darstellt, das für mich keine Relevanz oder Notwendigkeit besitzt (wie z.Bsp. Ethik, was für viele theoretisch wichtig zu sein scheint, jedoch gleichzeitig oft in praktischer Anwendung übergangen wird).
Und? Meinst Du bei mir wäre es anders?
Ich bin auch Hobbyphilosoph und mich interessiert, wesentlich was für mein Leben davon verwertbar ist, ich habe nur irgendwann festgestellt, dass die Reflexion schon der Primärwert ist und die Frage, ob man damit Geld ist im Grunde Nebensache.
Gottfried Benn hat mal vorgerechnet, dass er, als er schon der gefeierte Star war, der er mal war, ich glaube so 50 Mark mit seiner Schreiberei verdiente, die bis heute ihresgleichen sucht. Seine Tätigkeit als Arzt war ihm eher lästiges Beiwerk und natürlich immer auch Inspirationsquelle.
Kafka ein anderer Unerreichter arbeitete tagsüber, um Nachts zu schreiben. Seine Tätigkeit als Jurist, in der erfolgreich war, lief nebenher.
Was bestimmt Inspiration ist – aber ich denke, man muss sich hüten, das Leben auf der Suche nach Inspiration auszupressen, Max Frisch hat das mit Beziehungen wohl so gemacht: große Kunst, aber menschlich fragwürdig – ist das Erleben der Grenzsituationen des Lebens.
Aber immer wieder waren auch die größten Geister große Abenteurer (Humboldt), manchmal bis ins Fragwürdige grenzend, wie bei Ernst Jünger.
Und manchmal „nur“ Lehnsesselgelehrte und was sie dort herausfanden ist zum Teil sensationell.
Das Bild vom trotteligen Professor, der verschiedenfarbigen Socken rumläuft, ist ein wenig angestaubt und klischeebeladen, denk noch mal drüber nach.

Darth Nefarius hat geschrieben:Das brauchst du mir nicht schulmeisterlich zu erklären...

Hm, wenn ich etwas voraussetze, bist Du unzufrieden, erkläre ich, mopperst Du auch rum. Wie hätte Euer Durchlaucht es denn gerne?

Darth Nefarius hat geschrieben:- ich sehe das auch so, aber eben nur bei Namen wie Nietzsche, Kant, Platon, Marx, Aristoteles, Sopenhauer, Descartes, Feuerbach, Macchiavelli und wenigen weiteren - aber gerade diese Namen lese ich hier sehr selten. Stattdessen kann man hier "Popper" fast öfter lesen als bei Sigmar Gabriel "Willi Brandt" hören - diese Beschränktheit (das ist nicht intellektuell, sondern nur perspektivisch gemeint) wird weder der Philosophie noch der SPD gerecht.
Die Popperei liegt an ujmp, ich hab's gar nicht so mit dem Knaben, um mal den einfach Weg zu wählen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn es denn wenigstens Philosophen wären, die eine neue und moderne Ansichten vertreten würden, anstatt bürgerliche Kompromissphilosophien, die leicht verdaulich sind, propagierten, hätte ich ein geringeres Problem damit - aber das ist hier nicht der Fall.
Wen hast Du denn da im Auge? Von den 1000 Seiten Brandom wirst Du nicht mal das Vorwort verstehen, das weiß ich sicher, dass der langweilig wäre kann man nicht gerade behaupten.

Darth Nefarius hat geschrieben:Und das scheint mir auch keine Seltenheit bei "reinen" Philosophen zu sein, die sich mit nichts anderem beschäftigen - einen echten Nihilisten, radikalen Deterministen oder dergleichen findet man unter ihnen fast nie, da solche Überzeugungen mit gewissen Ausprägungen von Tatendrang oder definierten Konsequenzen für das eigene Leben verbunden sind und nicht mit falschem Idealismus.
Was meinst Du wohl warum? Weil das, vielleicht mit Ausnahme Nietzsches, bei dem das Schlimmste seine Verehrer sind, im Grunde seichter Mist ist. Dazu braucht man dann freilich eine philosophischen Grundausbildung, aber die ist nicht zwingend an ein Studium gekoppelt, die Grundbausteine sind alle öffentlich, es ist die Frage wieviel Mühe man investiert, ich kenne großartige Philosophen, die das nie studiert haben.

Die Basics der Philosophie sollte man drauf haben, im Grunde geht es dabei darum, eine Aussage durch die immer gleichen Raster zu jagen und das beginnt bei logischer Richtigkeit, die meisten scheitern daran, dass sie nicht mit mehreren unabhängigen Gedanken agieren können und unbelastet weiter denken können, in einer an sich nicht schweren was wäre, wenn … Art.
Die meisten meinen wohl Philosophie hieße eine Idee durchzudrücken, dabei heißt es im Gegenteil, viele Ideen zu Ende denken zu können.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich kenne Hume und Aristoteles - du brauchst nicht bei Adam und Eva anzufangen - auch ich habe eine gewisse Bildung in diesem Bereich (was auch bedeutet, dass ich Originaltexte kenne, gelesen und verstanden habe). Und nach einer Einführung habe ich nicht gefragt. Ich gebe dir ja auch keine in Genetik, wenn es nicht erforderlich ist oder du nicht danach fragst.
Beiß doch nicht gleich in jede Hand, die Dich füttern will. Wenn Du aus Deinem Wutballon nicht rauskommst, wird das nichts.

Darth Nefarius hat geschrieben:Damit habe ich mich auch in der Oberstufe auseinandergesetzt und habe Kant auch schnell als rosinenpickenden Idealisten entlarvt. Für ihn ist die Beobachtung nur dann für den rationalistischen Standpunkt relevant wie sie letzterem nicht widerspricht. Ich habe in diesem Forum auch oft genug anhand von direkten Zitaten weitere Schwächen dieses überbewerteten Mannes gezeigt.
So restlos überzeugt hast Du zumindest mich nicht damit. ;-)

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ein kardinales Missverständnis wäre es, zu glauben, linguistische Wende hieße, die Welt sei aus Begriffen gemacht oder, wenn sich die Begriffe veränderten, veränderte sich auch die Welt.
Das ist es, was ich gewissen Personen hier vorwerfe - ich glaube auch zurecht. Eine Kategorisierung aufgrund ihrer sprachlichen Tradition und irgendwelcher dualistischen Ideen aufrechterhalten zu wollen, ist für mich unsinnig.

Wärst Du im Herzen ein Philosoph, würdest Du jetzt gerade das verstehen wollen, was Du nicht verstehst.
Du erweist Dich aber an dieser Stelle nicht als einer, weil Du Philosophie missverstehst als eine Art politischer Agitation.

Darth Nefarius hat geschrieben:Begriffe wie Freiheit, Altruismus, Seele werden nicht notwendig, um einen Gegenpool zu Determinismus, Egoismus und Materie zu erzeugen, da diese angeblich andernfalls "alles" beschreiben würden.
Du willst Diskussionen unterdrücken und ein für allemal beenden, statt welche zu führen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Dann kommt es zu Diskussionen über die Definitionshoheit und nicht die Frage, ob eine Definition überhaupt noch aktuell oder angemessen ist.
Da Du kein Neuling bist, solltest Du wissen, dass diese Diskussionen doch immer wieder geführt wurden und werden.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich denke, diese Art der Argumentation kommt dir bekannt vor - du wendest sie schließlich regelmäßig an. Dieses Schema an Argumentation kann wohl kaum einen anderen Ursprung als die der sprachlichen Überfrachtung der Philosophie haben.
Sprache ist das Medium der Philosophie und die Klarüng von Begriffen eine ihrer Haupttätigkeiten. Du wirfst der Philosophie ständig vor keine Naturwissenschaft zu sein, was sie in der Tat nicht ist, dennoch ist der Vorwurf etwas absurd.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ein weiteres Beispiel für überflüssige Kategorisierung: Naturalismus. Diejenigen, die von euch kritisiert werden, beziehen das noch nichtmal auf sich - verfehlt dann die Kritik nicht ihre Absicht?
Nein, denn es ist allgemein bekannt, das Naturwissenschaftler von Philosophie nichts verstehen, oft nicht einmal etwas von der Richtung wissen, die sie selbst agierend vertreten.
Im Grunde müssen sie das auch nicht, ein Zahnarzt muss auch nichts über die Geschichte der Lokalanästhesie wissen um fachlich gut zu sein.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Do 2. Jan 2014, 08:24

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich sehe auch nicht die Notwendigkeit, von "Objektivismus" oder "Subjektivismus" zu reden, da mir die Klassifizierung entsprechend einfach nicht einleuchtet.
Die klassische Frage wäre, was Du unter den Begriffen verstehst.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Damit sind wir mitten im Herzen der aktuellen Kritik am Naturalismus, auch wenn das jetzt noch nicht erkennbar ist, ich werde es weiter ausführen.
Ganz kurz angerissen, sind wir nicht einfach nur Wesen, die einander beobachten und des anderen Verhalten analysieren, dieser behavioristische Ansatz ist viel zu grobschlächtig, sondern wir schreiben einander Einstellungen zu (was übrigens früh und gut Dennett erkannt hat) und agieren komplex auf der Ebene von Zuschreibungen (von normativen Einstellungen) und Festlegungen (dessen, was aus diesen folgt) als Wesen, die fähig sind, einander Gründe zu geben.

Das hingegen ist angemessen formuliert und verständlich. Allerdings sehe ich bei bestem Willen keinen Bezug zwischen der Kritik am "Objektivismus" und der Kritik an "Behaviorismus" - unabhängig davon, ob ich eine von beiden berechtigt finde.
Der Behaviorismus sagt, dass alles Relevante das Verhalten eines Wesens wäre und erklärt jede Art von Innerlichkeit zu black box. Ziel ist einzig, das Verhalten gemäß dem aktuell erwünschten Standard zu verändern.
Du, Deine Einstellungen spielen eine nachrangige Rolle, es wird nicht (oder weniger, knallharte Behavioristen gibt es heute kaum noch) darauf geschaut, wie es Dir geht, sondern ob Du gut funktionierst, wobei implizit unterstellt wird, dass es jemandem der gut funktioniert auch gut geht. Also so eine Art Gesetzesmäßigkeit der Massentierhaltung.
Das ist ja auch der Objekt-Blick. Was tut es? Funktioniert es gut? Was wiegt es, wie ist sein Glukoseumsatz?
Natürlich gehen Funktionsfähigkeit und Wohlergehen ein gutes Stück Hand in Hand, mit ner fetten Stoffwechselentgleisung fühlt man sich nicht so prickelnd.
Und natürlich kann man auch innere Einstellungen abrastern. Wie denkt es über Einwanderung, ist es mit seiner Beziehung zufrieden und da fließen die Ansätze natürlich in einander. Das kann man immer weiter treiben, wobei die Grundfrage immer ist, ob der andere als anderer, also die Fülle seines Erlebens, Empfinden und seiner Weltsicht interessiert, oder ob der andere als Objekt gesehen wird, das Aussagen trifft und Einstellungen hat, so dass eine Begegnung mehr wird, als dass sich zwei Objekte wechselseitig betrachten und bewerten.

Letztlich steht die Frage im Raum, ob der eine Ansatz vollständig im anderen aufgeht und aufgehen kann und falls ja, welcher in welchem aufgeht.

Darth Nefarius hat geschrieben:Die Position, dass Menschen einander auch Einstellungen zuordnen scheint mir nicht weniger "objektivistisch" gedacht als der behavioristische Ansatz.
Völlig richtig und genau das ist Habermas' Kritik an Brandom.

Darth Nefarius hat geschrieben:Und was wiederum Objaktivismus mit Naturalismus zu tun haben soll, ist mir auch nicht ersichtlich. Mir ist auh nicht klar, wie man soetwas schwammiges wie den Naturalismus allgemein kritisieren will.

Zum Beispiel so, wie Du es getan hast. Indem man sagt, Naturalismus ist als Gesamtkonzept reichlich schwammig, was meint ihr denn nun genau?
Aber Vollmer und Myron geben die Antwort.
viewtopic.php?f=5&t=4489&p=99308&hilit=vollmer+platonismus#p99308
Nun kann man sich an jeder einzelnen Position abarbeiten, oder das gesamte System kritisieren, indem man fragt, was all dieses Postionen gemeinsam ist.
Meine Kritik gilt eher dem gesamten System, schon aus Faluheit.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wie gesagt, sehe ich das nicht so - ich habe das auch begründet in vorangegangenen Kommentaren: Einen Archaetyp (oder mehrere zu definieren) verwässert das Ich nicht oder ignoriert es - es beschreibt lediglich den Anteil, der bekannten, beobachteten Gesetzesmäßigkeiten folgt.
Kann man so sehen.
Die Frage ist, ob man letztlich das Ich als Individuum bestehen lässt, oder ob man meint, das Ich ginge vollständig in Beschreibungen diverser Muster auf. Und das ist eigentlich wieder der oben skizzierte Grundkonflikt.

Darth Nefarius hat geschrieben:Lediglich aus Animositäten scheinen mir deswegen manche sich Gruppen zugeordnet zu fühlen, mit denen sie sich nicht identifizieren - dadurch fühlen sie ihr "ich" deswegen nicht berücksichtigt. Ich bitte um eine direkte Reaktion auf zumindest diesen Absatz, da er für mich meine zentrale Kritik darstellt.

Ja, hier sind wir uns einig in der Skizze des Grundkonflikts. Ich halte das nur, anders als Du vermutlich, für keine Bagatelle.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:War da was? Ja, Kants ewig gültiger Einspruch. Das was die Empiristen (und in Gestalt konstruktivistischer Neurobiologen – die wie Gerhard Roth aus der Luhmann Schule kommen) irgendwann nicht mehr erkennen können, ist doch noch immer die Voraussetzung die still mitgedacht wird und natürlich immer die andere Seite des gesamten Projekts objektiver Forschung.

Und was wäre diese Vorraussetzung? Dieses immer "still-mitgedachte"?

Das Ich. Jedes zum Objekt gemachte Etwas setzt ein deutendes Subjekt auf der anderen Seite voraus.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn etwas kritisiert wird, bitte ich auch um Direktheit. Meinst du hier noch das "Ich"? Wenn ja, dann liegt das Problem nicht im Empirismus, sondern in der Perspektive.
Der Empirismus ist eine Perspektive, weil er – wissentlich oder unwissentlich – auf ein dahinterliegendes Weltbild zurückgreift.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe bereits geschrieben, wieso ich das Ich als durchaus berücksichtigt betrachte - von Vollständigkeit habe jedoch weder ich noch irgendein anderer relevanter Naturwissenschftler gesprochen, aber zu behaupten, es würde gar nicht beschrieben werden, wird den Empiristen nicht gerecht.
Das ist auch nicht der Vorwurf. Gar nicht wäre offensichtlich falsch, die Frage ist, in welcher Weise wird es betrachtet. Als Ding was richtig oder falsch funktioniert, oder als etwas, was – übrigens gemäß der Aufklärung – sich dadurch auszeichnet, dass es diese Zuschreibungen überragen kann.
Das Ich ist nie abschließend beschrieben, weil es eine sich stets verändernde, dynamische Einhit ist.

Darth Nefarius hat geschrieben:Wie auch in den Geisteswissenschaften (oder den Wissenschaften allgemein) wird immer nur ein Teilaspekt beschrieben und berücksichtigt - Chemiker beschweren sich auch nicht über Physiker, wenn die nur ihre Atomkerne und subatomaren Teilchen berücksichtigen, anstatt andere Aspekte der Materie - dafür sind sie selbst zuständig.
Ja, aber manche Wissenschaften haben eben mehr oder weniger den Menschen im Blick. Müssen sie gar nicht, Astronomie braucht den Menschen als Objekt gar nicht und ist dennoch super spannend. Aber auch Astronomie setzt ein forschendes Ich voraus, banalerweise.
Nur merkwürdige Hirnforscher scheinen nicht zu kapieren, dass fMRT Bilder sich nicht selbst auswerten und sind dann merkwürdig verzückt wenn sie nirgendwo ein Ich entdecken und meinen es sei dann kühn, statt dämlich, zu behaupten, dass es dann wohl keines geben können.

Darth Nefarius hat geschrieben:Und Biologen beschweren sich ihrerseits auch nicht über Chemiker. Diese Gruppen leisten etwas, zudem die wenigsten Geisteswissenschaftler fähig sind: Sie arbeiten zusammen und erkennen die Perspektive des anderen aber auch die eigene als partiell und nicht absolutistisch an.
Es gibt auch unter Geisteswissenschaftlern solche und solche. Eitle Fatzken und honorige Leute.

Darth Nefarius hat geschrieben:Klar kann dennoch eine subjektive, scherzhafte Geringschätzung untereinander vorkommen - das ergibt sich natürlich aus der offensichtlichen Bevorzugung der eigenen Perspektive. Die Notwendigkeit der anderen wird jedoch nicht in Abrede gestellt. Dazu sind Geisteswissenschaftler kaum fähig, aus teilweise noch anderen Gründen.
Kann ich so nicht bestätigen, gerade die Großen ihrer Zunft wissen um die Begrenztheit ihrer Möglichkeiten.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Und da ist noch was. Das Ich ist nicht einfach etwas, was sich gemäß überindividueller Muster zu verhalten gezwungen sieht, sondern es ist die ganze Zeit hochaktiver, verstehender Teilnehmer sehr komplexer Sprachspiele. Wissenschaftliche Forschung ist eines dieser Spiele. Und so kann Habermas in 2012 sagen :
„Das Mentale lässt sich zwar als Objekt betrachten, aber zugänglich ist es nur im Vollzugsmodus als tätiger und rezipierender Geist.“ (2012, S.35, ebd)

Sprachspielerei - auch seine Perspektive ist eine von vielen.
Das zu klären, wäre eine interessante Fragen.
Gibt es einen Perspektivenrelativismus, in dem Sinne, dass jede Perspektive gleich gut und richtig ist? Du würdest es in dem Moment bestreiten, wenn Religion ins Spiel kommt, was auch nur eine weitere Perspektive ist. Und unterm Strich ist der Perspektivenrelativismus auch selbstwidersprüchlich, denn er behauptet implizit keine Perspektive zu haben, sei besser als eine zu haben und das ist eine Perspektive der man den Vorrang gibt: performativer Selbstwiderspruch heißt das, man tut das, von dem man bestreitet, dass es möglich oder richtig ist. Z.B. dazu ist philosophisches Handwerkszeug gut.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich sehe keine Argumentation in diesem Absatz, sondern nur Behauptungen. Die Normativität wird als einzig legitimer Zugang zum Ich betrachtet – unbegründet.
Die dahinterstehende Behauptung die im Kern auf Kant, aber irgendwo auch auf Wittgenstein zurück geht, lautet, dass der Mensch zentral ein normatives, regelfolgendes Wesen ist, wobei das normative Element darin besteht, dass der Mensch ein Wesen ist, was sich selbst Regeln geben kann und sich zu ihrer Einhaltung verpflichtet und Übertretungen sanktioniert. Das findest Du im Tierreich nicht. Tiere folgen auch Regeln, meinetwegen bishin zu einer Protomoral, aber sie folgen dem Zwang der Natur, ausschließlich. Dabei geht es gar nicht um eine exklusive Beanspruchung einer Sonderposition des Menschen, sondern das ist eher deskriptiv gemeint. Tiere, Roboter und Aliens könnten teilnehmen.
Du argumentierst gerne, dass diese Regeln doch nicht jederzeit bindend wären und siehst das als Makel, aber das erstaunliche ist eher, dass obwohl tatsächlich nicht jeder folgen muss, es doch so viele tun, dass unsere Zusammenleben in einer fast unglaublichen Reibungslosigkeit und oft auf einem hohem Abstraktionsniveau funktioniert.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Do 2. Jan 2014, 10:36

ujmp hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Die Unterteilung in Objekte und Subjekte ist ein Artefakt des Denkens, und meiner Ansicht nach keine Tatsache.

Ja, das ist Heideggers Kritik. Er sagt, dass wir uns immer schon aufs Innigste mit Welt verbunden vorfinden.

Dieser einen Sache würde ich gerne mal auf den Grund gehen.
M.E. sind "Objekt" und "Subjekt" keine Artefakte. Ich erkenne an, dass meine - ich nenne es mal locker - "Innenwelt" nicht losgelöst von der "Außenwelt" gedacht werden kann.
Ja, das reicht doch schon fast.

ujmp hat geschrieben:Eine "Grenze" zwischen beiden kann man sich meinetwegen als "fließend" denken, sagen wir mal, wie den Übergang von "rechts" nach "links". Sind "rechts" und "links" Artefakte? - M.E. nein, genauso wenig wie "Objekt" und "Subjekt"!
Das Zauberwort ist hier wohl fließend, aber die Analogie ist auch nicht so glücklich.
Denn zum Subjektsein gehört zweifelsohne Körperlichkeit, aber eben auch nicht nur. Was Dich ausmacht ist nicht Dein Cholesterinspiegel oder Diene Augenfarbe, sondenr wesentlich auch Deine Einstellungen.

ujmp hat geschrieben:Es sind sozusagen Verortungen. Auch wenn man - um die Analogie noch mal aufzugreifen - nicht genau sagen kann, wo genau das Rechts und das Links ist, kann man doch sehr sinnvolle und unmissverständliche relative Aussagen treffen. Ok, von einem rein "philosophischen Standpunkt" kann man diese Differenzierung "Objekt" und "Subjekt" gewiss irgendwie wegdenken.
Eigentlich ist das auch kein Problem, da auch jeder der sich noch so windet, anerkennt, dass es ein Ich gibt, ganz alltagspraktisch. Muss man keinem erklären, es gibt keinerlei Missverständnisse und Heidegger will auch nur sagen, dass die von der Welt und den Dingen scheinbar losgelöste Position – die man erkenntnistheoretisch sehr wohl einnehmen kann – ontologisch idiotisch ist.
Dass wir immer schon in Welt eingebunden sind, ist wahrlich kein sensationeller Befund.

ujmp hat geschrieben:Ich hab aber meine Zweifel, ob das so gescheit ist, also, ob das einen praktischen Wert hat. Dass ein Mensch sich als Subjekt gegenüber dem Objekt empfindet, ist erst mal eine Tatsache, und die lässt sich vermutlich genau so schwer beeinflussen, wie z.B. die Tatsache dass wir uns keinen Gegenstand ohne Ausdehnung vorstellen können. Und es scheint auch ganz gut so zu sein.
Wie gesagt, im Alltag kein Problem, im Rahmen eines monistischen Kontextes natürlich ein Problem.

ujmp hat geschrieben:Das Subjekt mit dem Objekt gleichzusetzen läuft in meinen Augen nämlich darauf hinaus, unsere Vorstellungswelt mit der Welt selbst gleichzusetzen. Bei wahrhaft sinnlosen und belanglosen Fragen, wie bei der Frage nach der Existenz eines Gottes, stört das evtl. nicht weiter - lass sie rumspinnen! Die interessanten Fragen sind aber diejenigen mit existentieller Bedeutung und speziell deshalb, weil man sie falsch beantworten kann. Dass ein Subjekt dasselbe Objekt auf unterschiedliche Weise beurteilen kann, speziell, dass es das Objekt eben auch falsch beurteilen kann, ist für mich ein schlagender Beweis, dass Subjekt und Objekt nicht als identisch gedacht werden können. In dem Augenblick, wo man das tut, hört ja das Denken auf - für wen auch immer das gut ist!
Das bist Du m.E. auf der falschen Fährte.
Niemand hat vor – vermutlich nicht mal eliminative Materialisten – ein Subjekt mit einem Objekt gleichzusetzen.
Gemeint ist, dass die Frage, ob nun das erkenntnistheoretische Subjekt ontologisch ganz in Welt aufgeht, was einem naturalistischen Monismus entspräche oder ob Welt im Subjekt aufgeht, was dem Solipsismus entspräche. Dass es immer ein erkenntnistheoretische Gegenüberposition gibt, ist ja nicht die Frage.

Als Ausweg sehen Leute wie Dennett, Hirnforscher und andere das Subjekt völlig zu verobjektivieren. Das bedeutet, es gibt nur Materie und daraus entsteht dann durch elektrochemische Entladungen etwas, was einem Subjekt als innere Zustände erscheint. Gelänge es, darauf setzt der eliminative Materialismus, diese „inneren“ Zustände von „außen“ zu beschreiben, so dass man quasi zu jeder subjektiven, inneren Empfindung eine äußere, objektive Entsprechung fände, wäre es möglich, jederzeit von einem Subjekt zu sagen, was es denkt und empfindet und alle qualiaartige Innerlichkeit des Subjekts wäre postwendend dahin.
Damit das aufgeht, muss es aber diese Übersetzbarkeit geben, d.h. die Sprache der ersten Person muss ohne Rest auf die Sprache der dritten Person reduzierbar sein und hier ergeben sich einige Probleme. Zwei will ich nennen:

1) Es ist m.E. prinzipiell unmöglich einem Subjekt so nahe zu kommen, dass man etwas wie dieses erlebt.
Das ist erstmal nur eine Behauptung, die aber dann plastisch wird, wenn man mal eine gedankliche Annäherung versucht, z.B. in der Art, wie Du oder ich z.B. genau etwas empfinden, Weihnachten, die Abendsonne in Sylt oder ein Klaviersonate von Beethoven. Ich behaupte, dass ich Dir klar machen kann, dass da – alle technischen Tricks vorausgesetzt jetzt und in Zukunft vorausgesetzt! - dennoch eine Lücke. Die reicht, um von prinzipielle Unmöglichkeit zu sprechen.

2) Es ist nicht einzusehen, warum die Perspektive der Physiker – und auf die laufen all diese Argumentartionen hinaus – der Perspektive des Alltags vorzuziehen ist, gerade weil diese Perspektive defizitär ist. Die Behauptung für eine Physiker – oder aus Sicht der Physik – existiere keine Liebe oder kein rot, ist ja nichts worauf man stolz sein muss, sondern beschriebt eher die Unfähigkeit etwas darzustellen.
Zwar korrespondiert „rot“ mit der elektromagnetischen Wellenlänge zwischen 600 und 750–800 nm, aber ansonsten kommt dem in der Physik keine weitere Bedeutung zu, ein Defizit in Deinem oder meinem Leben nämlich sehr wohl. Die Perspektive der Physik ist also genau, aber beschränkt und kann schon nicht einfangen, was „rot“ für eine balzenden Gockel bedeutet, geschweige für Dich. Damit ist die Reduzierbarkeit gegessen.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Dr Fraggles » Do 2. Jan 2014, 11:53

Vollbreit hat geschrieben:1) Niemand hat vor – vermutlich nicht mal eliminative Materialisten – ein Subjekt mit einem Objekt gleichzusetzen.
Gemeint ist, dass die Frage, ob nun das erkenntnistheoretische Subjekt ontologisch ganz in Welt aufgeht, was einem naturalistischen Monismus entspräche oder ob Welt im Subjekt aufgeht, was dem Solipsismus entspräche. Dass es immer ein erkenntnistheoretische Gegenüberposition gibt, ist ja nicht die Frage.
Als Ausweg sehen Leute wie Dennett, Hirnforscher und andere das Subjekt völlig zu verobjektivieren. Das bedeutet, es gibt nur Materie und daraus entsteht dann durch elektrochemische Entladungen etwas, was einem Subjekt als innere Zustände erscheint. Gelänge es, darauf setzt der eliminative Materialismus, diese „inneren“ Zustände von „außen“ zu beschreiben, so dass man quasi zu jeder subjektiven, inneren Empfindung eine äußere, objektive Entsprechung fände, wäre es möglich, jederzeit von einem Subjekt zu sagen, was es denkt und empfindet und alle qualiaartige Innerlichkeit des Subjekts wäre postwendend dahin.
Damit das aufgeht, muss es aber diese Übersetzbarkeit geben, d.h. die Sprache der ersten Person muss ohne Rest auf die Sprache der dritten Person reduzierbar sein und hier ergeben sich einige Probleme. Zwei will ich nennen:

2) Es ist nicht einzusehen, warum die Perspektive der Physiker – und auf die laufen all diese Argumentartionen hinaus – der Perspektive des Alltags vorzuziehen ist, gerade weil diese Perspektive defizitär ist. Die Behauptung für eine Physiker – oder aus Sicht der Physik – existiere keine Liebe oder kein rot, ist ja nichts worauf man stolz sein muss, sondern beschriebt eher die Unfähigkeit etwas darzustellen.
Zwar korrespondiert „rot“ mit der elektromagnetischen Wellenlänge zwischen 600 und 750–800 nm, aber ansonsten kommt dem in der Physik keine weitere Bedeutung zu, ein Defizit in Deinem oder meinem Leben nämlich sehr wohl. Die Perspektive der Physik ist also genau, aber beschränkt und kann schon nicht einfangen, was „rot“ für eine balzenden Gockel bedeutet, geschweige für Dich. Damit ist die Reduzierbarkeit gegessen.


Zu 1) Also so wie ich den eliminativen Materialismus verstehe, negiert er mentale Phänomene generell da sie reduktiv nicht erklärbar seien und insofern die Lösung des Problem nur durch Leugnung derer Existenz zu erzwingen ist (dies letztere wird natürlich nicht explizit so gesagt). Diese Behauptung ist dermassen absurd, dass sie nicht wirklich thematisiert werden muss (aber: vielleicht verstehe ich das was der e.Mat. sagt auch falsch). Selbst wenn man für jedes mentale Ereignis ein physikalisches Korrelat hätte, würde das doch nicht bedeuten, dass jede qualiaartige Innerlichkeit dahin wäre. Sie würde doch genauso bestehen wie zuvor (wenn es Qualia gibt lassen sie sich durch nichts eliminieren). Bestenfalls liesse sich eine nicht-multiple Realisierbarkeit auf neuronaler Grundlage aufweisen (unwahrscheinlich). Dazu noch vielleicht der Aufweis einer notwendig kausalen Determiniertheit aller mentalen Phänomene als Struktur der entsprechenden Korrelate. Damit wäre man auf ein epiphänomenalistisches Gespinst reduziert...aber solange jeder nach seiner facon glücklich werden darf (nicht, dass es heute so wäre), interessieren weitere narzisstische Kränkungen doch die wenigsten. Hardcore-Nihilisten haben für die Ansichten der Hirnforscher so oder so bestenfalls ein müdes Lächeln übrig.
Zu 2) Dem stimme ich zu. Der Physiker müsste aber eigentlich schon dort von nicht-Existenz sprechen wo er ein Hirn auf der rein materiellen Ebene analysiert. Denn das was er sieht, ist natürlich immer ein mentales Phänomen bzw. setzt ihn schon immer voraus (auch wenn der Solipsismus äusserst unplausibel ist, die Tatsache , dass die mentalen Phänomene das einzig sind was nicht bezweifelbar ist, ist schon merkwürdig und dies vor allem vor dem Hintergrung physikalistisch-reduktiv motivierter Hirnforscher). Hierzu gibt es interessante Argumente von G. Strawson in "Consciousness and it's place in Natur". Dass die Alltagspsychologie im Detail viel Unsinn mit sich führt, ist kein genereller Einwand gegen sie, denn sinnvolle (und sinnlose) Modifizierungen hat es bei derselben immer schon gegeben.
Wie auch immer: Feststeht, dass materialistische Monisten ohne einen ausgeweiteten Materiebegriff nicht auskommen. Dass diese Ausweitung ganz unterschiedlich radikal vorgestellt werden kann, ist auch klar: dass Materie Mentales als Systemeigenschaft "emergieren" kann, bis hin zu ganz anderen Konzepten, die den gängigen (physikalischen) Materiebegriff ganz alt aussehen lassen würden.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Do 2. Jan 2014, 13:06

Dr Fraggles hat geschrieben:Zu 1) Also so wie ich den eliminativen Materialismus verstehe, negiert er mentale Phänomene generell da sie reduktiv nicht erklärbar seien und insofern die Lösung des Problem nur durch Leugnung derer Existenz zu erzwingen ist (dies letztere wird natürlich nicht explizit so gesagt). Diese Behauptung ist dermassen absurd, dass sie nicht wirklich thematisiert werden muss (aber: vielleicht verstehe ich das was der e.Mat. sagt auch falsch). Selbst wenn man für jedes mentale Ereignis ein physikalisches Korrelat hätte, würde das doch nicht bedeuten, dass jede qualiaartige Innerlichkeit dahin wäre. .

Ja, du verstehst es falsch. Phänomene werden nicht negiert, sondern nur anderes interpretiert bzw. beschrieben. Man muss auch immer die Frage nach den Alternativen Stellen: Was soll denn deine "Qualia" sonst sein, wenn nicht ein materieller Zustand deines Gehirnes? - Und wie begründest du diese Annahme? - Das ist das eigentlich interessante an der Geschichte!
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Dr Fraggles » Do 2. Jan 2014, 13:07

Darth Nefarius hat geschrieben:1)Würde ich Philosophie als Quatsch betrachten, hätte ich mich nie mit ihr beschäftigt....

2)Deswegen erwarte ich bei Beteiligung den Minimalrespekt...

3) Diese Skepsis habe ich gegenüber jedem "Intellektuellen" - ... Sich als "Intellektuellen" zu bezeichnen entstammt meiner Ansicht nach einer gewissen Scham aufgrund von praktischer Inkompetenz und gleichzeitig dem Anspruch, Anerkennung zu finden. Deswegen lache ich mich immer kaputt, wenn ein Philosoph mir gegenüber arrogant wird - als hätte er etwas objektiv bedeutendes geleistet.
Es ist immer das gleiche simple Spiel, hinter gefühlter Großartigkeit steht Entwertung anderer, die man kleiner machen muss, die Wurzel ist der Neid.
Fast von biologistischer Simplizität.

4) Und das scheint mir auch keine Seltenheit bei "reinen" Philosophen zu sein, die sich mit nichts anderem beschäftigen - einen echten Nihilisten, radikalen Deterministen oder dergleichen findet man unter ihnen fast nie, da solche Überzeugungen mit gewissen Ausprägungen von Tatendrang oder definierten Konsequenzen für das eigene Leben verbunden sind und nicht mit falschem Idealismus.


1) Aber zumindest solange (Wie lange? Vielleicht verpasst man ja gerade das Lesenswerte) um Festzustellen ob sie Quatsch sei oder nicht...
2) Versteht sich von selbst.
3) Niedlich...aber du wirst es schon wissen.
4) Dass Wahrheit und Glück nicht notwendig Hand in Hand gehen, ist ja nicht neu...und wer zieht sich schon den Teppich unter den eigenen Füssen weg? Das Kompromisslerische gerade bezüglich Willensfreiheit geht mir natürlich auch gehörig auf den Wecker bei bestimmten Philosophen und Hirnforschern. Dennoch vertreten heute fast alle Philosophen eine kompatibilistische Theorie zur Willensfreiheit (allerdings einen solchen Willensbegriff als durchaus vereinbar mit Verantwortung etc. zu betrachten). Aber das sind ja nicht die einzigen: mit grosser Gebärde den Menschen auf nichts reduzieren und von Kunst, Sprache und dem Wunder der Evolution parlieren...das ist mindestens so kompromisslerisch und mindestens so nervig.
Zuletzt geändert von Dr Fraggles am Do 2. Jan 2014, 13:26, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Dr Fraggles » Do 2. Jan 2014, 13:11

ujmp hat geschrieben:
Dr Fraggles hat geschrieben:Zu 1) Also so wie ich den eliminativen Materialismus verstehe, negiert er mentale Phänomene generell da sie reduktiv nicht erklärbar seien und insofern die Lösung des Problem nur durch Leugnung derer Existenz zu erzwingen ist (dies letztere wird natürlich nicht explizit so gesagt). Diese Behauptung ist dermassen absurd, dass sie nicht wirklich thematisiert werden muss (aber: vielleicht verstehe ich das was der e.Mat. sagt auch falsch). Selbst wenn man für jedes mentale Ereignis ein physikalisches Korrelat hätte, würde das doch nicht bedeuten, dass jede qualiaartige Innerlichkeit dahin wäre. .

Ja, du verstehst es falsch. Phänomene werden nicht negiert, sondern nur anderes interpretiert bzw. beschrieben. Man muss auch immer die Frage nach den Alternativen Stellen: Was soll denn deine "Qualia" sonst sein, wenn nicht ein materieller Zustand deines Gehirnes? - Und wie begründest du diese Annahme? - Das ist das eigentlich interessante an der Geschichte!


Anders interpretieren? D.h. physikalistisch Interpretieren? Aber was ist damit gewonnen? Deswegen wird ja nichts eliminiert. Wenn der e.Mat. behauptet, dass Mentales reduktiv nicht erklärbar ist, was macht er dann selber? Er bietet keine reduktive Erklärung an, was bietet er dann an? Qualia seien Zustände meines Gehirns...woraus besteht in dem Fall ein Hirn? Nur aus physikalisch beschreibbare Phänomene? Ist das aber nicht eine reduktive Erklärung (zumindest im Resultat nicht aber in der Leistung). Wenn das Resultat (physikalische Zustände) nicht reduktiv erklärend zustande kam, wird faktisch gar nichts erklärt sondern nur dreist behauptet.
Nur weil alternative Vorschläge vielleicht nicht einfach zu formulieren sind, gibt das doch materialistischen Ansätzen nicht eine Freigabe um völlig unbegründete Behauptungen aufzustellen. Und sorry, eine Qualia ist kein materieller Zustand eines Hirns (sondern ein materiell-mentaler Zustand eines Hirns), dass er möglicherweise darauf "beruht" ist eine andere Sache. Wäre eine Qualia ein materieller Zustand eines Gehirns müsste er mittels empirischer Methode am Hirn beobachtbar sein (dort sieht man aber nur Materie und keine Qualia). Mit gleichem Erheiterungswert könnte man sagen, die entsprechende Hirnpartie sei ein Qualiazustand des Mentalen.
Zuletzt geändert von Dr Fraggles am Do 2. Jan 2014, 13:46, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Do 2. Jan 2014, 13:29

ujmp hat geschrieben:Was soll denn deine "Qualia" sonst sein, wenn nicht ein materieller Zustand deines Gehirnes?

Das Erleben.
Wie es ist, eine Fledermaus zu sein.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Dr Fraggles » Do 2. Jan 2014, 13:36

Vollbreit hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Was soll denn deine "Qualia" sonst sein, wenn nicht ein materieller Zustand deines Gehirnes?

Das Erleben.
Wie es ist, eine Fledermaus zu sein.


Evtl. könnte man es auch als einen materiell-mentaler Zustand eines Hirns umschreiben (womit auch klar wäre, dass ein Hirn mehr ist als physikalisch beschreibbare Materie). Aber es stimmt schon: Qualia sind Qualia und nichts ausserdem (selbst dann wenn sie nur in Zusammenhang mit Hirnen auftreten sollten).
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