Wozu dient der Gottesbegriff?

Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Sa 16. Jun 2012, 11:41

ujmp hat geschrieben:Wie kommt ein Mensch überhaupt auf die Idee, sich einen Begriff wie "Gott" zu bilden? Welches Problem löst dieser Begriff für ihn?


Finde ich eine gute und interessante Frage, ist nur wieder off topic.
Machen wir lieber nen eigenen Thread draus.
Welchen Gewinn bringt überhaupt die Einführung von „Gott“?
Was erklärt er oder für was wird er zur Variablen, was sonst nicht erklärt werden könnte?
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Sa 16. Jun 2012, 12:36

Wir hatten hier schonmal irgendwo sowas diskutiert.

Ich vermute, dass der Gottesbegriff geistesgeschichtlich betrachtet etwa so entstanden ist: Für ein Wesen ("vor vielen Millionen Jahren"), das beginnt, seine Umwelt, seine Erfahrungen zu interpretieren gibt es zunächst keinen Anlass, einen Unterschied zwischen sich selbst und der Umwelt zu machen. Konkretes Beispiel: Es nimmt sein Handeln als durch einen Willen gesteuert wahr. Welchen Anlass hat dieses Wesen, daran zu zweifeln, dass alles um es herum gewollt ist? Man könnte die Frage also umgedreht stellen: Wozu dient der Begriff des Nichtbewussten (ich meine damit nicht "Unterbewusstsein", klar...).
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon stine » Sa 16. Jun 2012, 14:59

Ich denke, dass die Menschen sehr früh ihre Möglichkeiten sich vorwärts zu bringen erkannt und ihr Können zielgerichtet eingesetzt haben, aber dann feststellen mussten, dass es auch Grenzen für ihre Unternehmungen gab. Sie erkannten ganz offensichtlich, dass sie in vielen Dingen "machtlos" waren. Eine zerstörte Ernte, zuviel oder zuwenig Regen, Sturm, lange Winter - irgendwer musste dafür verantwortlich sein und dem oder denen opferte man dann oder bat um das was man brauchte.
Die griechischen Götter sind für mich überhaupt ausgelagerte menschliche Belange. Man hat für alles einen Verantwortlichen gefunden.

Und wozu dient der Gottesbegriff heute?
Ich denke Gott ist nach wie vor das alles zusammenfassende unerklärliche Leben. Uns als Teil einer Biomasse zu bezeichnen wird dem Menschen mit seiner Fähigkeit zum eigenen Bewusstsein nicht gerecht. Also braucht er eine Instanz, die es ihm möglich macht, nicht am Bewusstsein seines kurzen Lebens und dem eigenen Ende zu verzweifeln.

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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Sa 16. Jun 2012, 17:43

Das erklärt alles überhaupt nichts, weil du den Gottesbegriff ja schon voraussetzt. Auf die Frage z.B., wie man das Rad erfunden hat, kann die Antwort nicht lauten, "weil man es grad für Räderwagen benötigt hat". Das ist jedenfalls keine sehr intelligente Argumentation.

Es handelt sich also um die Frage, wie man auf die Idee gekommen ist dass jemand "verantwortlich" sein müsse - und das hab ich versucht zu erklären. Das Interessante an der Fage ist m.E., ob es eine vernünftige Alternative zu diesen Vorstellungen gab und wodurch diese Vorstellungen widerlegt wurden.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 16. Jun 2012, 18:05

ujmp hat geschrieben:Ich vermute, dass der Gottesbegriff geistesgeschichtlich betrachtet etwa so entstanden ist: Für ein Wesen ("vor vielen Millionen Jahren"), das beginnt, seine Umwelt, seine Erfahrungen zu interpretieren gibt es zunächst keinen Anlass, einen Unterschied zwischen sich selbst und der Umwelt zu machen. Konkretes Beispiel: Es nimmt sein Handeln als durch einen Willen gesteuert wahr. Welchen Anlass hat dieses Wesen, daran zu zweifeln, dass alles um es herum gewollt ist? Man könnte die Frage also umgedreht stellen: Wozu dient der Begriff des Nichtbewussten (ich meine damit nicht "Unterbewusstsein", klar...).

Nee, das ist der falsche Ansatz. Versuch dich in einen Neanderthaler oder einen Cro-Magnon-Menschen hineinzuversetzen. Er versteht gar ncihts und hat riesen Probleme und Ängste. Die Ängste werden durch einen großen imaginären Freund getilgt und die Fragen durch desssen Macht und Ursächlichkeit geklärt. Du könntest die Frage umformulieren und fragen "Wozu dient die Gottesvorstellung?". Der Begriff und die Form des Konstrukts ergeben sich aus der Denkweise von bestimmten Menschen, denen Widersprüche nicht so sehr auffallen. stine hat das in etwa auch geschrieben.
stine hat geschrieben:Und wozu dient der Gottesbegriff heute?

Eine konsequente Frage, ich versuche über deine Antworten darauf zu antworten.
stine hat geschrieben:Ich denke Gott ist nach wie vor das alles zusammenfassende unerklärliche Leben.

Ich würde das "unerklärliche" streichen und das "unerklärte" einsetzen. Es gibt Menschen, die etwas erklären wollen, aber nicht können und dann die, die beides nicht tun. Diejenigen, die "unerklärlich" bewusst benutzen, gehören zur zweiten Kategorie.
stine hat geschrieben:Uns als Teil einer Biomasse zu bezeichnen wird dem Menschen mit seiner Fähigkeit zum eigenen Bewusstsein nicht gerecht.

Wieso, wir können doch auch soetwas wie Bewusstsein haben und ein Klumpen Biomasse sein. "Gerechtigkeit" ist subjektiv.
stine hat geschrieben:Also braucht er eine Instanz, die es ihm möglich macht, nicht am Bewusstsein seines kurzen Lebens und dem eigenen Ende zu verzweifeln.

Stimmt, zumindest meistens.
ujmp hat geschrieben:Auf die Frage z.B., wie man das Rad erfunden hat, kann die Antwort nicht lauten, "weil man es grad für Räderwagen benötigt hat". Das ist jedenfalls keine sehr intelligente Argumentation.

Diese Argumentation ist in diesem Fall sehr intelligent. Das Rad wurde nicht zum Spaß erfunden, sondern für einen Zweck, Sinn gebraucht und deswegen erdacht. Das rad wurde für den erleichterten Transport benötigt und erdacht. Im alten Ägypten hat man immer zunächst Holzbalken unter schwere Gegenstände gelegt, dadurch wurde die reibung verringert. Irgendjemand hatte dann mal Mangel an Holzbalken und hat einige an ihrer Achse mit der Transportplattform verbunden. Die Absicht war hier die Ursache der Erfindung. So geht es auch dem Gottesbegriff, er wurde gebraucht und deswegen erfunden.
ujmp hat geschrieben:Es handelt sich also um die Frage, wie man auf die Idee gekommen ist dass jemand "verantwortlich" sein müsse - und das hab ich versucht zu erklären. Das Interessante an der Fage ist m.E., ob es eine vernünftige Alternative zu diesen Vorstellungen gab und wodurch diese Vorstellungen widerlegt wurden.

man ist auf die Idee gekommen, dass jemand verantwortlich sein muss, weil man wollte, dass jemand verantwortlich ist. Wenn dies der fall wäre, könnte man die Schuld zuordnen und gleichzeitig Bestechungsversuche unternehmen (also Opfergaben), um vielleicht die eigene Situation zu verbesssern zumindest nicht untätig sein Schicksal anzunehmen. Das ist eine Form des Aktionismus.
Gewiss gab und gibt es Alternativen, aber die sind anstrengender. Wegen dieser Einfachheit hat sich diese Vorstellung durchgesetzt gegenüber Atheismus, Resignation oder der akribischen Aufdeckung der tatsächlichen Ursachen und Wirkungen. Heute hat man jedoch eine andere Situation, die den Atheismus und die Aufarbeitung der Tatsachen erleichtert und diese antike Sichweise zurecht verdrängt.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Sa 16. Jun 2012, 19:14

Das ist dasselbe Niveau, wie Stines Antwort. Versteht mal, dass man einen Gottesbegriff erst benutzen kann, wenn man ihn hat. Genau so wie das Rad. Dass das Rad nützlich ist ist eine Trivialität. Es zu erfinden ist nicht ganz so trivial, die präkolumbianischen Hochkulturen Amerikas kannten es z.B. nicht.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » So 17. Jun 2012, 08:39

Man könnte zum Begriff der "geistesgeschichtlichen Evolution" noch die "geistesgeschichtliche Ontogenese" gesellen: Wie kommt eigentlich ein menschliches Individuum im 21. Jahrhundert zu einem Gottesbegriff? Wie ist es überhaupt möglich, so einen Begriff zu vermitteln - besonders schwer scheint das ja nicht zu sein!
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » So 17. Jun 2012, 09:43

ujmp hat geschrieben:Ich vermute, dass der Gottesbegriff geistesgeschichtlich betrachtet etwa so entstanden ist: Für ein Wesen ("vor vielen Millionen Jahren"), das beginnt, seine Umwelt, seine Erfahrungen zu interpretieren gibt es zunächst keinen Anlass, einen Unterschied zwischen sich selbst und der Umwelt zu machen. Konkretes Beispiel: Es nimmt sein Handeln als durch einen Willen gesteuert wahr. Welchen Anlass hat dieses Wesen, daran zu zweifeln, dass alles um es herum gewollt ist? Man könnte die Frage also umgedreht stellen: Wozu dient der Begriff des Nichtbewussten (ich meine damit nicht "Unterbewusstsein", klar...).


Ist das nicht schon die zweite oder dritte Stufe?
Ich muss ja erst mal einen konsistenten Ichbegriff entwickeln, um mich als wollend zu erkennen.
Natürlich werden Menschen schon vorher Intentionen gehabt haben, keine Frage, aber Durst zu haben, zu merken, dass es Durst ist, den man hat (oder der einen unruhig werden lässt) und zu merken, dass man trinken will, ist nicht unbedingt dasselbe.

Viele sind ja der Ansicht, dass vor der magischen Phase erst eine animistische kommt.
Was mag wohl der Tod für eine Rolle dabei gespielt haben? Die Sorge um das eigene Leben und das naher Angehöriger? Vor dem begrifflichen Apparat sind bereits Affekte als Kommunikatonssystem vorhanden, die es der Mutter ermöglichen, die Bedürfnisse ihrer Kinder viel gezielter zu erkennen.

Die Frage nach dem Nichtbewussten („Könnte es sein, dass hinter einem Ablauf kein(e) Macht/Intelligenz/Wille steht, ist glaube ich wirklich eine spätere, was aber noch nicht bedeutet, dass man ganz organisch in den Gottesbegriff hineinkommt.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » So 17. Jun 2012, 09:46

ujmp hat geschrieben:Wie ist es überhaupt möglich, so einen Begriff zu vermitteln - besonders schwer scheint das ja nicht zu sein!

Ich meine, dass du diese Frage überhaupt erst aufgeworfen hast. Wenn es nicht so schwer ist, wieso erklärst du es nicht?
ujmp hat geschrieben:Versteht mal, dass man einen Gottesbegriff erst benutzen kann, wenn man ihn hat. Genau so wie das Rad. Dass das Rad nützlich ist ist eine Trivialität. Es zu erfinden ist nicht ganz so trivial, die präkolumbianischen Hochkulturen Amerikas kannten es z.B. nicht.

Und die Ägypter früher auch nicht, weswegen sie ja die Holzpalken benutzten. Ich habe es dir doch erklärt: Aus dem Mangel an Holzbalken zum Transport wurden die wenigen, die man hatte einfach an der Transportvorrichtung befestigt.
Beim Gottesbegriff ist diese Aufdröselung völlig legitim, er ist eine menschliche Schöpfung, also müssen wir verstehen, was den Menschen dazu gebracht hat, einen solchen Begriff zu erfinden. Und die Notwendigkeiten haben stine und ich dir genannt. Weil der Mensch ein soziales Wesen ist und zum anderen das Schieben von Schuld und Verantwortung, die manche suchten zu ermöglichen, mussten sich diese Ideen in einer imaginären Person kanalysieren. Oder anders: Stell dir einen urmenschen vor im Gespräch mit einem anderen:
Urmensch 1:"Man, das ist schon die dritte Jagd auf Mammuts, die uns misslingt- und das Wetter ist auch schlecht!"
Urmensch 2:"Kannste laut sagen!"
Urmensch 1:"Wer kann nur daran Schuld sein? Irgendeiner muss es ja! An unseren Unzulänglichkeiten oder unglücklichem Zufall kann es nicht liegen."
Urmensch 2:"Naja, ein Stein oder soetwas kann es nicht, dem können wir ja die Meinung nicht geigen, oder mit im darüber reden und verhandeln. Es muss irgendsoein allmächtiges Dingsbums sein!"
Urmensch 1:"Genau!"
Verstehst du? Ist doch ein plausibles (wenn auch komödiantisch verzerrtes) Szenario!
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » So 17. Jun 2012, 10:04

@ stine:

Was ujmp thematisiert, ist die Frage, wie man überhaupt auf die Idee kommt, es müsse jemand für Erdbeben, Unwetter, Missernten… verantwortlich sein. Kann ja auch einfach so stattfinden, schließlich nehmen wir das heute in Europa größtenteils auch an.

Wobei der frühe Menschen noch nicht Ackerbau und Viehzucht betrieben hat, dies aber einen wichtigen Einschnitt darstellt, denn beim Übergang vom Jäger und Sammler zu Ackerbauern und Vierzüchter änderte sich der Gottesbegriff, Gott wurde männlich.


@ ujmp:

ujmp hat geschrieben:Man könnte zum Begriff der "geistesgeschichtlichen Evolution" noch die "geistesgeschichtliche Ontogenese" gesellen: Wie kommt eigentlich ein menschliches Individuum im 21. Jahrhundert zu einem Gottesbegriff? Wie ist es überhaupt möglich, so einen Begriff zu vermitteln - besonders schwer scheint das ja nicht zu sein!


Es ist noch immer ein natürlicher Ablauf in der Entwicklung des Kindes magische und mythische Interpretationen durchzuspielen, Piaget hat das gezeigt und man kann es psychologisch schön nachzeichnen, in dem man sich die Frage vorlegt, wie ein kleines Kind die Welt erlebt.

Die Entwicklung des Über-Ich kann hier vermutlich weiter helfen, weil die ganzen Aspekte von Rache, Strafe, Buße und dergleichen hier liegen und aus dem inneren Erleben schön ableitbar sind.
Beispielsweise, wenn aus der willkürlich (und damit im Erleben sadistisch) eingreifenden Instanz – Eltern, die das Kind an bestimmten Akten hindern – eine wohlmeinende Instanz wird, die für das Kind immer besser zu manipulieren ist (bis es auch hier seine Grenzen erlebt).
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » So 17. Jun 2012, 10:24

Darth Nefarius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Versteht mal, dass man einen Gottesbegriff erst benutzen kann, wenn man ihn hat. Genau so wie das Rad. Dass das Rad nützlich ist ist eine Trivialität. Es zu erfinden ist nicht ganz so trivial, die präkolumbianischen Hochkulturen Amerikas kannten es z.B. nicht.

Und die Ägypter früher auch nicht, weswegen sie ja die Holzpalken benutzten. Ich habe es dir doch erklärt: Aus dem Mangel an Holzbalken zum Transport wurden die wenigen, die man hatte einfach an der Transportvorrichtung befestigt.


Das ist nur die Wiederholung des selben unzulänglichen naiven Argumentes: "Sie erfanden das Rad einfach, weil sie es brauchten". Die Frage lautet aber WIE sie es erfanden, und nicht wozu es gut ist. Auf eine Frage nach dem Wie kann die Antwort nicht "Weil..." lauten - Thema verfehlt! Es wird wohl so gelaufen sein, dass sie bestimmte Eigenschaften der Holzrollen abstrahierten. Auf die Holzrollen muss man aber auch erstmal kommen. Letztlich ist es so, dass jede Erfindung nur die Modifikation von etwas Bekanntem darstellt.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon stine » So 17. Jun 2012, 11:27

Vollbreit hat geschrieben:Was ujmp thematisiert, ist die Frage, wie man überhaupt auf die Idee kommt, es müsse jemand für Erdbeben, Unwetter, Missernten… verantwortlich sein. Kann ja auch einfach so stattfinden, schließlich nehmen wir das heute in Europa größtenteils auch an.
Ja, das habe ich schon verstanden.
Eine Parallele zu ziehen, zwischen dem kindlichen Denken und das eines Erwachsenen ist so schlecht nicht, weil es nahe bringt, was menschliches Denken ist und wie es sich entwickelt.
Das Kleinkind sieht in der mit dem Kopf wackelnden Kasperlfigur etwas Lebendiges. Es hat ein Kuscheltier, das jedes Wort versteht und das trösten kann. Es schimpft mit dem Stuhl, wenn er nicht auf zwei Beinen stehen will...

Frühe Menschen sahen im ausbrechenden Vulkan das speiende Monster und der sich verfinsternde Himmel war eine bedrohliche Kraft von oben. Jedes Naturschauspiel war offensichtlich ein menschliches Spiegelbild von Leben, wie es in der eigenen Person wahrgenommen wurde und musste gnädig gestimmt werden. Also man suchte Freundschaft zu pflegen mit den Mächtigen, damit man nicht zerstört wird.
Die Vielgötterei ist viel älter als der später folgende Monotheismus. Und Gott, Allah oder Manitu ist nur ein Wort, das Sprachwissenschaftler wahrscheinlich besser deuten können, wieso es so und nicht anders heißt.
Die Frage wäre für mich nun wieder, wieso man irgendwann auf den Monotheismus setzte?
Wer hat aus den verschiedenen Göttern den Einen gemacht? Und warum?
Dann wäre die Frage, warum ist Gott männlich und warum liebt er nur das eine Volk Israel?

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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » So 17. Jun 2012, 12:35

stine hat geschrieben:Frühe Menschen sahen im ausbrechenden Vulkan das speiende Monster und der sich verfinsternde Himmel war eine bedrohliche Kraft von oben. Jedes Naturschauspiel war offensichtlich ein menschliches Spiegelbild von Leben, wie es in der eigenen Person wahrgenommen wurde und musste gnädig gestimmt werden. Also man suchte Freundschaft zu pflegen mit den Mächtigen, damit man nicht zerstört wird.

Das sind alles gängige Vorstellungen in der Religionsgeschichte und es ist m.E. auch so richtig. Man kann es unter der Formel zusammenfassen, dass der Mensch der unbelebten Natur Absichten unterstellte bzw. dass er allen seinen Erfahrungen eine Gewolltheit unterstellte. Das erklärt aber nicht den Erkenntnisprozess, der dahinter steht, also den Prozess der Entwicklung einer Theorie, dass es evtl. so sein könnte (diesen Prozess setzt du ungerechtfertigterweise immer schon als abgeschlossen voraus). Wie ich schon sagte, war der eigentliche Erkenntnisprozess vermutlich eher, das Umgekehrte zu erkennen, nämlich, dass es Dinge gibt, die nicht "absichtlich" geschehen sondern "gesetzmäßig" oder "zufällig" sind. Auf die Erkenntnis, dass es sinnlos ist, mit einem Stein zu reden, sollte die Erkenntnis folgen, dass es auch sinnlos ist, mit einem Gott zu reden. Wenn man nur die reine Erkenntnis betrachtet, dürfte es den Begriff Gott daher schon lange nicht mehr geben, denn noch nie hat ein Mensch seinen Gott wirklich handeln gesehen. Was man aber gesehen hat, ist der Effekt den die Gottesvorstellung bei Gläubigen haben kann, und das ist wahrscheinlich die Ursache dafür, dass es den Begriff noch gibt.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » So 17. Jun 2012, 13:49

ujmp hat geschrieben:Das ist nur die Wiederholung des selben unzulänglichen naiven Argumentes: "Sie erfanden das Rad einfach, weil sie es brauchten". Die Frage lautet aber WIE sie es erfanden, und nicht wozu es gut ist.

ich habe auch klar gesagt, WIE sie es erfunden haben, deswegen musste ich mich auch wiederholen: Holzbalken mit Achsenverbindung. Die Verwendung von Holzbalken ohne Verbindung lief so ab: Holzbalken werden von hinten nach vorne getragen und so weiter. Dann war das jemandem zu dämlich und er hat die Balken einfach über die Achse miteinander befestigt. Das ist das WIE.
ujmp hat geschrieben:Auf eine Frage nach dem Wie kann die Antwort nicht "Weil..." lauten - Thema verfehlt!

Herr Oberlehrer, ich habe nicht folgendermaßen formuliert: "Das Rad wurde erfunden, weil Holzbalken verbunden wurden", sondern "Das Rad wurde AUS unverbundenen Holzbalken erfunden."
ujmp hat geschrieben: Es wird wohl so gelaufen sein, dass sie bestimmte Eigenschaften der Holzrollen abstrahierten. Auf die Holzrollen muss man aber auch erstmal kommen.

Auf Holzrollen zu kommen ist nicht schwer. Zuerst hat man wohl zufällig an einem Steilhang einen Baum umfallen und wegrollen sehen, dann hat man unter die eigenen Schlitten mehrere Balken gelegt und merkte, es ging einfacher, usw..
ujmp hat geschrieben:Letztlich ist es so, dass jede Erfindung nur die Modifikation von etwas Bekanntem darstellt.

Außnahmsweise richtig. Das Bekannte waren im Beispiel die Holzbalken, davor Schlitten und weggerollte Bäume. In diesem Thema basiert der Gottesbegriff auf Bedürfnissen und die Fähigkeit, alles zu vermenschlichen, auch unbelebte Dinge und Phänomene. irgendwann wurde ein Naturphänomen (oder irgendeine katastrophe) vermenschlicht und man hatte seinen Gott.
Vollbreit hat geschrieben:Was ujmp thematisiert, ist die Frage, wie man überhaupt auf die Idee kommt, es müsse jemand für Erdbeben, Unwetter, Missernten… verantwortlich sein. Kann ja auch einfach so stattfinden, schließlich nehmen wir das heute in Europa größtenteils auch an.

Das tun die Menschen, wie ich es schon dargestellt habe, weil es einfacher ist, nach Verantwortung als Nach Ursachen zu suchen. Es ist einfacher mit einer verantwortlichen person zu verhandeln als mit einem Stein, der die Ursache sein kann. Der Mensch neigt generell alles mögliche zu vermenschlichen, seien es Autos (in deren Front leicht ein Gesicht erkannt wird, im Fachjargon werden die Scheinwerfer auch "Augen" genannt), Häuser (2 Fenster, eine Tür=Gesicht) Tiere (wievele Mischwesen gibt es in der Mythologie?) oder einfach nur Phänomene. Das resultiert aus einem sozialen Automatismus, gleich jede Gefühlsregung im Gesicht deuten zu wollen und alles mögliche als Gesicht interpretieren zu müssen. Alles wird vermenschlicht, weil mit Menschen der Umgang intuitiv ist. Übrigens ist alles eine Frage der Konditionierung. Diese Idee wird wie alle anderen durch positive/bestätigende Impulse (das soll keine Bewertung sein), die unregelmäßig eintreten, bestätigt. Wenn du einem Affen immer zufällig eine Banane bei dem Drücken eines Knopfes nach Konditionierung gibst, wird er sich paradoxerweise eher darin bestätigt sehen, dass das Drücken im Zusammenhang mit der Banane steht. Genau so funktioniert es mit zufälligen Ereignissen, die automatisch entsprechend gedeutet werden.
ujmp hat geschrieben:Das erklärt aber nicht den Erkenntnisprozess, der dahinter steht, also den Prozess der Entwicklung einer Theorie, dass es evtl. so sein könnte

Du stellst diesen Prozess als sonderlich schwierig dar, das ist nicht der Fall. Aus den bekannten Gegebenheiten der Vermenschlichung und der Suche nach Verantwortung, die intuitiv ablaufen, lässt sich quasi sofort diese Schnapsidee eines Gottes ableiten. Hast du nie einen Geistesblitz? Eine spontane Idee?
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon stine » So 17. Jun 2012, 15:04

Darth Nefarius hat geschrieben:Das resultiert aus einem sozialen Automatismus (...) alles mögliche als Gesicht interpretieren zu müssen.
Mein Avatar ist übrigens eine Quarkspeise mit 2 Teelöffel Honig obendrauf, das bin nicht ich!

:mg: stine
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » So 17. Jun 2012, 16:37

Darth Nefarius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Auf eine Frage nach dem Wie kann die Antwort nicht "Weil..." lauten - Thema verfehlt!

Herr Oberlehrer, ich habe nicht folgendermaßen formuliert: "Das Rad wurde erfunden, weil Holzbalken verbunden wurden", sondern "Das Rad wurde AUS unverbundenen Holzbalken erfunden."

Das Beispiel war als Analogon zu Stines Äußerungen über die Gottesvorstellung gedacht und auch du hast diesbezüglich mit einem Zweck argumentiert. Das hat nichts mit Oberleher zu tun, aber ab und zu muss man auch mal über Maßstäbe sprechen, damit die Qualität nicht ins Unterirdische absackt.

Darth Nefarius hat geschrieben:Übrigens ist alles eine Frage der Konditionierung.

Nein, das ist schon Schnee von vorvorgestern.

Ansonsten bringst du leider keine neuen Gedanken ins Gespräch.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » So 17. Jun 2012, 17:54

Darth Nefarius hat geschrieben: Das resultiert aus einem sozialen Automatismus, gleich jede Gefühlsregung im Gesicht deuten zu wollen und alles mögliche als Gesicht interpretieren zu müssen. Alles wird vermenschlicht, weil mit Menschen der Umgang intuitiv ist.


Interessant ist die Stelle an der der Unterschied zwischen persönlich und unpersönlich gemacht wurde. Es ist evtl. nützlich, jedes Rascheln im Wald als das Anschleichen eines Fressfeindes zu deuten, also den Angriff des Fressfeindes gedanklich vorweg zu nehmen. Denn absolute Gewissheit darüber, dass mich ein Bär fressen will, hab ich ja erst wenn ich mich in seinem Verdauungskanal befinde - vielleicht wollte er ja bloß beißen... ;-) Daraus resultiert möglicherweise die Fähigkeit, etwas ohne Gewissheit trotzdem anzunehmen - vorsichtshalber.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » So 17. Jun 2012, 19:30

ujmp hat geschrieben:Das Beispiel war als Analogon zu Stines Äußerungen über die Gottesvorstellung gedacht und auch du hast diesbezüglich mit einem Zweck argumentiert. Das hat nichts mit Oberleher zu tun, aber ab und zu muss man auch mal über Maßstäbe sprechen, damit die Qualität nicht ins Unterirdische absackt.

Das "Oberlehrer" war auf deine Anmaßung "Thema verfehlt" bezogen. Ja, ich habe klar gesagt, dass ich stine zustimme, das ist aber keine Argumentation mit einem Zweck, sondern mit den Ursachen. Diese sind die Bedürfnisse und die Personalisierung,, die sich zu so einer Vorstellung kombinieren. Ich bin froh, dass du nicht der Maßstab bist. Und da sagen manche, ich sei ein Egomane!
ujmp hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Übrigens ist alles eine Frage der Konditionierung.

Nein, das ist schon Schnee von vorvorgestern.

Nö, dieses Modell ist noch verwendbar, Konditionierung ist kein Schnee von Gestern.
ujmp hat geschrieben:Es ist evtl. nützlich, jedes Rascheln im Wald als das Anschleichen eines Fressfeindes zu deuten, also den Angriff des Fressfeindes gedanklich vorweg zu nehmen. Denn absolute Gewissheit darüber, dass mich ein Bär fressen will, hab ich ja erst wenn ich mich in seinem Verdauungskanal befinde - vielleicht wollte er ja bloß beißen... ;-) Daraus resultiert möglicherweise die Fähigkeit, etwas ohne Gewissheit trotzdem anzunehmen - vorsichtshalber.

Gehe ich richtig in der Annahme, dass du diesen Mechanismus in der Denkweise und Analyse der Umwelt auch auf den Gottesbegriff anwenden kannst? Könntest du mir tatsächlich zugestimmt haben??
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon stine » So 17. Jun 2012, 20:19

ujmp hat geschrieben:... und auch du hast diesbezüglich mit einem Zweck argumentiert.
Ja sicher, kennst du eine Entwicklung die zwecklos ist?
Die Fähigkeit zur zweckgebundenen Gottesvorstellung resultiert aus der Tatsache, dass der Mensch seine Spiegelneuronen auf die belebte Natur und offensichtlich auch sogar auf die unbelebte Natur verwendet.

ujmp hat geschrieben:...aber ab und zu muss man auch mal über Maßstäbe sprechen, damit die Qualität nicht ins Unterirdische absackt.
Solange du den Maßstab oben hältst, dürfen wir auch mal völlig unakademisch rätseln.

:^^: stine
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » So 17. Jun 2012, 22:53

stine hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:... und auch du hast diesbezüglich mit einem Zweck argumentiert.
Ja sicher, kennst du eine Entwicklung die zwecklos ist?

Z.B. ist die Evolution nicht zweckgerichtet, das hab ich dir ja schon gefühlte 500 Mal erklärt.

stine hat geschrieben:Die Fähigkeit zur zweckgebundenen Gottesvorstellung resultiert aus der Tatsache, dass der Mensch seine Spiegelneuronen auf die belebte Natur und offensichtlich auch sogar auf die unbelebte Natur verwendet.

Also gut: Ist also die Gottesvorstellung genau so ein Irrtum, wie der Glaube, dass ein Stein vor meiner Haustür für mein Schiksal verantwortlich ist?


stine hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:...aber ab und zu muss man auch mal über Maßstäbe sprechen, damit die Qualität nicht ins Unterirdische absackt.
Solange du den Maßstab oben hältst, dürfen wir auch mal völlig unakademisch rätseln.

Du kannst mich sehr gerne konkret kritisieren oder uns deine Maßstäbe mitteilen. Ich bezweifle aber, dass Christen überhaupt zu verbindlichen Aussagen fähig sind - die Unverbindlichkeit ermöglicht ja erst ihr willkürliches Weltbild. :mg:
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