Wozu dient der Gottesbegriff?

Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » So 5. Jan 2014, 08:54

Dr Fraggles hat geschrieben:Die Differenzen wären folgende: a) objektives an sich seiendes Geschehen in der Welt/ im Hirn (so denn eine solche vorliegt), b) deren mentale Repräsentation (im Sinne einer Widerspiegelungstheorie) und c) deren mentale Repräsentation (mit "sekundären Eigenschaften").
a) ist von anderer Seinsweise als b) und c). b) und c) sind von gleicher Seinsweise und insofern qualitativ gleich, hinsichtlich ihrer Abbildqualität aber unterschiedlich. :^^:


Noch einfacher:
Materie A (Teile des Universums) wirkt auf Materie B (Gehirn).
Man sollte sich m.E. von solchen Begriffen wie "Widerspiegelung", "Abbild" usw. lösen oder sich zu mindest ihren teilweise naiven Gebrauch klarmachen. Materie B ist kein Abbild von Materie A sondern bestenfalls ein Abbild der Interaktionen mit A. Wenn ein Töpfer eine Vase Formt, stellt dann die Vase ein Abbild des Töpfers dar? Ist z.B. ein Gebirge ein "Abbild" der tektonischen Vorgänge, die es geformt haben? Genau so bzw. genau so wenig ist unsere Vorstellungwelt ein "Abbild" des Universums, es sind "mentale Repräsentationen" oder wie auch immer man es nennt( "Projektionen", "Funktionen", "Wissen", "Anschauungen"). "Rot" ist daher keine "Abbildung" der Realität im naiven Sinn, es ist aber eine voll gültige Repräsentation der Realität. Die Vorstellung "elektromagnetische Welle" ist auch keine realere Repräsentation, es ist nämlich die selbe Materie B, in der sie repräsentiert wird. In meinen Augen ist damit die Frage, wieso ich "Rot" sehen oder denken kann, prinzipiell geklärt! "Qualia" ist m.E. einfach ein sinnloser Begriff, der auf schlecht durchdachten Prämissen beruht.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » So 5. Jan 2014, 09:09

Noch einfacher:

Denken wir uns ein Gehirn, dass nur ein einziges Neuron hat: eine Glühbirne. Es lebt in einem Universum, von dem es nur eine einzige Eigenschaft wahrnimmt: elektrische Spannung. Wenn diese Spannung anliegt, leuchtet die Glühbirne. Dieses Leuchten ist ihre Vorstellung vom Universum, es ist das Sichanfühlen des Universums. Die Frage, wie es sich anfühlt, dass es sich anfühlt ist überflüssig.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon fopa » So 5. Jan 2014, 11:27

Ich fasse mal die aus meiner Sicht entscheidenden Passagen zusammen.
Einerseits sagst du...
Dr Fraggles hat geschrieben:Ich habe auch die Unvereinbarkeit von Materie und Mentalem nicht willkürlich auf einer mir genehmen Definition gegründet, sondern auf der schlichten Tatsache, dass Mentales qualitativ eine völlig andere Existenzweise darstellt als empirisch-messbare Materie.
[...]
... indem du die Beobachtbarkeit des Ich als empirische bezeichnest was schlicht falsch ist.
[...]
Indem du das Mentale mit der [Anm.: auf die?] Fähigkeit zur Interaktion mit der Umgebung reduzierst, hast du die speziellen Eigenschaften des Mentalen bereits ignoriert ohne sie aus der Materie abgeleitet zu haben (Qualia, Intentionalität etc.).
[...]
Für mich ist aber die Annahme, dass das Mentale als Eigenschaft des empirisch-messbaren Materiebegriff betrachtet werden kann völlig unplausibel
[...]
Dass die naturwissenschaftliche Definition von Materie logischer Weise dazu führe das Mentale als Eigenschaft derselben zu beschreiben, ist wohl der expliziteste Ausdruck dieses absurden Verfahrens.
Das verstehe ich so, dass du das Mentale für nicht empirisch erfassbar hältst, dass das Mentale also keinen Einfluss auf die Materie hat. (Was ja eine prinzipielle empirische Beobachtbarkeit zur Folge hätte.)

Dem gegenüber:
Dr Fraggles hat geschrieben:Was ich als ganz spezifische "Entitäten" mit ganz spezifischen Eigenschaften begreife (Mentales), betrachtest du letztlich als (willkürliche) Ettiketierungen. Hier benutzt du ein in der Regel der Philosophie zugeschriebenes Geschäft (Begriffsbestimmung) aber unter Vernachlässigung jeglicher Empirie, d.h. ohne Rücksichtnahme auf deren Evidenzen (sprich: mit materiellen Eigenschaften völlig inkompatible Eigenschaften wie Qualia etc.).
Heißt das jetzt, dass es doch Evidenzen für Qualia bzw. Mentales gibt? Wenn ja, welche wären das?

Ich sehe da insgesamt folgenden Widerspruch: Einerseits behauptest du, Mentales sei prinzipiell nicht empirisch erfassbar, was nach meinem Verständnis bedeutet, dass Mentales keinen Einfluss auf die erfassbare (physische/materielle) Welt hat. Wie kannst du dann zu Erkenntnissen über Mentales gelangen und uns diese Erkenntnisse mitteilen? Spätestens dadurch, dass deine Buchstaben hier im Forum erscheinen, haben deine "Erkenntnisse" über das Mentale eine materielle Repräsentation. Demzufolge hat das Mentale die materielle Welt beeinflusst, also einen prinzipiell messbaren Effekt hervorgebracht.
Dr Fraggles hat geschrieben:Willst du mich überzeugen, musst du mir klar machen warum die qualitativ gänzlich verschiedenen mentalen Eigenschaften (z.B. Qualia) als Zustände von materiellen Entitäten aufgefasst werden können.
Allein dadurch, dass du diese mentalen Eigenschaften "erkannt" hast, haben sie die physikalische (materielle) Welt verändert, denn diese "Erkenntnisse" beeinflussen deine Handlungen, beispielsweise gerade in dieser Diskussion. Mit dieser Fähigkeit des Mentalen, die physikalische Welt zu beeinflussen, wird es aber per Definition selbst zum Physikalischen, denn wie sollte sich ein (physikalisches) Ding verändern, wenn nicht durch physikalische Beeinflussung?

Eine andere Variante der Vorstellung einer mentalen Sphäre wäre ja, dass die Beeinflussung nur vom Materiellen ausgehen kann, das Mentale selbst aber keinen Einfluss auf das Physikalische hat. Dann stellt sich mir die Frage, erstens wie man dann überhaupt vom Mentalen wissen kann, und zweitens wozu man es überhaupt annehmen sollte.

Ein Argument für die Existenz des Mentalen könnte ja sein, dass alle (oder die meisten) Menschen daran glauben, ihre Gedanken seien irgendwie immateriell. Dann stellt sich wieder die Frage, auf welche Weise wir Erkenntnisse gewinnen können und wollen. Etwas zu behaupten, das für die Erklärung allgemein nachvollziehbarer (intersubjektiver) Beobachtungen nicht benötigt wird und gleichzeitig zu behaupten, es sei auch gar nicht empirisch nachweisbar, ist so sinnvoll wie Russells Teekanne.

Dr Fraggles hat geschrieben:Du setzt beobachtbares Verhalten und Mentales gleich (=missglückter Reduktionsversuch, ebenso wenn der Biologe ein intelligentes System mit dessen Verhalten identifiziert).
Das ist kein Reduktionsversuch, es ist das Prinzip der Beobachtung bzw. der Beobachtbarkeit. Ich könnte wieder behaupten, ein Computer denke - wie wolltest du es widerlegen? Kannst du nicht, und die Behauptung ist sinnlos, weil sie sich nicht falsifizieren (und nicht verifizieren) lässt.
Ich könnte behaupten, ein Computer berechne das korrekte Ergebnis von 1+1. Das ließe sich beobachten und verifizieren/falsifizieren - weil man nur vom beobachtbaren Verhalten auf Ursachen schließen kann und nicht anders. Dass man dabei prinzipiell immer skeptisch bleiben sollte, weil alles auch irgendwie anders sein könnte, versteht sich von selbst.

Jedenfalls nützt es nichts, von einem Menschen zu behaupten, er sei intelligent, wenn sein Verhalten durch und durch unintelligent ist. Ebensowenig nützt es, von einem Menschen zu behaupten, er habe eine Seele, eine mentale Entität oder etwas in der Art, wenn keine Beobachtung dies nahelegt bzw. andere Beobachtungen für eine plausiblere und einfachere Erklärung sprechen.

Grüße
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon fopa » So 5. Jan 2014, 11:42

ujmp hat geschrieben:Die Annahme ist einfach falsch, dass wir Daten hätten, die unseren Sinnesdaten überlegen wären.
Das habe ich auch nicht behauptet. (Bloß haben wir die Instrumente der Logik und Mathematik, die uns in die Lage versetzen, Beobachtungen zu verknüpfen und Modelle zu erstellen und so beispielsweise das Higgs-Teilchen oder die Allgemeine Relativitätstheorie zu postulieren.) Es ging mir um die Präzision des Begriffs "Eigenschaft eines Dinges". Das ist rein ontologisch und hängt nicht mit der Erkenntnisfähigkeit irgendeines Beobachters zusammen. Bloß ist das Beispiel mit der Farbe blöderweise zufällig mit den Wahrnehmungsfähigkeiten eines Dinges (eines Menschen) verknüpft. Insofern gibt es weniger missverständliche Beispiele für relationale Eigenschaften von Dingen.

ujmp hat geschrieben:Es gibt keine von Sinnesdaten unabhängige empirisch wissenschaftliche Vorstellung über die Realität. Das ist ja grad der Witz an "empirisch"!
Auch das habe ich nicht behauptet, sondern stimme dir voll zu. Dennoch ist beispielsweise die Spannung in einem Stromkreis nicht von der Glühbirne abhängig, sondern ist einfach (als intrinsische Eigenschaft des Stromkreises).
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » So 5. Jan 2014, 12:44

Dr Fraggles hat geschrieben:@Darth Nefarius:
Ein Beispiel einer philosophischen Interpretation ist die Gleichsetzung mentaler Phänomene mit materiellen Zuständen (zumindest solange wie man den Materiebegriff nicht revidiert).

Was heißt schon "den Materiebegriff"? Ich habe dir bereits gezeigt, wieso der gültige, naturwisenschaftliche Materiebegriff völlig ausreichend ist, um auch das Mentale darunter zu subsummieren. Hier ist mal ein Link, der dir zeigen sollte, dass unsere Diskussion nicht neu ist, dein Kenntnisstand schon:
http://de.wikipedia.org/wiki/Materie
Hervorzuheben:
"Materie (von lateinisch materia = Stoff, Thema, Bauholz, Ursache, griechisch hylê = Stoff, Holz, Wald) ist eine Bezeichnung für den Grundstoff, aus dem alle Dinge der Welt bestehen, unabhängig von ihrer Erscheinungsform.[...]In der Naturphilosophie wurde und wird diskutiert, ob solchen Eigenschaften ein Substrat entspricht, das ontologisch als Objekt oder Eigenschaft auffassbar ist und von anderen ontologischen Begriffen abgrenzbar ist, etwa von Geist, Form oder Idee."

"Im Alltagsleben und in den meisten naturwissenschaftlichen Betrachtungen wird die Existenz der Materie nicht infrage gestellt, da sie beständig zu Sinneserfahrungen führt, sowohl unmittelbar als auch in Untersuchungen und Experimenten mithilfe technischer Hilfsmittel. [...]Außerdem wirft diese Betrachtung die Frage auf, im welchen Verhältnis der Betrachter selbst zur Materie steht, etwa ob er in gewisser Weise unabhängig von ihr existiert oder nicht. Dies führt auf den Begriff des Geistes, auf die Frage seiner Existenz, und auf das Leib-Seele-Problem. Diese Fragen sind sehr grundlegend und die Antworten darauf begründen vollkommen unterschiedliche philosophische Schulen, die auch die naturwissenschaftlichen Begrifflichkeiten beeinflusst haben. Zu diesen Schulen gehören Dualisten, die Geist und Materie beide als existent, aber nach ihrer Auffassung voneinander zu unterscheiden seien, und Monisten, die entweder nur die Materie oder nur den Geist als das Primäre und wahrhaft Existierende ansehen.

Anhänger des Materialismus setzen die Existenz der Materie voraus und sehen alles andere als ihre Erscheinungsformen, insbesondere auch die Sinneserfahrungen und den Geist.
"

"Diese Denkrichtung wurde im 19. Jahrhundert auch von Naturwissenschaftlern wie Carl Vogt oder Jakob Moleschott voran getrieben. Laplace etwa entwickelte ein streng deterministisches Weltbild, in dem jegliche weitere Entwicklung exakt vorausberechenbar wäre, wenn man den Zustand der Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt kennen würde (Laplacescher Dämon). Spezielle Formen des Materialismus, der dialektische und historische Materialismus finden sich bei Marx und Engels, die den Materiebegriff auf u. a. die Lebensverhältnisse ausdehnten."
(unterstrichen von mir)- also, der Materiebegriff eines Naturwissenschaftlers ist nicht selten materialistisch - ich habe mir nichts aus der Nase gezogen oder den Materiebegriff erweitert.
Dr Fraggles hat geschrieben:Metaphysik: Jede Aussage die Welt als Ganzes (hier genügt auch: der Gesamtheit der uns bekannten Welt) betreffend kann als metaphysisch bezeichnet werden.

Nö, zu sagen, dass das ganze Universum aus Materie (evtl. noch Antimaterie), Raum, Zeit und Energie besteht, ist eine naturwissenschaftliche Aussage. Ich habe auch nirgends eine solche Definition gefunden, wie du sie schilderst. Vielleicht meinst du auch etwas in der Richtung:
Wikipedia hat geschrieben:Metaphysische Systementwürfe behandeln in ihren klassischen Formen die zentralen Probleme der theoretischen Philosophie, nämlich die Beschreibung der Fundamente, Voraussetzungen, Ursachen oder „ersten Gründe“, der allgemeinsten Strukturen, Gesetzlichkeiten und Prinzipien sowie von Sinn und Zweck der gesamten Wirklichkeit bzw. allen Seins.

(unterstrichen von mir)
Da sehe ich jedoch nicht Aussagen über die gesamte Wirklichkeit allen Seins allgemein beschrieben, sondern über "Fundamente, Vorraussetzungen, Ursachen, allgemeinste Strukturen, Gesetzlichkeiten, Prinzipien, Sinn und Zweck" dessen. Gut, man könnte argumentieren, dass der Materialismus unter "Struktur"-Aufklärung fällt - jedoch ist der Satz sehr vorsichtig formuliert und besagt, dass die Metaphysik sich damit beschäftigt, jedoch nicht dass diese Themen dem Bereich der Metaphysik allein betreffen. Zumindest die Frage nach Struktur ist eine Angelegenheit der Naturwissenschaften. So wie ich diesen Satz interpretiere, steht da lediglich, dass Metaphysiker sich mit solchen Fragen beschäftigen, aber nicht alle, die es tun auch Metaphysiker sind. Eine Analogie: "Grüne (also die der Partei) Systementwürfe behandeln in ihrer klassischen Form die zentralen Probleme des Umweltschutzes" - bedeutet dies, dass allein diese Partei diese Probleme behandelt? Nein - es gibt auch schwarze und rote Umweltminister.
Dr Fraggles hat geschrieben:Wie du selber eingestehst werden wissenschaftliche Definitionen zuweilen auch anhand ihrer Orientierungsfunktion gewählt (also so etwas wie regulative, der Heuristik dienende Definitionen). Dass die naturwissenschaftliche Definition von Materie logischer Weise dazu führe das Mentale als Eigenschaft derselben zu beschreiben, ist wohl der expliziteste Ausdruck dieses absurden Verfahrens.

In diesem Fall ist der Materiebegriff aus logischen Gründen gewählt - eine immaterielle Sphäre, die nicht als Energie oder Raumzeit zu definieren ist, wird nicht beobachtet und folglich existiert sie nicht. Damit ist das, was wir beobachten - auch mentale Leistungen - einer der obigen Kategorien zuzuordnen. Es ist also keine Willkür, jedoch geht sie von der Prämisse aus, dass nur das existiert, was beobachtet werden kann und Prämissen sind tatsächlich willkürlich. Aber das ist DIE Prämisse der Naturwissenschaften - der Rest ist ziemlich nihilistisch aus praktischen Gründen. Aber es gibt wohl keine Überzeugung ohne Prämissen - es ist nur fraglich, wie plausibel und logisch diese sind. Die Prämisse, dass das, was beobachtet wird und nur das existent ist, ist weit plausibler, als für jedes Phänomen eine neue Sphäre zu erfinden. Man könnte das Spiel schließlich soweit treiben, dass man nicht nur zum Dualisten wird, sondern auch allen möglichen anderen Wunschvorstellungen und Phänomenen eine eigene Sphäre zugesteht - dann kommt auch soetwas wie Vorstellungen von Höllen und Himmeln heraus. In manchen Religionen gibt es tatsächlich mehrere dieser Sphären. Mir scheint der Dualismus nur ein Fossil dieser altertümlichen Religionen zu sein wie es der Monotheismus ist - im Prinzip haben sich die Sphären und die Anzahl der Götter immer weiter reduziert - es fehlt nur noch die letzte Erkenntnis, dass auch diese wegreduziert werden müssten.
Wo der Zirkelschluss jedoch sein soll, sehe ich nicht - sobald du oder jemand anderes eine metaphysische Sphäre nachweisen kann (die nicht nur eine sprachliche Kategorisierung ist), bin ich bereit, meine Definition zu revidieren. Aber genau das ist ja der Punkt: Du stellst eine sprachliche Kategorie einer anderen gegenüber. Beide sollen beobachtete Phänomene beschreiben - dummerweise fällt bei einer auch unbeobachtetes in die Kategorie mit ein und die andere schafft es tatsächlich auch durch stetige Erkenntnisse auch Phänomene zu beschreiben, die erstere versucht, für sich zu reklamieren. Wie entscheidet man sich also, welcher sprachlichen Kategorie man das strittige Phänomen zuordnet? Wenn man danach geht, durch welche Kategorie dieses Phänomen am plausibelsten und konkretesten beschrieben wird, fällt die Kategorisierung nicht schwer (mir zumindest nicht und wohl auch den meisten Naturwissenschaftlern nicht). Man kommt natürlich mit solcher Methodik nicht bei jedem an und dann bleibt es bei einer Frontenbildung zwischen Materialisten und Dualisten.
Mir ist auch ehrlich gesagt nicht ganz klar, ob du tatsächlich ein Dualist bist - also die Existenz einer metaphysischen Sphäre neben der materiellen postulierst - oder nur sprachlich darauf bestehst, dass dieses Phänomen nicht dem materiellen zugeordnet wird. Für mich hat beides keine Grundlage: Ich habe die Prämisse, dass ich nur davon ausgehe, dass es existiert, was ich beobachte. Und ich habe desweiteren keinen Grund ein beobachtetes Phänomen, welches klar durch naturwissenschaften beobachtet und erklärt wird, als metaphysisch zu bezeichnen, wenn mir doch die materiellen Bausteine selbst bekannt sind. Die metaphysische Kategorisierung - qui bonum? Das Mentale - wie ich dir oben gezeigt habe - ist in der materialistischen, naturwissenschaftlichen Definition von Materie miteinbezogen. In diesem Bereich ist nur einbezogen, was auch wirklich beobachtet wurde. In der metaphysischen Kategorisierung ist ein Haufen Blödsinn, der nie beobachtet wurde, aber auch zugegeben einige interessante Fragestellungen miteinbezogen - wieso sollte man einer so unseriösen Kategorie ein beobachtetes und zum Großteil aufgeklärtes Phänomen zuschreiben?
Dr Fraggles hat geschrieben:Du meintest, dass Materie nur unter dem Gegeben sein von Raum und Materie erfassbar sei (davon abgesehen, dass ich diese Formulierung als gänzlich falsch erachte, da Masse erst den Raum und die Zeit konstituiert).

Falsch - so wie es Teilchen gibt, die keine räumliche Ausdehnung besitzen (wir kennen seit kurzem ein prominentes Beispiel), gibt es Raum ohne Materie - das Vakuum wäre zu nennen, aber auch schwarze Löcher, die mittlerweile nicht als supermassereiches Gebilde mit geringer Ausdehnung verstanden werden, sondern als ein Loch im Raum, welches durch eine sehr dichtgepackte Masse hervorgerufen wurde - wobei die Masse aber verschwand. Die Diskussion darüber hatte ich schon an anderer Stelle - es ist zwar eine Theorie unter vielen, soll aber zeigen, dass Raum, Zeit und Masse nicht als gegenseitig bedingende Kategorien zu verstehen sind.
Ich habe mittlerweile also die gängigen Definitonen (die nicht meine allein sind) aufgelistet, deren Gegenpositionen und auch überlegt, zu welcher Kategorie man also das Mentale zuschreiben könnte - du hast mir Kategoriefehler und Reduktionsfehler angedichtet - ich habe jedoch keine Argumente gelsesen, die dies belegen (von meinen Prämissen ausgehend. Für dich ist bereits ein Kategorie- oder Reduktionsfehler vorhanden, weil meine Kategorisierung und meine Reduktionen deinen widersprechen).
Ansonsten kann ich mich fopas andere Formulierungen derselben Aussage anschließen. Aber manchmal ist es auch ganz gut, verschiedene Formulierungen derselben Aussage anzubieten - eine könnte vielleicht überzeugend sein.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Mo 6. Jan 2014, 09:53

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Bitten und Forderungen sind normative Akte.
Nö, nur Interaktion.
Siehe dazu Nannas Antwort.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ja, da es auch unter Individuen Gemeinsamkeiten gibt - das zeigt die Biologie und die - :kotz: - Soziologie. Folglich sind übergreifende Zielsetzungen feststellbar: Gesundes Leben, Erfolg, Wohlstand, Glück....
Ob das Zielsetzungen in einem mehr als statistischen Sinn sind, müsste man erst nachweisen. Beispiel: facebook.

Darth Nefarius hat geschrieben:Die Bewertung von Perspektiven würde wiederum auch eine Neutralität und Objektivität vorraussetzen. Die Bewertung von Perspektiven selbst bleibt auch eine subjektive Angelegenheit. Aber manche Perspektiven können Gemeinsamkeiten aufweisen und manche Bewertungen scheinen einer größeren Gruppe zugänglich als eine andere.
Das sehe ich auch so, dass es bestimmte Muster und Häufungen gibt.
Das ist für Statistiker und Marktforscher sicher interessant, dass sich daraus allein etwas ableiten lässt, will mir weiterhin nicht einleuchten.

Darth Nefarius hat geschrieben:Und? Egoismus ist eine amoralische Kategorie: Es wird beschrieben, was die Motivation ist, was den Willen ausmacht (und nicht das Sollen).

Keinesfalls, schon gar nicht in der Weise, wie Du damit umgehst, nämlich Deinen Stolz daraus abzuleiten, dass Du den uns biologisch eingeimpften Modus verstehst und lebst und daraus ein konstantes Überlegenheitsgefühl ableitest. Dieses: „Ich bin besser“ ist nicht wertend?

Denselben Fehler findet man bei den Hirnforscherfreunden, die aus der Erkenntnis, dass sie nicht existieren, ein Überlegenheitsgefühl ableiten, was irgendwie nicht ohne Komik ist. Wer ist denn da überlegen? Der, der von sich behauptet, dass es ihn nicht gibt?

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Bedeutung ist immer kontextgebunden.
Ist richtig, und? Das steht in keinem Zusammenhang mit dem, was du zitiert hast - ich schrieb nicht von "Bedeutung", sondern von "Selbstwertgefühl" - letzteres ist unmissverständlich eine subjektive Angelegenheit.
Ja, daraus entsteht immer eine gewisse Lücke zwischen Selbstzuschreibung und Fremdzuschreibung, da dass, wonach einen die Mehrheit (meist) beurteilt etwas anderes ist, als das, wonach man sich selbst bewertet.

Daraus ergibt sich die Frage, wie das zu gewichten ist. Man kann den Mainstream nicht folgenlos ignorieren, weil man dann als Sonderling oder Spinner dasteht. Manchen macht das mehr aus, anderen weniger. Man kann aber auch nicht nur mit dem Strom schwimmen, weil man dann langweilig wird und obendrein die Selbstachtung zu verlieren droht.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Der nächste Dauerfehler bei Dir: pars pro toto. Ich kennen einen Arzt = Alle Ärzte sind so und so. Schlicht falsch.

Kein Dauerfehler - nach deren Besuch haben wir diesen Eindruck mit unserem Dozenten diskutiert und er erklärte (mit seiner Erfahrung, die unsere übersteigt, was Ärzte betrifft, da er selbst einer war), dass sie zu den taktvollsten Ärzten gehöre und unseren Eindruck überhaupt nicht teile.
Der Verweis auf Autoritäten ist in der Weise auch unzulässig, wenn diese ihrerseits einen Fehlschluss begehen, erst recht.

Dafür ist die Logik hervorragend geeignet, sie fragt nicht wer es gesagt hat, sondern was gesagt wurde und untersucht die Folgerichtigkeit der Aussagen.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Erkennbare Zerrbilder, aus Darths kleiner Welt.
Sag mir, wenn es im Großen anders ist. Klar haben unsere Geisteswissenschaftler auch mal diesen Occupy-Mist mitgespielt, aber mal in ne Trillerpfeife zu pusten oder immer links zu wählen, betrachte ich nicht als wirkliche Bemühung.
Es ist im Großen anders. Ein angehender Wissenschaftler, dem der Sinn von Erkenntnis nicht einfallen will?

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben: Doch, das geht ganz einfach: „Hören sie auf zu rauchen, das schadet ihrer Gesundheit, ich schaffe es selbst leider nicht.“
Tja, und der Patient sagt:" Und warum sollte mich ihre Aufforderung überzeugen, wenn sie es selbst nicht können oder wissen, wie es ist aufzuhören?
Damit bist Du bei der philosophisch interessanten Qualia-Frage gelandet und ein Qualia-Befürworter, auch wenn Du Dich zugehörigkeitstechnisch wohl eher im anderen Lager sehen wirst (falls Dir Qualia was sagt). Du schreibst nämlich dem „(wissen?), wie es ist“ einen eigenen Wert zu, so grob gesagt: Wer diese oder jene Erfahrung nicht gemacht hat, der weiß im Grunde nicht, wovon er redet, auch dann, wenn er darüber gelesen hat.

Das führt aber zu interessanten Konflikten, denn inwieweit kann man vom männlichen Chefarzt der Gynäkologie, der schon 1.000 Geburten begleitet hat, sagen, er habe keine Ahnung, wie es ist, ein Kind zu gebären? Und welchen Stellenwert hat dieses „wie es ist“-Erleben? Ist das ein Wissen oder einfach eine Erfahrung? Und etwas erfahren zu haben, ein Wissen oder eben einfach nur eine Erfahrung?

Darth Nefarius hat geschrieben:Nett, wie du dich bemühst - aber Respekt oder die Kriterien, nach denen ich ihn gewähre, sind dennoch keine ethische oder moralische Angelegenheit - selbst wenn sie normativ sein sollten, was ich nicht sehe. Ich verstehe auch nicht recht, wieso du mir das unbedingt beweisen willst. Bekommt Ethik und Moral etwa schon deswegen eine Existenzberechtigung, wenn jemand selbst für sich persönlich gewisse Verhaltensmuster oder Bewertungskriterien etabliert hat? Was soll meine Art, jemandes Charakter zu bewerten denn für einen Einfluss haben auf meine Kritik von Moral und Ethik? Was bringt es dir, jeden meiner Sätze zu zitieren und dann sinnlos zu kommentieren?
Erst mal ist rein technisch das Normative der Oberbegriff zu Ethik und Moral. Etwas schön zu finden, ist ein normatives Urteil, was einfach wertend bedeutet.
Gewöhnlich meint man, dass Normatives irgendwie eher „schwammigen“ Disziplinen zuzuordnen ist, während sich die Naturwissenschaft an Fakten orientieren, doch einige Strömungen in der Philosophie sehen das anders (und werden immer einflussreicher). Wie immer weiß keiner, worauf das Spiel hinausläuft, Fakt ist, dass der Naturalismus zum ersten Mal massiver unter Beschuss steht und zwar nicht nur aus den klassischen Bereichen wie der Religion, sondern es gibt einfach Skepsis aus vielen Ecken, der Naturalismus muss sich erklären.
Das ist auf jeden Fall eine Bereicherung und stößt die Tür zu neuen Horizonten auf.

Darth Nefarius hat geschrieben:Oh, doch: Wenn du sagst, dass Reflexion einen Gegenstand benötigt, über den reflektiert werden kann - also Inspiration - gilt das auch für Philosophen: Wenn sie jedoch keine Inspiration durch Wissen oder Erfahrung haben, taugt ihre Reflexion nichts. Was ich hier nur sehe, ist eine Katze, die sich in den Schwanz beißt: Reflexion über die Reflexion der Reflexion wegen - das ist reine Philosophie, die nicht zu einem Fazit, sondern nur zu kompatibilistischem Blödsinn führt.
Es ist ja nicht so, dass das unbekannt wäre, läuft unter Hegelei (auch wenn Hegel vermutlich mehr unrecht getan wird, als sonst einem Philosophen)

Darth Nefarius hat geschrieben:Und wieso? Wenn ich mich frage, wieso xyz Krebs bekommt, ist das etwa auch normativ?
Nein, Krebs ist aber auch keine Einstellung die man hat.
Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn ich mich frage, ob abc vielleicht auch schon den letzten Kinofilm gesehen hat, ist das auch normativ?
Nein, das ist eine reine Wissensfrage. Wenn Du meinst, das jemandem dieser Film bestimmt gefällt, ist das normativ. Wenn Du fragst, warum jemand dieses Buch gut findet und seine Motive (Einstellung) verstehen willst, ist das normativ.

Darth Nefarius hat geschrieben:Und was zur Hölle hätte es für eine Relevanz für deine oder meine Argumentation, wenn es so wäre?
Du könntest normartive und Wissensfragen unterscheiden.

Darth Nefarius hat geschrieben:Tja, und solche habe ich nicht - kann auch sein, dass ich trotzdem vor einem rauchenden Arzt Respekt haben kann, weil er mich auf andere Weise beeindruckt. Ich kann auch vor einem Grün/Linke-Wähler Respekt haben (wie öfters erzählt, real aus meinem Freundeskreis sogar).
Du erzählst doch immer von Dein Prinzipien. Egoist sein, weil das persönliche Vorteile bringt und obendrein der Welt nützt.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Es ist die Aufgabe eines Politikers sich möglichst vielen Bereichen und breiten Schichten zu widmen.
Und die des Biologen, sich mit biologischen Systemen zu beschäftigen - also auch mit dem Menschen. Wenn es ein Verhaltensbiologe ist, dann vielleicht auch mit dem Verhalten des Menschen.
Ja, und das ist auch völlig in Ordnung, wenn man die biologischen Wurzeln unseres Verhaltens ergründen will. Das ist gute und intertessante Biologie. Es kippt in den Biologismus, in dem Moment, wo man behauptet, das einzig Relevante am menschlichen Verhalten sei unser biologisches Erbe.
Dass der Mensch ein Zwitter ist, aus natürlichem Erbe, das aber natürlich kulturell überarbeitet und mitunter völlig verzerrt läuft – selbst der grundlegende Überlebenstrieb ist davor nicht sicher – zeigt, dass der Mensch die „reine Natur“ (ohnehin ein schillernder, kultureller Begriff) überragt, sie aber doch nie ganz verlassen kann.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Die meisten sind es natürlich nicht, da sie durchaus sich selbst weiterbringen wollen.
Was interessieren den Privatmenschen die meisten?
Die meisten Deines Alters sind bei facebook, daraus folgt jetzt was genau? Richtig, dass die meisten bei facebook sind (deskriptiv) und weiter nichts. Normativ (Man sollte..., Es ist gut und richtig, dass …) folgt nichts daraus.

Richtig - ich kann aus einer Feststellung natürlich nicht eine allgemeine Forderung ableiten.

Gut, das ist doch ein wichtiger Punkt.
Du vergisst ihn in dem Moment, wo Du Deskription zur Norm erhebst (was Du regelmäßig tust) und sagst, Selbstmordattentäter oder Homosexuelle seien eine unbedeutende Randgruppe, die man nicht weiter beachten müsse.
Wendet man das Argument und sagt, Atheisten seien eine unbedeutende Randgruppe (was man weltweit so sehen kann: es gibt vermutlich mehr Homosexuelle als Atheisten), magst Du das aber nicht gelten lassen.
Die Lösung all dieser Fragen hast Du selbst formuliert: Deskriptive Feststellungen oder „Fakten“ (so ist es) und Normen (...und so soll es auch sein) sind zwei Paar Schuhe.
Mehr ist das eigentlich nicht.

Darth Nefarius hat geschrieben:Die Reflexion betrachte ich nicht als Philosophie per se. Reflexion kann wenige Sekunden dauern - eine Routinearbeit deines Gehirns sein. Nur wenn du ellenlange Texte schreibst und dich von anderen Dingen ablenken lässt (oder gar keine anderen Dinge gerade zu tun hast), ist es Philosophie. Oder meinst du, dass ich schon deswegen ein Philosoph bin, weil auch ich reflektiere? Das würdest du mir nie zugestehen - ein Intellektueller? Niemals! Andernfalls könnte gar kein Neid vorhanden sein, der ja vorhanden sein muss!
Einzuschätzen, ob jemand Philosoph ist, hieße zu wissen, was genau Philosophie ist. Ein Zugang ist die akademische Ausbildung, bei der man Kenntnisse in Erkenntnistheorie, Logik, Metaphysik und Ethik erlangt und dann an bestimmte Autoren wie Kant schonend herangeführt wird.

Der Schiffbruch Deiner Kantrezeption, ist kein Sonderfall, da man ohne Vorkenntnisse überhaupt nicht verstehen kann, worüber Kant schreibt. Man hangelt sich dann am vermeintlich Bekannten entlang, ein bisschen Newton., Raum und Zeit und verfehlt das Wesentliche (auch in Kants ellenlangen, verschachtelten Sätzen). Übrig bleibt, dass man irgend wann auf die Philosophen stößt, die populär schreiben, das sind in der Regel Nietzsche und Schopenhauer, da hat man das Gefühl, na bitte, geht doch und meint, der Rest sei einfach nur zu kompliziert und könne nicht schreiben.

Zwingend ist das nicht, dass man eine universitäre Ausbildung macht um Philosoph zu sein, ich kenne großartige Philosophen die keine haben. In der Regel bedeutet Philosophie obendrein lesen, bis der Arzt kommt. Man muss einfach wissen, wer was geschrieben hat, um bestimmte Linien und Verbindungen sehen zu können.

Die wesentliche Hürde vor allem für Naturwissenschaftler und ihre Fans ist der irritierende Befund, dass Philosophie tatsächlich a) nie fertig ist, b) ewige Wahrheiten kennt und c) auf die „Und was mach ist jetzt damit?“ Frage (die Killerfrage für alle Mathelehrer) wirklich keine gute Antwort geben kann, die die Leute die diese Frage stellen, befriedigen könnte. Es ist immer das gleiche Spiel: Wer den Eigenwert von Reflexion nicht (er)kennt, wie will man demjenigen genau das erklären?

Strukturell zeigt sich hier ein Phänomen, was Wilber schön beschrieben hat, das buchstäblich völlig aneinander vorbeireden von Menschen auf verschiedenen Organisationsebenen. Man bekommt nicht mal einen Streit hin. Einen guten Streit bekommt man in der Regel unter entwicklungsähnlichen Menschen hin, bspw. ein durchschnittlicher Bright und ein durchschnittlicher Gottgläubiger. Die agieren sehr häufig auf der gleichen Organisationsebene, teilen dieselben Ansichten blicken nur vom entgegengesetzen Ufer aus, auf dasselbe Phänomen. Dasselbe Phänomen findest Du immer wieder: Ein extrem Rechter kann relativ problemlos zum extrem Linken mutieren und umgekehrt.

Keine Frage, es gibt sehr reflexive Naturwissenschaftler und Philosoph ist kein Gütesiegel per se, es ist offenbar sogar so, dass in philosophischen Fakultäten sexuelle Übergriffe und die Ausnutzung von Machtverhältnissen häufiger sind als in anderen Disziplinen, aber wie immer, ist die Gemengelage komplex und eben nicht simpel abzuarbeiten.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Und Du meinst Bedeutungswandel und -verschiebung bishin zur Inkommensurabilität sei Philosophen unbekannt? Lustig.
Zumindest scheint dies den hier anwesenden Philosophen unbekannt zu sein - wenn ewig darauf rumgehackt wird, dass meine Definition von beispielsweise von Egoismus (egal wie folgerichtig sie ist) nicht der sprachlichen Norm entspricht (egal wie unreflektiert sie ist). Andernfalls gäbe es hier keine ellenlangen Diskussionen darüber, ob eine Definition denn die allgemein bekannte ist, sondern ob sie sinnvoll ist.
Ich denke, dass die meisten Probleme darauf beruhen, dass Du 90% der relevanten Begriffe, über die gestritten wird, falsch verwendest und angefressen reagierst, wenn man Dich darauf hinweist.
Die anderen 10% sind im Grunde leicht zu erklären: Ja, Begriffe wandeln sich, was aber nicht heißt, dass jeder Begriff irgendeine beliebige Bedeutung hat, sondern nur, dass die Bedeutung um 1800 vielleicht eine andere war.
„Egoismus“ oder „Utilitarismus“ oder „Ethik“ haben hier und heute eine feststehende Bedeutung und jeder der davon abweicht, muss seine Abweichung erklären und kann nicht voraussetzen, dass sich die Welt morgen nach seinen Privatdefinitionen richtet. Wenn ich sagen „Auto“ ist für mich ein Tier mit Flügeln, dann ist das nicht falsch – denn ich habe ja definiert, was ich meine und Definitionen können nicht falsch sein – es ist nur höchst unwahrscheinlich, dass jemand meine Begriffswahl übernimmt, einfach weil der Begriff schon besetzt ist, reine Gewohnheit, wenn Du so willst.
Und so wie Du „Kultur“, „Ethik“, „Utilitarismus“ und dergleichen verwendest, winkt jeder mit etwas Ahnung ab, dreht sich um und lässt Dich als ahnungsloses Rumpelstilzchen im Regen stehen. Die Welt ist übervoll von Leuten, die schnell mal eben Einstein, Kant oder so widerlegen wollen oder einen in der Mathematik noch ausstehenden Beweis abliefern, aber schon bei Grundübungen versagen und dann denken, die Welt würde sie nicht würdigen. Und jeder von denen meint, er wäre natürlich ganz anders und besonders, da muss man dann irgendwann die Kränkung ertragen und aufwachen, oder weiter auf der Stelle treten.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ja, Du weißt nicht, was ein Geisteswissenschaftler eigentlich tut, das ist mir bekannt. Und?
Ich kenne das Regelwerk der guten wissenschaftlichen Praxis, die deutlich macht, was ein Wissenschaftler können sollte und was nicht - manche Sachen sprechen nur die Naturwissenschaftler an (in dem Bereich kenne ich mich aus), der Rest spricht mich nicht an und ist folglich an die Geisteswissenschaftler gerichtet, deren Kunst darin besteht, alte Gedanken nur neu wiederzukäuen und dabei richtig zu zitieren.
Ja, der Rest spricht Dich nicht an, muss ja auch nicht.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Fragt sich doch, was als "Detailkenntnisse" betrachtet werden kann.
Auch diese normative Frage ist wohl kontextabhängig, oder schlägst Du einen Messwert vor?
Nein, nur eine Frage, die diskussionswürdig ist. Manche Antworten sind einfach gegeben, um eine Orientierung zu besitzen und können dennoch willkürlich sein.
Ja, so ist es in der Philosophie auch.
Als grober Unterschied zwischen Natuwis und Philos kann man sagen, Natuwis wollen herausfinden, wie etwas ist und Philos, was es bedeutet, wenn jemand die Einstellung hat, dass etwas so ist.

Der eigentlich interessante Streit geht in die Richtung der Aufweichung der Positionen. Eine wahre Aussage muss sich ja letztlich doch an empirischen Fakten, und damit Welt, orientieren und das ist schwer zu leugnen, will man nicht „die Welt verlieren“ ein Problem, was Philosophen aber überbekannt ist.
Andererseits und das ist die Stoßrichtung McDowell, Brandom, Davidson, Habermas sind wissenschaftliche Untersuchungen allesamt auch nur Sprachspiele, also normative Akte und Kants wesentliche Erkenntnis war, das ALLES was wir als Menschen mit unserer Vernunft tun, ein Urteil ist, ein normativer Akt.
Und über die Phase dem einen oder anderen Lager zu unterstellen, es habe schlicht keine Ahnung, ist man längst hinaus.
Aus diesem Spannungsverhältnis leitet sich auch die neue Kritik am Naturalismus ab.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Mo 6. Jan 2014, 10:18

fopa hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Die Annahme ist einfach falsch, dass wir Daten hätten, die unseren Sinnesdaten überlegen wären.
Das habe ich auch nicht behauptet. (Bloß haben wir die Instrumente der Logik und Mathematik, die uns in die Lage versetzen, Beobachtungen zu verknüpfen und Modelle zu erstellen und so beispielsweise das Higgs-Teilchen oder die Allgemeine Relativitätstheorie zu postulieren.) Es ging mir um die Präzision des Begriffs "Eigenschaft eines Dinges". Das ist rein ontologisch und hängt nicht mit der Erkenntnisfähigkeit irgendeines Beobachters zusammen. Bloß ist das Beispiel mit der Farbe blöderweise zufällig mit den Wahrnehmungsfähigkeiten eines Dinges (eines Menschen) verknüpft. Insofern gibt es weniger missverständliche Beispiele für relationale Eigenschaften von Dingen.

ujmp hat geschrieben:Es gibt keine von Sinnesdaten unabhängige empirisch wissenschaftliche Vorstellung über die Realität. Das ist ja grad der Witz an "empirisch"!
Auch das habe ich nicht behauptet, sondern stimme dir voll zu. Dennoch ist beispielsweise die Spannung in einem Stromkreis nicht von der Glühbirne abhängig, sondern ist einfach (als intrinsische Eigenschaft des Stromkreises).

Ich denke, du möchtest sagen, dass es eine vom Subjekt unabhängige Realität gibt. Da sind wir uns einig.

Es gibt aber keine vom Subjekt unabhängige Vorstellung von dieser Realität. Und wenn wir "Vorstellung" als materiellen Zustand des Gehirnes betrachten (bzw. "Vorstellen" als Prozess), dann unterscheiden sich "Rot", "Primzahl" und "Ich fühle mich als Fledermaus" qualitativ nicht, es sind halt irgendwelche Lämpchen im Gehirn. Ob sich deine Vorstellungen nun direkt oder indirekt aus Sinnesdaten speisen, ist dabei unerheblich. Ein erheblicher Teil dürften aber angeborene "Vorstellungen" (im weitesten Sinne) sein. Bestimmte Dinge kann dieser Organismus z.B. nicht. Z.B. kann man sich nicht vorstellen tot zu sein. Oder man kann sich keinen Gegenstand ohne Raum vorstellen, umgedreht geht es aber (was Kant "a priori" genannt hat, könnte man als angeborene Vorstellungen bezeichnen).

Die moderne Neurologie hat bekanntlich unzählige Beispiele dafür, wie sehr unser Denken von der Biologie unseres Gehirnes abhängt. Auch die KI-Forschung zeigt immer wieder, was für eine gewiefte "Technik" im Prinzip ein Neugeborenes schon mitbringt. Der Erstspracherwerb erfolgt z.B. bei kleinen Kindern nahezu mühelos. Auch Menschen mit sehr geringer Intelligenz können Sprache in einer Weise verstehen, wie man es z.Z. selbst den teuersten Computern nicht beibringen kann (m.W.).

Es scheint mir ganz klar, dass solche "Defaults" unsere Vorstellungen von der Realität extrem beeinflussen. D.h. nicht, dass angeborene Denkmuster falsch sind, sie sind ja immerhin "evolutionär bewährt".
Zuletzt geändert von ujmp am Mo 6. Jan 2014, 10:48, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Mo 6. Jan 2014, 10:26

ujmp hat geschrieben:"Rot" ist daher keine "Abbildung" der Realität im naiven Sinn, es ist aber eine voll gültige Repräsentation der Realität. Die Vorstellung "elektromagnetische Welle" ist auch keine realere Repräsentation, es ist nämlich die selbe Materie B, in der sie repräsentiert wird. In meinen Augen ist damit die Frage, wieso ich "Rot" sehen oder denken kann, prinzipiell geklärt! "Qualia" ist m.E. einfach ein sinnloser Begriff, der auf schlecht durchdachten Prämissen beruht.

Aber warum können wir dann „wissen, was rot ist“ und „rot sehen“ unterscheiden?
Nehmen wir an, ich wäre farbenblind. Nun erklärt man mir, das obere Licht bei einer Ampel, das sei (nenne man) rot. Obendrein seien Feuerwehrlöscher, Blut und Tomaten rot.
Folglich kann ich, wenn ich Beifahrer bin, jemandem sagen: „Hey, Vorsicht, die Ampel ist rot“. Ich kann korrekt auf „den roten Fleck da“ hinweisen, den jemand macht, der blutet. Ich kann über die Frequenzbreite von rotem Licht besser Bescheid wissen, als der Durchschnitt und sogar einen philosophischen Vortrag über „die Röte“ halten, poetischen Gedichte über das Abendrot schreiben – mithin, ich kann exzellent über rot Bescheid wissen und farbenblind sein.

Wenn Du das Gefühl hast, damit sei alles geklärt und zwischen diesem „Wissen“ und dem „rot sehen und erleben können“ gäbe es keinerlei Differenz, dann ist damit der Keks an dieser Stelle für Dich gegessen und alles ist befriedigend erklärt. Die meisten würden aber intuitiv das Gefühl haben, Wissen über rot zu haben und rot sehen und erleben zu können, das sei doch irgendwie was anderes.

Dieses „Andere“ ist das was Qualia meint.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Mo 6. Jan 2014, 11:00

Vollbreit hat geschrieben:Wenn Du das Gefühl hast, damit sei alles geklärt und zwischen diesem „Wissen“ und dem „rot sehen und erleben können“ gäbe es keinerlei Differenz, dann ist damit der Keks an dieser Stelle für Dich gegessen und alles ist befriedigend erklärt. Die meisten würden aber intuitiv das Gefühl haben, Wissen über rot zu haben und rot sehen und erleben zu können, das sei doch irgendwie was anderes.

Dieses „Andere“ ist das was Qualia meint.

Ich sehe den Unterschied einfach nicht: Das "Erleben von Rot" ist "Rot", der Zusatz von "Erleben von" ist hier in meinen Augen überflüssig. Und das Wissen über die Wellennatur des Lichtes ist auch nur ein "Erleben", nämlich das Erleben der eigenen Vorstellung. Evtl. ist es hilfreich, nicht von "Hirnzuständen" zu sprechen, sondern lieber von "Hirnprozessen", da Erleben eine Dauer hat. Ok, man mag da qualitative Unterschiede ausmachen, es besteht aber m.E. keine Notwendigkeit für eine neue Entität. Da ist in meinen Augen auch nichts Rätselhaftes.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Mo 6. Jan 2014, 11:14

ujmp hat geschrieben:Es gibt aber keine vom Subjekt unabhängige Vorstellung von dieser Realität. Und wenn wir "Vorstellung" als materiellen Zustand des Gehirnes betrachten (bzw. "Vorstellen" als Prozess), dann unterscheiden sich "Rot", "Primzahl" und "Ich fühle mich als Fledermaus" qualitativ nicht, es sind halt irgendwelche Lämpchen im Gehirn.
Sind Qualität, Quantität, ihre Trennung oder Gleichsetzung denn etwas anderes als eine Zuschreibung? Du beziehst Dich auf das, was Du negierst.

Natürlich gibt es diese Unterschiede und ob das, was und wie „irgendwelche Lämpchen im Gehirn“ sind, ist ein Scheck auf die Zukunft. Man wird wohl demnächst etwas finden, ist die stille Hoffnung, die Stelle im Hirn, an der Primzahlen repräsentiert sind. Aber möglicherweise findet man die so wenig, wie man bisher ein Ich gefunden hat, weil man ganz einfach an der falschen Stelle sucht.
Denn gesetzt man fände Primzahlen im Hirn (was immer das heißen soll), was wäre es anderes als die Region zu finden, in der der sozial vermittelte Vorgang, zu verstehen, was Primzahl sind und wie man sie berechnet, zu finden? Die „Ursache“ ist das aber nicht, sondern es wäre die soziale Vermittlung eines Regelfolgens.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Mo 6. Jan 2014, 11:35

Vollbreit hat geschrieben:Quantität, ihre Trennung oder Gleichsetzung denn etwas anderes als eine Zuschreibung? Du beziehst Dich auf das, was Du negierst.

Natürlich gibt es diese Unterschiede und ob das, was und wie „irgendwelche Lämpchen im Gehirn“ sind, ist ein Scheck auf die Zukunft. Man wird wohl demnächst etwas finden, ist die stille Hoffnung, die Stelle im Hirn, an der Primzahlen repräsentiert sind. Aber möglicherweise findet man die so wenig, wie man bisher ein Ich gefunden hat, weil man ganz einfach an der falschen Stelle sucht.
Denn gesetzt man fände Primzahlen im Hirn (was immer das heißen soll), was wäre es anderes als die Region zu finden, in der der sozial vermittelte Vorgang, zu verstehen, was Primzahl sind und wie man sie berechnet, zu finden? Die „Ursache“ ist das aber nicht, sondern es wäre die soziale Vermittlung eines Regelfolgens.

Mit "Quantität" meine ich "Komplexität". Man kann viele kognitive Leistungen schon recht gut im Gehirn lokalisieren, z.B. durch bildgebende Verfahren oder durch Forschung an Menschen mit Hirnverletzungen, sprich, Menschen denen bestimmte Teile des Gehirnes fehlen. Das ist ein ziemlich weites Feld, ein gutes Buch (speziell über Zahlen): S. Dehaene: THE NUMBER SENSE
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Mo 6. Jan 2014, 11:39

ujmp hat geschrieben:Ich sehe den Unterschied einfach nicht: Das "Erleben von Rot" ist "Rot", der Zusatz von "Erleben von" ist hier in meinen Augen überflüssig.
Ja, das Erleben von Rot ist Rot zu sehen.

ujmp hat geschrieben:Und das Wissen über die Wellennatur des Lichtes ist auch nur ein "Erleben", nämlich das Erleben der eigenen Vorstellung.
Kannst Du denn die Wellennatur des Lichts erleben? M.E. nicht, das ist ein abgeleiteter Wissensakt.
Man kann eventuell sehr gut Fußball spielen, muss aber nicht wissen, warum man so gut spielt. Ist halt einfach so.
Andersrum kann jemand ein begnadeter Trainer, mit jeder Menge fußballerischem Sachverstand sein, aber vielleicht kaum noch in der Lage den Ball zu treffen.

ujmp hat geschrieben:Evtl. ist es hilfreich, nicht von "Hirnzuständen" zu sprechen, sondern lieber von "Hirnprozessen", da Erleben eine Dauer hat.
Das macht für die Frage m.E. keinen Unterschied.

ujmp hat geschrieben:Ok, man mag da qualitative Unterschiede ausmachen, es besteht aber m.E. keine Notwendigkeit für eine neue Entität. Da ist in meinen Augen auch nichts Rätselhaftes.
Eines der Hauptprobleme der Qualia (und anderer Diskussionen) ist, das halbwegs vergiftete Klima dieser Diskussion. Dieser andauernde und nervtötenden Rekurs auf „nichts Rätselhaftes“ gehört wesentlich dazu, weil er stillschweigend unterstellt, Qualiabefürworter seien irgendwelche metaphysischen Fanatiker, die den Leuten einreden wollten Qualia sei etwas Rätselhaftes. Verantwortung dafür trägt nicht unwesentlich Dennett, der diesen Quatsch ständig behauptet.

Wir können das gerne diskutieren, aber dafür müsstest Du mindestens den Unterschied zwischen Erleben (wie es ist) und Wissen (wie es funktioniert) erkennen.
Erkennst Du das nicht, schließt das eine Diskussion aus. Dennett erkennt das sehr wohl, seine Argumentation ist auch in billiger Weise richtig, aber dennoch nicht mehr als ein logischer Taschenspielertrick, den ich dann gerne aus meiner Sicht erläutere.
Zuletzt geändert von Vollbreit am Mo 6. Jan 2014, 12:02, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Mo 6. Jan 2014, 11:59

ujmp hat geschrieben:Man kann viele kognitive Leistungen schon recht gut im Gehirn lokalisieren, z.B. durch bildgebende Verfahren oder durch Forschung an Menschen mit Hirnverletzungen, sprich, Menschen denen bestimmte Teile des Gehirnes fehlen. Das ist ein ziemlich weites Feld, ein gutes Buch (speziell über Zahlen): S. Dehaene: THE NUMBER SENSE
Danke für den Tipp, besser ist noch zu sagen, was drin steht.

Aber noch mal was Grundsätzliches: Ich würdige die Arbeit der Hirnforscher, sie ist hochinteressant und mitunter sehr gut!

Meine Kritik bezieht sich nicht auf diese Arbeit, sondern, auf die, über diese Arbeit hinausreichenden Spekulationen, die man nur als von A bis Z falsch und selbstwidersprüchlich bezeichnen kann. Und nicht, dass die Neurobiologen in fremden Gewässern fischen, wie man manchmal hört, ist das Problem, sondern ganz einfach, dass jemand der diese philosophische Diskussion eröffnet, sich dieser dann auch zu philosophischen Bedingungen stellen muss.

Und da haben dann die Singers und Roths eklatant versagt, was mich im Falle Roth besonders wunderte, da der Mann studierter Philosoph ist. Keine Ahnung was da schief gelaufen ist, inzwischen kommt mir Roth als Forscher aber höchst dubios vor, was aber nicht weiter vertieft werden muss.
Kern kann bleiben, was gesagt wurde und das kann man philosophisch untersuchen.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Mo 6. Jan 2014, 12:51

vollbreit hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Und das Wissen über die Wellennatur des Lichtes ist auch nur ein "Erleben", nämlich das Erleben der eigenen Vorstellung.
Kannst Du denn die Wellennatur des Lichts erleben? M.E. nicht, das ist ein abgeleiteter Wissensakt.

Es sind halt beides Vorstellungen, die mir ins Bewusstsein kommen. Die eine, "Rot", speist sich, wenn ich es sehe, aus äußeren Sinnesdaten, und aus inneren, wenn ich sie er-innere (prima Wort, fällt mir grad auf...). Die andere setzt sich - behaupte ich mal -indirekt auch aus Sinnesdaten zusammen, hauptsächlich erinnerten. Eine Welle ist eine Vorstellung die sich aus einer Zeit- und einer Raumempfindung zusammen setzt, nämlich dem pulsierenden Auf und Ab. So etwas ist uns von Wasserwellen her erfahrbar, evtl. auch vom Atem. Man darf sich von der Fachsprache der Physik nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass es sich letztlich um Metaphern aus der Alltagserfahrung handelt. "Kraft", "Trägheit", "Strom" usw. gehen mal noch. "Quanten" sind Stücke. "Energie" ist Aufwand, also eine Kraft eine Weile aufbringen usw. Nichts davon entzieht sich der sinnlichen Intuition - ohne eine solche würde man auch nichts verstehen!

Wenn du mich fragst, wird das menschliche "Wissen", was auch immer wir herausfinden, nie ohne den Rekurs auf solche existentiellen Empfindungen auskommen. Deshalb können wir uns auch einen vierdimensionalem Raum nicht wirklich vorstellen (das bekennen mehrere Top-Physiker, die durchaus mathematisch damit klarkommen, z.B. R. Feynman oder L. Susskind). Und schließlich beißen wir uns ja gerade die Zähne daran aus, dass das Licht Wellennatur und Teilchennatur zu gleich hat. Beides können wir aber intuitiv erfassen, also innerlich erleben.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon fopa » Mo 6. Jan 2014, 16:07

ujmp hat geschrieben:Es gibt aber keine vom Subjekt unabhängige Vorstellung von dieser Realität.
Wir sind uns sogar vollkommen einig. :up:
Ontologische Überlegungen finden immer innerhalb der natürlicherweise gegebenen Grenzen unserer Erkenntnisfähigkeit und auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse statt. Bloß ist für die Definitionen und Betrachtungen innerhalb einer Ontologie die Erkenntnisfähigkeit irgendeines Betrachters nicht mehr relevant.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon fopa » Mo 6. Jan 2014, 16:24

Vollbreit hat geschrieben:Man wird wohl demnächst etwas finden, ist die stille Hoffnung, die Stelle im Hirn, an der Primzahlen repräsentiert sind.
Das sicher nicht. Es sei denn, das Gehirn denkt gerade an irgendwelche Primzahlen oder hat Primzahlen irgendwo als Erinnerung abgespeichert.
Rein mathematisch ist eine vollständige Repräsentation der Menge aller Primzahlen nicht auf begrenztem Raum möglich, da diese Menge unendlich ist. Aber jede Primzahl ist denkbar und kann in einem Gehirn oder sonstwo repräsentiert werden.
Vollbreit hat geschrieben:Aber möglicherweise findet man die so wenig, wie man bisher ein Ich gefunden hat, weil man ganz einfach an der falschen Stelle sucht.
Denn gesetzt man fände Primzahlen im Hirn (was immer das heißen soll), was wäre es anderes als die Region zu finden, in der der sozial vermittelte Vorgang, zu verstehen, was Primzahl sind und wie man sie berechnet, zu finden?
Naja, die Definition der Primzahl ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern hat sich in irgendeinem aktiken, griechischen Hirn herausgebildet ("Kreativität", vgl. den anderen aktuellen Thread). Es besteht auch sehr wohl ein Unterschied, ob eine Primzahl selbst (wieder Beispiel 7) oder die Definition oder eine Rechenregel repräsentiert wird. Zumindest in einem Gehirn, das diese Differenzierung selbst anstellt, beispielsweise das eines Mathematikers.
Vollbreit hat geschrieben:Die „Ursache“ ist das aber nicht, sondern es wäre die soziale Vermittlung eines Regelfolgens.
Was soll denn die "Ursache" sein? Ich habe grad keine Ahnung, was du überhaupt damit meinst. :lookwrong:
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Di 7. Jan 2014, 11:54

ujmp hat geschrieben:
vollbreit hat geschrieben:Kannst Du denn die Wellennatur des Lichts erleben? M.E. nicht, das ist ein abgeleiteter Wissensakt.

Es sind halt beides Vorstellungen, die mir ins Bewusstsein kommen. Die eine, "Rot", speist sich, wenn ich es sehe, aus äußeren Sinnesdaten, und aus inneren, wenn ich sie er-innere (prima Wort, fällt mir grad auf...).
Nein, so ist es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht.
Farben sind ein schönes Beispiel um zu zeigen, warum die Welt nicht nur Physik ist (damit meine ich: die Perspektive der Physik nicht allumfassend ist).
Kompliziert ist folgender Punkt: Es gibt primäre Sinneserfahrungen, von denen man eine Teil guten Gewissens als „äußerlich“ bezeichnen kann, z.B. rot.

Einen Teil in dem Sinne, als auch das Roterleben bereits ein Konstrukt ist, d.h. eine interpretierte Welt ist, rohere Daten als sinnliche Rohdaten haben wir nicht zur Verfügung, ich nenne sie mal Primärdaten (auch wenn sie Interpretationen/Konstrukte) sind. Allerdings beziehen sich primäre Daten nicht allein auf die „äußere Welt“, sondern auch auf Körpersensationen, die vermutlich so gut wie allen Menschen (und einigen Tieren) gemein sind.

Nach einigen Lebensjahren ist die Welt der Primärdaten nahezu untrennbar verbacken mit Begriffen. Das ist komplizierter zu erfassen, als man gewöhnlich meint. Einen Begriff zu haben, ist mehr als nur an bereits Vorhandenes gedanklich einen kleinen Zettel zu kleben, auf dem nun einfach „Kühlschrank“, „Auto“ und „Hund“ steht, so dass man quasi in der gleichen Welt lebt wie vorher, nur zu dem, was man vorher schon genauso wahrnahm und erlebte, ein paar Vokabeln gelernt hat.
Zum einen stellen Begriffe mehr da als Wörter, d.h. zum „Begriff haben“ (oder anwenden können) gehört die Kompetenz diesen situationsadäquat anzuwenden – wirklich dann „rot“ zu sagen, wenn man Rotes und nicht Blaues sieht, zu wissen, dass es eine Farbe ist, über die man redet – aber auch auf innere Primärdaten anzuwenden, z.B. Hunger.
Einen knurrenden Magen zu haben und Appetenzverhalten zu zeigen ist nicht gleichbedeutend mit „Hunger haben“, also zu wissen, dass ich Hunger habe. Auf Hunger kannst Du schon nicht mehr deuten, diesen „innerweltlichen“ Begriff zu beherrschen, bedarf bereits anderer Fähigkeiten.
Desweiteren verändert sich das Selbstbild fundamental, wenn man – via Begrifflichkeit – über sich etwas erfährt, zum einen sich innere Zustände zuschrieben kann, zum anderen durch die Zuschreibungen von anderen etwas über sich erfährt, eine Art Blick in den sozialen Spiegel. Wütend, erfreut oder ängstlich zu sein und zu wissen, dass man gerade wütend, erfreut oder verängstigt ist, sind zwei Paar Schuhe, ist die Möglichkeit eine Metaposition zu seinen inneren Primärdaten aufzubauen, Pi mal Daumen passiert dies schrittweise um das dritte Lebensjahr.
Ich bin noch immer bei den einfachsten Primärdaten, aber schon hier kann man sehen, dass Sprach(spiel)e zu beherrschen ungleich mehr bedeutet, als Zettel an Gegenstände zu heften, d.h. einer bereits vorhandenen Welt ein 1 zu 1 entsprechendes Sprachmuster überzustülpen, dass die Welt, so wie sie ist, aber nur beschreibt, ohne sie zu verändern.
Das ist alles in allem nicht etwas anders, sondern fundamental falsch. Begriffe zu beherrschen heißt in einer vollkommen anderen (Erlebens)Welt zu leben und die Idee, dass es anders ist (Zettel an Gegenstände einer unveränderten Welt) bezeichnete Sellars (ein Naturalist) als den „Mythos des Gegebenen“.

Dies zu verstehen, muss man sich aber schrittweise erschließen, das geht nicht mal eben so, wenn es gelingt, Glückwunsch.

Rot zu sehen (und allgemein: herzeigbare Dinge der Außenwelt), entspricht noch am ehesten dem, was man als gegeben ansehen kann. Wie nun genau der Übergang von behavioristischen Training der Reiz-Reaktions-Verknüpfung zum inneren Verstehen dessen was man tut und sagt vor sich geht, ist eine elend komplizierte Geschichte, die vermutlich auf der Erschließung neuer Nervenbahnen und sicher auf dem Erlangen/Erschließen eines neuen Selbstbildes beruht (und dass ein neues Selbstbild immer auch ein neues Weltbild bedeutet, könnte evtl. hier schon klar werden).

Eingedampft auf einen Satz kann man aber sagen: Rot zu sehen ist eine primäre, unmittelbare Erfahrung. Der Körper reagiert auf rotes Licht in spezifischer Weise, auch dann, wenn man keinen Begriff von „rot“ hat.

ujmp hat geschrieben:Die andere setzt sich - behaupte ich mal -indirekt auch aus Sinnesdaten zusammen, hauptsächlich erinnerten. Eine Welle ist eine Vorstellung die sich aus einer Zeit- und einer Raumempfindung zusammen setzt, nämlich dem pulsierenden Auf und Ab. So etwas ist uns von Wasserwellen her erfahrbar, evtl. auch vom Atem.

Man darf sich von der Fachsprache der Physik nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass es sich letztlich um Metaphern aus der Alltagserfahrung handelt. "Kraft", "Trägheit", "Strom" usw. gehen mal noch. "Quanten" sind Stücke. "Energie" ist Aufwand, also eine Kraft eine Weile aufbringen usw. Nichts davon entzieht sich der sinnlichen Intuition - ohne eine solche würde man auch nichts verstehen!


Du sagst es selbst: indirekt und metaphorisch, also abgeleitet. Eine Metapher ist immer eine Art sprachlicher Notausgang und verweist immer auf eine Art Analogie, weil entweder der Begriff oder Primärerfahrung fehlt. Und wir erleben Licht einfach nicht als Welle in einem primären Sinn. Die Bugwellen eines Schiffes lassen ein Paddelboot hin und her schwanken, aber rotes Licht versetzt uns nicht in Bewegung, wer erfahren und erlebe keine Wellen, sondern „rot“.
Und ohne Kompetenzen in Sprachspielen zu erlangen, bleibt die die Wellennatur des Lichts für immer unzugänglich, denn Rot zu sehen ist eben Rot zu sehen und nicht Wellen zu sehen. Mit anderen Worten, wenngleich auch die primäre Erfahrung von Rot bereits sinnliche Konstruktion/Interpretation ist, so ist das Sprachspiel „Licht ist Welle“ eine abgeleitete oder sekundäre Erfahrung und ohne Sprache nicht zu haben.

ujmp hat geschrieben:Wenn du mich fragst, wird das menschliche "Wissen", was auch immer wir herausfinden, nie ohne den Rekurs auf solche existentiellen Empfindungen auskommen.
Ja, in dem Sinne, als wir uns die uns primär unzugängliche Welt zunächst anhand von Analogien erschließen, weil wir sie anders nicht verstehen.
Allerdings sind wir auch gut im Erfassen von Prinzipien in Logik und anderen Bereichen, die keinen empirischen Primärdatenbezug mehr haben.
Und Kant hat sogar die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis abzustecken versucht, Grenzen, an denen das, was wir wissen können prinzipiell abbricht, falls Kant recht hat.

ujmp hat geschrieben:Deshalb können wir uns auch einen vierdimensionalem Raum nicht wirklich vorstellen (das bekennen mehrere Top-Physiker, die durchaus mathematisch damit klarkommen, z.B. R. Feynman oder L. Susskind). Und schließlich beißen wir uns ja gerade die Zähne daran aus, dass das Licht Wellennatur und Teilchennatur zu gleich hat. Beides können wir aber intuitiv erfassen, also innerlich erleben.
Nein, da widersprichst Du Dir selbst. Was wir uns nicht vorstellen können, können wir gerade nicht intuitiv erfassen oder Du müsstest bitte beschreiben, was Du unter „intuitiv“ verstehst, welche Art innerliches Erleben Du damit verbindest.
Die primären Sinnesdaten, innere wie äußere, reichen gerade nicht hin, um etwas wie die Welle-/Teilchennatur des Lichts zu erfassen oder andere Skurrilitäten der Quantenwelt, was gekrümmter Raum (nicht eine gekrümmte Tischplatte) ist, ist uns auch nicht zugänglich.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Di 7. Jan 2014, 12:38

fopa hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Man wird wohl demnächst etwas finden, ist die stille Hoffnung, die Stelle im Hirn, an der Primzahlen repräsentiert sind.
Das sicher nicht. Es sei denn, das Gehirn denkt gerade an irgendwelche Primzahlen oder hat Primzahlen irgendwo als Erinnerung abgespeichert.
Rein mathematisch ist eine vollständige Repräsentation der Menge aller Primzahlen nicht auf begrenztem Raum möglich, da diese Menge unendlich ist. Aber jede Primzahl ist denkbar und kann in einem Gehirn oder sonstwo repräsentiert werden.
Was aber auf einen (oder die Repräsentation eines) Modus verweist um an Primzahlen zu gelangen, allerdings gibt es auch gegen eine zu naive Darstellung eines Repräsentationsmodus gewichtige Einwände, nicht zuletzt von Brandom.

fopa hat geschrieben:Naja, die Definition der Primzahl ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern hat sich in irgendeinem aktiken, griechischen Hirn herausgebildet ("Kreativität", vgl. den anderen aktuellen Thread). Es besteht auch sehr wohl ein Unterschied, ob eine Primzahl selbst (wieder Beispiel 7) oder die Definition oder eine Rechenregel repräsentiert wird. Zumindest in einem Gehirn, das diese Differenzierung selbst anstellt, beispielsweise das eines Mathematikers.
Klar. Der „7“ sieht man nicht an, dass sie eine Primzahl ist, wenn man nicht die Regel kennt, die Primzahlen definiert. Auch dass die „ungerade“ oder „größer als 5“ ist, sieht man ihr nicht an, auch hier muss man Regeln lernen.
Das zeigt aber auch, dass „7“ zu denken mehr ist, als sieben Kühe auf der Wiese zu sehen und zu sagen, das sei jetzt die empirische Quelle der 7.

fopa hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Die „Ursache“ ist das aber nicht, sondern es wäre die soziale Vermittlung eines Regelfolgens.
Was soll denn die "Ursache" sein? Ich habe grad keine Ahnung, was du überhaupt damit meinst. :lookwrong:
Die Regel zu kennen, nach der etwas als „7“, „ungerade“ oder „Primzahl“ bezeichnet wird.

Randbemerkung 1: Gerade bei logisch-mathematischen Beziehungen stellt sich aber die Frage, nach dem Zusammenhang von empirischer Welt und ihrer logisch-mathematischen Struktur.

Randbemerkung 2: Einer der schillerndsten Befunde hierzu, ist m.E. die Beobachtung des Neuropsychologen Oliver Sacks, der Zwillinge beobachtete, die nicht sprachen, aber sich sonderbarerweise Zahlen zuriefen, über die sie kommunizierten und die sie offenbar auch emotional erfüllten. Sacks schrieb sich die Zahlen auf und versuchte herauszufinden, um welche es sich handelte und fand heraus (es war die Präinternetära) dass es unglaublich große Primzahlen waren. Am nächsten Tag setzte er sich zu den Zwillingen, rief auch einige sehr große Primzahlen, die er sich abgeschrieben hatte und wurde in das „Gespräch“ einbezogen.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon fopa » Di 7. Jan 2014, 15:27

Vollbreit hat geschrieben:Farben sind ein schönes Beispiel um zu zeigen, warum die Welt nicht nur Physik ist (damit meine ich: die Perspektive der Physik nicht allumfassend ist).
Volle Zustimmung. Unsere Sicht auf die Welt und unsere Wahrnehmung hängen, wie du sagst, von unseren Wahrnehmungsfähigkeiten und von unserer Kultur (Sprache) ab. (Nicht zu vergessen genetische Verschiedenheit.)
Das ist aber alles kein Hinweis darauf, dass es etwas "Nicht-Physikalisches" oder (immaterielles) "Mentales" geben könnte.

Vollbreit hat geschrieben:Was wir uns nicht vorstellen können, können wir gerade nicht intuitiv erfassen oder Du müsstest bitte beschreiben, was Du unter „intuitiv“ verstehst, welche Art innerliches Erleben Du damit verbindest.
Die primären Sinnesdaten, innere wie äußere, reichen gerade nicht hin, um etwas wie die Welle-/Teilchennatur des Lichts zu erfassen oder andere Skurrilitäten der Quantenwelt, was gekrümmter Raum (nicht eine gekrümmte Tischplatte) ist, ist uns auch nicht zugänglich.
Ich kann aus meiner eigenen Studienzeit berichten, in der ich einen Mathematik-Dozenten hatte, der sehr auf strukturelles Verständnis und korrektes mathematisches Handwerkszeug bedacht war. Mathematisches Denken ist - so meine persönlich, innere Erfahrung und die Resonanz der Kommilitonen - nicht rein rational und nicht rein intuitiv. Und ich würde sogar sagen, es ist auch nicht irgendeine Mischung aus beidem. Mathematisches Verständnis geht in Teilen einen eigenen Weg. Beispiel: einen unendlich-dimensionalen Raum (dessen eindimensionale Unterräume natürlich auch unendlich sind) kann man weder rational noch intuitiv erfassen. Man kann mittels mathematischer Werkzeuge (die ja letztlich auf logischen Regeln basieren) damit arbeiten. Aber es kommt noch mehr dazu - eine Art Verstehen, die ich nicht wirklich beschreiben kann.
Dass das menschliche Gehirn zu Derartigem in der Lage ist, finde ich bemerkenswert, denn von einen evolutionären Nutzen kann ich mir darin nicht vorstellen. Nichtsdestotrotz sind auch solche Fähigkeiten an die angesprochenen Voraussetzungen gebunden: "Kapazität" des Gehirns, genetische Voraussetzungen, Prägung durch Kultur und Sprache - letztlich alles materielle Dinge oder Prozesse.

Vollbreit hat geschrieben:Randbemerkung 1: Gerade bei logisch-mathematischen Beziehungen stellt sich aber die Frage, nach dem Zusammenhang von empirischer Welt und ihrer logisch-mathematischen Struktur.
Die kritische Frage nach der Möglichkeit, die empirische (also uns zugängliche) Welt mit logisch-mathematischen Mitteln ausreichend, und damit vollständig, beschreiben zu können, ist legitim. Dem ist aber zu entgegnen, dass sich die mathematische Beschreibung nicht nur bei sämtlichen empirischen Beobachtungen bewährt hat, sondern darüber hinaus Vorhersagen getroffen werden konnten, die erst im Nachhinein beobachtet wurden. (Wieder als recht aktuelles Beispiel das Higgs-Boson.)

Vollbreit hat geschrieben:allerdings gibt es auch gegen eine zu naive Darstellung eines Repräsentationsmodus gewichtige Einwände, nicht zuletzt von Brandom.
Also mal wieder der gute Brandom. :) Vielleicht sollte mir doch mal mehr von ihm anlesen.
Von "naiv" ist ja auch nicht die Rede. Wie die Repräsentation von Gedanken im Gehirn konkret aussieht, weiß ja wohl noch niemand so richtig. Ob man diese Repräsentationen jemals wird identifizieren und für Außenstehende übersetzen können, ist ebenfalls fraglich. Nichtsdestotrotz spricht nichts gegen die Annahme, dass Gedanken nichts anderes als physikalische Muster (räumlich und zeitlich variabel) sind. Und diese Annahme ist derzeit einfach mit Abstand die plausibelste.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Dr Fraggles » Di 7. Jan 2014, 16:40

fopa hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Farben sind ein schönes Beispiel um zu zeigen, warum die Welt nicht nur Physik ist (damit meine ich: die Perspektive der Physik nicht allumfassend ist).
Volle Zustimmung. Unsere Sicht auf die Welt und unsere Wahrnehmung hängen, wie du sagst, von unseren Wahrnehmungsfähigkeiten und von unserer Kultur (Sprache) ab. (Nicht zu vergessen genetische Verschiedenheit.)
Das ist aber alles kein Hinweis darauf, dass es etwas "Nicht-Physikalisches" oder (immaterielles) "Mentales" geben könnte.


Irgendwie bin ich im falschen Film: Bitte um Erklärung inwiefern Mentales mit Kategorien der Materie beschreiben werden kann. Du suggerierst auch ein falsches Dilemma: entweder ist alles physikalisch oder aber es existiert noch etwas anderes (Mentales). Da gibt es aber wesentlich mehr Denkoptionen (die Existenz des Mentalen erzwingt zumindest eine Ausweitung des gängigen Materiebegriffs...).
Es gibt ein Gedankenexperiment "Was Mary nicht wissen kann" (wohl den meisten bekannt). Der Haken daran: selbst ohne Annahme von Farbwahrnehmung kann sie nicht alles Wissen (das Gedankenexperiment suggeriert, dass nicht-farbliche Wahrnehmung, also schwarz-weiss neurowissenschaftlich-physikalistisch erklärt, verstanden werden kann).
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