xander1 hat geschrieben:Wieso soll alles das was ein Schizophrener sagt nicht stimmen? Die meisten Schizophrenen im Westen stehen heute unter Tabletten. Bei Schizophrenie gibt es zwar Wahn, auch extremen. Das heißt aber nicht, dass man falsche Erinnerungen hat. Wahn äußert sich eher so, dass man glaubt dass Gehirn mit Außerirdischen Kontakt hat oder dass man ein Prophet ist usw. Wahn dürfte nichts damit zu tun haben, dass sich jemand Vergewaltigungen einbildet.
Warum denn nicht? Weil es unlogisch ist?
Warum sollten ausgerechnet für den Wahn logische Grenzen gelten?
xander1 hat geschrieben:Dann gibts noch Halluzinationen, aber mit denen lässt sich eine Entführung nicht erklären.
Doch. Ausschlaggebend für eine Psychose ist der Realitätsverlust, nicht das, was man erlebt.
Es gibt z.B. beim hohen Fieber Situationen in denen jemand die Jungfrau Maria in der Ecke sitzen sieht, aber gleichzeitig fragen kann, ob das real ist oder Einbildung. Das sind die sogenannten Pseudohalluzinationen.
Der Unterschied ist der, dass man zwar halluzinoseähnliche Erlebnisse haben kann, aber die kritische Distanz zu diesen Erlebnissen behält und dann ist das keine Psychose. Das können Bilder oder auch Stimmen sein. Stimmen zu hören gilt immer noch als Hauptkritierium dafür psychotisch zu sein, aber das ist eigentlich nicht richtig, wichtig ist, ob man auch zu diesen Stimmen eine kritische Distanz aufbauen kann oder ob sie eine unwiderstehliche imperative Form annehmen, der man sich nicht widersetzen kann.
Typisch für eine Psychose ist die Vorstellung, dass Ich im Ganzen oder bestimmte Teile (einzelne Körperteile – der Arm, meine Beine, Gefühle oder Gedanken) von anderen manipuliert werden können. Sei es „magisch“ oder über moderne „Strahlen“, verabreichte Gifte oder wie auch immer.
Also nicht das Erlebnis selbst ist entscheidend, sondern wie das Ich es einschätzt.
Eine Psychose liegt genau dann vor, wenn man keine kritische Distanz hat.
Streng genommen könnte es also sein, dass jemand an einer Schizophrenie leidet und nachts vom UFO entführt wird und niemand würde ihm glauben, da er ja schizophren ist.
Zwar wird es praktisch so sein, dass wenn jemand erzählt, ihm sei heute sei Schutzengel erschienen und sie hätten die Nacht über diskutiert, oder ein UFO hätte ihn entführt oder er sei Napoleon, man ihn für psychotisch halten wird.
Das wesentliche Kriterium ist aber die
Realitätsprüfung. Und das ist eigentlich ganz einfach zu verstehen. Realitätsprüfung heißt:
Was immer ich erlebe, wie skurril ich mich auch immer verhalte, das entscheidende (und differentialdiagnostisch leitende) Kriterium ist,
ob ich empathisch mit der allgemeinen Einstellung und Erwartung der Gesellschaft sein kann oder nicht.
Ich könnte mir z.B. im Frühlingsregen die Kleider vom Leib reißen und laut jubelnd Purzelbäume schlagen. Eine manische Episode? Wenn ich verstehen kann, dass die anderen das in der Regel merkwürdig bis verrückt finden, „dass man so was nicht macht“, ist alles in Ordnung.
Es kann dann eigentümlich sein, warum ich es dennoch tue, aber ich bin dann nicht psychotisch.
Kann ich das nicht nachvollziehen und gebe dem, der mich fragt, keine adäquate Antwort, ist es ein Realitätsverlust.
Das kann grob sein, indem ich denke, ich sei Jesus und auf die Frage, ob ich nachvollziehen kann, dass anderen das merkwürdig vorkommen könnte, antworte, dass die eben nicht in der Lage sind den Erlöser zu erkennen und unter dem Einfluss des Satans stehen, aber es kann auch subtil sein:
Während eines Erstgesprächs beginnt der Klient dann und wann bestimmte Ecken des Raumes mit einem eigenartig spähenden Blick zu mustern, wobei er dann mehrere Sekunden erstarrt. Das kommt mehrere Male vor. Der Therapeut bemerkt das, setzt sein normales Erstgespräch fort, am Ende sagt er taktvoll: „Mir ist aufgefallen, dass sie zwischenzeitlich mit so einem spähend-intensiven Blick immer wieder zu bestimmten Dinge geschaut haben, das kam mir merkwürdig vor. Können sie das erklären und verstehen, dass mir das merkwürdig vorkam?“ Die Antwort des Mannes war ein wissendes: „Das wissen sie schon sehr genau.“ Und es war eine paranoide Schizophrenie.
Ein anderer Fall ist der eines Mannes der immer wenn er über etwas Traurig-Tragisches redete, eigenartig zu lächeln begann, etwa wenn er sagte: „Da brach sich meine Frau ein Bein“ „Da ist unser Haustier gestorben.“ Taktvoll am Ende damit konfrontiert, dass er etwas eigentartigerweise immer lächelte, wenn es so etwas berichtete, antwortete der Mann: „Gut, dass sie das erwähnen, ja das ist ein Problem von mir, die Leute müssen ja glauben, ich sei ein Sadist.“ Exzellente Realitätsprüfung, keine Psychose.
xander1 hat geschrieben:Also zu behaupten jemand der Schizophren ist bildet sich vieles nur ein ist dem Schizophrenen ungerecht gegenüber, weil die Positivsymptome Wahn und Halluzination nicht dafür ausreichen Entführungen mit Vergewaltigung zu erklären. Außerdem berichteten die öffentlich rechtlichen gar nicht darüber dass die Opfer schizophren sind.
Auch die öffenlich-rechtlichen Sender haben so ihre Reißerthemen und -sendungen.
xander1 hat geschrieben:Es ist eher so, dass Vergewaltigungen meistens eher etwas mit Borderline zu tun haben.
Das stimmt, aber auch nur statistisch.
Der überwiegende Teil der Menschen, der sexuellem Missbrauch ausgesetzt ist (wenn er nicht chronisch ist) wird zum Glück überhaupt nicht krank davon. Das bedeutet nicht, dass man das nicht verfolgen und ächten muss, aber ich finde es ganz wichtig, das mal zu erwähnen.
Bei 80% passiert an negativen psychischen Folgen im Sinne einer massiven Persönlichkeitsveränderung nichts. Wenn das Erlebnis massiv und vor allem chronisch ist, dann führt das dazu, dass die meisten Menschen in der Folge eine Borderline-Störung ausbilden.
(Die sogenannte multiple Persönlichkeit ist zu 90% oder eine Borderline-Störung, zu etwa 5% eine Schizophrenie.) In der Anamnese der Borderline-Persönlichkeit ist der sexuellen Missbrauch bei weitem höher als bei allen anderen psychischen Erkrankungen. Aber: Nicht jeder mit einer Borderline-Störung hat sexuellen Missbrauch erfahren. (Sondern etwa 20%, alle anderen Formen etwa 10%.)
Die Idee man sei in einer Satanssekte serien- und massenvergewaltigt worden, kann eine psychotische Komponente haben, aber auch eine narzisstische und eine borderline (und andere).
An dieser Stelle trennen sich die strafrechtlichen und die therapeutischen Wege.
Für die Therapie ist es nicht wichtig, ob das Ereignis in genau der Form stattgefunden hat, sondern hier ist leitend, mit dem Leben klar zu kommen, egal was war.
Für das Strafrecht ist es wichtig, ob ein Anfangsverdacht besteht, findet man den nicht, wird es schwer.
Die Idee, die Polizei, die Staatsanwaltschaft, die Psychiater, die Sektenberatungen und alle anderen würden nur deshalb nichts finden, weil sie von einflussreichen Mitgliedern der Satanssekte unterwandert seien, kann man als Folge der paranoiden Logik deuten, alles steckten insgeheim unter einer Decke, es kann aber auch wahr sein. Darüber muss dann die Gesellschaft urteilen.
Hier kann man ja weiter diskutieren, ich habe auch eine Meinung dazu, die ich dann bei Bedarf einbringen würde.
xander1 hat geschrieben:Ja es gibt Menschen die sich Dinge einbilden. Das mit Bäumen und den Stimen der CIA und den Gasen und der Steckdose fällt alles in den Rahmen der Schizophrenie. Jedoch bin ich nicht der Meinung, dass eingebildete Vergewaltigungen in den Rahmen der Schizophrenie fallen.
Und warum nicht?
Obendrein könnte es ein narzisstischer Wunsch nach Beachtung sein, oder eine paranoide Persönlichkeitsstörung. Eine Persönlichkeitsstörung impliziert ausdrücklich keinen Wahn (auch wenn es zu kurzen psychotischen Episoden kommen kann), aber könnte es sein, dass Menschen mit Persönlichkeitsstörungen lügen? Oder von einer Idee so fest überzeugt sind, dass sie meinen, nur sie wüssten, wo der Hase langläuft? Das gehört zu einer paranoiden Persönlichkeit routinemäßig dazu.
Die vermeintlich alles aufklärende Frage, wem es nützt „Cui bono“ kommt geradewegs aus dieser paranoiden Logik, bzw. ist nicht in der Lage den paranoiden Zirkel zu durchbrechen, sondern festigt ihn. Wem nützt es, wenn Psychiater und Gerichte und die Polizei allesamt sagen es sei nichts zu finden? Na ist doch klar, nur den Satanisten. Da es ihnen nützt und dies die allesentscheidende Frage sein soll, ist „bewiesen“ dass alle Teil der satanistischen Weltverschwörung sind. Der Feind ist mächtiger und gerissener als man selbst geahnt hat...
Du unterschätzt, zu was Menschen fähig sind, die (ohne es zu wissen) „nur“ Aufmerksamkeit wollen. Kennst Du das Münchhausen-Syndrom?
http://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCnchhausen-SyndromOder das?
http://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCnch ... tersyndromOder das Koryphäen-Killer-Syndrom:
http://books.google.de/books?id=7sYHjpT ... om&f=falseÜber Stalking, malignen Narzissmus, antisoziale Persönlichkeiten, aber auch ganz normalen Narzissmus mit antisozialen Zügen ließen sich ganze Bücher schreiben und Du würdest Dich schwer wundern zu was diese Menschen in der Lage sind und die sind alle nichtpsychotisch.
xander1 hat geschrieben:Jedoch könnten eingebildete Vergewaltigungen mit Borderline etwas zu tun haben, wenn die Person wirklich mal vergwaltigt worden ist. Oft wurden nämlich Borderliner, bevor sie krank wurden vergewaltigt und wurden u.a. deshalb krank.
Völlig richtig, siehe oben.
Aber warum sollte jemand, der eine Borderline-Störung hat die Wahrheit sagen? Oder nicht nach Aufmerksamkeit gieren? Wir lügen alle, warum ausgerechnet Menschen mit einer schweren psychischen Erkrankung nicht?