Der neue Papst - eine Zumutung?

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon Darth Nefarius » So 14. Apr 2013, 18:05

laie hat geschrieben:Aus atheistischer Sicht kann man immer wieder feststellen, daß es offenbar nicht reicht, nur ein Mensch zu sein. Hier werden die eigentlichen Letztbegründungen zum Beispiel in der Natur gesucht oder im Gewinnstreben des Menschen.

Das ist ein Teil des menschlichen Wesens. Eigentlich ist es die Religion, denen der Mensch nicht reicht. Er muss gottes Ebenbild sein, ein höheres Wesen und kein Tier von vielen mit jedoch besonderen Fähigkeiten. Die Religion versucht egozentrisch zu sein; mal ist der Mensch keine Evolution durchlaufen, sondern gleich von Gott erschaffen, mal ist die Erde der Mittelpunkt des Universums, mal ist Rom das Zentrum der Welt. ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, wann die wissenschaftlichen Sichtweisen so egozentrisch ein Dogma aufstellten.
Benutzeravatar
Darth Nefarius
 
Beiträge: 2625
Registriert: Di 22. Nov 2011, 16:23

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon stine » Mo 15. Apr 2013, 06:51

laie hat geschrieben:
stine hat geschrieben:(Aber so wie ich es bis hierher verstanden habe, unterscheiden sich Atheisten von Gläubigen nur in der fehlenden Annahme einer Letztbegründung ).
Hab noch mal nachgedacht. Ich meine, Letztbegründungen haben beide. Im Glauben ist die Letztbegründung der Mensch, der nicht weiter hinterfragt und nicht zu einem Teil eines wissenschaftlichen Systems oder einer Doktrin gemacht wird. Aus atheistischer Sicht kann man immer wieder feststellen, daß es offenbar nicht reicht, nur ein Mensch zu sein. Hier werden die eigentlichen Letztbegründungen zum Beispiel in der Natur gesucht oder im Gewinnstreben des Menschen.

Für den Glaubenden ist die Leztbegründung Gott.
Für den Atheisten ist es das Wohlergehen des Menschen.
Aber das "Wohlergehen" ist sehr wandelbar. Je nachdem was gerade Mainstream ist, kann es durchaus "gut" oder "böse" sein. Dagegen lassen auf Gott begründete Regeln keinen Spielraum zu, weil er nicht mit sich handeln lässt. Das haben frühe Schriftgelehrte schon bald herausgefunden und deswegen die Regeln so begründet.

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon laie » Mo 15. Apr 2013, 07:37

@Darth Nefarius,

nur ganz kurz:

du unterliegst hinsichtlich der Interpretation meiner Kommentare mehreren Missverständnissen. Zunächst: ich wollte eine andere Interpretation von dem liefern, was der Papst mit seiner Äusserung gemeint hat. Sodann habe ich an keiner Stelle mein persönliches Verhalten über das von Andersgläubigen oder -denkenden gestellt. Es ist wohl klar, dass man nicht erst die christliche Botschaft benötigt, um gut zu handeln. Sittlich gut zu handeln ist eh ein unüberbietbarer Anspruch, der jeglicher Religion vorausgeht. Wie man eine Herztransplantation durchführt, wird man nicht aus der Bibel erfahren. Der Glaube steigert auch nicht die Verpflichtung zur Hilfe. Er motiviert auch nicht zur Nächstenliebe. Was er tut, ist, dem Menschen die Angst um sich selbst zu nehmen und ihn damit von dem befreit, was ihn an seiner Menschlichkeit hindert. Die Einsicht, gut handeln zu sollen, impliziert nämlich noch nicht das Können: wer immer Angst davor hat, bei seinem Handeln zu kurz zu kommen, ist in seinem ethischen Handeln gehemmt. Das gilt unabhängig davon, ob ich im christlichen Glauben erzogen bin oder nicht. Will sagen: wie man den Glauben dann nennt, ist unerheblich. Wichtig ist nur, dass er einem die Angst um sich selbst nehmen soll. Und die grösste Angst ist die Angst vor der eigenen Vergänglichkeit. Hier treffen sich Buddhismus und Christentum, meine ich.

Du wirfst mir vor, drittens, ich hätte mich mit anderen Religionen wie dem Islam nicht beschäftigt. Das stimmt sogar, jedenfalls nicht so ausführlich. Ich denke aber trotzdem, dass es gewichtige theologische Unterschiede zwischen beiden gibt. Der wichtigste ist in meinen Augen, daß es im Islam schleierhaft bleibt, wie der Mensch in eine Beziehung zu Gott treten kann. Gott ist ja in christlicher Tradition nicht auf die Welt und auf den Menschen bezogen. "Er wohnt in unzugänglichem Licht", heisst es. Wäre er auf die Welt bezogen, wäre er ein Teil dieser Welt. Damit würde er in Konkurrenz zu unserer Erfahrung treten und es würden sich permanent Widersprüche auftürmen, wie dies bei evangikalen, bibeltreuen und korantreuen Gläubigen immer wieder geschieht.

Nun zu deinem letzten Beitrag in Bezug auf mich. Meiner These, dass aus ungläubiger, atheistischer Perspektive heraus, der Mensch immer wieder zu einem Teil einer politischen oder wissenschaftlichen Doktrin gemacht wurde (Marktteilnehmer, Proletarier, Konsument, Tier mit sozialen Fähigkeiten usw.) begegnest du mit folgendem Einwand

Darth Nefarius hat geschrieben:Das ist ein Teil des menschlichen Wesens. Eigentlich ist es die Religion, denen der Mensch nicht reicht.


und bestätigst sie damit. Denn offenbar kannst du dich nicht davon lösen, den Menschen unter einigen der oben erwähnten Doktrinen zu sehen. Der restliche Teil deines Einwands leitet dann auf "die Religion" über, wo es dann wild durcheinandergeht. Daher greife ich mir nur das Konzept von dem Abbild Gottes heraus. Dass der Mensch nach dem Bild Gottes geschaffen wurde, bedeutet nicht, dass der Mensch Gott ist. Es bedeutet, dass der Mensch Gottes Verwalter auf der Erde ist, sein Stellvertreter. Jeder andere Mensch ist daher so zu achten wie Gott. Diesem Gedanken entspricht die Sure 7, Vers 11ff. im Koran. Sowenig wie Gott beschreibbar ist, ohne ihn zu einem Stück Welt zu machen, so wenig ist es der Mensch.
laie
 
Beiträge: 615
Registriert: Di 13. Apr 2010, 16:33

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon Vollbreit » Mo 15. Apr 2013, 09:42

@ laie und stine:

Da gibt es im Islam glaube ich auch nicht „die Linie“. Ist ja auch Teil der Probleme, die wir mit dem Islam haben, dass jeder militante Hinterhofprediger im Grunde ein ähnliches Stimmrecht hat, wie ein weiser, besonnener Imam. Es gibt verschiedene Wege Kontakt mit Allah zu kommen, der direktesten Weg ist auch hier vermutlicheder mystische. Allerdings muss man sich auch hier davor hüten, dass zu schwarz/weiß zu sehen. Für manche sind die Sufis die unantastbar Guten, aber Scholl-Latour sagt, das seien bisweilen die Allerschlimmsten und der Mensch ist ja tatsächlich bestens informiert.
Die leider viel zu früh verstorbene Michaela Özelsel hat mit „40 Tage“ ein schönes Buch über ihre Derwisch-Klausur in einem Zimmer in Istanbul geschrieben.
http://de.wikipedia.org/wiki/Michaela_M._%C3%96zelsel

stine hat geschrieben:Für den Glaubenden ist die Leztbegründung Gott.
Für den Atheisten ist es das Wohlergehen des Menschen.

Im Buddhismus ist das explizite Ziel ja auch das Glück (des Menschen).
Was mich immer wieder fasziniert, ist, dass theistische (christliche Mystik) und atheistische Glaubenssysteme (buddhistische Mystik), sowie auch kluge atheistische nichtreligiöse Systeme, wie das Epikurs, zu ausgesprochenen ähnlichen Ergebnissen kommen, wenn man von der Breite in die Spitze geht.
Man könnte das so deuten, dass sich die Vernunft letzten Endes doch durchsetzt, aber ich glaube, dass die Fixierung auf die Vernunft (und deren nachfolgende Einkürzung zur Zweckrationalität) ein Fehler war und ist, den man inzwischen bereits erkannt und revidiert hat.

Hier haben sich auch die Philosophen nicht mit Ruhm bekleckert, die Jahrzehnte stur auf diese Karte gesetzt haben. Der Mensch ist auch m.E. ein Wesen, was sich zentral durch „das Geben und Verlangen von Gründen“ auszeichnet, aber diese rationale Sprachspiele müssen, die spontanen, körperlichen, intuitiven, emotionalen Aspekte umschließen und mitberücksichtigen, nicht als irgendwie irrational kalt missachten. In letzter Zeit hat sich das dramatisch gewandelt, was ich für eine gute Entwicklung halte.
Die Alltagspraxisbezogenheit (der Vernunft) war schnell klar und sehr gut rausgearbeitet, aber die Motive wurden m.E. völlig unzureichend betrachtet und irgendwie immer noch mit der Idee verbunden, der Mensch solle rationaler werden.
Doch Rationalität als verbindendes Element hat die Menschen nie angemacht und es ist eigentlich kein Wunder, dass ausgerechnet Habermas das als einer der ersten kapiert hat.

Die parallele Fehlentwicklung ist die Fixierung nur auf Körperlich-Emotionales, so als sei der Mensch nun in keiner Weise mehr rational ansprechbar. Wir folgen, so heißt es, wesentlich unseren Emotionen, die man triebhaft begründet und unser Hirn ist im Grunde dazu da, dem epiphänomenalen Ich, illusionär einzureden, man habe selbst agiert.
Heute gibt es die Philosophie der Gefühle, oder die etwas populären, aber warum nicht, Ansätze von Metzinger, den Versuch den Geist wieder im Körper und seiner Praxis zu erden und auf der anderen Seite die Ansätze vom Psychiater Thomas Fuchs, der eben erkennt, dass nicht nur Medikamente aufs Bewusstsein einwirken, sondern auch Argumente und der Bewusstein nicht mehr aufs Hirn reduziert.

Die Kirchen haben nie vergessen, dass der Glaube möglichst einfach sein sollte. Luther hat das z.B auch immer wieder betont, man könne zwar auch rational zu Gott kommen, im Grunde sei das aber ein Umweg.

Das scheint mir eine Herausforderung der heutigen Zeit zu sein. Wir haben unserem Glauben verloren, in einem umfassenderen Sinne, als nur den religiösen Glauben. Wir haben eine gewisse Freude daran (gehabt) intellektuell alles zu zerschießen und zu dekonstruieren und inzwischen zahlen wir ein wenig die Zeche dafür. Mir merken es heute. Uns ist nichts mehr heilig. Die Reihe der Paradoxien ist lang. Es ist, je nach dem worum es geht (mit Blick auf die Resultate), durchaus rational zu glauben, wenn man bestimmte Ziele erreichen will, gleichzeitig ist es natürlich irrational, da an der Quellen (gemäß des bei uns herrschenden Mythos) unbewiesen.
Die Liste der Leute die meinen, man solle den Religionen ihr Geheimnis ablauschen, wird täglich länger. Religionen funktionieren gut, obwohl sie das eigentlich nicht sollten. Doch unser Rationalismus (der alles andere als kalt sein müsste, Empathie ist in wesentlichen Zügen eine rationale Leistung) verkümmert zum Zweckrationalismus. Dass der zweckrationale Egoismus ein Eigentor ist beginnen wir gerade zu reflektieren. Und Ihr habt m.E. recht: Ich kann den anderen nicht zwingen, es ist ein Akt der Gnade, des anderen, an meinem Krankenbett zu sitzen, auch dann, wenn ich nicht mehr „nützlich“ bin. Diese kooperativ egozentrischen Ansätze sind ja alle auf Sand gebaut, aber das will man nicht sehen.
Das wesentliche am Glauben ist, dass man glaubt, der Inhalt ist eher zweitrangig. Und in der Tat – besser, man fragt nicht so genau nach. Alternativ könnte man auch sehr genau nachfragen, aber da muss dann wirklich alles mit rein. Die bestialische Wut der man begegnet, wenn man unsere (bei Licht betrachtet, laffen) Mythen mal hinterfragt, ist m.E. symptomatisch für jede Glaubensgemeinschaft. Wo Wut, Hass, Arroganz und kalte Entwertung am Werk sind, die diversen Skeptikerorganisationen sind ja im Grunde die Karikatur eines Intellektuellen, ist viel Angst im Spiel. Den Skeptikerorganisationen unterstelle ich sofort, dass sie es wirklich nicht besser wissen.

Immerhin es breitet sich der Druck sich zu rechtfertigen inzwischen auch wieder auf die Verkünder wissenschaftlicher Mythen aus. Fragen nach der Kausalität der werden laut, Fragen, warum das klassische (physikalische) Weltbild noch immer so zentral betrachtet wird. Das Münchhausen-Trilemma oder nicht zuletzt, die Fragen nach der Schöpfung aus dem Nichts, unseres Mythos, werden laut. Alles hat seine Ursache, Wunder gibt es nicht, die Quelle liegt im Kleineren und im Davor, nur der Urknall, der produzierte – offensichtlich irgendwie ursachenlos – aus dem Nichts das Alles ins Sein.
Schön finde ich dann auch, wie das zu legitimieren versucht wird:
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/2045466/

Muss man einfach mal lesen.
dradio, Radiofeuilleton Kritik hat geschrieben:Krauss schildert, warum Forscher davon ausgehen, dass unser Universum vor 13,7 Milliarden Jahren entstand. Alles, was wir sehen, könnte damals einem Zustand entsprungen sein, in dem es keinen Raum, keine Zeit und keine Naturgesetze gab, und damit praktisch nichts. Für Physiker, die mit virtuellen Teilchen, negativer Energie und Quantenfluktuationen in inflationären Raumblasen hantieren, ist dieser Vorgang durchaus plausibel.

Die dahinter stehende Theorie legt sogar die Existenz unendlich vieler Universen nahe, in denen jeweils andere physikalische Gesetze gelten könnten. Spätestens dann ist die Frage, warum es uns gibt, nicht mehr sinnvoll zu beantworten. In irgendeinem dieser unendlich vielen Universen muss es uns schließlich geben.

Das quantenphysikalische Dilemma ist ja gerade, dass es alles andere als klar ist, welchen ontologischen Status die „Vielen Welten“ denn nun haben: Sind es lediglich mathematische Möglichkeiten? Sind es irgendwelche Potentiale, die mehr als nur Statistik sind? Wo befinden sie sich? Was heißt es Potential zu sein? Die klassische Dualismusfrage: Wie ist deren Verhältnis zur empirischen Realität? Oder sind es reale Welten? Aber was heißt es dann, in Schaumblasen-Multiversen zu leben? Inwieweit hat die eine Welt Einfluss, auf die andere? Da ist nun wirklich gar nichts klar, aber wenn gar nichts als Legitimation der Erklärung der Schöpfung aus dem Nichts herhalten muss, dann ist das nicht sonderlich überzeugend. Aber es ist gut, dass der Druck hier aufrecht erhalten wird. Denn dass Null mal Unendlich, doch wenigstens für Eins reichen muss, hat ja eher den Charakter eines Bittgebetes.
Benutzeravatar
Vollbreit
 
Beiträge: 2413
Registriert: Mi 30. Nov 2011, 11:48

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon stine » Mo 15. Apr 2013, 13:06

Vollbreit hat geschrieben:Was mich immer wieder fasziniert, ist, dass theistische (christliche Mystik) und atheistische Glaubenssysteme (buddhistische Mystik), sowie auch kluge atheistische nichtreligiöse Systeme, wie das Epikurs, zu ausgesprochenen ähnlichen Ergebnissen kommen, wenn man von der Breite in die Spitze geht.
Das sehe ich genauso. Warum ich aber dennoch auf Religion als begleitende Stütze im menschlichen Leben bauen möchte resultiert aus der Feststellung, dass die wenigsten Menschen Epikur lesen oder Vorlesungen in Philosophie besuchen. Sprich: Das Denken über die Welt und den Menschen findet dann nirgendwo statt.
Dagegen wird Religion als sinngebende und wertestiftende Einrichtung, dort wo sie ist, allgegenwertig und es braucht jemand kein Studium und keinen Zugang zur Staatsbibliothek, um davon zu hören, wie man sich als Mensch benehmen sollte und auf was wir vertrauen dürfen. Das Ausformen des menschlichen Bewusstseins war immer schon ein wichtiger Bestandteil zum erwachsen werden. Ich kenne viele "Atheisten", deren intellektuelle Ausbildung den Glauben nicht mehr zulässt, die aber tief im Herzen noch auf den Glauben hoffen und deren Verhaltensweise ein Relikt ihrer ehemaligen religiösen Erziehung ist. Der Mensch braucht einen Bezug, auch wenn das immer wieder gerne geleugnet wird.

Vollbreit hat geschrieben:Das quantenphysikalische Dilemma ist ja gerade, dass es alles andere als klar ist, welchen ontologischen Status die „Vielen Welten“ denn nun haben: Sind es lediglich mathematische Möglichkeiten? Sind es irgendwelche Potentiale, die mehr als nur Statistik sind? Wo befinden sie sich? Was heißt es Potential zu sein? Die klassische Dualismusfrage: Wie ist deren Verhältnis zur empirischen Realität? Oder sind es reale Welten? Aber was heißt es dann, in Schaumblasen-Multiversen zu leben? Inwieweit hat die eine Welt Einfluss, auf die andere? Da ist nun wirklich gar nichts klar, aber wenn gar nichts als Legitimation der Erklärung der Schöpfung aus dem Nichts herhalten muss, dann ist das nicht sonderlich überzeugend. Aber es ist gut, dass der Druck hier aufrecht erhalten wird. Denn dass Null mal Unendlich, doch wenigstens für Eins reichen muss, hat ja eher den Charakter eines Bittgebetes.

Auch hier sind wir einer Meinung. Die rationale Welterklärung, ist nichts anderes, wie das Vertrauen auf die Richtigkeit der gesammelten Erfahrungen und bleibt aber letztlich doch nur eine mathematische Hochrechnung. Wir werden nie erfahren, ob es sich so verhält oder nicht. Wer tauchte schon jemals in das Schaumblasen-Multiversum ein und sähe nach, ob es sich so oder anders verhält? Ob Gott sich noch irgendwo da draußen verstecken kann oder nicht, spielt eigentlich keine Rolle, weil Gott ebenso zeitgemäß in alle Rollen schlüpfen kann. Gott muss schließlich nicht der Größte sein, er kann sich auch im Kleinsten verstecken. Was den Glauben betrifft, ist eben alles möglich.

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon Lumen » Mo 15. Apr 2013, 17:00

Rationalität oder Vernunft ist das Abwägen verschiedener Optionen, um die Beste auszuwählen. Eben jener rationale Vorgang ein altes Foto (dass nur einen emotionalen Wert hat), aus einem brennenden Haus zu retten, und ein teures elektrisches Gerät da zulassen. Die andere Sichtweise, Emotionen komplett außen vor zu lassen, um dann dann Fälle zu konstruieren, wo das Resultat als seltsam empfunden wird, nennt sich scherzhaft Stroh-Vulkanier. Abgeleitet aus dem Strohmann-Argument, wobei eine Position grotesk übertrieben wird, damit Gegenargumente besser wirken (den Strohmann abfackeln). Und angelehnt an Mr. Spock, den Vulkanier, der alles immer logisch durchrechnete, dabei aber emotionale Werte und erwartbare Irrationalitäten außen vor ließ, und dadurch Schwächen offenbarte. Sehr wütende Leute reagieren oft erwartbar anders als gelassene, meine Laune spielt durchaus eine Rolle darin, was ich als nächstes tun sollte. Captain Kirk konnte dann mit etwas Herz die Situation retten. Hat mit der Wirklichkeit nur bedingt zu tun.

Bevor wieder behauptet wird, der Mensch brauche Religion, würde ich gerne einmal eine Definition sehen, was genau damit gemeint ist. Und anstatt die Werbetrommel zu rühren, warum sich jemand dann bestimmt besser fühlt, würde ich gerne wissen, weshalb bestimmte erfundene Geschichten einen Vorzug haben sollten. Von Stine würde ich gerne konkret erfahren, wie die Bibel und die Religion denn konkret anzuwenden ist, um sich zum Beispiel besser zu verhalten. Wie kann, konkret bitte, jemand ein besserer Mensch durch Religion werden? Wobei ein Augenmerk darauf gelegt werden sollte, Religion von anderen vergleichbaren Phänomenen abzugrenzen.

Kurzum. Wenn ich behaupte, Leute müssen unbedingt Limonade trinken, und das dann damit begründe, dass sie sonst verdürsten, ist das unzureichend. Die Frage ist dann, warum die Leute dann nicht einfach auch Wasser trinken könnten, was doch offenbar gesünder ist. In diesem Sinne halte ich Religion für etwa so gesund wie Pfützenwasser im MIttelalter. Verdursten wäre da noch das geringere Problem.
Benutzeravatar
Lumen
 
Beiträge: 1133
Registriert: Sa 30. Okt 2010, 01:53

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 15. Apr 2013, 21:07

stine hat geschrieben:Für den Glaubenden ist die Leztbegründung Gott.
Für den Atheisten ist es das Wohlergehen des Menschen.
Aber das "Wohlergehen" ist sehr wandelbar. Je nachdem was gerade Mainstream ist, kann es durchaus "gut" oder "böse" sein. Dagegen lassen auf Gott begründete Regeln keinen Spielraum zu, weil er nicht mit sich handeln lässt. Das haben frühe Schriftgelehrte schon bald herausgefunden und deswegen die Regeln so begründet.

Aha, "Schriftgelehrte" haben sich also auf das eine Wesen einer Illusion geeinigt. In welcher Welt lebst du? Göttervorstellungen sind das Wandelbarste das es gibt! Jesus war zunächst nur ein Sektenführer, anschließend wurde er durch Vermengung mit Sol Invictus und vielen anderen Vereinnahmung heidnischer Religionen zum Sohn Gottes! Das ist ein Beispiel von vielen was den Wandel des Wesens und der Sicht auf religiöse Figuren betrifft! Damit ist auch die "Botschaft" gemeint, sie ist ein Werkzeug derjenigen, die die Kirche vertreten und an der Botschaft verdienen. Ein Werkzeug der Manipulation und deswegen ist aus Sicht der Religion ein Kreuzzug ebenso gottgewollt wie die Caritas oder die mafiösen Finanzgeschäfte des Vatikans.
laie hat geschrieben:Zunächst: ich wollte eine andere Interpretation von dem liefern, was der Papst mit seiner Äusserung gemeint hat.

Von einer neuen, anderen Interpretation habe ich nichts gelesen, ich konnte dem nur entnehmen, dass er so ein missverstandener armer Kerl ist und wir uns nicht so anzustellen haben, dass wir in der Hölle landen. Du hast nur erklärt, wieso er im Recht ist, ohne zu überlegen, dass unser Standpunkt vielleicht begründet ist.
laie hat geschrieben: Es ist wohl klar, dass man nicht erst die christliche Botschaft benötigt, um gut zu handeln. Sittlich gut zu handeln ist eh ein unüberbietbarer Anspruch, der jeglicher Religion vorausgeht. Wie man eine Herztransplantation durchführt, wird man nicht aus der Bibel erfahren. Der Glaube steigert auch nicht die Verpflichtung zur Hilfe. Er motiviert auch nicht zur Nächstenliebe. Was er tut, ist, dem Menschen die Angst um sich selbst zu nehmen und ihn damit von dem befreit, was ihn an seiner Menschlichkeit hindert.

Auch der letzte Punkt ist kein Alleinstellungsmerkmal der Religion. Eine gute Philosophie aber ebenso auch Drogen können einem die nebenbei nutzliche Angst um sich selbst nehmen. Was ist denn falsch an Angst um sich selbst? Sie ist eine Ausprägung des Selbsterhaltungstriebes, was uns von Selbstmordattentätern (die übrigens tatsächlich wohl nicht selten religiös sind, insofern hast du schon recht, allerdings sollte dich das nicht erfreuen) unterscheidet. Ein Mensch der um sich selbst Angst hat, wird überlegen, wie er mit seiner Umgebung umgeht, um keinen Schaden davonzutragen. So kann er sogar zu einem kooperativen Wesen werden, um seine Mitmenschen zu beschwichtigen. Damit hat die Umgebung einen Nutzen.
laie hat geschrieben: Die Einsicht, gut handeln zu sollen, impliziert nämlich noch nicht das Können: wer immer Angst davor hat, bei seinem Handeln zu kurz zu kommen, ist in seinem ethischen Handeln gehemmt.

Du setzt die Prämisse, dass unser Handeln nur nach Ethik ausgerichtet sein sollte. Das sei mal dahingestellt, allerdings wüsste ich gern, welche der vielen Ethiken meist du? Im Gegensatz zu nützlichen und sich etablierten Trieben wie dem der Selbsterhaltung (was beim Menschen zu einem kooperativen Egoismus als soziales Wesen führte), sind ethische Argumentationen leer, extrem variabel, inkonsequent, unzuverlässlich und kein bisschen bindend (und noch nichtmal immer nützlich, weder für einen selbst noch für andere).
laie hat geschrieben: Das gilt unabhängig davon, ob ich im christlichen Glauben erzogen bin oder nicht. Will sagen: wie man den Glauben dann nennt, ist unerheblich. Wichtig ist nur, dass er einem die Angst um sich selbst nehmen soll. Und die grösste Angst ist die Angst vor der eigenen Vergänglichkeit. Hier treffen sich Buddhismus und Christentum, meine ich.

Abgesehen davon, dass die Religion nicht als einziges dazu taugt (und ihr Mittel letztlich ein Selbstbetrug durch Illusion ist), ist diese Angst nützlich, ich habe genug in der Diskussion mit Vollbreit dazu geschrieben.
laie hat geschrieben:Du wirfst mir vor, drittens, ich hätte mich mit anderen Religionen wie dem Islam nicht beschäftigt. Das stimmt sogar, jedenfalls nicht so ausführlich. Ich denke aber trotzdem, dass es gewichtige theologische Unterschiede zwischen beiden gibt. Der wichtigste ist in meinen Augen, daß es im Islam schleierhaft bleibt, wie der Mensch in eine Beziehung zu Gott treten kann. Gott ist ja in christlicher Tradition nicht auf die Welt und auf den Menschen bezogen. "Er wohnt in unzugänglichem Licht", heisst es.

"in unzugänglichem Licht" ist also weniger schleierhaft? Abgesehen davon scheint mir diese Unzugänglichkeit der Idee eines wandelnden Gottes unter den Menschen (wie es Jesus laut Christen gewesen sein soll) dem zu widersprechen. Ebenso widerspricht die abartige Anbetung von Reliquien der Unzugänglichkeit.
laie hat geschrieben:Wäre er auf die Welt bezogen, wäre er ein Teil dieser Welt. Damit würde er in Konkurrenz zu unserer Erfahrung treten und es würden sich permanent Widersprüche auftürmen, wie dies bei evangikalen, bibeltreuen und korantreuen Gläubigen immer wieder geschieht.

Und zu welcher Fraktion meinst du zu gehören? Nebenbei ist die christlich-jüdische Vorstellung auf die Welt bezogen (allein durch das alte Testament und die dämlichen Gleichnisse, vor allem aber wegen des Menschen, der sich den ganzen Mist ausgedacht hat) und tatsächlich gibt es diese Widersprüche.
laie hat geschrieben:Nun zu deinem letzten Beitrag in Bezug auf mich. Meiner These, dass aus ungläubiger, atheistischer Perspektive heraus, der Mensch immer wieder zu einem Teil einer politischen oder wissenschaftlichen Doktrin gemacht wurde (Marktteilnehmer, Proletarier, Konsument, Tier mit sozialen Fähigkeiten usw.) begegnest du mit folgendem Einwand
Darth Nefarius hat geschrieben:Das ist ein Teil des menschlichen Wesens. Eigentlich ist es die Religion, denen der Mensch nicht reicht.

und bestätigst sie damit. Denn offenbar kannst du dich nicht davon lösen, den Menschen unter einigen der oben erwähnten Doktrinen zu sehen.

Warum sollte ich mich davon lösen? Sie sind aus ihrer jeweiligen Perspektive alle weitmehr zutreffend als das Menschenbild der Religionen. Sie sprechen einzelne Aspekte wesentlich exakter an, beruhen auf Beobachtung und Daten, streben aber auch nicht an den Menschen zu erklären, was sie sein sollen, sagen nur, was er u.a. ist. Dieses Verbrechen, einem Menschen zu sagen, was er sein soll, begehen die Religionen, die Ethiken und andere Ideologien. Die Antwort kann nur individuell gefunden werden und setzt sich aus vielen Aspekten zusammen. Ich sehe mich jedenfalls aufgrund meiner Betrachtung nicht im Nachteil, du hast lediglich eine negative Assoziation zu diesen Begriffen, aber deswegen sind sie noch lange nicht negativ.
laie hat geschrieben:Der restliche Teil deines Einwands leitet dann auf "die Religion" über, wo es dann wild durcheinandergeht. Daher greife ich mir nur das Konzept von dem Abbild Gottes heraus. Dass der Mensch nach dem Bild Gottes geschaffen wurde, bedeutet nicht, dass der Mensch Gott ist. Es bedeutet, dass der Mensch Gottes Verwalter auf der Erde ist, sein Stellvertreter. Jeder andere Mensch ist daher so zu achten wie Gott. Diesem Gedanken entspricht die Sure 7, Vers 11ff. im Koran. Sowenig wie Gott beschreibbar ist, ohne ihn zu einem Stück Welt zu machen, so wenig ist es der Mensch.

Tja, leider ist der Mensch beschreibbar, von Kopf bis zum Fuß, vom Verhalten bis zum genetischen Code. Und er wird immer beschreibbarer. DIe Beschreibung bedeutet Wissen, nicht Glaube und das macht naturgemäß den Religiösen Angst. Während die Religiösen die eine, nützliche Angst durch Selbstbetrug von Unsterblichkeit, Gerechtigkeit und dem Guten ablegen, bauen sie eine gefährliche Angst vor Neugier und Wissenserwerb auf.
Benutzeravatar
Darth Nefarius
 
Beiträge: 2625
Registriert: Di 22. Nov 2011, 16:23

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon stine » Di 16. Apr 2013, 06:28

Lumen hat geschrieben:Von Stine würde ich gerne konkret erfahren, wie die Bibel und die Religion denn konkret anzuwenden ist, um sich zum Beispiel besser zu verhalten. Wie kann, konkret bitte, jemand ein besserer Mensch durch Religion werden? Wobei ein Augenmerk darauf gelegt werden sollte, Religion von anderen vergleichbaren Phänomenen abzugrenzen.
Ich habe meine Meinung darüber schon zum Abwinken oft geschrieben :schlafen: . Das Denken über das Leben und das Miteinander ist die Voraussetzung dafür, dass jemand zu persönlichen Kompetenzen findet, die maßgeblich dafür verantwortlich sind, ein moralisches Verhalten zu bilden. Es ist egal, ob Religionen oder griechische Philosophie dabei eine Rolle spielen. Der Unterschied ist der: Nicht jedem steht der Zugang zu höheren Bildungsstätten offen!
Religion dagegen ist allgegenwärtig und kann, wenn vernünftig betrieben, auch den Ärmeren und Einfacheren verständlich nahe gebracht werden. Wo beide Bildungswege fehlen, herrscht schnell das Recht des Stärkeren.

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon laie » Di 16. Apr 2013, 11:42

@Darth Nefarius

Du wirst es mir nachsehen, dass ich mich nicht zu allen Punkten äussern will und kann. Nicht will, weil ich denke, dass ich meine Position schon klar gemacht habe; nicht kann, weil mir einfach nicht die notwendige Zeit zur Verfügung steht, um mich in endlose Scharmützel zu stürzen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Was ist denn falsch an Angst um sich selbst? Sie ist eine Ausprägung des Selbsterhaltungstriebes, was uns von Selbstmordattentätern (die übrigens tatsächlich wohl nicht selten religiös sind, insofern hast du schon recht, allerdings sollte dich das nicht erfreuen) unterscheidet


Ja, was ist falsch an der Angst um sich selbst? Ich denke, Angst um einen selbst macht einen hartherzig und grausam. Sie lässt mich immer denken: ich bin zu kurz gekommen. Warum der andere und nicht ich? Angst um sich selbst führt zu Fragen wie: Was kann ich tun, um meinen Lebensstandard, meinen Lebensstil zu sichern? Wie kann ich mich verteidigen? usw. Kurz Angst um sich selbst ist die Angst, etwas zu verlieren, was scheinbar unmittelbar wichtig für mich ist. Ausgedrückt wird diese Angst in den "Sieben Todsünden" Neid, Geiz, Zorn, Hochmut, Selbstsucht, Trägheit des Herzens, Begehren. Wer immer nur mit sich selbst und damit, wie er sich sichern kann, beschäftigt ist, begeht früher oder später eine dieser Verhaltensweisen. All diese un-menschlichen Verhaltensweisen sind Sünden wider den Mitmenschen und damit gegen den Heiligen, den heilenden Geist des Miteinanders.

Es ist dir vielleicht entgangen, dass ich diese existentiellen Fragestellungen ganz bewusst von jedem Glauben getrennt habe. Sie gehen dem Glauben nämlich voraus. Der Glaube soll darauf nur eine Antwort formulieren. Und diese Antwort ist in vielen Religionen und philosophischen Überzeugungssystemen ähnlich: Ich muss mich frei machen von weltlichen Dingen, zu denen auch meine Überzeugung über diese Dinge gehört. Daher unterscheidet uns die Angst um uns selbst, in der Du nur eine Ausprägung des Selbsterhaltungstriebes erkennen magst, eben nicht von Selbstmordattentätern. Auch diesen geht es ja um Besitzstandswahrung.
laie
 
Beiträge: 615
Registriert: Di 13. Apr 2010, 16:33

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 16. Apr 2013, 14:46

stine hat geschrieben:Das Denken über das Leben und das Miteinander ist die Voraussetzung dafür, dass jemand zu persönlichen Kompetenzen findet, die maßgeblich dafür verantwortlich sind, ein moralisches Verhalten zu bilden. Es ist egal, ob Religionen oder griechische Philosophie dabei eine Rolle spielen. Der Unterschied ist der: Nicht jedem steht der Zugang zu höheren Bildungsstätten offen!
Religion dagegen ist allgegenwärtig und kann, wenn vernünftig betrieben, auch den Ärmeren und Einfacheren verständlich nahe gebracht werden. Wo beide Bildungswege fehlen, herrscht schnell das Recht des Stärkeren.

Und daran soll Religion etwas ändern? Wieso ist dann die Mafia so katholisch? Sie scheinen jedenfalls keinen Widerspruch zu erkennen, eine Häufung under Kriminellen. Religiöse Erziehung kann sich nicht einer ebensolchen Fehlerhaftigkeit entziehen wie jede andere Bildung, nur weil sie religiös ist.
laie hat geschrieben:@Darth Nefarius
Du wirst es mir nachsehen, dass ich mich nicht zu allen Punkten äussern will und kann. Nicht will, weil ich denke, dass ich meine Position schon klar gemacht habe; nicht kann, weil mir einfach nicht die notwendige Zeit zur Verfügung steht, um mich in endlose Scharmützel zu stürzen.

Jede Behauptung und Analyse meinerseits, der du dich nicht stellst, gibt mir eine klare Antwort.
laie hat geschrieben:Ja, was ist falsch an der Angst um sich selbst? Ich denke, Angst um einen selbst macht einen hartherzig und grausam.

Das ist dein unbegründeter Glaube. Angst um sich selbst zu haben bedeutet, dass einem das Leben wichtig ist. Vielleicht die Arbeit, die man tut, Hobbys, oder geliebte Menschen. Angst um sich zu haben kann genausogut bedeuten, dass man fürchtet zu verlieren, was man liebt. Das ist weder hartherzig noch grausam. Aber die Religion, der Glaube ist es. Sie verachtet oder schätzt das Leben gering, aufgrund der Illusion, es sei endlos und das Irdische sei nur eine Prüfung des Charakters. Was ist das für eine perverse Prüfung? Selbstlos zu sein bedeutet, dass einem nichts wichtig ist, die Motivation nicht aus dir heraus kommt, sondern du fremdbestimmt nach einer Ideologie oder Religion lebst. DAS ist grausam und kalt.
laie hat geschrieben: Sie lässt mich immer denken: ich bin zu kurz gekommen. Warum der andere und nicht ich?

Dann ist das ein Defizit deines Charakters, nicht das grundsätzliche jedes Menschen. Und Angst um sich selbst hat nichts mit Neid zu tun (das, was du da beschreibst). Neid bedeutet nicht nur Gier, sondern auch Misgunst und letzteres ist nicht nützlich. Ein Pragmatiker ist nie neidisch, weil es nichts bringt. Ich bin zwar sehr gierig, aber nie neidisch. Ich denke auch nie, dass ich zu kurz gekommen bin. :winkgrin2:
laie hat geschrieben:Angst um sich selbst führt zu Fragen wie: Was kann ich tun, um meinen Lebensstandard, meinen Lebensstil zu sichern? Wie kann ich mich verteidigen? usw. Kurz Angst um sich selbst ist die Angst, etwas zu verlieren, was scheinbar unmittelbar wichtig für mich ist.

Richtig, an diesen Fragen ist auch nichts falsch. Dass man diese Ängste hat (und du es wohl auch erkennst), ist klarer Beweis dafür, dass solche Personen Dinge haben, die ihnen wichtig sind. Also solltest du selbst erkennen, dass schonmal keine kaltherzigkeit vorhanden ist. Wo du Grausamkeit erkennst, ist mir nicht klar.
laie hat geschrieben:Ausgedrückt wird diese Angst in den "Sieben Todsünden" Neid, Geiz, Zorn, Hochmut, Selbstsucht, Trägheit des Herzens, Begehren. Wer immer nur mit sich selbst und damit, wie er sich sichern kann, beschäftigt ist, begeht früher oder später eine dieser Verhaltensweisen. All diese un-menschlichen Verhaltensweisen sind Sünden wider den Mitmenschen und damit gegen den Heiligen, den heilenden Geist des Miteinanders.

Bullshit! Die normalsten, menschlichsten Verhaltensweisen werden dämonisiert, weil sie keinen nützlichen Diener formen (was jede Religion anstrebt aus den Menschen zu machen: Kanonenfutter für Glaubenskriege, Geldquellen für die Finanzen der Kirchen). Nur weil sie als Todsünden bezeichnet werden, sind sie für mich noch lange keine. Wo ist deine Begründung, diese Eigenschaften abzulehnen? Weil es sonstwo steht? Wenn das so ist, bist du so rückgratlos und unselbstständig im Denken wie die Religion dich haben will, Glückwunsch! Menschlich sind Eigenschaften, die beim Menschen gehäuft auftreten, typisch sind. Dazu gehören nicht nur nützliche Eigenschaften, aber dies zu erkennen ist etwas, dass die Religionen nicht leistet, da sie sich nicht eingestehen wollen, selbst unmenschlich zu sein.
laie hat geschrieben:Es ist dir vielleicht entgangen, dass ich diese existentiellen Fragestellungen ganz bewusst von jedem Glauben getrennt habe. Sie gehen dem Glauben nämlich voraus. Der Glaube soll darauf nur eine Antwort formulieren.

Hätte ich ja nicht gedacht! :erschreckt: Tatsächlich? Die existentiellen Fragestellungen sind unabhängig vom Glauben? Boah! Dann sind ja sogar Atheisten und Andersgläubige auch zu diesen Fragen (und wohlmöglich sogar zu Antworten) fähig! Hätte ich jetzt nicht gedacht. Was dir entgangen ist, ist dass deine Antworten einigen an der Peripherie vorbeigehen, auch wenn sie sich diese Fragen ebenso stellen. Und du kommst gar nicht auf die Idee, warum das so sein könnte!
laie hat geschrieben:Und diese Antwort ist in vielen Religionen und philosophischen Überzeugungssystemen ähnlich: Ich muss mich frei machen von weltlichen Dingen, zu denen auch meine Überzeugung über diese Dinge gehört.

Dann ist deine Kenntnis über die Philosophien (die man nicht über einen Kamm scheren kann) noch geringer als über andere Religionen außer deiner: Hat dir der Materialismus schonmal was gesagt? Der Utilitarismus? Der NATURALISMUS? Nie gehört, tja, dann sollte dich mal interessieren, was die Idee dieses Forums war. Deine Überzeugung ist für mich kein Argument, falls das noch nicht klar geworden ist.
Daher unterscheidet uns die Angst um uns selbst, in der Du nur eine Ausprägung des Selbsterhaltungstriebes erkennen magst, eben nicht von Selbstmordattentätern. Auch diesen geht es ja um Besitzstandswahrung.

Inwiefern? Wenn sie sich in die Luft jagen, dann trennen sie sich vom weltlichen Besitz, so wie du es anstrebst. Du hast Vieles mit ihnen gemeinsam (nur hoffentlich keinen Bombengurt :aengstlich: ).
Benutzeravatar
Darth Nefarius
 
Beiträge: 2625
Registriert: Di 22. Nov 2011, 16:23

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon laie » Di 16. Apr 2013, 22:21

Die existentiellen Fragestellungen sind unabhängig vom Glauben? Boah! Dann sind ja sogar Atheisten und Andersgläubige auch zu diesen Fragen (und wohlmöglich sogar zu Antworten) fähig!


Ja natürlich. Warum auch nicht? Hat man dir etwa etwas anderes erzählt? Jeder kann und soll sein Glück versuchen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Dann ist deine Kenntnis über die Philosophien (die man nicht über einen Kamm scheren kann) noch geringer als über andere Religionen außer deiner: Hat dir der Materialismus schonmal was gesagt? Der Utilitarismus? Der NATURALISMUS? Nie gehört, tja, dann sollte dich mal interessieren, was die Idee dieses Forums war. Deine Überzeugung ist für mich kein Argument, falls das noch nicht klar geworden ist. (Hervorhebung von mir)


Nun, ich denke nicht, dass die von dir aufgezählten "Philosophien" oder Denksysteme eine Antwort auf die Frage nach der Grundangst vor der Vergänglichkeit geben. Das ist einfach nicht ihr "Gebiet". Sie geben natürlich irgendwelche Antworten auf irgendwelche Fragen, aber eben nicht auf diese Frage. Wie siehst du das?
laie
 
Beiträge: 615
Registriert: Di 13. Apr 2010, 16:33

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon laie » Mi 17. Apr 2013, 08:37

Zur Bewertung ethischer Systeme oder vielleicht sollte man besser sagen: Überzeugungssysteme mit ethischem Anstrich stellt sich nicht nur die Frage, was ich nun schon wieder tun muss oder wozu ich nach Maßgabe eines solchen Systems verpflichtet bin, sondern, was ich als Teil eines solchen Systems zu erwarten hätte. Ich nehme deine Beispiele Materialismus, Naturalismus, Utilitarismus auf:

Materialismus. Sagt: es gibt keine Seele, keine nicht-physikalischen Entitäten, alles ist mit Massen und Kräften erklärbar. Gut. Was bin ich dort und was habe ich zu erwarten? Als Teil eines solchen Systems bin ich buchstäblich nichts anderes als der Acker, von dem ich genommen bin. Ich muss also damit rechnen, daß ich wie ein Stück Dreck behandelt werde. Wem das reicht ...

Naturalismus. Sagt: wir haben uns an der (belebten) Natur zu orientieren. "Schaut's euch die Tiere an, so seid's auch ihr, so müsst ihr machen!" Was bin ich dort und was habe ich zu erwarten? Da ich ein Teil der Tierwelt bin, werde ich auch wie ein Tier behandelt. Wenn es sein muss, werde ich buchstäblich "gefressen". Ist ok, der Stärkere frisst den Schwächeren, ist Evolution, sind "Klauen blutig-rot". Oder?

Utilitarismus. Meine Lieblingsphilosphie, weil am dankbarsten. Sagt: Alles Glück hängt unmittelbar am Nützlichkeitsstreben. Wiederum die Frage: Was bin ich dort und was habe ich zu erwarten? Als Teil des Systems bin ich in letzer Konsequenz Gegenstand der Nützlichkeitserwägungen anderer Menschen. Wenn ich diesen Erwägungen nicht mehr entspreche, was geschieht dann? Dann ist es nur ein kleiner Schritt zur "Vernichtung lebensunwerten Lebens", gleichsam als prophylaktisch-medizinische Massnahme zum Schutz des "gesunden Volkskörpers"


Natürlich bedeutet das alles nicht, dass mir nicht auch ein Materialist oder Naturalist oder Utilitarist einen Rettungsring zuwerfen würde, wenn ich am Ertrinken wäre. Nur: das ist zur Übernahme eines solchen Systems zu wenig. Ich muss es zu Ende denken. Was bin ich in einem solchen System und was erwartet mich, wenn "es hart auf hart kommt"? Ich bin kein Stück Dreck mit blutigen Klauen, das ein Volksschädling ist und möchte auch nicht so behandelt werden. Ich habe manchmal den Eindruck, du bist noch nicht recht auf dieser Erde angekommen. Du hast eine naive Lust am Kostümieren: mal gibst du dich als Cesare Borgias, dann als Nietzsche, dann wieder als Imperator der Dunklen Seite der Macht. Alles ist eben supertoll, wenn man sich auf der "richtigen Seite" eines solchen Systems wähnt.

Auch vermeintlich "menschlichere" Systeme wie der Marxismus sind für mich keine Alternative. Dort werde ich -je nach Besitz und Verfügungsgewalt über Produktionsmittel- zu einem Proletarier oder einem Bourgeois gemacht. Als Proletarier gehöre ich zu den Ausgebeuteten, als Bourgeois zu den Ausbeutern. So sinnvoll diese systematische Unterscheidung für die modernen Sozialwissenschaften auch sein mag - als ethisches System ist sie verheerend. Erhellend ist in diesem Zusammenhang ein Vergleich der Biographien von Sahra Wagenknecht und Beate Zschäpe. Die eine zieht als stramme Kommunistin gegen Ausbeutung und Ungleichheit im Parlament zu Felde, die andere hat Morde begangen, um auf ihre Weise etwas für die aus ihrer Sicht leidenden, ausgebeuteten deutschen Mitbürger zu tun.

Beate Zschäpe und Sahra Wagenknecht sind annährend gleich alt, wurden in dem selben ideologischen System der DDR erzogen, hatten beide ihren Vater nie kennen gelernt. Warum sitzt nicht Frau Zschäpe für Die Linke im Bundestag anstelle von Frau Wagenknecht? Das wäre durchaus denkbar.
laie
 
Beiträge: 615
Registriert: Di 13. Apr 2010, 16:33

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon provinzler » Mi 17. Apr 2013, 10:13

laie hat geschrieben:Beate Zschäpe und Sahra Wagenknecht sind annährend gleich alt, wurden in dem selben ideologischen System der DDR erzogen, hatten beide ihren Vater nie kennen gelernt. Warum sitzt nicht Frau Zschäpe für Die Linke im Bundestag anstelle von Frau Wagenknecht? Das wäre durchaus denkbar.

Das erinnert mich an einen Witz der in englischsprachigen libertären Blogs eine Weile kursierte. Vater und Sohn unterhalten sich über die berufliche Zukunft des Sohns.

-"I think, I'll establish an career in organised crime"
-"Ok, public or private sector?"
provinzler
 
Beiträge: 929
Registriert: Sa 16. Jun 2012, 16:24

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 17. Apr 2013, 12:14

laie hat geschrieben:
Die existentiellen Fragestellungen sind unabhängig vom Glauben? Boah! Dann sind ja sogar Atheisten und Andersgläubige auch zu diesen Fragen (und wohlmöglich sogar zu Antworten) fähig!


Ja natürlich. Warum auch nicht? Hat man dir etwa etwas anderes erzählt? Jeder kann und soll sein Glück versuchen.

Erscheint dir dein Predigen in diesem Zusammenhang dann nicht etwas sinnlos? Erst recht, wenn du nicht argumentierst, nicht vergleichst?
laie hat geschrieben:Nun, ich denke nicht, dass die von dir aufgezählten "Philosophien" oder Denksysteme eine Antwort auf die Frage nach der Grundangst vor der Vergänglichkeit geben. Das ist einfach nicht ihr "Gebiet". Sie geben natürlich irgendwelche Antworten auf irgendwelche Fragen, aber eben nicht auf diese Frage. Wie siehst du das?

Natürlich geben sie Antworten, solchen wie dir passen sie einfach nicht, sie sprechen ferner ihnen die Berechtigung ab, dazu Stellung nehmen zu dürfen. Aber diese Fragestellungen sind eben nicht ausschließlich dem metaphysischen Mist zuzuordnen, ich kann aus diversen Perspektiven diese Frage beleuchten. Z.Bsp. würden viele den Utilitarismus (also hier im Forum) als Grundlage für das aktuelle Rechtswesen betrachten. Die viel gelobte goldene Regel beruft sich letztlich auch auf den Utilitarismus (die Nützlichkeit, speziell für den Menschen). Eine säkulare Verfassung hat damit eine klare Verbindung zum Utilitarismus. Der Materialismus ist ein Gegenpol zur Metaphysik. Die, die ablehnen, was schlichtweg Unfug ist, nicht nachweisbar, nicht einsehbar hergeleitet oder unbegründet ist, sind eher Materialisten als Esotheriker, Gläubige. Damit ist der Bezug auf die irdische Welt der Materialismus, was auch Konsequenzen für die Optionen der Antworten auf die existentiellen Fragen hat. Und dass der sogenannte Naturalismus auch seine Berechtigung hat, wird dir bestimmt jeder überzeugte Bright sagen, gewiss der werte Administrator, der Moderator, usw..
Also bevor du abwertend meinst, man hätte aus diesen Perspektiven nichts dazu zu sagen, will ich eine Begründung hören. Du reist eine dreiste Behauptung an die andere.
laie hat geschrieben:Materialismus. Sagt: es gibt keine Seele, keine nicht-physikalischen Entitäten, alles ist mit Massen und Kräften erklärbar. Gut. Was bin ich dort und was habe ich zu erwarten? Als Teil eines solchen Systems bin ich buchstäblich nichts anderes als der Acker, von dem ich genommen bin. Ich muss also damit rechnen, daß ich wie ein Stück Dreck behandelt werde. Wem das reicht ...

Blödsinn. Deine erdichteten Konsequenzen sind die Propaganda der Katholiken. Die Summe einzelner Teile kann etwas anderes hervorbringen als die Teile für sich. Jedem Naturwissenschaftler ist das klar. Diverse chemische Reaktionen, die Produkte mit völlig anderen Eigenschaften hervorbringen als die Edukte sie hatten, strafen dich Lügen! Dass aus Fusion von Wasserstoff schrittweise alle Elemente entstehen, die allesamt unterschiedliche Eigenschaften aufweisen (natürlich mit Ähnlichkeiten) ist ein Beweis für deine Ignoranz! Dann gibt es noch die faszinierendsten chemischen Systeme: die biologischen. Die biologischen Systeme sind dazu fähig, der Entropiezunahme (zumindest für sich ) entgegenzuwirken, eine sonderbare, faszinierende Eigenschaft. Die komplexe Wechselwirkung mit der Umgebung basiert letztlich auf Atomen, einzelnen Elementen, Molekülen, Enzymen, Organellen, Organen, Organismen, die wesentlich komplexer sind als die jeweiligen Einzelteile. Du stehst doch auch nicht vor einem demontierten Auto und wunderst dich, wieso du damit nicht fahren kannst, oder? Mit dein Einzelteilen kannst du gar nichts anfangen, sofern du nicht Mechaniker bist und viel Zeit hast. Wenn du zur Arbeit willst, brauchst du ein komplettes, zusammengesetztes Auto. Die Wechselwirkung ist es, die das Wunder (wenn man es so nennen will als Eso) ausmacht! Keine Seele, kein göttlicher Plan. Und aufgrund der Vielfalt an Möglichkeiten, an Nutzen von verschiedenen Kombinationen an Materie, erhält selbige auch die Möglichkeit, als nützlicher betrachtet zu werden als die einzelnen Komponenten, die nicht zusammengesetzt sind (wenn man so will das "Recht" mehr wert zu sein. Allein die Ökonomie bestätigt schon diesen Mehrwert: Einzelne Rohstoffe können aufgewertet werden, nachdem sie verarbeitet wurden. Sie haben mehr Nutzen, also auch mehr Wert durch diese Verarbeitung.). Hiermit habe ich deiner unreflektierten Sicht zum Materialismus geantwortet. Von diesem System hast du zu erwarten, dass du einen Mehrwert durch deine komplexe Natur darstellst. Du bist mehr wert als die Summe deiner Teile, dennoch ist dir klar, woher du kommst, woraus du bestehst, was aus dir wird. Also nicht nur ein praktischer Nutzen, sondern ein Erkenntnisgewinn gegenüber der Religion (die dich mit Märchen füttert, um diese Antworten zu geben).
laie hat geschrieben:Naturalismus. Sagt: wir haben uns an der (belebten) Natur zu orientieren. "Schaut's euch die Tiere an, so seid's auch ihr, so müsst ihr machen!" Was bin ich dort und was habe ich zu erwarten? Da ich ein Teil der Tierwelt bin, werde ich auch wie ein Tier behandelt. Wenn es sein muss, werde ich buchstäblich "gefressen". Ist ok, der Stärkere frisst den Schwächeren, ist Evolution, sind "Klauen blutig-rot". Oder?

Und wieder eine Dartsellung deiner beschränkten Sicht auf eine dir entgegenstehende Philosophie. Die Tierwelt besteht aus weitmehr als Räuber-Beute-Beziehungen. Es gibt auch Symbiosen, Koexistenz, Kooperation. Der abstrakte Begriff "Nische" deutet auf eine Spezialisierung hin, Lebensumstände, die einzelnen Lebewesen besser passen als anderen, damit sind sie innerhalb dieser Nischen erfolgreicher, ohne Konkurrenz. Tatsächlich ist ein wichtiges Element in der Evolution die Vermeidung von Konkurrenz, von Konflikt. Es wird einfach eine andere Nische gefunden, besetzt. Der Mensch hat nicht die gleiche oder eine ähnliche Nische besetzt wie primitive Raubtiere. Und doch gibt es welche, die zwar nicht Mensch sind, jedoch ebenso Zusammenarbeit zum eigenen Nutzen für sich entdeckten. Das mit der "Stärke" ist ein Mythos von Ungebildeten. Es heißt laut Darwinismus: Survival of the fittest. Das bedeutet: Das Überleben des Angepasstesten. Angepasstheit ist auf die Nische bezogen, auf die Spezialisierung bestimmter Umweltfaktoren. Das kann besondere Fähigkeiten wie Fliegen, unter Wasser atmen, oder Sprechen bedeuten. Der Mensch hat eine bis jetzt einzigartige Nische besetzt, die es ihm erlaubt (und es sogar fördert) zu kooperieren, den Mitmenschen gegenüber nützlich zu sein (die Kooperation kennen, wie gesagt, auch andere Tiere, aber nicht auf diesem komplexen Niveau). Von diesem System hast du zu erwarten (anders als von der Religion), dass deine Individualität deinen Vorteil bedeuten kann, du kannst dich individuell entwickeln und vielleicht hast du dadruch besondere Vorteile. Du kannst kooperieren, die Umgebung kann dir nützen.
laie hat geschrieben:Utilitarismus. Meine Lieblingsphilosphie, weil am dankbarsten. Sagt: Alles Glück hängt unmittelbar am Nützlichkeitsstreben. Wiederum die Frage: Was bin ich dort und was habe ich zu erwarten? Als Teil des Systems bin ich in letzer Konsequenz Gegenstand der Nützlichkeitserwägungen anderer Menschen. Wenn ich diesen Erwägungen nicht mehr entspreche, was geschieht dann? Dann ist es nur ein kleiner Schritt zur "Vernichtung lebensunwerten Lebens", gleichsam als prophylaktisch-medizinische Massnahme zum Schutz des "gesunden Volkskörpers"

Wieder eine missverstandene Philosophie durch einen kleinen Horizont. Aus dem Utilitarismus erfolgt kein Rassismus, kein Genozid. Es ist nämlich schlichtweg unnützlich, größere Teile der Bevölkerung zu vernichten. Es ist eine Verschwendung an Ressourcen, die nicht richtig genutzt werden konnten. Nebenbei ist dein angesprochenes Beispiel nicht besonders gut: Es wurde nicht die Unnützlichkeit bestätigt, der Hass auf Andersartige war hier ausschlaggebend. Dass viele der Verfolgten gut betucht und gebildet waren, spricht gegen ihren vermeindlich mangelnden Nutzen. Diese Verbrechen beruhten wieder (wie die Religion selbst) auf einem Irrglauben, einer unbestätigten Annahme, die nichtmal Indizien für die Theorie hatte. Das sind Merkmale einer Ideologie, die Religion selbst ist auch eine Ideologie.
Und dann ist auch noch deine Fragestellung im Zusammenhang mit deiner Positon diesbezüglich ein großer Widerspruch. Einerseits fragst du, was du von diesem System zu erwarten hast (also welchen Nutzen), andererseits verachtest du eben das Nützlichkeitsdenken, welches deiner Frage zugrunde liegt. Du bist per se ein Utilitarist, willst es lediglich nicht zugeben, weil dir das Wissen fehlt, die Philosophien richtig zu deuten, die du ablehnst.
laie hat geschrieben:Natürlich bedeutet das alles nicht, dass mir nicht auch ein Materialist oder Naturalist oder Utilitarist einen Rettungsring zuwerfen würde, wenn ich am Ertrinken wäre.

Och, das ist aber großzügig von dir!
laie hat geschrieben:Nur: das ist zur Übernahme eines solchen Systems zu wenig. Ich muss es zu Ende denken.

Hast du ja nicht, meine Hinweise sollten dem einen kleinen Anstoß geben.
laie hat geschrieben: Was bin ich in einem solchen System und was erwartet mich, wenn "es hart auf hart kommt"? Ich bin kein Stück Dreck mit blutigen Klauen, das ein Volksschädling ist und möchte auch nicht so behandelt werden. Ich habe manchmal den Eindruck, du bist noch nicht recht auf dieser Erde angekommen. Du hast eine naive Lust am Kostümieren: mal gibst du dich als Cesare Borgias, dann als Nietzsche, dann wieder als Imperator der Dunklen Seite der Macht. Alles ist eben supertoll, wenn man sich auf der "richtigen Seite" eines solchen Systems wähnt.

Aktuell ist mein Avatar eigentlich Grievous, nicht der Imperator (war er auch nie, ebensowenig wie Nietzsche). Wer hier nicht auf der Welt angekommen ist, ist offensichtlich: Derjenige, der sich kein bisschen mit den Philosophien auskennt, die gerade den Fokus auf das Irdische setzen, ihre Unabhängigkeit von Märchen durch Metaphysik erwarben, Logik, Theorien, Indizien, Beweise, Empirie zu ihren Bestandteilen erklärten und nicht Glauben, Gehorsam, willensschwächende Unterwerfungen, Angst vor Wissen. Der Mensch wurde zum Zentrum der Betrachtungsweise, nicht eine Illusion von Allmacht und Unsterblichkeit, der man zu gehorchen hatte, der man sich zu unterwerfen hatte, die man anzubeten hatte, die man nicht zu hinterfragen hatte.
Benutzeravatar
Darth Nefarius
 
Beiträge: 2625
Registriert: Di 22. Nov 2011, 16:23

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 17. Apr 2013, 12:20

laie hat geschrieben:Auch vermeintlich "menschlichere" Systeme wie der Marxismus sind für mich keine Alternative. Dort werde ich -je nach Besitz und Verfügungsgewalt über Produktionsmittel- zu einem Proletarier oder einem Bourgeois gemacht. Als Proletarier gehöre ich zu den Ausgebeuteten, als Bourgeois zu den Ausbeutern. So sinnvoll diese systematische Unterscheidung für die modernen Sozialwissenschaften auch sein mag - als ethisches System ist sie verheerend.

Vielleicht lebst du ja noch in Nordkorea, aber hier gibt es keinen Marxismus. Der Naturalismus, der Utilitarismus und der Materialismus führen jedenfalls keineswegs automatisch zum Marxismus, nichtmal tendenziell.
laie hat geschrieben: Erhellend ist in diesem Zusammenhang ein Vergleich der Biographien von Sahra Wagenknecht und Beate Zschäpe. Die eine zieht als stramme Kommunistin gegen Ausbeutung und Ungleichheit im Parlament zu Felde, die andere hat Morde begangen, um auf ihre Weise etwas für die aus ihrer Sicht leidenden, ausgebeuteten deutschen Mitbürger zu tun.

Beate Zschäpe und Sahra Wagenknecht sind annährend gleich alt, wurden in dem selben ideologischen System der DDR erzogen, hatten beide ihren Vater nie kennen gelernt. Warum sitzt nicht Frau Zschäpe für Die Linke im Bundestag anstelle von Frau Wagenknecht? Das wäre durchaus denkbar.

Willst du uns jetzt verkaufen, dass beide gleich schlimm sind? Dass sie an das gleiche Glauben? Die Erziehung alleine, die Lebensumstände alleine machen einen Menschen nicht aus. Auch seine Prädispositonen (die genetischen) entscheiden mit über die Entscheidungen des Menschen. Für dich sind offensichtlich linke Politiker von Terroristen nicht zu unterscheiden, dich interessiert nicht welche Menschen sie sind, sondern woher sie kommen, was für eine Vorgeschichte sie haben (für die sie vielleicht noch nichtmal verantwortlich sind). Ehrlich gesagt erinnert deine Haltung mehr an die Einstellung im dritten Reich als der Utilitarismus oder die anderen Sichtweisen, die ich dir nannte.
Benutzeravatar
Darth Nefarius
 
Beiträge: 2625
Registriert: Di 22. Nov 2011, 16:23

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon laie » Mi 17. Apr 2013, 14:17

Darth Nefarius hat geschrieben:Aus dem Utilitarismus erfolgt kein Rassismus, kein Genozid.

Da redet halt einer ohne Hirn... Es gibt eine direkte Linie von Bentham und Haeckel zu Binding und Hoche. Binding/Hoche ist ohne Bentham und Haeckel nicht verstehbar.

laie hat geschrieben:Materialismus. Sagt: es gibt keine Seele, keine nicht-physikalischen Entitäten, alles ist mit Massen und Kräften erklärbar. Gut. Was bin ich dort und was habe ich zu erwarten? Als Teil eines solchen Systems bin ich buchstäblich nichts anderes als der Acker, von dem ich genommen bin. Ich muss also damit rechnen, daß ich wie ein Stück Dreck behandelt werde. Wem das reicht ...


Blödsinn. Deine erdichteten Konsequenzen sind die Propaganda der Katholiken.


Für den Blödsinn bist du hier im Forum zuständig.

Die Summe einzelner Teile kann etwas anderes hervorbringen als die Teile für sich. Jedem Naturwissenschaftler ist das klar. Diverse chemische Reaktionen, die Produkte mit völlig anderen Eigenschaften hervorbringen als die Edukte sie hatten, strafen dich Lügen! Dass aus Fusion von Wasserstoff schrittweise alle Elemente entstehen, die allesamt unterschiedliche Eigenschaften aufweisen (natürlich mit Ähnlichkeiten) ist ein Beweis für deine Ignoranz! Dann gibt es noch die faszinierendsten chemischen Systeme: die biologischen. Die biologischen Systeme sind dazu fähig, der Entropiezunahme (zumindest für sich ) entgegenzuwirken, eine sonderbare, faszinierende Eigenschaft. Die komplexe Wechselwirkung mit der Umgebung basiert letztlich auf Atomen, einzelnen Elementen, Molekülen, Enzymen, Organellen, Organen, Organismen, die wesentlich komplexer sind als die jeweiligen Einzelteile. Du stehst doch auch nicht vor einem demontierten Auto und wunderst dich, wieso du damit nicht fahren kannst, oder? Mit dein Einzelteilen kannst du gar nichts anfangen, sofern du nicht Mechaniker bist und viel Zeit hast. Wenn du zur Arbeit willst, brauchst du ein komplettes, zusammengesetztes Auto. Die Wechselwirkung ist es, die das Wunder (wenn man es so nennen will als Eso) ausmacht! Keine Seele, kein göttlicher Plan. Und aufgrund der Vielfalt an Möglichkeiten, an Nutzen von verschiedenen Kombinationen an Materie, erhält selbige auch die Möglichkeit, als nützlicher betrachtet zu werden als die einzelnen Komponenten, die nicht zusammengesetzt sind (wenn man so will das "Recht" mehr wert zu sein. Allein die Ökonomie bestätigt schon diesen Mehrwert: Einzelne Rohstoffe können aufgewertet werden, nachdem sie verarbeitet wurden. Sie haben mehr Nutzen, also auch mehr Wert durch diese Verarbeitung.). Hiermit habe ich deiner unreflektierten Sicht zum Materialismus geantwortet. Von diesem System hast du zu erwarten, dass du einen Mehrwert durch deine komplexe Natur darstellst. Du bist mehr wert als die Summe deiner Teile, dennoch ist dir klar, woher du kommst, woraus du bestehst, was aus dir wird. Also nicht nur ein praktischer Nutzen, sondern ein Erkenntnisgewinn gegenüber der Religion (die dich mit Märchen füttert, um diese Antworten zu geben).


Ich finde dieses Geschwafel unerträglich. Du lebst einfach im falschen Jahrhundert. Herbert Spencer (nicht mit Spencer in "Marks and Spencer" zu verwechseln) hat ähnlich verworren geschrieben. Nichts sagst du gegen meine Kritik, sondern bestätigst sie nur. Warum soll

"Von diesem System hast du zu erwarten, dass du einen Mehrwert durch deine komplexe Natur darstellst."

ein Einwand gegen mein

"Als Teil eines solchen Systems bin ich buchstäblich nichts anderes als der Acker, von dem ich genommen bin. Ich muss also damit rechnen, daß ich wie ein Stück Dreck behandelt werde."

sein?

Auch Kristalle und Ameisenstaaten sind schliesslich komplexe Gebilde. Warum sollte ich als Materialist Menschen mehr Respekt entgegen bringen als Kristallen oder Ameisenstaaten?

Schön auch folgender Erguss von dir:

Darth Nefarius hat geschrieben:Allein die Ökonomie bestätigt schon diesen Mehrwert: Einzelne Rohstoffe können aufgewertet werden, nachdem sie verarbeitet wurden. Sie haben mehr Nutzen, also auch mehr Wert durch diese Verarbeitung.).


Hat das jemand bestritten? Belehre mich doch und sage mir, warum ich in einem totalen utilitaristischen System nicht das Recht haben sollte, einen Menschen zum Gegenstand meiner Nutzenkalküle zu machen? Und wenn ich das kann, warum sollte ich nicht selbst für einen anderen zu einem solchen werden können?

Mann, Junge, wenn du etwas nicht verstehst, dann frag halt nach!
laie
 
Beiträge: 615
Registriert: Di 13. Apr 2010, 16:33

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon laie » Mi 17. Apr 2013, 18:24

Nachtrag zu Utilitarismus und Genozid.

Darth Nefarius hat geschrieben:Es ist nämlich schlichtweg unnützlich, größere Teile der Bevölkerung zu vernichten.


Aha, und was ist mit einem kleineren Teil? Das geht dann oder wie? Was ist ein grosser oder kleiner Teil? Wer legt das fest? Nach welchen Kriterien? Du bist hier auf ganz dünnem Eis ...
laie
 
Beiträge: 615
Registriert: Di 13. Apr 2010, 16:33

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon Darth Nefarius » Do 18. Apr 2013, 11:55

laie hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Aus dem Utilitarismus erfolgt kein Rassismus, kein Genozid.

Da redet halt einer ohne Hirn... Es gibt eine direkte Linie von Bentham und Haeckel zu Binding und Hoche. Binding/Hoche ist ohne Bentham und Haeckel nicht verstehbar.

Den Faschismus kann man ohne Utilitarismus verstehen, und umgekehrt, da beide nichts mit einander zu tun haben. Wenn du mit Hirn redest, kannst du ja erklären, wo ich falsch lag, wo die direkten Zusammenhänge sein sollen. Aber das ist nur eine theoretische Möglichkeit, es wird nicht passieren...
laie hat geschrieben:Für den Blödsinn bist du hier im Forum zuständig.
Wow, was für ein Konter. Von gleicher Qualität ist dein restlicher Mist: Keine Argumente, keine Belege für deine Behauptungen, kein Entkräften der Gegenseite, nur Widerspruch.
laie hat geschrieben:Ich finde dieses Geschwafel unerträglich. Du lebst einfach im falschen Jahrhundert. Herbert Spencer (nicht mit Spencer in "Marks and Spencer" zu verwechseln) hat ähnlich verworren geschrieben. Nichts sagst du gegen meine Kritik, sondern bestätigst sie nur.

Du hast klare Fragen gestellt, ich habe sie klar beantwortet: Dein Verständnis von der Tierwelt ist beschränkt, da du nur die Räuber-Beute-Beziehungen ansprichst; dein Verständnis von Materie und ihrem Zusammenspiel, ihrem Wert ist beschränkt, da du weder von ihrer Vielfältigkeit im einzelnen, noch im Gesamten als Kombinationen mit höherer Komplexität etwas verstehst; dein Verständnis von Nützlichkeitsdenken ist nicht nur falsch, sondern auch widersprüchlich: Du fragst nach einem Nutzen der Systeme, lehnst aber Nützlichkeitsdenken ab. DEINE Ignoranz ist unerträglich, und wenn ich im falschen Jahrhundert lebe, lebst du im falschen Jahrtausend, deine Einstellungen, dein Wissen um diese Bereiche und dein Grad an Gehorsam und fehlender Reflektion der kirchlichen Doktrin stammt aus dem frühen Mittelalter.
Wo sind deine Argumente? Wieso soll ich im falschen Jahrundert leben? Dein Vorwurf beruht darauf, dass ich deiner Meinung nach die Philosophien des vergangenen Jahrhunderts teile, aber die sind immer noch moderner als deine Religion. Insofern ist das kein Argument, da du dann zugeben müsstest, du wärst noch rückständiger als ich (angenommen ich hätte mich tatsächlich auf vergangene Philosophen berufen. Nebenbei verliert eine Denkweise, verlieren Erkenntnisse nicht ihre Richtigkeit nur weil sie alt sind. Größeres Alter wiederum ist aber auch kein Argument für Richtigkeit).
laie hat geschrieben: Warum soll

"Von diesem System hast du zu erwarten, dass du einen Mehrwert durch deine komplexe Natur darstellst."

ein Einwand gegen mein

"Als Teil eines solchen Systems bin ich buchstäblich nichts anderes als der Acker, von dem ich genommen bin. Ich muss also damit rechnen, daß ich wie ein Stück Dreck behandelt werde."

sein?

Du musst zum einen nicht damit rechnen, dass du wie ein Stück Dreck behandelt wirst, außer du meinst, dass du einen fruchtbaren Acker wie Dreck behandeln und nicht pflegen müsstest. Zum anderen bist du eben nicht buchstäblich nichts anderes als ein Acker. Möglicherweise teilst du viele Bestandteile, wenn nicht alle mit dem Acker, aber du bist anders zusammengesetzt. Vielleicht reicht ein einfacheres Beispiel als das Auto: Beim Kochen kannst du mit den gleichen Zutaten oft verschiedene Gerichte herstellen, nach allen Bearbeitungen kannst du mehr mit ihnen anfangen als mit den rohen Zutaten. Beispie: Würdest du ein rohes Ei essen/schlürfen? Wohl nicht, aber ein Spiegelei, vielleicht auch ein Omelett (und beide sind nicht das gleiche). Ein Spiegelei hat mehr Wert für dich als ein rohes Ei, da du mehr damit anfangen kannst. Deswegen behandelst du es auch anders. Verstehst du diese simple Logik nicht oder willst du es nicht verstehen? So schwierig kann das nicht sein. Vielleicht war auch "Mehrwert" ein unbekanntes Wort für einen aus dem Mittelalter, aber ich dachte, dass der Begriff selbsterklärend sei.
laie hat geschrieben:Auch Kristalle und Ameisenstaaten sind schliesslich komplexe Gebilde. Warum sollte ich als Materialist Menschen mehr Respekt entgegen bringen als Kristallen oder Ameisenstaaten?

Kristalle und Ameisenstaaten können weniger leisten, sind weniger vielfältig in ihrem Umgang mit der Umgebung. Nebenbei gibt es verschiedene Grade an Komplexität. Nimm z.Bsp. die Genomgröße und vergleiche die des Menschen mit der Ameise (Kristalle haben kein Genom, das muss man einem aus dem Mittelalter vielleicht sagen. Muss ich dir vielleicht noch erklären, was ein Genom ist?).
laie hat geschrieben:Schön auch folgender Erguss von dir:

Darth Nefarius hat geschrieben:Allein die Ökonomie bestätigt schon diesen Mehrwert: Einzelne Rohstoffe können aufgewertet werden, nachdem sie verarbeitet wurden. Sie haben mehr Nutzen, also auch mehr Wert durch diese Verarbeitung.).


Hat das jemand bestritten?

Ja, du:
laie hat geschrieben:Als Teil eines solchen Systems bin ich buchstäblich nichts anderes als der Acker, von dem ich genommen bin. Ich muss also damit rechnen, daß ich wie ein Stück Dreck behandelt werde.

Du fragst hier letztlich nach dem Wert eines Stück Materie, welches nach den Bestandteilen dem eines Ackers gleicht. Ich nehme an, dass so einem Religiösen zumindest die Bedeutung von "Wert" nicht fremd ist. Wenn du hier nach Behandlung fragst, fragst du nach Wert. Also hast du hier offensichtlich gedacht, dass ein Stück Acker-Äquivalent nich mehr wert ist als ein Acker und deswegen die gleiche Behandlung verdient. Oder habe ich das falsch verstanden? Ist für dich wohlmöglich der Wert einer Sache irrelevant um zu urteilen, wie du sie behandelst?
laie hat geschrieben:Belehre mich doch und sage mir, warum ich in einem totalen utilitaristischen System nicht das Recht haben sollte, einen Menschen zum Gegenstand meiner Nutzenkalküle zu machen? Und wenn ich das kann, warum sollte ich nicht selbst für einen anderen zu einem solchen werden können?

Mann, Junge, wenn du etwas nicht verstehst, dann frag halt nach!

Ich werde dir alles erklären; und gut, dass du deinen Ratschlag selbst befolgst und mich fragst.
Ich persönlich gehe nicht von Gott-/Naturgegebenen Rechten aus. Bis jetzt haben sich gute, moderne, säkulare Systeme durch das Erkämpfen ihrer Rechte gebildet. Sie wurden den Mächtigen, den Adligen, den Kirchen, den Großbürgern und anderen von der Masse abgerungen. Insofern entscheidet das Volk, was Recht ist (keine echte Überraschung, da sich das Recht von Land zu Land unterscheidet). Du fragst also falsch: Du hast die Möglichkeit, andere Menschen nach Nutzen zu bewerten, du musst es nicht. Wie du mit dieser Möglichkeit umgehst und wie du eventuell andere nutzt, wird von deiner Umgebung bewertet. Wenn dein Nutzen ein einseitiges Ausnutzen ist, wird das nicht geduldet, wenn du aber nutzt und eine Gegenleistung bietest (wie deine Arbeiter zu bezahlen), dann wird das eher gebilligt. Und du kannst gewiss auch ein Arbeitnehmer und nicht nur Arbeitgeber sein (wenn wir bei dem Beispiel bleiben und eine gute Überleitung zu deiner nächsten Frage suchen "Warum sollte ich nichts selbst für einen anderen zu einem solchen werden können?"). Du kannst gewiss genutzt werden, du willst jedoch nicht ausgenutzt werden, also würdest du dich einem Ausnutzen entziehen wollen (da es dir aus utilitaristischen Gesichtspunkten nicht nützt und vielleicht sogar schadet). Die meisten Menschen teilen diese Einstellung, also hast du auch die Mehrheit in deinem Bestreben hinter dir, sozusagen das Recht. Wenn du einen Gegenwert (wie Bezahlung) für deine Arbeit erhälst, ist das eine Beziehung zum wechselseitigen Vorteil, wie in der Natur allgegenwärtig: Die Pflanzen nutzen das CO2 der Luft, welches durch Tiere produziert wird, sie nutzen also die Tiere (einschließlich uns), wir haben jedoch nichts dagegen, da wir sie auch nutzen, genauer ihr O2, welches wir wiederum benötigen und sie produzieren. Soetwas ist weit wichtiger in der Natur als Räuber-Beute-Beziehungen und gibt ein gutes Beispiel für ballancierte Koexistenz zum gegenseitigen Vorteil an.
laie hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben: Es ist nämlich schlichtweg unnützlich, größere Teile der Bevölkerung zu vernichten.

Aha, und was ist mit einem kleineren Teil? Das geht dann oder wie? Was ist ein grosser oder kleiner Teil? Wer legt das fest? Nach welchen Kriterien? Du bist hier auf ganz dünnem Eis ...

Nein, das mit einem kleineren Teil geht auch nicht, da es ebensowenig Nutzen bringt und eher Schaden bedeutet: Im Ansehen bei der eigenen Bevölkerung, bei der verfolgten Minderheit, beim Ansehen anderer Länder, in denen die Gruppe vielleicht eine Mehrheit darstellt. Es hat keinen Nutzen, da es den meisten Menschen nichtmal Freude bereitet, dies zu tun (der geringste Nutzen, den man haben könnte). Wenn es also weder Freude, noch irgndeinen anderen Nutzen hat, ist es eine unlogische, unnötige und vielleicht schädliche Aktion.
DU legst fest, was für dich nützlich zu sein scheint, nicht ein Gott, nicht eine Religion. Ob du richtig und gut antizipierst, die Situation, deine Umgebung richtig einschätzt, hängt von deiner Erfahrung, deiner Intelligenz, deiner Bildung ab. Eine gute Hilfe ist dabei aber auch die natürliche Intuition, deine Empathie (falls vorhanden, meist jedoch schon), deine Triebe, deine daraus erwachsenen Motive. Das bedeutet natürlich viel Verantwortung, die vielleicht Leute wie du einfach nicht tragen wollen. Aber genau solche haben vor Gericht (sinngemäß) ausgesagt: "Es wurde mir befohlen, die Juden zu vergasen, ich habe es als meine Pflicht betrachtet zu gehorchen. Meinem Willen zu gehorchen, meinem persönlichen Empfinden, widerspräche der Definition von Pflicht nach Kant." Diesem Verhalten bist du näher als ich.
Benutzeravatar
Darth Nefarius
 
Beiträge: 2625
Registriert: Di 22. Nov 2011, 16:23

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon laie » Do 18. Apr 2013, 18:54

Danke für die Erläuterung. Es macht mir Hoffnung, dass du am Ende vielleicht doch noch verstehst, worauf die Sache läuft:

Warum sollte ich in einem totalen utilitaristischen System nicht das Recht haben, andere zum Gegenstand meiner Nutzenkalküle zu machen. Das war die rhetorische Ausgangsfrage. Denn natürlich habe ich das Recht so etwas zu tun. Und zwar immer. Darum ist es eigentlich kein Recht, sondern folgt unmittelbar aus dem Gedankenexperiment. Denn zugrundegelegt ist ja ein totales utilitaristisches System. Total bedeutet, dass ich stets etwas nach seinem Nutzen für mich bewerte. Dieser Nutzen kann sehr hoch sein, niedrig oder für mich gar nicht vorhanden sein. Und ich selbst bin für andere eben auch nur ein Nutzenkalkül.

Das war die Ausgangssituation. Du hast sie lediglich noch ein wenig ausgestaltet und die Facetten der Koexistenz erweitert:

Darth Nefarius hat geschrieben:... Du hast die Möglichkeit, andere Menschen nach Nutzen zu bewerten, du musst es nicht. (Doch! Das ist ja gerade der Witz. Du musst. Denn du lebst in einem totalen utilitaristischen System. Nur kann der Nutzen, den du zuschreibst, auch Null sein. Bewerten tust du immer. ) [...] Wenn du einen Gegenwert (wie Bezahlung) für deine Arbeit erhälst, ist das eine Beziehung zum wechselseitigen Vorteil, wie in der Natur allgegenwärtig: Die Pflanzen nutzen das CO2 der Luft, welches durch Tiere produziert wird, sie nutzen also die Tiere (einschließlich uns), wir haben jedoch nichts dagegen, da wir sie auch nutzen, genauer ihr O2, welches wir wiederum benötigen und sie produzieren. Soetwas ist weit wichtiger in der Natur als Räuber-Beute-Beziehungen und gibt ein gutes Beispiel für ballancierte Koexistenz zum gegenseitigen Vorteil an. (Fettgedrucktes von mir)


Jetzt war meine Kritik, die ich schon vorher formuliert hatte: ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, in der mein "Wert" möglicherweise irgendwann nicht mehr gegeben ist. Natürlich kann man sich bemühen, immer von Nutzen für irgendjemand zu sein, aber es gibt eben auch Situationen, da hat man es nicht in der Hand. Davon können die Juden in Deutschland und Europa während des Holocausts ein Lied singen. Weil ein totales utilitaristisches System prinzipiell dazu führen muss, dass Menschen ausgegrenzt oder als nutzlos bewertet werden, habe ich es abgelehnt. Warum prinzipiell? Weil "Nutzen haben" zwangsläufig sein Gegenteil miteinschliesst, nämlich "keinen Nutzen haben". Wenn ich also von Nutzen war, weil ich so toll gearbeitet habe, dann bin ich nutzlos, wenn ich eben nicht mehr arbeiten kann. Zum Beispiel. Und wenn es von Nutzen ist, arisch zu sein, dann hat man eben Pech, wenn man nicht-arisch ist.

Du denkst, dass es von hier keine Verbindung zum Genozid im 20. Jh. in Deutschland gibt:

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn du mit Hirn redest, kannst du ja erklären, wo ich falsch lag, wo die direkten Zusammenhänge sein sollen.


Die Linie geht von Binding/Hoche, den Verfassern der Broschüre Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens zu Jeremy Bentham, dem Vater des Utilitarismus und Ernst Haeckel, für den Politik "angewandte Biologie" sein sollte. Was das bedeutet, oder bedeutet hat, muss ich dir ja nicht erst erklären. Wenn du die Broschüre einmal durchsuchst nach dem Wort "nutz", dann bekommst du schnell einen Eindruck davon, wie utilitaristisch diese Broschüre geprägt ist. So schreiben Binding und Hoche:

Binding/Hoche hat geschrieben:... wir werden vielleicht eines Tages zu der Auffassung heranreifen, daß die Beseitigung der Geistig völlig Toten kein Verbrechen, keine unmoralische Handlung, keine gefühlsmäßige Rohheit, sondern einen erlaubten nützlichen Akt darstellt.(Hervorhebung im Original)


Diese Broschüre bereitet ideologisch die Aktion T4 vor, die Euthanasie von Todkranken und Behinderten im Dritten Reich, ebenso wie den Massenmord an Juden und anderen ("Volkschädlinge").

Also für mich ist da gar kein Zweifel: der Fachismus und Nationalsozialismus wurzelt im Nützlichkeitsgedanken. Und für meinen Geschmack distanzierst du dich zu wenig davon. Im letzten Absatz deiner Antwort windest du dich herum:

Darth Nefarius hat geschrieben:Nein, das mit einem kleineren Teil geht auch nicht, da es ebensowenig Nutzen bringt und eher Schaden bedeutet:


Es bringt also eher Schaden. OOOoooch! Schade aber auch. "Eher" bedeutet nämlich, dass du schon wieder entlang einer utilitaristischen Skala denkst. Du ziehst damit zumindest implizit den Nutzen einer solchen Aktion unter bestimmten Bedingungen in Erwägung. Genau das bedeutet dein "Es bringt eher Schaden". Vielleicht kennst du diese Bedingungen noch nicht. Wenn sie da wären, würdest du sie erkennen.
laie
 
Beiträge: 615
Registriert: Di 13. Apr 2010, 16:33

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon Lumen » Fr 19. Apr 2013, 01:15

stine hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Von Stine würde ich gerne konkret erfahren, wie die Bibel und die Religion denn konkret anzuwenden ist, um sich zum Beispiel besser zu verhalten. Wie kann, konkret bitte, jemand ein besserer Mensch durch Religion werden? Wobei ein Augenmerk darauf gelegt werden sollte, Religion von anderen vergleichbaren Phänomenen abzugrenzen.
Ich habe meine Meinung darüber schon zum Abwinken oft geschrieben :schlafen: . Das Denken über das Leben und das Miteinander ist die Voraussetzung dafür, dass jemand zu persönlichen Kompetenzen findet, die maßgeblich dafür verantwortlich sind, ein moralisches Verhalten zu bilden. Es ist egal, ob Religionen oder griechische Philosophie dabei eine Rolle spielen. Der Unterschied ist der: Nicht jedem steht der Zugang zu höheren Bildungsstätten offen!
Religion dagegen ist allgegenwärtig und kann, wenn vernünftig betrieben, auch den Ärmeren und Einfacheren verständlich nahe gebracht werden. Wo beide Bildungswege fehlen, herrscht schnell das Recht des Stärkeren.

LG stine


Du schreibst an der Frage vorbei. Christliche Religion ist kein "denken über das Miteinander". In der Bibel selbst stehen verschiedenste Geschichten die mehr oder weniger nachvollziehbar sind. Weder die "Moral der Geschichte" taugt in vielen Fällen, noch explizite Anweisung. Das heimelige Gefühl, was die Religion für dich und viele auslöst, ist ein Gefühl aus deiner Kindheit, dass sich nicht klar in den religiösen Werken, Schriften und Handlungen verorten lässt. Rein nüchtern betrachtet, ist die Bibel einfach nur ein Geschichtensammlung. Was ein Geistlicher heute für richtig und falsch empfindet und predigt, hat mit der Bibel oder christlichen Lehren vielfach nichts zu tun, sondern ist eine Form des Zeitgeistes (im besten Fall dessen, was heute allgemein für gut und schlecht befunden wird). Früher fanden diese Leute die Prügelstrafe für angemessen und förderlich, heute ist man da anderer Ansicht.

Also noch einmal die Frage 1: Worin konkret unterscheidet sich eine Religion von anderen Unternehmungen? Beispiel: nette Gesellschaft gibt's im Verein. Gute Geschichten gibt's im Fernsehen. Welterklärung im Sachbuch. Und Leute, die von einer Bühne was erzählen bei Konzerten und anderen Veranstaltungen. Und Frage 2: was genau, konkret, ist das Element, was Religion positiv unterscheidet?
Benutzeravatar
Lumen
 
Beiträge: 1133
Registriert: Sa 30. Okt 2010, 01:53

VorherigeNächste

Zurück zu Religion & Spiritualität

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 10 Gäste

cron