Der neue Papst - eine Zumutung?

Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon laie » Mi 24. Apr 2013, 19:20

Darth Nefarius hat geschrieben:Für mich ist eine Philosophie dann gut, wenn sie die Realität widergibt, wenn sie ein Menschenbild hat, welches nicht auf Sollen, sondern auf Sein basiert.


Das überrascht mich jetzt doch ein wenig. :doh: Aber vielleicht ist manchmal doch ganz sinnvoll, zwischen deskriptiven Aussagen und praeskriptiven Aussagen zu unterscheiden. :irre:

Darth Nefarius hat geschrieben:Ja, deswegen frage ich nicht, was der Mensch sollte (da ich die Frage grundätzlich für einen Zwang halte), sondern was er wirklich will.


Ich denke nicht, daß Sollen immer mit Zwang einhergeht. Grundsätzlich stehen wir alle unter einem sittlichen oder ethischen Anspruch, der sich ganz zwanglos aus der Tatsache ergibt, dass wir als reflektierende Wesen mit anderen reflektierenden Wesen interagieren. Wie ich diesem Anspruch genüge, ist noch einmal eine andere Frage. Natürlich kann man fragen, ob es diesen Anspruch tatsächlich gibt. Du kannst z.B. sagen, dass niemand einen Anspruch an dich hat. Aber damit wirst du dich vor einem Gericht, vor du dem stehst, weil du z.b. einen Verkehrsunfall verursacht hast mit ein paar Querschnittsgelähmten, mehreren Toten und Hinterbliebenen, nicht herausreden können. Der ethische Anspruch besteht immer da, wo wir in Gemeinschaft leben.

Was, wenn ich allein lebe? Dann gibt es doch kein sollen mehr, oder? Du wirst auch hier vor Entscheidungen gestellt und damit vor die Frage gestellt: soll ich A tun oder B? oder, falls es dir besser gefällt: Will ich A oder B tun? Und du wirst diese Fragen natürlich beantworten und auch begründen. Denn du bist ja ein reflektierendes Wesen. Du wirst z.B. vor dir begründen, warum du zuerst einen Sonnenschirm baust und danach einen Schafstall. Schon diese Begründungen individueller Entscheidungen in einer Robinson-Crusoe-Situation enthalten wertende Prädikate.

Aber wir sind nicht Robinson, sondern leben normalerweise zusammen mit anderen Menschen. Wir werden in eine Gesellschaft hineingeboren, deren Traditionen vor uns da waren und sehr wahrscheinlich auch nach uns da sein werden. Wir sind nicht in der Lage, dass wir zunächst ausserhalb der Gesellschaft stehen und gewissermassen erst nachträglich in ethische Fragen verwickelt würden, auf deren Beantwortung wir eigentlich auch verzichten könnten. In Wahrheit sind wir von Anfang an, spätestens sobald wir sprechen können, mit der ethischen Bewertung unserer und anderer Taten konfroniert.

Für die Begründung von Antworten auf solche ethischen Fragen kann man natürlich, wie du es tust, auf natürliche Kategorien verweisen. Man kann sagen: ich tue A, weil ich damit es so mache, wie es in der Natur auch geschieht. Und so, wie es in der Natur geschieht, ist es vernünftig, weil rational einsichtig. Auf diese Weise wird vom Sein auf das Sollen geschlossen, bzw. das Sein wird zur Begründung einer Entscheidung genommen. Und dieser Schluss ist falsch. Man kann ja auch umgekehrt nicht von: "du sollst nicht töten" darauf schliessen, dass der Löwe nicht die Antilope tötet. Oder?
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Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon stine » Do 25. Apr 2013, 06:50

Darth Nefarius hat geschrieben:Hoeneß hat sich selbst angezeigt und zugegeben, dass er einen Fehler gemacht hat. Durch diese Kriecherei versucht er jetzt seiner verdienten Haftstrafe zu entkommen. Das ist Kooperation mit dem Justizapparat. Er kann jetzt nur noch Schadensbegrenzung betreiben, das versucht er gerade.
Richtig. Aber sollte er nicht zuvor schon ganz freiwillig mit seinem Staat kooperiert haben und mit den Menschen, denen er seinen Erfolg verdankt?
Warum geht das nur wenn man erwischt wird?

LG stine
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Re: Der neue Papst - eine Zumutung?

Beitragvon Darth Nefarius » Do 25. Apr 2013, 18:21

laie hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Für mich ist eine Philosophie dann gut, wenn sie die Realität widergibt, wenn sie ein Menschenbild hat, welches nicht auf Sollen, sondern auf Sein basiert.


Das überrascht mich jetzt doch ein wenig. :doh: Aber vielleicht ist manchmal doch ganz sinnvoll, zwischen deskriptiven Aussagen und praeskriptiven Aussagen zu unterscheiden. :irre:

Keine Ahnung, was für dich daran irre ist, aber ich habe das hiermit getan. Ich lehne präskriptive Aussagen eher ab, versuche deskriptiv zu bleiben und kann dann auch weitere Entwicklungen ableiten.
laie hat geschrieben:Ich denke nicht, daß Sollen immer mit Zwang einhergeht.

Gut, formuliere dann einen Satz, der Sollen nicht impliziert aber mit "Du sollst"/man soll/sollte" anfängt! Sollen ist Zwang oder zumindest der Versuch, ihn auszuüben.
laie hat geschrieben:Grundsätzlich stehen wir alle unter einem sittlichen oder ethischen Anspruch, der sich ganz zwanglos aus der Tatsache ergibt, dass wir als reflektierende Wesen mit anderen reflektierenden Wesen interagieren.

Reflexion und die Interaktion mit reflektierenden Menschen impliziert keine Ethik oder Sitte. Man kann auch ohne sie auskommen, indem man utilitaristisch, hedonistisch und kooperativ-egoistisch handelt. Ich komme damit gut hin, sogar wohl besser als viele Moralisten.
laie hat geschrieben: Natürlich kann man fragen, ob es diesen Anspruch tatsächlich gibt. Du kannst z.B. sagen, dass niemand einen Anspruch an dich hat. Aber damit wirst du dich vor einem Gericht, vor du dem stehst, weil du z.b. einen Verkehrsunfall verursacht hast mit ein paar Querschnittsgelähmten, mehreren Toten und Hinterbliebenen, nicht herausreden können. Der ethische Anspruch besteht immer da, wo wir in Gemeinschaft leben.

Du vermengst kausale Teilhabe mit ethischer Verantwortung. Das ist auch eine Implikation. Da wo wir in der Gemeinschaft leben ist Vorsicht, Kooperation und gegenseitiger Nutzen angebracht, als intuitiver Zusatz existiert noch die Empathie. Das alles impliziert keine Ethik, macht sie eigentlich auch überflüssig (ebenso wie jede Instanz, die eine bestimmte predigt).
laie hat geschrieben:Was, wenn ich allein lebe? Dann gibt es doch kein sollen mehr, oder?

Das gibt es vorher auch nicht. Das Sollen ist die falsche Wiedergabe des eigenen Willens. Das hat wohl historisch-psychologische Hintergründe, die sich noch bis heute fortsetzen. Der Grundgedanke ist, dass der eigene Wille zum Egoismus deutet und der Egoismus schlecht ist, deswegen konstruiert man soetwas wie eine moralische Instanz wie die abstrakte Pflicht, ein Über-Ich (was damals durch eine Gottes-Illusion erledigt wurde). Der Anthropozentrismus ist leider noch nicht so weit vorgedrungen, dass er auch diese Entmenschlichung durch die Religionen überwunden hat. Kommt vielleicht noch.
laie hat geschrieben: Du wirst auch hier vor Entscheidungen gestellt und damit vor die Frage gestellt: soll ich A tun oder B? oder, falls es dir besser gefällt: Will ich A oder B tun?

Da hattest du mal einen guten Gedanken. Aber du könntest dir überlegen, ob diese Fragen tatsächlich äquivalent sind. In der Praxis schon, aber psychologisch und ethisch hat die Frage nach dem, was ich will eine andere Bedeutung als die , was ich soll.
laie hat geschrieben:Und du wirst diese Fragen natürlich beantworten und auch begründen. Denn du bist ja ein reflektierendes Wesen. Du wirst z.B. vor dir begründen, warum du zuerst einen Sonnenschirm baust und danach einen Schafstall.

Es kommt drauf an, wie ich die Entscheidungen begründe. Das haben sogar fehlgeleitete Ethiker verstanden, auch wenn sie die falschen Schlüsse daraus gezogen haben.
laie hat geschrieben:Aber wir sind nicht Robinson, sondern leben normalerweise zusammen mit anderen Menschen. Wir werden in eine Gesellschaft hineingeboren, deren Traditionen vor uns da waren und sehr wahrscheinlich auch nach uns da sein werden. Wir sind nicht in der Lage, dass wir zunächst ausserhalb der Gesellschaft stehen und gewissermassen erst nachträglich in ethische Fragen verwickelt würden, auf deren Beantwortung wir eigentlich auch verzichten könnten. In Wahrheit sind wir von Anfang an, spätestens sobald wir sprechen können, mit der ethischen Bewertung unserer und anderer Taten konfroniert.

Ist richtig, wir werden bewertet. Aber die bewertungen müssen nicht gerecht, richtig oder logisch sein. Letztlich kommt es darauf an, was du für angemessen hälst. Und Traditionen haben kein Gewicht/keinen Wert durch ihr Alter oder ihre Beständigkeit (welche ohnehin nur der geistigen Faulheit mancher Menschen zu verdanken ist).
laie hat geschrieben:Für die Begründung von Antworten auf solche ethischen Fragen kann man natürlich, wie du es tust, auf natürliche Kategorien verweisen. Man kann sagen: ich tue A, weil ich damit es so mache, wie es in der Natur auch geschieht. Und so, wie es in der Natur geschieht, ist es vernünftig, weil rational einsichtig. Auf diese Weise wird vom Sein auf das Sollen geschlossen, bzw. das Sein wird zur Begründung einer Entscheidung genommen. Und dieser Schluss ist falsch. Man kann ja auch umgekehrt nicht von: "du sollst nicht töten" darauf schliessen, dass der Löwe nicht die Antilope tötet. Oder?

Logische Konsequenzen sind nicht umkehrbar. Ursache und Wirkung lassen sich nicht vertauschen. Abgesehen davon, dass ich kein Sollen aus dem Sein ableite, sondern nur eine bessere Betrachtungsweise bekomme, um mir zu überlegen, was ich will (und dann entscheide ich unabhängig von einem Sollen), wäre die Annahme, dass man aus dem Sein ein Sollen ableitet nicht falsch, weil man es umgekehrt nicht könnte. Und auch davon abgesehen gibt es nicht das eine Paradebeispiel in der Natur, nach dem man vorgeht (man könnte dir wohl auch nicht mit einem Vorschlaghammer nicht die Illsuion aus dem Kopf bekommen, dass es nur ums Fressen und Gefressenwerden geht) oder vorgehen könnte. Die Natur zu betrachten hilft, sich die verschiedenen Möglichkeiten bewusst zu machen. Für alles scheint es 1000 mögliche Lösungen zu geben. Man hat die freie Wahl bei der Nachahmung, kann sich aber auch nur inspirieren lassen. Und dann muss ich mich entscheiden, welches Vorgehen in meiner Situation am angemessensten ist (ob etwas angemessen ist, entscheide ich durch Abwägen von Kosten, die unmittelbar oder verzögert auftreten könnten und dem ebenso auftretenden Nutzen. Welchen Nutzen für wen ich meine, habe ich schon zur Genüge geschrieben).
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