„Atheistischer Fundamentalismus“

Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Vollbreit » Fr 21. Feb 2014, 08:30

Lumen hat geschrieben:Bin an der Stelle gerade hängen geblieben und würde als Zwischenruf gerne von dir erläutert haben, was diese Stelle bedeutet. Was sind "mehr oder weniger populäre, einfache oder exotische Thesen"? Woher kommen die drei Kriterien?


Es sind Beispiele, die sich hieraus beipsielhaft ableiten:
Carsten Börger hat geschrieben:Fundamentalismus teilt die Welt in grobe aber eindeutige Kriterien und dem Einzelnen bleibt am Ende die Entscheidung: “Bist du dafür oder dagegen?” Nun sind manche Sachverhalte nicht so einfach, dass man es bei einem Ja oder Nein als Antwort belassen könnte, aber genau das empfindet der Fundamentalist als lauwarm, als Herumdrucksen. Ihm geht es ums Ganze.
http://www.psyheu.de/5285/fundamentalismus/


Eine populäre These meint hier das was man auch als Populismus kennt: Auf komplexe Sachverhalte wird mit einfachen Lösungen reagiert:
Wikipedia hat geschrieben:Populismus (lat.: populus, „Volk“) bezeichnet eine um „Nähe zum Volk“ bemühte Politik, die Unzufriedenheit, Ressentiments, Ängste, Hoffnung und aktuelle Konflikte ausdrückt und instrumentalisiert, indem sie Gefühle anspricht und einfache Lösungen vorstellt.

Populistische Bewegungen entstehen oft in Phasen raschen gesellschaftlichen Wandels und sind an eine charismatische Persönlichkeit gebunden. Als Populismus werden auch bestimmte Mobilisierungs- und Konsenssicherungsstrategien politischer Eliten sowie einzelner Führungspersonen bezeichnet. Zentraler Bestandteil solcher Strategien ist die Proklamation politisch relevanter Gewissheiten, existentieller Befindlichkeiten und Selbstverständlichkeiten oder „Wahrheiten“ nationaler, moralischer oder ökonomischer Art, wobei unterstellt oder zumindest behauptet wird, dass sie im Alltagsbewusstsein der Bevölkerungsmehrheit vorliegen und daher einer rationalen Erörterung und Begründung nicht bedürfen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Populismus


Eine einfache These soll in etwas dasselbe bedeuten: Einfach meint, nicht komplex.
Beachte: Nicht jede einfache These ist fundamentalistisch, aber Fundamentalismus reduziert komplexe Sachberhalte immer auf unterkomplexe Erklärungen.

Eine exotische These soll bedeuten, dass sie den meisten etwas wirr oder außergewöhnlich erscheint. In Kreisen von Verschwörungstehoretikern findet man diese Muster immer wieder, die Banales mit der argwöhnischen Frage: „Ist es nicht komisch, dass …?“ verbinden und nicht davor zurückschrecken mitunter skurrile Elemente in ihre Argumentation einzubauen, wie z.B. dass Hilter von einer Ufoflotte evakuiert worden sei.

Lumen hat geschrieben:Der "schleichende Übergang" bezieht sich auf Fundamentalismus -- verstanden. Sind einfachere, exotischere, oder populärer Thesen dem schleichenden Übergang zuträglich? Könnte ja sein, dass der Autor das findet.
Ja, natürlich.

Einfache Antworten auf komplexe Frage sind ein typisches Element regressiver Phänomene.
Mit Regression ist hierbei der Rückfall oder Rückgriff auf eine Lösungsstrategie gemeint, die eigentlich schon überwunden wurde, die in Zeiten von Stress oder unter dem Eindruck von Masseneffekten oder intimen Zweierbeziehungen immer wieder auftreten.

Eine alternative Möglichkeit besteht darin, dass jemand nie die Phase einer Differenzierung die über schwarz/weiß, gut/böse, dafür/dagegen, entweder/oder hinaus erreicht hat.
Diese Phänomene sind allle gute untersucht und wenn es Dich interessiert schreibe ich Dir da gerne mehr zu oder nenne Dir einige Quellen, frag einfach nach, wenn Du Bedarf hast.

Lumen hat geschrieben:Da es konkret um Atheismus geht, inwiefern ist der einfach, populär oder exotisch? Ohne schleichdenen Eingang in den Fundamentalismus geht es da schon nicht weiter. Das düfte ein Klacks sein, das für mich zu erläutern :)
In der simplifizierenden = einfachen, unterkomplexen Antwort, dass die Welt viel besser wäre, wenn es keine Religionen gäbe, die von Dir immer und immer wieder, mit den üblichen Blut und Sperma Bildern ausgeschmückt, in eher boulevardesker als seriöser Weise präsentiert wird. Das diese stimmungsanheizenden Einschübe obendrein diskursmordend sind, sei noch miterwähnt.

Was den atheistischen Fundamentalismus angeht, werden hier meine ersten beiden Kriterien (Du hast ja noch keine gefunden, also nehme ich so lange meine) bedient:

1) Religion wird a priori und ausschließlich als Problem, Krankheit, Störung... interpretiert und sämtliche positiven Aspekte der Religion werden ausgeblendet oder es wird von Fundamentalisten geleugnet, dass es überhaupt welche gibt.

2) In Fällen in denen Religion (oder deren Interpretation) tatsächlich als problematisch, aggressiv, intolerant oder destruktiv angesehen wird, wird nicht ausreichend geforscht, ob Religion die Ursache oder Teil einer anderen Ursache ist. Ferner wird nicht differenziert, wo Religion die Quelle ist und wo sie instrumentalisiert wird.

Zu 2) hast Du Dich nie geäußert.

Zu 1) gab es einmal die Frage von Dir:

„1. Was ist der positive Nutzen von Religion?“ (Lumen)

Meine stichwortartige Antwort darauf war:

„- Ermöglichung demographischer Stabilität
- Resilienz
- Hohe Funktionalität (derzeit versucht man der Religion ihren Mechanismus abzulauschen, da man ihn als erfolgreich ansieht, möchte aber nach Möglichlicht nicht religiösen werden müssen)
- Sinngebung und Orientierung
- Soziale Bindung

Es gibt weitere Punkte, aber das soll erst mal reichen.“

Du fandest es nicht für nötig, darauf weiter einzugehen. Was darf ich daraus ableiten?

a) Du stimmst zu?
b) Du hast eine Frage gestellt, deren Bentwortung Dich überhaupt nicht interessiert? (Falls ja: Warum tust Du das?)
c) Du hast es überlesen?
d) Die Antort überfordert Dich und Du weichst ihr aus?
e) Alternative Möglichkeit? (dann bitte erläutern)

Dann noch ein Frage:
Warum hast Du diesen Thread eröffnet.
Es wäre nett, wenn Du als Gegenleistung auf mein Bemühen Deine Fragen zu beantworten auch mal den scheuen Versuch unternähmest Farbe zu bekennen.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Vollbreit » Fr 21. Feb 2014, 12:50

Lumen hat geschrieben:Ich halte es inzwischen für möglich das du und/oder Vollbreit solche Ansichten haben, sozusagen der post-moderne Wert „je sperriger und unverständlicher umso besser“ (das ist jetzt polemisch, aber es dürfte damit klar werden, was gemeint ist). Umgekehrt wären nicht-Post-Moderne Leute schon von vornherein mit einem Bein im Fundamentalismus. Alles schleichende Übergänge, da kann man sich nicht rausreden.

1) Schau Lumen, wie Du ja weißt und ich hier merhfach erwähnte, bin ich einer von den Integralen. Der Initiator dieser integralen Bewegung, Ken Wilber, zeichnet sich u.a. durch eine beißende Kritik an der überzogenen Postmoderne aus, was Du an beliebigen Stellen finden kannst und in der Szene unter „Boomerritis“ oder „mean green meme“ läuft, das fiese grüne Mem ist dabei das Pluralismus und Postmodernismus ins Pathologische überzieht. Wilber führt hier geradezu einen manchmal überzogen wirkenden privaten Kleinkrieg gegen diese Einstellungen, was im Kontext der anderen amerikanischen Verhältnisse plausibler wird, in Europa aber manchmal so schräg wirkt, wie die Tiraden von Dawkins und Konsorten.
Wenn Du wirklich denkst, dass ich mich mit der integralen Bewegung identifizieren kann bin und das darfst Du denken, weil es stimmt, passt der Vorwurf des allzu Postmodernen mit dem des Integralen schlicht nicht zusammen, was Du aber nicht weißt, weil Du weder das eine noch das andere kennst.
(Kannst Dich ja hier, im vierten Kreis der Hölle, mal vorsichtig umschauen. Klemm Dir den Gotteswahn unter den Arm und iss vorher Knoblauch, dann passiert auch nichts: http://integralesleben.org/il-home/il-i ... z-gefasst/ )

2) Was uns unterscheidet, ist, dass ich das Buch von Sokal und Bricmont, auf das Du Dich so gerne beziehst, Eleganter Unsinn, tatsächlich gelesen habe, Du hingegen nicht. Und so weißt Du auch nicht, dass die Motivation keinesfalls eine wütende Attacke auf das postmoderne Denken als solches ist – Derrida und andere werden von den Autoren ausdrücklich von der Kritik ausgenommen – sondern dass es ihnen einzig um eine Kritik an den Auswüchsen ging.

Wie Nanna schrieb, hat man sich die Kritik zu Herzen genommen, namentlich und stellvertrerend Umberto Eco hat die Auswüchse beerdigt und seit dem gelten dort neue Standards.
Ansonsten kenne ich diese Attacken gegen den Pluralismus vor allem von Ratzinger.


Lumen hat geschrieben:Zum Beispiel könnte eine schleichender Übergang zum Amokläufer postuliert werden. Derjenige ist „mehr oder weniger“ gerne allein und hat mit hoher Wahrscheinlichkeit im Monat vor der Tat „mehr oder weniger“ Medien konsumiert. Solche Leute sind auch „mehr oder weniger“ jung und es konnte gezeigt werden, dass in einem gewissen Zeitraum vor ihrer Entscheidung Nudeln, oder Brot gegessen haben. Uuhh! Einwände werden dann damit kommentiert, dass zwar Amokläufer zuvor Brot oder Nudeln aßen, aber, aber lieber Lumen! — Logik! — es nicht heißt, das alle Nudel- oder Brotkonsumenten Amokläufer seien. Schachmatt! Bei derlei scharfsinniger Argumentation muss ich mich wohl geschlagen geben.

Dass Du Problem mit allem was nicht ganz oder gar nicht ist hast, wissen wir.

Hier offenbart sich eine weitere Verwirrung: Du kannst scheinbar nicht zwischen notwedingen und hinreichenden Bedingungen auf der einen Seite und dem unterscheiden, was überhaupt keine kausale Bedingung ist, sondern eine bestenfalls zufällige Korrealtion aus der sich keine Kausalität ableiten lässt.
Hitler mochte Mehlspeisen und die Bilder von Carl Spitzweg, daraus folgt nicht, dass die Präferenz von Mehlspeisen und Spitzweg-Bildern jemandem zum Nazi macht.
Mach erst mal Deine Hausaufgaben, wenn das nicht sitzt, hast Du nicht mal in der Naturwissenschaft was verloren, da kannst Du wild verlinken, bis Du grün wirst.

Lumen hat geschrieben:Wir wissen nichtmal, was der Sinn der Übung ist. Soll das so sein, das Atheisten fortan zu den Fundamentalisten zählen? Manche, einige, wenige lass ich bei den ganzen „mehr oder weniger“ und „schleichenden Übergängen“ und ansonsten beliebigen Unterstellungen nicht gelten.
Das juckt mich doch nicht, was Du gelten lässt, Du arbeitest ja mit Nachdruck daran, dass Dich täglich weniger Leute ernst nehmen.

Lumen hat geschrieben:Selbst das Kriterium „Paranoia“ wurde abgestuft und dann reden wir hier nicht von einer Untersuchung, sondern von Diskussionsgegnern, die irgendeine Paranoia-Stufe einfach unterstellen.
Das Kriterium für Paranoia wurde nicht abgestuft, sondern es ist abgestuft.
Der Hintergrund, der Dir unbekannt ist, ist eine langjährige Diskussion innerhalb der Psychologie, zwischen kategorialen und dimensionalen Interpreten. Die Kategorialen meinen, jede psychische Erkrankung sei eine eigene Erkrankung und von anderen abgegrenzt, die Dimensionalen meinees handle sich bei psychischen Erkrankungen um schleichende Übergänge und fortschreitende Eskalationen (zum Pathologsichen hin) bzw. fortschreitende Komplexitäten (zum Gesunden hin).
Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte, so dass man heute einerseits klare Kriterien kennt um 1) Psychosen (die schwerste Form einer psychischen Erkrankung und das geringste Oragnsisationsnievau, respektive der Zusammenbruch des psychischen Organisation, 2) schwere Persönlichkeitsstörungen (schwere psychische Pathologien) und 3) Neurosen oder leichte Persönlichkeitsstörungen zu differenzieren. Die genauen Arten und Kriterien der Differezierung, reiche ich Dir auf Nachfrage gerne nach, ansonsten unterstelle ich aus emprischer Erfahrung, dass Dich das Thema nicht sonderlich interessiert.
Gleichzeitig neben den abgrenzenden Kriterien ist aber erwiesen, dass Psychopathologien diese Übergänge kennen und immer mehr esaklieren. So ist z.B. die narzisstische Persönlichkeitsstörung eine Erkrankung, die in der leichtesten Form mit einer moderaten Grandiosität einhergeht und kann durch das „einsickern“ von Aggression und dadurch einer pathologischen Verzerrung u.a. des integrierten Wertesystems immer mehr entarten und über das allmähliche Auftreten von antisozialen Zügen sich mehr und mehr bis zum Bild des malignen Narzissmus verdichten und schließlich als Endpunkt zur antisozialen Persönlichkeitsstörung, die damit die härteste Form des Narzissmus darstellen.

Doch sowohl Narzissmus als auch Paranoia beginnen im Gesunden und stellen gewissermaßen die Antipoden der Psyche dar. Im Gesunden manifestiert sich das paranoide Element in gesundem Misstrauen vom Menschen, die sich nicht alles unhinterfragt erzählen lassen, gesunder Narzissmus ist die Fähigkeit dafür zu sorgen, dass man vom Kuchen des Lebens auch ein Stück abbekommt.
Beide Formen können eskalieren (bzw. die Psyche ist dann von Anfang an nur unzureichend komplex organisiert – ich kann das auch Wunsch Länge mal Breite ausführen, ich bin da wirklich sehr kenntnisreich, was die Paranoia angeht reicht ein Blick in wiki, der das ebenfalls anreißt:
Wikipedia hat geschrieben:Die Betroffenen leiden an einer verzerrten Wahrnehmung ihrer Umgebung in Richtung auf eine feindselige (im Extrem bösartig verfolgende) Haltung ihrer Person gegenüber. Die Folgen reichen über ängstliches oder aggressives Misstrauen bis hin zur Überzeugung von einer Verschwörung anderer gegen sich.
Das Spektrum paranoider Reaktionen reicht von neurotischen Formen einer paranoiden Neigung bis zu schweren psychotischen Ausprägungen. Die neurotische paranoide Persönlichkeit ist durch übertriebene Empfindlichkeit gegenüber Zurückweisung, besondere Kränkbarkeit sowie Misstrauen gekennzeichnet. Sie neigt dazu, neutrale oder freundliche Handlungen anderer als feindlich oder verächtlich zu interpretieren (paranoide Persönlichkeitsstörung). Häufig werden wiederkehrende und unberechtigte Verdächtigungen hinsichtlich der sexuellen Treue des Ehegatten oder Sexualpartners (Eifersuchtswahn) und streitsüchtiges Bestehen auf eigenen Rechten gefunden. Betroffene neigen andererseits zu übertriebener Selbstbezogenheit (ICD-10).
http://de.wikipedia.org/wiki/Paranoia


Lumen hat geschrieben:Nebenbei wird ein Stil etabliert, andere Leute zu beleidigen, unter dem Anschein, es sei eine gültige Herangehensweise.
Lumen, was Beleidigungen, Grenzüberschreitungen, Unterstellungen und miesen Stil angeht, halt Dich mal schön geschlossen und guck 12 Stunden in den Spiegel Deiner kernverwirrten Beiträge.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Fr 21. Feb 2014, 13:51

Neuer Atheismus vs. Populismus
Weder sind die Themen und zentralen Punkte einfach, und sie bedienen auch nicht — nichtmal Ansatzweise — dem vorherrschenden „Alltagsbewusstsein der Bevölkerungsmehrheit“. Sie sind nach deiner Erklärung auch nicht exotisch. Wenn es nach oberflächlichen Kriterien ginge, wäre Nanna und die Akkomodationisten-Fraktion aber sowas von populistisch. Das ist immerhin die konservative Sichtweise alles in Ruhe zu lassen, und verbindet sich hier noch wunderbar mit eher linkem Kulturalismus oder Relativismus. Auch dem traditionellen CDU Wähler, der stereotyp am bayrischen Stammtisch sitzt dürfte es gefallen, dass seine Kirche und sein Glaube nicht von hochtrabend quasselnden Leuten attackiert wird.

Bleibt also übrig, dass die religionskritische oder religionsfeindliche (antitheistische) Haltung selbst als „einfach“ tituliert wird. Das würde dann die steile These aufstellen, dass jede Form der Positionierung „einfach“ wäre. Wir denken an das Nazibeispiel zurück. So gesehen ist „gegen Rechts“ auch einfach. Das kannst du gerne finden, ist aber ohne Konsequenz.

Positive Eigenschaften von Religionen
Es gibt keine einzige einzigartige (!) positive Eigenschaft von Religion, aber negative. Alles von Meditation bis Gemeinschaftsgefühl, von Identität bis Geborgenheit gibt es anderswo auch, und mitunter besser. Als Gesamtpaket geht es in eine totalitäre Richtung, ein „himmlisches Nordkorea“ wie Hitchens es nannte, überwacht von Geburt bis über den Tod hinaus und reglementiert von Mittagstisch bis ins Schlafzimmer. Meine Kritik geht aber vor allem gegen den Glauben (im Sinne von „Faith“). Glaube ist Glaube, egal in welcher Tradition, weswegen wir sinnvollerweise zwischen Gläubigen (irgendeiner Religion irgendeiner Intensität) und Ungläubigen unterscheiden. Interessanterweise sind alle Gläubigen zugleich ungläubig gegenüber der meisten oder allen anderen Glaubensangeboten. Damit ist strenggenommen der Unglaube der große gemeinsame Nenner, der aber vom Glauben an die eine Religion fast immer überschattet wird. Zudem sind Religionen/Glaube von Natur aus sektiererisch. In den USA allein gibt es rund 38.000 verschiedene christliche Konfessionen. Natürlich sorgen sich gegeneinander widersprechende, exklusiv offenbarte, einzig wahre und höchstwichtige „Erkenntnisse“ für reichlich Konflikte. Im Gegensatz dazu: Wenn in Tokyo ein Forscherteam neue Erkenntnisse in der Physik gewinnt, dann wird daraus nicht die tokyoter Physik, die sich anders als die Londoner entwickelt, sondern — wenn es bestätigt werden kann — erweitert sich das Verständnis aller.

Religion als Ursache vs Religion als Instrument
Dieser Aspekt geht komplett am Sachverhalt und an der Kritik vorbei. In dem von dir genannten Argument (bzw. Vorwurf) ging es darum, den Anspruch der Christen auf „christliche Nächstenliebe“ mit der Geschichte zu kontrastieren. Kurzum, ich vertrat die Ansicht, dass Dieter, 47, kein „liebevoller Vater“ ist, wie seine Freunde und Ehefrau behaupten, denn Dieter saß früher mal wegen sexueller Übergriffe auf seine erste Tochter im Gefängnis. Ich finde es absurd, dass seine Freunde und Angehörigen an dieser bizarren Sicht festhalten, obwohl ihm die Tat zweifelsfrei nachgewiesen wurde. Auch wenn er seitdem nichtmehr aufgefallen war, ist aus meiner Sicht seine Vorbildfunktion für angegende Väter futsch. Sollte er Kindergärtner werden? Ich finde nicht. Ich finde da gibt es genügend andere Kandidaten, sodass man auf Dieter verzichten kann. Das war das (eine) Argument, nochmal einfach aufbereitet, auf das du dich beziehst.

Wollen wir über Glaube, Verteilung von Autoritäten und Herrschaftsstrukturen diskutieren, oder gar das ganze Feld der kognitiven Mechanismen, Konformität, menschliches Verhalten im Zusammenhang mit Religion aufrollen? Das glaube ich nicht. Wer schon bei solch einfachen Sachverhalten derartig heftig dagegen geht, wie ihr beide, hat schon gezeigt, dass es da einen tiefen Glauben in Glauben und Religion gibt. Außerdem habt ihr gefordert, das euer Glaube nicht erschüttert werden soll.

Analog dazu: Man kann ein Fußballspiel niemals zu Null gewinnen, wenn man mehrere Gegentore kassiert hat. Eure aktuelle Idee ist doch in etwa: „Lumens Ansichten zu Gegentoren und zu Null gewinnen dachte ich früher auch mal, inzwischen ist mir das zu einfach und fundamentalistisch“.

Zweiter Text
Den zweiten Text von dir werde ich jetzt nicht beantworten, da soll Nanna erstmal nachlegen. Nur soviel, es geht nicht um Derrida und Eco, sondern um gelegentlich antreffbare post-modern gefärbte Ansichten, hier vor allem eure: dein Link zu Fakten und Spekulationen zum Beispiel (den du hier beteilt hast), oder Nannas Behauptung Evolutions/Theorie sei Herrschaftsmeinung. Weiterhin finde ich es bezeichnend, dass du nur weiter Nebelwände aufwirfst, und immer noch nichts klärendes zum Sachverhalt beiträgst. Jetzt haben wir noch was zu Narzissmus, Psychosen und sonstwas, aber wissen immer noch nicht, was du hier meinst oder willst. Mein Interesse und Thema war, herauszufinden, was konkret behauptet wird und ob es sich halten lässt. Mehr als dich zum hundersten Male zu fragen, kann ich auch nicht.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Vollbreit » Fr 21. Feb 2014, 16:34

Lumen hat geschrieben:Neuer Atheismus vs. Populismus
Weder sind die Themen und zentralen Punkte einfach, und sie bedienen auch nicht — nichtmal Ansatzweise — dem vorherrschenden „Alltagsbewusstsein der Bevölkerungsmehrheit“. Sie sind nach deiner Erklärung auch nicht exotisch.
Doch. Diese These Religion ist schlecht und an allem Übel der Welt schuld, ist das grenzenlos primitive Mantram Deiner Ausführungen.

Lumen hat geschrieben:Wenn es nach oberflächlichen Kriterien ginge, wäre Nanna und die Akkomodationisten-Fraktion aber sowas von populistisch.
Nach fundamentalistischer Rechnung ja, die geht so: Sei heiß oder kalt, Ausgewogenheit ist ein Euphemismus für Rumsülzen. Ist überbekannt, Lumen.

Lumen hat geschrieben:Das ist immerhin die konservative Sichtweise alles in Ruhe zu lassen, und verbindet sich hier noch wunderbar mit eher linkem Kulturalismus oder Relativismus.
Ja, ich glaube auch mit Mao, Hitler und den Schlümpfen.

Lumen hat geschrieben:Auch dem traditionellen CDU Wähler, der stereotyp am bayrischen Stammtisch sitzt dürfte es gefallen, dass seine Kirche und sein Glaube nicht von hochtrabend quasselnden Leuten attackiert wird.
Vox Populi, Vox Rindvieh, sagen Pseudointellektuelle dazu, kenn ich alles, kann ich singen.
Überrasch mich, Baby.

Lumen hat geschrieben:Bleibt also übrig, dass die religionskritische oder religionsfeindliche (antitheistische) Haltung selbst als „einfach“ tituliert wird.
Religionsfeindlichkeit, so wie Du sie darstellst, ist gnadenlos undifferenziert und seicht, ja, das ist meine Meinung.

Lumen hat geschrieben:Das würde dann die steile These aufstellen, dass jede Form der Positionierung „einfach“ wäre.
Nein, nur simple schwarz/weiß Weltbilder sind in der Weise primtitiv, wie oft muss man das wiederholen, damit Du es kapierst? 17 mal?

Lumen hat geschrieben:Wir denken an das Nazibeispiel zurück. So gesehen ist „gegen Rechts“ auch einfach. Das kannst du gerne finden, ist aber ohne Konsequenz.
Nazis sind an aller Regeln simpel gestrickt, Ausnahmen gibt es, eine brillante Annäherung an diesen Sachverhalt stellt das Buch Die Wohlgesinnten ( http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Wohlgesinnten ) von Jonathan Littell dar.
Hier wird der in Teilen komplexe und schöngeistige Charakter des schwulen Nazis Dr. Max Aue gezeigt, der mit psychosomatichen Kotzanfällen auf die Erschießungen denen er beiwohnt, ohen selbst zu schießen, reagiert, der Bach liebt, der ein Intellektueller ist, der eien Genießer ist, der skrupellos ist, der schwul ist, weil die einzige Frau mit der er in jungen Jahren erfüllenden Sex hatte und die er vergöttert seine Schwester ist, mit dem und dessen Denken und Fühlen man sich immer wieder identifizieren kann, der die zweckrationale Denkweise der Auschwitzmaschinerie samt ihrem Pseudoverstehen entlarvt weil er sie unverblümt lebt: Aue setzt sich dafür ein, dass die Juden in den Konzentrationslagern gut behandelt werden, schließlich braucht man gesunde Arbeitskräfte für die Produktion, alles sehr auf Effektivität und Nutzen bedacht, ein verstörendes Buch weil man Aue irgendwie sympathisch finden kann.

Lumen hat geschrieben:Positive Eigenschaften von Religionen
Es gibt keine einzige einzigartige (!) positive Eigenschaft von Religion, aber negative.
Heißt das, dass es damit auch keine einzige positive Eigenschaft von Religionen gibt, oder versuchst Du Dich gerade aus der Affäre zu stehlen? Du ahnst immerhin, dass Du schlechte Karten hast, in diesem Punkt, darum konkrete Nachfrage: Ist alles was Religion tut und will nur schlecht? Das will ich beantwortet haben!

Lumen hat geschrieben:Alles von Meditation bis Gemeinschaftsgefühl, von Identität bis Geborgenheit gibt es anderswo auch, und mitunter besser.
Dass es etwas anderswo auch gibt, ist ein Argument wofür oder wogegen?
Wenn Du sagst man könne auch als Atheist die Armen speisen, dann stimmt das, aber das religiöse Menschen es dennoch auch tun, bleibt ein Faktum. Ist das schlecht?

Lumen hat geschrieben:Als Gesamtpaket geht es in eine totalitäre Richtung, ein „himmlisches Nordkorea“ wie Hitchens es nannte, überwacht von Geburt bis über den Tod hinaus und reglementiert von Mittagstisch bis ins Schlafzimmer.
Was Hitchens sagt interssiert mich nicht und wertet Deinen Non Sequitur Fehlschluss den Du hier begehst nicht auf.

Lumen hat geschrieben:Meine Kritik geht aber vor allem gegen den Glauben (im Sinne von „Faith“). Glaube ist Glaube, egal in welcher Tradition, weswegen wir sinnvollerweise zwischen Gläubigen (irgendeiner Religion irgendeiner Intensität) und Ungläubigen unterscheiden. Interessanterweise sind alle Gläubigen zugleich ungläubig gegenüber der meisten oder allen anderen Glaubensangeboten. Damit ist strenggenommen der Unglaube der große gemeinsame Nenner, der aber vom Glauben an die eine Religion fast immer überschattet wird. Zudem sind Religionen/Glaube von Natur aus sektiererisch.
Na da haben sie mit den Neuen Atheisten ja dick was gemeinsam. Gleich und gleich gesellst sich gern.

Was Du nun gegen den Glauben hast und gegen welchen speziell ist a) weder klar gewortden, noch b) begründet.
Gar nicht gemerkt?

Lumen hat geschrieben:In den USA allein gibt es rund 38.000 verschiedene christliche Konfessionen.
Was Du nicht sagst.
Auf dem Campingplatz in Bozen liegen die Toiletten separat.

Lumen hat geschrieben:Natürlich sorgen sich gegeneinander widersprechende, exklusiv offenbarte, einzig wahre und höchstwichtige „Erkenntnisse“ für reichlich Konflikte. Im Gegensatz dazu: Wenn in Tokyo ein Forscherteam neue Erkenntnisse in der Physik gewinnt, dann wird daraus nicht die tokyoter Physik, die sich anders als die Londoner entwickelt, sondern — wenn es bestätigt werden kann — erweitert sich das Verständnis aller.
Herzlichen Glückwunsch, wieder mal grandios Dein Unwissen offenbart.
Wenn wirklich irgendwo was drunter und drüber geht, dann in der Physik. Klar, wenn mal Konsens herrscht, dann ist das so, aber das ist in religiösen Organisation auch so.
Wissenschaft ist ein einziges Hauen und Stechen, wenn alles gut geht, auf dem Niveau des Streits um die besten Theorien, leider inzwischen mit einigen Infiltrationen von Ideologie und Wirtschaftsinteressen. Wie hieß noch mal der Wissenschaftsbetrüger dem Dawkins aufgesessen ist? Marc Hauser, oder?
War das nicht der der alles viel besser konnte, als die Moralsphiliosopen, wie wir im Gotteswahn über lange Seiten lesen können?
Bist Du denn jetzt eigentlich in Sippenhaft zu nehmen für den Betrüger Hauser, unterstützt Du Betrug, Lumen?
Oder gilt das nur für Religiöse, dass man sie für die Vergehen der Inquisition vor mehreren Hundert Jahren verantwortlich machen kann? Erklär mir mal, woraus Du da den Unterschied ableistest, ich kann ihn nämlich nicht erkennen?
Wie ist das eigentlich mit KZ-Ärzten die im Namen der Wissenschaft ihre Experimente gemacht haben? Bist Du für die in Sippenhaft zu nehmen, Lumen? Wenn nein, warum möchtest Du jeden harmlos Betenden für den 11. September in Sippenhaft nehmen?
Erklär mal diesen Widerspruch.

Lumen hat geschrieben:Religion als Ursache vs Religion als Instrument
Dieser Aspekt geht komplett am Sachverhalt und an der Kritik vorbei.
An welcher?

Lumen hat geschrieben:In dem von dir genannten Argument (bzw. Vorwurf) ging es darum, den Anspruch der Christen auf „christliche Nächstenliebe“ mit der Geschichte zu kontrastieren.
Äh, nein.

Lumen hat geschrieben:Kurzum, ich vertrat die Ansicht, dass Dieter, 47, kein „liebevoller Vater“ ist, wie seine Freunde und Ehefrau behaupten, denn Dieter saß früher mal wegen sexueller Übergriffe auf seine erste Tochter im Gefängnis. Ich finde es absurd, dass seine Freunde und Angehörigen an dieser bizarren Sicht festhalten, obwohl ihm die Tat zweifelsfrei nachgewiesen wurde. Auch wenn er seitdem nichtmehr aufgefallen war, ist aus meiner Sicht seine Vorbildfunktion für angegende Väter futsch. Sollte er Kindergärtner werden? Ich finde nicht. Ich finde da gibt es genügend andere Kandidaten, sodass man auf Dieter verzichten kann. Das war das (eine) Argument, nochmal einfach aufbereitet, auf das du dich beziehst.
Woraus leitest Du irgendeine Meinung von mir zu diesen Konstrukt ab?
Ich habe mich dazu überhaupt nicht geäußert.

Was ich meine, ist das: Es ist möglich und richtig, dass Religionen im Kontext von Straftaten, Krieg, Unterdrückung oder sonstigem eine Rolle spielen.
Hier gilt es zu unterscheiden, ob Religionen a) Ursache sind, b) Brandbeschleuniger sind = nicht ursächlich verantwortlich aber auch nicht lindernd, sondern verschärfend wirken, c) lindern und eindämmen oder d) nur korrellierend auftreten. Alles ist möglich und im Einzelfall zu prüfen.
Atheistische Fundamentalisten, die sonst den Gläubigen nicht mal glauben, wenn sie nach dem Weg fragen, nehmen diese, wenn sie religiöse Motive einer Straftat angeben (und nur dann und dort!) absolut beim Wort und alles was sie sagen für bare Münze. Passt ja lückenlos in das kleinkarierte Weltbild, was da gesagt wird und wird daher dankend angenommen. Ist das nicht komisch? Cui bono, Lumen? Etwa den atheistischen Fundamentalisten, die ihre Vorurteile bestätigt haben wollen?
Tja, Sachen gibt’s.

Lumen hat geschrieben:Wollen wir über Glaube, Verteilung von Autoritäten und Herrschaftsstrukturen diskutieren, oder gar das ganze Feld der kognitiven Mechanismen, Konformität, menschliches Verhalten im Zusammenhang mit Religion aufrollen? Das glaube ich nicht.
Nein, Du willst nicht diskurtieren, das weiß ich.
Du hast auch keine guten Argumente, darum diskutierst Du auch nicht, sondern versuchst unablässig zu dozieren.
Das misslingt Dir, weil Dir einfach die Klasse fehlt und es schon längst nur noch peinlich und eine Frage der Zeit ist, wann das Fremdschämen überwiegt und man geht, statt Dich in allen Punkten zu widerlegen.

Lumen hat geschrieben:Wer schon bei solch einfachen Sachverhalten derartig heftig dagegen geht, wie ihr beide, hat schon gezeigt, dass es da einen tiefen Glauben in Glauben und Religion gibt. Außerdem habt ihr gefordert, das euer Glaube nicht erschüttert werden soll.
Stopp mal.
Abgesehen davon, dass Du mich auch dazu nie befragt hast und Nanna hierzu eine andere Meinung hat.
Ich glaube an den Glauben. Die halte die Fähigkeit von Menschen glauben zu können, nicht nur aber auch im relgiösen Kontext, für sinnvoll und gut.Nicht immer und umfassend, aber so weit, dass ich mich dazu bekennen kann. Nanna nicht, wie ich gelesen habe und Du überlesen hast.
Nun mach was draus, wenigstens in diesem einen Punkt: Falls Du es wieder mal nicht unterdrücken kannst, führ auf 30 Zeilen aus, warum ich deshalb mit Sicherheit auch kleine Kinder fresse und Steuern hinterzhiehe, ich les den Blödsinn eh nicht und dann erklär mir bitte, warum der Glaube an den Gauben schlecht ist, günstigstenfalls mit ein paar echten Argumenten. Muss doch ein Heimspiel für Dich sein.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Nanna » Sa 22. Feb 2014, 00:06

Lumen hat geschrieben:Das kommt sehr genau darauf an, ob du tatsächlich haarspaltest und damit auf die triviale Aussage hinaus möchtest, das die Karte mit dem Gebiet nicht identisch ist oder ob du meinst, dass “Evolution” (das Gebiet) selbst kein Fakt ist. Deine Argumentation deutet auf letzteres hin (d.h. das Gebiet gibt es nicht, sondern es ist nur „herrschende Meinung“). Im ersten Fall verlierst du das Haarspalter-Karate auch, denn die Evolutionstheorie gibt es in dem Sinne, als das sie das Projekt ist, dass ein gewisser Herr Darwin tatsächlich begonnen hat und folglich irgendwann “Evolutionstheorie1” enstanden ist. Also ist sie in diesem Sinne auf jedenfall ein Fakt.

Die Karte ist mit dem Gebiet nicht nur nicht identisch, sie bildet es auch nicht ab. Sie ist die Manifestation eines bestimmten Blickes, den jemand auf das Gebiet hatte und dann in eine Niederschrift - die Karte - verwandelt hat. Das nur, um mal zu verdeutlichen, wie weit selbst die einfachsten Modelle von der Wirklichkeit weg sind, zu der wir keinen direkten Zugang haben. Wir wissen nicht, wie es "wirklich" ist, wir können nur Theorien entwickeln und diese dann dem Wirklichkeitstest aussetzen. Insofern ist keine Theorie richtig, sondern allenfalls passend.
Dass es etwas gibt, worauf die Theorie sich bezieht, ist klar und wird von niemandem bezweifelt (deshalb geht deine Nennung der Sokal-Affäre auch ins Leere), aber ob unsere Interpretation besonders gut und vollständig ist, oder nicht, wissen wir nicht und können wir auch nie wissen (sagt kein postmoderner Dämon, sondern der Erzrationalist Popper). Insofern ist jede wissenschaftliche Theorie, die akzeptiert wird, "herrschende Meinung". Wer etwas anderes vertritt, hat a) an der Uni im Propädeutikum nicht aufgepasst und b) ein anstelle religiöser Dogmen ein neues szientistisches Dogma akzeptiert, was ungefähr genauso lahm ist. Egal, wie groß die Sehnsucht ist: Es gibt keinen festen Grund mehr und schuld daran ist die Aufklärung. Man kann daraus entweder den Schluss ziehen, dass ein neues fester Grund her muss und mit allen Mitteln durchgedrückt werden muss (das tun religiöse Fundamentalisten, Szientisten und atheistische Fundamentalisten, wenn man sie so nennen will), oder man kann in das strikt relationale, intersubjektive Spiel mit deduktiven Theorien eintreten, womit der Nachteil einhergeht, dass alles vorläufig und unfertig ist - gültig auch für die Evolutionstheorie. Natürlich ist sie deshalb trotzdem eine tolle Theorie und eine der wichtigsten naturwissenschaftlichen, die wir haben. Mit der Aussage, dass sie "herrschende Meinung" ist, war keine Abwertung verbunden (allerdings ein vorsichtiger Hinweis darauf, dass auch sie keine Letztgültigkeit beanspruchen kann). Es sollte dir doch eigentlich entgegenkommen, dass wissenschaftliche Theorien eben nicht den Status dogmatischen Offenbarungswissens haben. Aber dann musst du auch konsequent sein, und nicht eine Quasi-Letztgültigkeit durch die Hintertür einführen.

Lumen hat geschrieben:Wie ich deine Aussage aber interpretiere, siehst du den Mechanismus selbst als nicht faktisch an. Karte-Gebiet-Analog ist damit gemeint, dass es die Bergspitze deiner Absicht nach selbst nicht gibt, und nicht, dass verschiedene Leute sich uneins sind ob die Bergspitze zu diesem oder jenem Gebirge zählt.

Meine Aussage dazu wäre, dass es etwas gibt, was wir Bergspitze nennen (in dem Sinne, dass etwas Physisches vorhanden ist), aber dass das Zeichen für Bergspitze und seine Abgrenzung zu anderen Zeichen (Zeichensysteme sind strikt relational und nicht-essentialistisch) menschliche Konstrukte sind, die auf sozialen Konventionen beruhen (zeigt sich beispielsweise schon darin, dass wir "Bergspitze" und nicht "qimma" (Arabisch) oder "mountain peak" sagen).

Lumen hat geschrieben:Also egal, wie man die Karte zeichnet, die Bergspitze ist da. Für Einstein wäre die Bergspitze nur ein Hügel auf einer größeren Bergkette. Was bringt uns das hier?

Nan-in, a Japanese master during the Meiji era, received a university professor who came to inquire about Zen.
Nan-in served tea. He poured his visitor’s cup full, and then kept on pouring. The professor watched the overflow until he no longer could restrain himself. “It is overfull. No more will go in!”
Like this cup, Nan-in said, you are full of your own opinions and speculations. How can I show you Zen unless you first empty your cup?
(*SCNR*)

Oder anders gesagt: Mach mal langsam und hör in Ruhe zu. Wenn du einen Gedankengang über ein komplexes Thema gleich nach den ersten ein, zwei Stationen abbrichst und ungeduldig fragst, wo uns das hin bringt, dann kommen wir nie an. Wir reden hier (zumindest war das ursprünglich mal der Plan) über den Begriff des atheistischen Fundamentalismus. Wie sollen wir das anstellen können, wenn wir noch nicht einmal darüber einig sind, was ein Begriff ist, wie er funktioniert, wie er zustande kommt und was er aussagt?

Lumen hat geschrieben:Die besagten Kritiker haben kein Problem mit irgendeiner Gravitationstheorie, denn sie meinen Gravitation sei direkt beobachtbar aber Evolution nicht. Willst du darauf hinaus? Ich bitte darum, die Frage nichtzu verwechseln mit ob das stimmt oder nicht, sondern ob das der Einwand ist. Wir können hier unmöglich noch Evolution abhandeln.

Ja, deshalb will ich mich damit eigentlich auch nicht aufhalten. Aber wenn wir eine Theorie des Fundamentalismus erkunden wollen, müssen wir uns darüber einig sein, was eine Theorie ist und was sie leisten kann. Und momentan klingst du einfach noch zu sehr nach der guten alten Focus-Werbung.

Ich will nicht darauf hinaus, dass Evolution nicht beobachtbar ist. Gravitation ist auch nicht beobachtbar. Gravitation ist ein menschlicher Begriff für ein physisches Phänomen, von dem wir uns ein Modell mit einem bestimmten Blickwinkel gemacht haben. Das Modell leistet uns gute Dienste, aber es ist letztlich "nur" eine soziale Übereinkunft darüber, dass es das derzeit beste ist, was uns zu dem Thema eingefallen ist. Herrschende Meinung eben (die ja nicht willkürlich ist).

Lumen hat geschrieben:Dass unser Wissen vorläufig ist, wird nicht bestritten und hilft dir hier nicht – achte genau drauf, was du als vorläufig deklarieren möchtest. Fragen und Probleme im Thema Evolution und Akkommodarionismus (s. Schluss) sollten bei Bedarf separat (Thread) behandelt werden.

Ich bin nicht der Meinung, dass die Evolutionstheorie irgendwelchen Gläubigen zuliebe verwässert werden sollte. Die Diskussion können wir uns daher sparen.

Lumen hat geschrieben:Interessant hier ist in diesem Thema nur, ob du findest — Karten auf den Tisch — ob Leute wie ich, die Evolution/Theorie für einen Fakt halten und nicht Meinungssache, sich bereits einen Schritt — egal wie klein — auf einen wie auch immer gearteten Fundamentalismus hin zubewegen.

Ja, wer behauptet, eine Theorie sei ein Faktum, bewegt sich auf eine fundamentalistische Sichtweise zu. Womit ich nicht sage, dass jemand deshalb schon Fundamentalist ist. Aber jede "es ist so und kann nicht anders sein"-Aussage trägt den dogmatischen Keim, der in den Fundamentalismus münden kann, bereits in sich. Ob er aufgeht, steht auf einem anderen Blatt..

Lumen hat geschrieben:Das Problem bei dieser ganzen Schiene hier: es gibt nichts greifbares.

Tja, Pech gehabt. Wir leben in einer Welt aus Grauschattierungen. Sag der Aufklärung schönen Dank.

Lumen hat geschrieben:Dann erfolgt eigentlich schon die Setzung, runtergekocht: wer nicht post-modern denkt, bewegt sich — Tendenz — auf Fundamentalismus zu, und der ist dann erreicht, wenn jemand post-modernen Kommentaren zu Naturwissenschaften wenig Gegenliebe entgegen bringt. Das ist eine mögliche Interpretation eurer Absichten.

Das ist eine mögliche Interpretation, ja. Ich würde sie in dieser Ausschließlichkeit nicht sagen, aber das bestätigt dich wahrscheinlich, wenn ich das so sage. ;-)

Lumen hat geschrieben:Du hast es auch wieder schön vermieden, zu beschreiben, inwiefern Neuer Atheismus, und z.B. Evolutionstheorie in das Dreigestirn exotisch-einfach-populär reinpassen. Auch hier gibt es mindestens noch die post-moderne Sichtweise, das alles, was nicht noch dreizehnmal in Kontexte, Sprache, Zeichen, Kultur aufgelöst wurde, „zu einfach“ wäre.

Ein bisschen wie in der Physik, wo man andauernd kleinere Teilchen findet (wobei es ja langsam ein Ende zu nehmen scheint damit), entdeckt man als Geisteswissenschaftler permanent neue Unterkategorien, Schattierungen und wird mit neuen Perspektiven konfrontiert. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass ich misstrauisch werde, wenn jemand sagt "Schluss jetzt, das ist alles zu kompliziert, machen wir es uns einfach".
Ich nehme an, dass du den Eindruck hast, dass ich (und Vollbreit?) zu wenig konkrete Aussagen mache, wie mit der Religion umgegangen werden sollte und denkst, dass ich für jede religiöse Untereinheit irgendeine Entschuldigung finde, warum man die in Ruhe lassen sollte. Das stimmt aber nicht. Ich sehe einen Verlauf von weitgehend unproblematischen religiösen Überzeugungen hin zu problematischen, weil zu Grundwerten der Gesellschaft antagonistisch eingestellten religiösen Weltbildern. Analog verhält es sich auch mit dem Atheismus, der von einem unauffälligen Persönlichkeitsmerkmal unter vielen bis zu einer extremen politischen Agenda reichen kann. Und ja, das ist wieder ein "schleichender Übergang". Die Frage, die ich in diesem Zusammenhang interessant fände, ist die, wo die Gesellschaft eine Veranlassung und ein wohlbegründetes Recht sieht, sich in private Weltbilder einzumischen. Aber das hatte ich ja schon erwähnt.

Lumen hat geschrieben:In manchen Gefilden gelten z.b. auch Geschlechter als kulturelle Konstrukte. Da gefriert zwar die Milch im Glas eines jeden Naturwissenschaftlers, aber Geisteswissenschaftler haben bisweilen einen ungezwungenen Hang zur Wirklichkeit und solche Sichtweisen können auf dem Flur zwischen Gender Studies und Politik auch ohne Wut- oder Lachanfälle geäußert werden. Haben wir es hiermit zu tun?

Ja und nein. Das Deutsche kennt den Unterschied zwischen "gender" und "sex" nicht, insofern ist deine Darstellung - mal wieder - unterkomplex. Niemand hat behauptet, dass ein Penis und eine Vagina von der Kultur gemacht worden wären.

Lumen hat geschrieben:Ich kenne niemanden, der meint, ohne Religion gäbe es automatisch keine Probleme oder ohne Gottesbezug wäre alles automatisch besser.

Dann waren Dawkins "Imagine No Religion"-Poster ironisch gemeint?

Lumen hat geschrieben:Dann braucht man nur noch eine hitzige Diskussion und jemand der Reinkarnation kategorisch ablehnt und da sind wir schon mitten drin im Fundamentalismus. Das kann wohl nicht stimmen.

Du kannst Reinkarnation kategorisch ablehnen, so viel du willst. Das hat doch niemand als Problem bezeichnet. Die Frage ist, ob du Reinkarnationsglauben als derart grassierendes gesellschaftliches Problem ansiehst, dass du dich auf den Marktplatz stellen und dagegen anpredigen musst, um die Menschheit zu retten. Und ja, manche deiner Beiträge erwecken den Eindruck, dass du manchmal in Zustände eines Blut-Sperma-Kirche-Rausches verfällst, in denen dir das als ganz gute Idee erscheint.

Lumen hat geschrieben:Akkommodationismus ist exakt die Position, die du vertrittst, die im Kontrast zu Neuem Atheismus steht. Das ist für sich schon ein großes Thema und berührt u.a. auch den Umgang mit Evolution. Akkommodationisten sind häufig der Ansicht, Evolution sollte als kompatibel mit Glauben dargestellt werden um die Akzeptanz zu erhöhen. Neue Atheisten hingegen finden, es solle keine Zugeständnisse geben (fundamentalistisch?).

Warum dieses Nullsummenspiel? Es klingt, als könnte man nur Zugeständnisse machen oder nicht. Man kann auch sagen "Die Evolutionstheorie lässt keinen Kreationismus zu, aber ich kann Sie [die religiöse Person] nicht dazu zwingen, die Evolutionstheorie zu akzeptieren. Wenn Sie interessiert sind, erkläre ich sie Ihnen aber gerne nochmal in aller Ruhe". Man kann den Anderen anders sein lassen, ohne deshalb von seiner Position abzurücken. Ist dir das wirklich so schwer zugänglich, dass es da unterschiedliche Ebenen gibt?
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon provinzler » Sa 22. Feb 2014, 16:55

Lumen hat geschrieben:. Auch dem traditionellen CDU Wähler, der stereotyp am bayrischen Stammtisch sitzt

Die Zahl der CDU-Wähler dürfte an bayrischen Stammtischen so bei ungefähr ziemlich genau Null liegen... :mg:
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Sa 22. Feb 2014, 19:46

provinzler hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:. Auch dem traditionellen CDU Wähler, der stereotyp am bayrischen Stammtisch sitzt

Die Zahl der CDU-Wähler dürfte an bayrischen Stammtischen so bei ungefähr ziemlich genau Null liegen... :mg:


Stimmt. :^^:

Nanna hat geschrieben:...


Dein Text ist erstaunlich. Du möchtest darstellen, ich hätte eine Vorstellung die irgendwo zwischen reißerischer BILD Zeitung und Focus-Werbung rangieren würde. Deine Worte. Eigentlich könnte ich mein Wissen komplett wegschmeißen, und bei dir, Großmeister Oberbreit in Lehre gehen. Dir fehlt nur noch das Psycho-Beleidigungsarsenal von Vollbreit, dann könnt ihr spirituell fusionieren. Umso mehr freue ich mich auf deine Antwort, insbesondere zu einer Passage. Wenn du irgendwas beantwortest, dann diese Stelle. Versuche also am besten nicht Vollbreits hütchenspielende Tintenfisch Nummer. Wer überreizt wie du, muss dann irgendwann aufdecken und seine Hand zeigen. Ganz gemäß: Jemand der so dick aufträgt wie du, mit Focus Werbung Verweis und Bildzeitung muss dann liefern. Wer austeilt, muss einstecken können.

Nanna hat geschrieben:Die Karte ist mit dem Gebiet nicht nur nicht identisch, sie bildet es auch nicht ab. Sie ist die Manifestation eines bestimmten Blickes, den jemand auf das Gebiet hatte und dann in eine Niederschrift - die Karte - verwandelt hat. Das nur, um mal zu verdeutlichen, wie weit selbst die einfachsten Modelle von der Wirklichkeit weg sind, zu der wir keinen direkten Zugang haben. Wir wissen nicht, wie es "wirklich" ist, wir können nur Theorien entwickeln und diese dann dem Wirklichkeitstest aussetzen. Insofern ist keine Theorie richtig, sondern allenfalls passend.


Die Karte-Gebiet Analogie wurde von Alfred Korzybski geprägt und ist bereits knietief Semiotik und Semantik. Die Hälfte des Textes von dir ist Babysprech – dem Umstand geschuldet, dass du tatsächlich denkst, ich hätte noch nie was von Wahrnehmung gehört – dazu von dir Prahlerei, und akutes Nichtwissen was du eigentlich aussagen willst. Du nimmst dir hier jede Menge Seil mit, mit dem du dich dann auch später gekonnt aufhängst.

Zur Vorläufkeit von Wissen hattest du einmal eine direkte Aussage bekommen („Dass unser Wissen vorläufig ist, wird nicht bestritten“), dann gab es nochmal extra das Standardbeispiel von Newton-Einstein. Außerdem ist es völlig klar, dass es nicht plötzlich Glitzer regnet und die Gewinner-Musik eingespielt wird, falls jemand eine „perfekte Theorie“ formuliert hat (was wir nie wissen können, ob eine solche Theorie existiert). Ein Fakt ist wiederum eine Beobachtung, die hinreichend bestätigt wurde dass es „pervers“ wäre, sie zu bezweifeln.

Nanna hat geschrieben:Meine Aussage dazu wäre, dass es etwas gibt, was wir Bergspitze nennen (in dem Sinne, dass etwas Physisches vorhanden ist), aber dass das Zeichen für Bergspitze und seine Abgrenzung zu anderen Zeichen (Zeichensysteme sind strikt relational und nicht-essentialistisch) menschliche Konstrukte sind, die auf sozialen Konventionen beruhen (zeigt sich beispielsweise schon darin, dass wir "Bergspitze" und nicht "qimma" (Arabisch) oder "mountain peak" sagen).


Dann wären wir also noch bei Semiotik. Da bist du im Hinblick auf das Thema aber schief gewickelt, siehe Naming and Knowing weiter hinten. Die Korrespondenz von Referent, Signifikant und Signifikat auf die du anscheinend hinaus möchtest, war überhaupt nicht wichtig (ergo Wichtigtuerei plus Obskurantismus, Vollbreit-Style). Wichtig war nur, ob du bestreitest, dass es einen Referenten genannt „Evolution“ gibt, oder nicht gibt. Aus meiner Sicht finden wir Daten (Fakten) vor, zum Beispiel Fossilien, die ein Muster (ab)bilden, welches wir erkennen. Diese Referenz evoziert dann den ganzen Ablauf. Es formt sich eine Vorstellung und dieser Geistesinhalt wird dann bezeichnet. Aber der Geistesinhalt ist nicht identisch mit dem Referenten, was das gesamte Beispiel von Karte-Gebiet schon aussagt!

Nanna hat geschrieben:Nan-in, a Japanese master during the Meiji era, received a university professor who came to inquire about Zen.
Nan-in served tea. He poured his visitor’s cup full, and then kept on pouring. The professor watched the overflow until he no longer could restrain himself. “It is overfull. No more will go in!”
Like this cup, Nan-in said, you are full of your own opinions and speculations. How can I show you Zen unless you first empty your cup? (*SCNR*)

Oder anders gesagt: Mach mal langsam und hör in Ruhe zu. Wenn du einen Gedankengang über ein komplexes Thema gleich nach den ersten ein, zwei Stationen abbrichst und ungeduldig fragst, wo uns das hin bringt, dann kommen wir nie an. Wir reden hier (zumindest war das ursprünglich mal der Plan) über den Begriff des atheistischen Fundamentalismus. Wie sollen wir das anstellen können, wenn wir noch nicht einmal darüber einig sind, was ein Begriff ist, wie er funktioniert, wie er zustande kommt und was er aussagt?


Das ist erstaunlich, was du/Vollbreit alles aufwartest. Vollbreit reiht ein paar „mehr oder weniger“ und „schleichende Übergänge“ aneinander, aber du willst mit mir alles von Zen Buddhismus bis Quantenphysik, und von Evolution, Religionsgeschichte bis Semiotik und Linguistik (und Psychologie, Paranoia und so, nicht vergessen) durchsprechen, nur um festzustellen ob seine Behauptung nun einen Sachverhalt beschreibt?

Nanna hat geschrieben:Aber wenn wir eine Theorie des Fundamentalismus erkunden wollen, müssen wir uns darüber einig sein, was eine Theorie ist und was sie leisten kann.


Wir müssen uns überhaupt nicht einig sein. Du und Vollbreit müsst eure Behauptungen belegen und irgendwen überzeugen.

Nanna hat geschrieben:Und momentan klingst du einfach noch zu sehr nach der guten alten Focus-Werbung.


Schön gebrüllt Löwe. Dann möchte ich dir einen guten alten Wissenschaftler vorstellen, der auch nach Focus-Werbung klingt – der allseits bekannte Fundamentalist Steven Jay Gould, in: „Evoltion as Fact and Theory“. Huch. Er meint dazu:

Steven Gould hat geschrieben:Well, evolution is a theory. It is also a fact. And facts and theories are different things, not rungs in a hierarchy of increasing certainty. Facts are the world's data. […] Moreover, “fact” does not mean “absolute certainty.” […] In science, “fact” can only mean “confirmed to such a degree that it would be perverse to withhold provisional assent.
http://www.stephenjaygould.org/library/ ... heory.html


Als nächste behauptest du dann, weder Gravitation noch Evolution sei beobachtbar. Da du gerne zitierst, bitte ich dich deine Aussagen nicht zu unterschlagen, wenn du das nochmal erläuterst.

-----X---Zitatblock für Nanna zum Auschneiden--------->
Nanna hat geschrieben:Ich will nicht darauf hinaus, dass Evolution nicht beobachtbar ist. Gravitation ist auch nicht beobachtbar. Gravitation ist ein menschlicher Begriff für ein physisches Phänomen, von dem wir uns ein Modell mit einem bestimmten Blickwinkel gemacht haben.


Da hast dich dann komplett verheddert und klingst wie Vollbreit. Wenn es nicht beobachtbar wäre, von was machen wir uns dann einen Begriff? Wenn es nicht beobachtbar wäre, woher wissen von dem „physisches Phänomen“?

Nach orthodoxem Verständnis, beobachten wir etwas, was wir dann bezeichnen. Wir beobachten sowohl Evolution als als auch Gravitation. Das sind die Namen, die wir den beobachteten Mustern gegeben haben. Selbst mit deinem pomo-obskuranten „Blickwinkel“ den wir immer nur einnehmen würden, frage ich mich, wie wir einen Blickwinkel haben können, ohne zu beobachten. Hier noch ein Typ mit Focus-Werbung Verständnis... 1 Minute Feynman. Stichworte: compare to observation/compare to nature/compare to experiement. Siehe auch: Naming and Knowing von Feynman.
-----X--- Ende des Zitatblocks für Nanna zum Antworten-------->

Oder auch:

    „Schatz, mach mal das Fenster zu.“ „was meinst du mit Fenster“ „Na das Loch in der Wand, mit der Klappe davor“ „Ich weiß nicht was du meinst. Das sind nur Worte die du verwendest. Welches Ding-An-Sich meinst du denn damit und können wir es wirklich erkennen?“ „Ok, Nanna, ich machs selber zu“.

Zu Wissenschaftlern mit „Focus-Werbung“ Verständnis wie Steven Jay Gould und Co. und die Essenz der Fundamentalisten meinst du dann noch:

Nanna hat geschrieben:Ja, wer behauptet, eine Theorie sei ein Faktum, bewegt sich auf eine fundamentalistische Sichtweise zu. Womit ich nicht sage, dass jemand deshalb schon Fundamentalist ist. Aber jede "es ist so und kann nicht anders sein"-Aussage trägt den dogmatischen Keim, der in den Fundamentalismus münden kann, bereits in sich. Ob er aufgeht, steht auf einem anderen Blatt.


Wenn ein dogmatischer Keim entweder vorhanden ist oder nicht, dann zeigst du uns hier, ironischerweise, dass du eben nicht in Kontinua denkst. Das ist bei dir, wie bei Vollbreit, alles Oberflächlichkeit, zusammen mit gelesenen Büchern, erworbene Titeln und dazu passende Forums-Vorführungen (meist patronisierendes Verhalten, wohlwollend gegenüber Stine, erziehend bei Nefarious, aufplusternd mir gegenüber).

Nanna hat geschrieben:Wer etwas anderes vertritt, hat a) an der Uni im Propädeutikum nicht aufgepasst und b) ein anstelle religiöser Dogmen ein neues szientistisches Dogma akzeptiert, was ungefähr genauso lahm ist.


Dir fällt nicht einmal auf, dass du einerseits vorgeblich Essentialismus ablehnst, dann aber von „Keim“ schreibst, den etwas „in sich“ trage. Deswegen bist du auch nicht in der Lage die Kritik als Kafkafalle und „schleichende Übergänge“ zu erfassen. Vollbreit (und du damit nun auch) behauptet, es gäbe einen Anfang, wo er einen schleichenden Übergang beginnen lässt, den schleichenden Übergang nutzt er dann, um sich nicht festlegen zu müssen. Dabei wird die ganze Konstruktion sinnlos.

Ansonsten bin ich allmählich beruhigt. Wenn Wissenschaftler mit Focus-Werbung Verständnis wie Steven Jay Gould et al schon auf dem Weg zum Fundamentalismus bei euch postmodernen Flitzpiepen ist, dann kann das nicht so schlimm sein.

Nanna hat geschrieben:Ich nehme an, dass du den Eindruck hast, dass ich (und Vollbreit?) zu wenig konkrete Aussagen mache, wie mit der Religion umgegangen werden sollte und denkst, dass ich für jede religiöse Untereinheit irgendeine Entschuldigung finde, warum man die in Ruhe lassen sollte.


Niemand hindert dich daran, Themen zu eröffnen und zu diskutieren, die du gerne diskutieren möchtest. Wenn es bei dir Religion und Umgang damit ist, dann werde ich dich bestimmt nicht aufhalten. Nur für mich ist das momentan und auch allgemein eher nicht interessant. Ich komme aus einer völlig anderen Richtung.

Nanna hat geschrieben:Ich sehe einen Verlauf von weitgehend unproblematischen religiösen Überzeugungen hin zu problematischen, weil zu Grundwerten der Gesellschaft antagonistisch eingestellten religiösen Weltbildern. Analog verhält es sich auch mit dem Atheismus, der von einem unauffälligen Persönlichkeitsmerkmal unter vielen bis zu einer extremen politischen Agenda reichen kann. Und ja, das ist wieder ein "schleichender Übergang". Die Frage, die ich in diesem Zusammenhang interessant fände, ist die, wo die Gesellschaft eine Veranlassung und ein wohlbegründetes Recht sieht, sich in private Weltbilder einzumischen. Aber das hatte ich ja schon erwähnt.


Deine vermeindliche Symmetrie finde ich zum Beispiel schon falsch. Ein Atheist kann jemand sein, der plötzliche totale Amnesie hat und sein gesamtes Wissen verloren hat. Er weiß nichts von Göttern und Religionen und ist dementsprechend atheistisch. Der Gläubige hingegen muss den Autoritätsglauben erst annehmen und der ist für mich immer ein Problem. Da das anscheined nicht evident für dich ist: der Gläubige ist jemand der daran glaubt, bestimmte Anweisungen befolgen zu müssen, die ihm das Wohlwollen der Gottheit sichern werden und die sich dann erkenntlich zeigen würde (das ist das Heilsversprechen). Die Anweisungen können auch „leer“ gedacht werden, d.h. der Gläubige glaubt dann, die Gottheit stellt keine anderen Anforderungen, außer die, an die Gottheit zu glauben. Da die Aussagen der Autorität nicht der Wahrheit entsprechen, glauben Leute systematisch falsche Dinge. Du kannst den obskuranten Fahrplan gerne nochmal durchspielen bei dem Begriff der Wahrheit, aber den haben wir wohl klar erörert. Die Behauptungen von Glaubensautoritäten müssen eben nicht unabhängig bestätigt werden, sodaß es nach Gould „pervers“ wäre, sie nicht als Fakt anzuerkennen.

Und das ist gerade die Krux bei euch: Glaube muss überhaupt nicht belegt werden und ist auch überhaupt nicht belegt. Das heißt du und auch Vollbreit und die anderen Obskurantisten arbeiten fortwährend mit zweierlei Maßstab. Einerseits stellt ihr euch total doof, wenn es darum geht, Glauben („Faith“) zu betrachten: da geht alles und mögliche Kritik daran wird von euch – siehe eindrucksvoll dieser Thread – heftigst abgestritten. Da ist kein Nanomillimeter erlaubt. Da wird von euch sofort umgelenkt und die „wir alle müssen uns doch vertragen“ Karte gespielt und sofort jede Beleidigung vorgekramt. Diese Beleidigungen (Fundamentalist! Paranoiker!) werden dann noch von dir aktiv mit einer nach der nächsten Nebelwand abgeschirmt und jede erörterung sabotiert. Wenn es um Wissenschaften geht, werden alle Geschütze aufgefahren, wie man sieht, bis in die hinterletzte Ecke der Semiotik und Semantik und Erkenntnistheorie wird gekrochen und Fundamentalismus-Vorwurf steht direkt im Raum. So klingen jedenfalls nicht Leute, die ein naturalistisches Weltbild befördern wollen. Bei Vollbreit, der Integralmystiker und Berufscharlatan ist das noch halbwegs konsistent, bei dir hingegen komplett verfehlt.

Wäre das eine Partei würde ich deinen Rücktritt fordern.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Vollbreit » Sa 22. Feb 2014, 20:55

Lumen hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Aber wenn wir eine Theorie des Fundamentalismus erkunden wollen, müssen wir uns darüber einig sein, was eine Theorie ist und was sie leisten kann.


Wir müssen uns überhaupt nicht einig sein. Du und Vollbreit müsst eure Behauptungen belegen und irgendwen überzeugen.
Welche denn?
Du möchtest doch von keinem von uns etwas wissen.

Lumen hat geschrieben:Und das ist gerade die Krux bei euch: Glaube muss überhaupt nicht belegt werden und ist auch überhaupt nicht belegt. Das heißt du und auch Vollbreit und die anderen Obskurantisten arbeiten fortwährend mit zweierlei Maßstab. Einerseits stellt ihr euch total doof, wenn es darum geht, Glauben („Faith“) zu betrachten: da geht alles und mögliche Kritik daran wird von euch – siehe eindrucksvoll dieser Thread – heftigst abgestritten.

Ja, jeder darf glauben, was er will.
Dein Vorschlag dazu?

Lumen hat geschrieben:Vollbreit (und du damit nun auch) behauptet, es gäbe einen Anfang, wo er einen schleichenden Übergang beginnen lässt, den schleichenden Übergang nutzt er dann, um sich nicht festlegen zu müssen. Dabei wird die ganze Konstruktion sinnlos.

Folgende Phänomene/Konzepte sind gut bekannt: Materie, Leben, Bewusstsein, Krankheit.
Jeder kann damit im Alltag umgehen: Ein Stein ist (aus) Materie, keine Frage.
Eine Krähe fliegt weg, Leben.
Jemand sagt von sich, er sei müde, Bewusstsein.
Jemand hat eine Lungenentzündung, Krankeit.

Kannst Du, Lumen, genau sagen, wo diese Phänomene exakt ihren Beginn haben?


PS:
Generell ist mein Hauptproblem mit Dir hier, dass Du ständig wütend forderst Nanna und mögen uns erklären oder irgendwie Farbe bekennen, aber a) weder sagt, was Du überhaupt erklärt haben willst und b) zumindest mir nicht klar ist, zu was genau ich mich nun z.B. bekennen soll, c) wenn ich mich "bekenne", wie z.B. zum Glauben an den Glauben, daraus nichts weiter folgt (von Deiner Seite), d) Du Antworten generell offenbar gar nicht lesen willst.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Sa 22. Feb 2014, 21:50

Ihr beide behauptet einen „Atheistischen Fundamentalismus“, und ihr müsst im Grunde garnichts. Ihr könntet z.B. auf euren Glauben zurückziehen, ihr glaubt das halt :^^:
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Vollbreit » Sa 22. Feb 2014, 21:52

Hm. Wer hat noch mal den Thread eröffnet?
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Nanna » Sa 22. Feb 2014, 22:29

Lumen hat geschrieben:Du möchtest darstellen, ich hätte eine Vorstellung die irgendwo zwischen reißerischer BILD Zeitung und Focus-Werbung rangieren würde. Deine Worte.

Es ging mir bei dem Spruch mit der Focus-Werbung eigentlich vor allem darum, dass du zu sehr auf dem Begriff des "Fakts" herumreitest und damit unterstellst, es könne nur eine richtige Sichtweise auf die Welt geben. Wenn ich mir nochmal andere Threads vornehme, in denen du gepostet hast, dann finde ich diese Behauptung auch immer wieder. Und naja, was die Bild-Zeitung angeht, die reißerischen Darstellungen der religiösen "Schandtaten" (deine Worte) stammen hier im Wesentlichen aus deiner Tastatur.

Lumen hat geschrieben:Jemand der so dick aufträgt wie du, mit Focus Werbung Verweis und Bildzeitung muss dann liefern. Wer austeilt, muss einstecken können.

Siehst du mich weinen?

Lumen hat geschrieben:Die Karte-Gebiet Analogie wurde von Alfred Korzybski geprägt und ist bereits knietief Semiotik und Semantik. Die Hälfte des Textes von dir ist Babysprech – dem Umstand geschuldet, dass du tatsächlich denkst, ich hätte noch nie was von Wahrnehmung gehört – dazu von dir Prahlerei, und akutes Nichtwissen was du eigentlich aussagen willst.

Schön, dass du die letzten beiden Wochen genutzt hast, um dich nochmal mit dem Thema Semiotik auseinanderzusetzen.

Mein Vorwurf an dich ist übrigens nicht, dass du bestimmte Muster nicht durchschaust, sondern dass du einen blinden Fleck hast, wenn es darum geht, diese Muster bei dir selbst zu erkennen. Ich verweise da aber weiter an Vollbreit und dessen Erklärungen über Projektionen.

Was ich aussagen will? Ach komm, im Ernst? Es gibt jetzt mehrere Seiten mit sehr, sehr viel Text von mir, wo ich sehr klar und ehrlich sage, was ich meine - und wenn du Verständnisschwierigkeiten hast, steht nach wie vor mein Angebot, meine Sichtweise zu erläutern.

Lumen hat geschrieben:Ein Fakt ist wiederum eine Beobachtung, die hinreichend bestätigt wurde dass es „pervers“ wäre, sie zu bezweifeln.

Solange du nicht die Bedingungen klärst, die eine "hinreichende Bestätigung" ausmachen, verschiebst du damit das epistemologische Problem nur sprachlich. Ich behaupte für meinen Teil, dass du trotz Kenntnis von Popper keinen fallibilistischen Tatsachenbegriff, sondern einen positivistischen hast. Aber überrasch mich, vielleicht irre ich mich ja.

Lumen hat geschrieben:Das ist erstaunlich, was du/Vollbreit alles aufwartest. Vollbreit reiht ein paar „mehr oder weniger“ und „schleichende Übergänge“ aneinander, aber du willst mit mir alles von Zen Buddhismus bis Quantenphysik, und von Evolution, Religionsgeschichte bis Semiotik und Linguistik (und Psychologie, Paranoia und so, nicht vergessen) durchsprechen, nur um festzustellen ob seine Behauptung nun einen Sachverhalt beschreibt?

Nein, wir reden hier nur einfach über mehrere Themen gleichzeitig. Wir reden, naja, mehr "redeten" über den Begriff des "(atheistischen) Fundamentalismus", über den Umgang mit Religiösen generell, über einen guten Diskussionsstil und v.a. reden wir anscheinend darüber, ob aus der Existenz wissenschaftlicher Erkenntnisse ein Recht folgt, anderen Leuten dafür böse zu sein, dass sie das nicht teilen/kapieren/in derselben Weise in ihren Lebensstil integrieren.

Lumen hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Aber wenn wir eine Theorie des Fundamentalismus erkunden wollen, müssen wir uns darüber einig sein, was eine Theorie ist und was sie leisten kann.

Wir müssen uns überhaupt nicht einig sein. Du und Vollbreit müsst eure Behauptungen belegen und irgendwen überzeugen.

Also entweder wir reden miteinander und einigen uns auf Begriffe oder nicht. Aneinander vorbei reden kann ich als Freizeitbeschäftigung auch anderswo, dazu muss ich hier nicht herkommen.

Und nein, ich muss nichts belegen, ich dekonstruiere in dieser Diskussion hauptsächlich deine Ansichten und nehme den Großteil meiner Mitbürger vor haltlosen Anfeindungen in Schutz. Es reicht mir vollkommen, aufzuzeigen, dass deine "Religionskritik" von non-sequitur-Schlüssen wimmelt.

Lumen hat geschrieben:
Steven Gould hat geschrieben:Well, evolution is a theory. It is also a fact. And facts and theories are different things, not rungs in a hierarchy of increasing certainty. Facts are the world's data. […] Moreover, “fact” does not mean “absolute certainty.” […] In science, “fact” can only mean “confirmed to such a degree that it would be perverse to withhold provisional assent.
http://www.stephenjaygould.org/library/ ... heory.html

Weil es groß und blau ist, wird es auch nicht wichtiger.
Man muss Gould hier zugute halten, dass er sich im zitierten Text über eine spezifische wissenschafts- und gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit den Kreationisten äußert und gerade auf das spezifische Missverständnis von "theory" als "unvollkommene Tatsache" eingeht, aus der dann geschlossen wird, die Evolution sei nur eine Theorie im Sinne einer an und für sich wilden Spekulation. Da habe ich vollstes Verständnis für ihn und das hat mit der Kritik am Faktenbegriff, die ich geäußert habe, wirklich nichts zu tun. Es hat auch keinen Sinn, spezifische Meinungsverschiedenheiten über den gesellschaftlichen Status der Wissenschaft in den zeitgenössischen USA in unsere Debatte hier hineinzuziehen.

Lumen hat geschrieben:Wenn es nicht beobachtbar wäre, von was machen wir uns dann einen Begriff? Wenn es nicht beobachtbar wäre, woher wissen von dem „physisches Phänomen“?

Das Phänomen, das wir Gravitation nennen, ist beobachtbar, aber den Begriff und seinen Kontext (Was bedeutet das Phänomen für uns? Wie erklären wir uns es? Was sehen wir als Grenzen des Phänomens gegenüber anderen Phänomenen an?) haben wir gemacht.

Lumen hat geschrieben:Nach orthodoxem Verständnis, beobachten wir etwas, was wir dann bezeichnen.

Durch die linguistische Wende ist dieses Verständnis obsolet. Es ist eben nicht so, dass die Welt aus diskreten Einheiten ("Dingen") besteht, die wir beobachten und dann nur noch Zettel hinkleben.

Was Feynman angeht, missverstehst du ihn hier, soweit ich das sehe, denn was er in dem Video erläutert, ist relativ nahe am Kritischen Rationalismus (und ich werfe dir weiterhin vor, klassisch positivistische Denklinien nachzuziehen). Das sieht man schon daran, dass er mit "guess" beginnt (also dem Aufstellen einer deduktiven Theorie) und dann einen Abgleich mit der Wirklichkeit (Experiment) anschließt, was in einem Verwerfen der Theorie endet, falls Ergebnis und Theorie nicht zueinander passen. Er spricht an keiner Stelle davon, mit dem Beobachten von Mustern zu beginnen.

Lumen hat geschrieben:Wenn ein dogmatischer Keim entweder vorhanden ist oder nicht, dann zeigst du uns hier, ironischerweise, dass du eben nicht in Kontinua denkst.

Warum sollte nichts in diskreten Einheiten vorliegen können? Bloß weil ich mich dagegen wehre, die Welt in binären Kategorien zu sehen, heißt das nicht, dass es die nirgendwo gibt. Gerade in der formalen Logik wimmelt es nur so davon

Lumen hat geschrieben:Dir fällt nicht einmal auf, dass du einerseits vorgeblich Essentialismus ablehnst, dann aber von „Keim“ schreibst, den etwas „in sich“ trage.

Ja natürlich. Das ist doch kein Widerspruch. Wenn ein Argument in einem anderen impliziert wird, ist das doch kein Essentialismus.

Lumen hat geschrieben:Vollbreit (und du damit nun auch) behauptet, es gäbe einen Anfang, wo er einen schleichenden Übergang beginnen lässt, den schleichenden Übergang nutzt er dann, um sich nicht festlegen zu müssen. Dabei wird die ganze Konstruktion sinnlos.

Oder aber in der Lage, sehr feine Unterschiede wahrnehmen zu können.

Lumen hat geschrieben:Da das anscheined nicht evident für dich ist: der Gläubige ist jemand der daran glaubt, bestimmte Anweisungen befolgen zu müssen, die ihm das Wohlwollen der Gottheit sichern werden und die sich dann erkenntlich zeigen würde (das ist das Heilsversprechen). Die Anweisungen können auch „leer“ gedacht werden, d.h. der Gläubige glaubt dann, die Gottheit stellt keine anderen Anforderungen, außer die, an die Gottheit zu glauben. Da die Aussagen der Autorität nicht der Wahrheit entsprechen, glauben Leute systematisch falsche Dinge. Du kannst den obskuranten Fahrplan gerne nochmal durchspielen bei dem Begriff der Wahrheit, aber den haben wir wohl klar erörert. Die Behauptungen von Glaubensautoritäten müssen eben nicht unabhängig bestätigt werden, sodaß es nach Gould „pervers“ wäre, sie nicht als Fakt anzuerkennen.

Mal davon abgesehen, dass ich das nicht für das Merkmal von Gläubigen, sondern eine etwas kuriose Verballhornung halte: So what? Dann sind manche Leute halt pervers und glauben Bullshit. Was geht dich das an, solange sie dir nichts tun?

Lumen hat geschrieben:Und das ist gerade die Krux bei euch: Glaube muss überhaupt nicht belegt werden und ist auch überhaupt nicht belegt.

Völlig richtig. Wir leben in einer (einigermaßen) freien Gesellschaft. Jeder kann erst mal sagen und vertreten, was er will, und jeder kann das annehmen und glauben, was er für richtig hält.

Lumen hat geschrieben:Das heißt du und auch Vollbreit und die anderen Obskurantisten arbeiten fortwährend mit zweierlei Maßstab. Einerseits stellt ihr euch total doof, wenn es darum geht, Glauben („Faith“) zu betrachten: da geht alles und mögliche Kritik daran wird von euch – siehe eindrucksvoll dieser Thread – heftigst abgestritten. Da ist kein Nanomillimeter erlaubt. Da wird von euch sofort umgelenkt und die „wir alle müssen uns doch vertragen“ Karte gespielt und sofort jede Beleidigung vorgekramt.

Dann versuch es doch einfach mal ohne Beleidigungen, wie wärs? Und sorry, wenn du immer wieder nur Kritik, die seit dem 19. Jahrhundert bekannt ist, wiederkäust, fragen sich Andere halt irgendwann, warum du derart aggressiv auf dem Thema herumreiten musst.
Es hat nirgendwo jemand behauptet "Die Religiösen könnten doch Recht haben", das ist nur das, was du irgendwie zu hören meinst. Kritik an der Theologie ist ok, nur hilft es nichts, Religiöse zur Aufgabe ihres Glaubens zwingen zu wollen, in der Erwartung, dass die Gesellschaft dadurch besser wird. Und ja, da ist es mir weitaus wichtiger, dass wir uns alle vertragen.

Lumen hat geschrieben:Wenn es um Wissenschaften geht, werden alle Geschütze aufgefahren, wie man sieht, bis in die hinterletzte Ecke der Semiotik und Semantik und Erkenntnistheorie wird gekrochen und Fundamentalismus-Vorwurf steht direkt im Raum. So klingen jedenfalls nicht Leute, die ein naturalistisches Weltbild befördern wollen. Bei Vollbreit, der Integralmystiker und Berufscharlatan ist das noch halbwegs konsistent, bei dir hingegen komplett verfehlt.

Komischerweise hat Vollbreit es viel besser als du vermocht, sich einfach mal die neun Prinzipien der Brights durchzulesen.

Man fördert kein Verständnis einer eigenen Position, indem man Andersdenkende verleumdet und lächerlich macht und Kritik am eigenen Weltbild verleugnet. Zudem sind die Brights ein politisches und kein philosophisches Projekt. Es steht ganz klar in den Prinzipien, dass es nicht notwendig ist, zu einer gemeinsamen Auffassung über den Naturalismus zu gelangen. Ziel und Zweck der Brights ist das Hinarbeiten auf ein gesellschaftliches Klima, in dem Naturalisten nicht diskriminiert und gesellschaftlich anerkannt werden, also in dem ihnen Respekt gegenüber gebracht wird. Das funktioniert, und das sollte jedes Kind verstehen, ganz sicher nicht, in dem man für sich Sonderrechte beansprucht, also Respekt einfordert, den man selbst nicht bereit ist, zu geben. Wenn Naturalisten sich nicht dauernd für ihr Weltbild rechtfertigen müssen sollen, dann muss nach den Regeln der Reziprozität unter Gleichen dasselbe andersherum gelten. Simple liberale Grundsätze.

Das andere Ziel, das Verständnis des Naturalismus zu fördern, erreicht man übrigens auch besser, indem man Informationsangebote macht und das eigene Weltbild erklärt, nicht indem man mit Lust auf den Meinungen Andersdenkender herumprügelt.

Lumen hat geschrieben:Wäre das eine Partei würde ich deinen Rücktritt fordern.

Tja, so ein Pech aber auch.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Sa 22. Feb 2014, 23:21

Das fehlt noch, Nanna :^^:

-----X----------->
Nanna hat geschrieben:Ich will nicht darauf hinaus, dass Evolution nicht beobachtbar ist. Gravitation ist auch nicht beobachtbar. Gravitation ist ein menschlicher Begriff für ein physisches Phänomen, von dem wir uns ein Modell mit einem bestimmten Blickwinkel gemacht haben.


Da hast dich dann komplett verheddert und klingst wie Vollbreit. Wenn es nicht beobachtbar wäre, von was machen wir uns dann einen Begriff? Wenn es nicht beobachtbar wäre, woher wissen von dem „physisches Phänomen“?

Nach orthodoxem Verständnis, beobachten wir etwas, was wir dann bezeichnen. Wir beobachten sowohl Evolution als als auch Gravitation. Das sind die Namen, die wir den beobachteten Mustern gegeben haben. Selbst mit deinem pomo-obskuranten „Blickwinkel“ den wir immer nur einnehmen würden, frage ich mich, wie wir einen Blickwinkel haben können, ohne zu beobachten. Hier noch ein Typ mit Focus-Werbung Verständnis... 1 Minute Feynman. Stichworte: compare to observation/compare to nature/compare to experiement. Siehe auch: Naming and Knowing von Feynman.
-----X----------->

Neu dazu:
Nanna hat geschrieben:Das Phänomen, das wir Gravitation nennen, ist beobachtbar, aber den Begriff und seinen Kontext (Was bedeutet das Phänomen für uns? Wie erklären wir uns es? Was sehen wir als Grenzen des Phänomens gegenüber anderen Phänomenen an?) haben wir gemacht.


Du gibst also hier zu, das du dich vorher geirrst hast, und Gravitation ist beobachtbar, aber Evolution nicht. Ist das jetzt deine neue These?

Auch Neu:
Nanna hat geschrieben:Was Feynman angeht, missverstehst du ihn hier, soweit ich das sehe, denn was er in dem Video erläutert, ist relativ nahe am Kritischen Rationalismus (und ich werfe dir weiterhin vor, klassisch positivistische Denklinien nachzuziehen). Das sieht man schon daran, dass er mit "guess" beginnt (also dem Aufstellen einer deduktiven Theorie) und dann einen Abgleich mit der Wirklichkeit (Experiment) anschließt, was in einem Verwerfen der Theorie endet, falls Ergebnis und Theorie nicht zueinander passen. Er spricht an keiner Stelle davon, mit dem Beobachten von Mustern zu beginnen.


Darwin hat auf seiner Reise aber Eindrücke wahrgenommen, die ihn zur Evolutionstheorie brachten. Wir leben in einer Welt, und nehmen diese wahr. Wir arbeiten dann mit diesen Eindrücken. Sowohl Newton als auch Darwin sahen eine Regelmäßigkeit (ein Muster), dem sie dann nachgegangen sind. Der erste Schritt ist auch nicht Deduktion, sondern (nach Pierce jedenfalls) die Abduktion. Theoretisch kann jemand auch ein Leben in einer Dunkelkammer verbringen und auch ohne jegliche Eindrücke eine Hypothese "raten", nur ging es konkret um Darwin und Newton. Bei dem einen gehört seine Reise zu den Galapgos dazu, beim anderen die Legende vom Apfel der ihm auf den Kopf fiel. Feynman meint mit "guess" offenbar die Abduktion, was salopp schon hinkommt. Außer noch mehr Nebelwerfen kann ich nicht erkennen, was du hier bezwecken willst (und natürlich wieder Unterstellungen, da du dich ohne nicht halten kannst). Und direkt noch eine:

Nanna hat geschrieben:Schön, dass du die letzten beiden Wochen genutzt hast, um dich nochmal mit dem Thema Semiotik auseinanderzusetzen.


Genau, deshalb gibt es auch Beispiele von vor über drei Jahren, wie dir die Suchfunktion hätte verraten können.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Nanna » So 23. Feb 2014, 00:23

Lumen hat geschrieben:Du gibst also hier zu, das du dich vorher geirrst hast, und Gravitation ist beobachtbar, aber Evolution nicht. Ist das jetzt deine neue These?

Nein.

Lumen hat geschrieben:Darwin hat auf seiner Reise aber Eindrücke wahrgenommen, die ihn zur Evolutionstheorie brachten. Wir leben in einer Welt, und nehmen diese wahr. Wir arbeiten dann mit diesen Eindrücken.

Hat das jemand angezweifelt?

Lumen hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Schön, dass du die letzten beiden Wochen genutzt hast, um dich nochmal mit dem Thema Semiotik auseinanderzusetzen.

Genau, deshalb gibt es auch Beispiele von vor über drei Jahren, wie dir die Suchfunktion hätte verraten können.

Warum hat es dich dann zwei Wochen gekostet, darauf einzugehen? ;-)
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Mo 24. Feb 2014, 01:53

Es wird allgemein angenommen Rauchen sei gesund. Einige Leute finden, dass das entweder nicht stimmt, oder Rauchen sogar gesundheitsschädlich ist.
Nun wird wieder irgendwo ein Poster plakatiert, wonach Rauchen als gesund angepriesen wird. Lumen möchte es abreißen, weil es einfach nicht der Wahrheit entspricht. Dann kommt Nanna und hält Lumen davon ab. Es entbrennt ein Argument:

    Lumen: „aber Rauchen ist doch gesundheitsschädlich. Die Allgemeinheit sollte darüber nicht getäuscht werden“
    Nanna: „man muss die Meinung der anderen Leute aber tolerieren“
    Lumen: „Aber Rauchen führt zu schwarzen Lungen und Krebs“
    Nanna: „das ist doch reißerisch und effekthaschend.“
    Lumen: „aber es stimmt doch, dafür gibt es einschlägige Gründe…“
    Nanna: „was sind schon Fakten. Fakten sind Ansichtssache und nur ein bestimmter Blickwinkel“
    Lumen: „Willst du sagen, dass der Zusammenhang zu Krebs nicht stimmt“
    Nanna: „Doch. Aber das ist ein alter Hut und Effekthascherei“
    Lumen: „Und doch bist du dafür, dass aus der Einsicht keine Konsequenz gezogen wird und jeder trotzdem nach Laune Gegenteiliges behaupten kann.“
    Nanna: „was willst du machen? Raucher in den Knast werfen? Es verbieten?“
    Lumen: …

http://www.merkur-online.de/aktuelles/p ... 98811.html
http://www.pro-medienmagazin.de/nachric ... n-wurzeln/
http://www.focus.de/politik/ausland/eu- ... 23057.html


und so weiter, und so weiter...

Drehen wir den Spieß mal um. Was genau, lieber Nanna, darf man denn dagegen sagen, deiner Ansicht nach. Wie genau stellst du dir das also vor?

Dazu noch ein Bonus: If I ruled the world: Daniel Dennett (20. Feb, 2014)
http://www.prospectmagazine.co.uk/magaz ... el-dennett

Daniel Dennett hat geschrieben:If we could just liberate the world’s children from illiteracy, ignorance, and superstition, their curiosity would lead them to solutions that were both locally informed and sensitive while also tuned to a fairly realistic view of the global context into which these solutions must fit


Bonus II: Besprechung der Kritik von Massimo Pigluicci, bekannter Akkomationist (wie ihr beide), geht auch um Fakten, Wissenschaft, Szientismus und Kritik an neuen Atheisten und so weiter: http://barefootbum.blogspot.de/2014/02/ ... ience.html

Finally, Pigliucci's entire objection to scientism is an exercise in the fallacy of the excluded middle. In Pigliucci's view, the only alternative to his rigid, narrow (and absurd) definition of "science" is an anything-goes descent into linguistic anarchy
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Vollbreit » Mo 24. Feb 2014, 07:11

Deine unkritische a priori Gleichsetzung von Religion mit etwas Schädlichem, ist das Problem.
Dass Religion neben schlechten auch gute, neben Pathologischem auch gesunderhaltende Aspekte hat, erkennst Du nicht.
Da Du Dich drückst beide Seiten zu besprechen und Du Deinen Argumenten wohl selbst nicht über den Weg traust, kompensierst Du den dünnen Inhalt durch der Verweis auf auf (vermeintliche) Autoritäten und bunte Bildchen und links, die zeigen sollen, wer alles auch so denkt wie Du.
Das immer gleiche Strickmuster.

Da von Dir inhaltlich längst nichts mehr kommt und Dein Diskussionsstil mit unterirdisch noch nett bezeichnet ist, bin ich jetzt endgültig raus aus dem Thread.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Nanna » Mo 24. Feb 2014, 11:23

Lumen hat geschrieben:Es wird allgemein angenommen Rauchen sei gesund. Einige Leute finden, dass das entweder nicht stimmt, oder Rauchen sogar gesundheitsschädlich ist.
Nun wird wieder irgendwo ein Poster plakatiert, wonach Rauchen als gesund angepriesen wird. Lumen möchte es abreißen, weil es einfach nicht der Wahrheit entspricht.

Das ist Sachbeschädigung nach § 303 StGB und kann mit Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden. Plakatbeschädiger werden, v.a. im Zusammenhang mit der Beschädigung von Wahlkampfplakaten, regelmäßig angezeigt. Plakate, die andere Meinungen als die eigene ausdrücken, muss man in einer Demokratie einfach aushalten können.

Aber danke, dass du mit diesem Beispiel nochmal schön plakativ (*hust*) ausgedrückt hast, was dein Problem zu sein scheint.

Lumen hat geschrieben:Drehen wir den Spieß mal um. Was genau, lieber Nanna, darf man denn dagegen sagen, deiner Ansicht nach. Wie genau stellst du dir das also vor?

Sagen darfst du so ziemlich alles, die Meinungsfreiheit gilt ja auch für dich. Ob es menschlich und strategisch immer klug ist, alles auszusprechen, halte ich dagegen für äußerst zweifelhaft. Es ist notwendig, dass man in einer Demokratie den öffentlichen Diskurs durch weitere Meinungen bereichert. Aber das entbindet einen nicht von der Verantwortung, sich um gelingende Kommunikation zu bemühen und Andersdenkende grundlegend zu respektieren. Der Respekt, zumindest ein grundlegender, geht meines Erachtens der Meinungsfreiheit voraus. Das kann man allerdings nicht gesetzlich vorschreiben, das muss jeder selber kapieren.

Was sich konkret anbietet sind meiner Meinung nach:
  • Informationsveranstaltungen (etwa zu wissenschaftlichen Themen; gibt es im universitären Umfeld, im Bildungsfernsehen und bei weiteren Bildungseinrichtungen in Deutschland eigentlich genug).
  • Teilnahme an öffentlichen Diskussionen, wo man spezifisch für eine bestimmte Weltsicht eintritt, statt gegen eine andere.
  • Politisch darauf hinwirken, dass die staatlichen Investitionen in Bildung und Forschung erhöht und gleichzeitig effektiver eingesetzt werden.
  • Widerspruch leisten, falls von religiöser/esoterischer Seite Bereiche des öffentlichen Lebens infiltriert werden, wo diese Inhalte nichts verloren haben, etwa der Schulunterricht, die Universitäten (Stichwort Pseudo- und Parawissenschaften), Verfassungsdokumente (Gottesbezug), etc. Unermüdlich betonen, dass jeder religiöse Texte zur Gestaltung seines Privatlebens heranziehen kann, dass sie aber zur Gestaltung einer Gesellschaft, wo es viele Andersdenkende gibt, nicht als Grundlage taugt.
  • konkrete Verbesserungen in verwandten Themenbereichen herbeiführen, etwa Solidarität mit Homosexuellen zeigen, wo ihnen von Fundamentalisten Rechte verwehrt werden.
  • Mithelfen, Präzedenzfälle zu schaffen, etwa bei der Wahl atheistischer oder schwuler Politiker, so dass die Menschen sich daran gewöhnen.
  • den Grundbedingungen für irrationale Ansichten (nicht nur religiöse, sondern auch politische) den Boden entziehen, etwa durch Entwicklungs- und Wirtschaftshilfe für Regionen, wo ein extremes Volksfrömmlertum stark durch äußere Unsicherheiten und Bedrohungen bedingt ist.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Mo 24. Feb 2014, 11:27

Vollbreit hat geschrieben:Dass Religion neben schlechten auch gute, neben Pathologischem auch gesunderhaltende Aspekte hat, erkennst Du nicht.


Welche wären dann das bitte? Bitte zeige auch auf, wie sie funktionieren. Mit Terror Management Theorie oder Placebo brauchst du nicht ankommen, das fällt schon gemischt aus. Der Effekt ist auch nichtreligiös zu bekommen. Manche religiöse Glaubensinhalte können negative Effekte haben. Arme Menschen sind häufig religiöser, und fügen sich dann in ihr Schicksal und Leiden, wie es z.B. von dem Ghoul Teresa ("Mutter Teresa") glorifiziert wurde.

Mutter Teresa hat geschrieben:Eine wissenschaftliche Studie dreier Forscher der Universitäten von Montreal und Ottawa kam 2013 zu dem Schluss, dass die Tatsachen gegen das verbreitete Bild der barmherzigen Mutter Teresa sprächen. Im Rahmen einer Forschungsarbeit über das Phänomen der Selbstlosigkeit beschäftigten sie sich ausführlich mit der von der katholischen Kirche als Sinnbild des Altruismus gefeierten Frau http://de.wikipedia.org/wiki/Mutter_Teresa


Dann mal zu Religion allgemein, das spiegelt sich schön wieder...

Psychology Today hat geschrieben:Are religious people happier than non-religious people? The short answer is yes. There has been a considerable amount of research addressing this question and findings tend to indicate that religious people are (or at least report being) happier than non-religious people. [...] That being said, this question becomes more interesting if you ask the follow-up question of why religious people are happier. Religion may promote happiness for a number of reasons as studies show that religion gives people a sense of purpose and order and serves as a resource for coping with negative life experiences and existential fears (e.g., the fear of death). However, a number of studies really seem to suggest that the magic ingredient in religion that provides happiness is social connectedness. [...] Diener and Seligman found that statistically controlling for social relationships eliminates the association between religiosity and well-being. In other words, religious people report having more social ties and if you take this into account statistically, religion by itself does not predict happiness. http://www.psychologytoday.com/blog/dea ... ous-people


Aka Rauchen macht sozial, weil sich Raucher vor der Tür oder im Hof treffen... aber...

Science Daily hat geschrieben:There may be a few atheists in foxholes, but a new study suggests that in societies under stress, those who are religious outnumber -- and are happier than -- their nonreligious counterparts. Where peace and plenty are the norm, however, religious participation is lower and people are happier whether or not they are religious, the researchers found. http://www.sciencedaily.com/releases/20 ... 170052.htm


Scientific American hat geschrieben:In societies that lack proper food, jobs, or health care, religious people are indeed happier than those who are not religious. Believers in those countries also said they felt more publicly supported than did their non-religious peers. [...] But things get more complicated in countries with adequate social support. For one thing, both the religious and the non-religious in wealthier countries are happier than people in places without proper support. But, here's the interesting thing: In richer nations, those who are religious are actually less happy than their non-religious neighbors. http://www.scientificamerican.com/podca ... -11-09-01/


Es gab auch eine Studie von Gallup oder Pew, die ich eben nicht finde. Sie besagt, dass religiöse Menschen weniger glücklich sind, es sei denn, sie sind streng gläubig. Solche Gläubigen leben in einer überschaubar einfachen Fantasy-Welt wo alles seine Ordnung und seinen Platz hat, und wo ihre Religionsgemeinschaft einen abgeschlossenen Mikrokosmos bietet.

Was hier über Teresa gesagt wird, lässt sich über Religion allgemein sagen:

researchers conclude that her hallowed image—which does not stand up to analysis of the facts—was constructed, and that her beatification was orchestrated by an effective media relations campaign. [...] her rather dubious way of caring for the sick, her questionable political contacts, her suspicious management of the enormous sums of money she received, and her overly dogmatic views regarding, in particular, abortion, contraception, and divorce.
http://www.eurekalert.org/pub_releases/ ... 022813.php


Kurzum: soziale Kontakte erhöhen Glücklichsein, Religionsausübung kann davon profitieren aber religiöse Menschen in entwickelten Ländern sind unglücklicher, als ihre religiösen Nachbarn. Nur in armen Ländern sind Menschen durch Religion glücklicher, fügen sich dann aber in ihr Schicksal, welches von den Kirchen glorifiziert und befördert wird (siehe verhinderte Familienplanung, Verhütung, AIDS usw.).

Jetzt darfst du ran und deine Belege bringen. Wollen wir mal sehen. Ich tippe aber, dass du kneifen wirst.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Mo 24. Feb 2014, 11:43

Nanna hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Es wird allgemein angenommen Rauchen sei gesund. Einige Leute finden, dass das entweder nicht stimmt, oder Rauchen sogar gesundheitsschädlich ist.
Nun wird wieder irgendwo ein Poster plakatiert, wonach Rauchen als gesund angepriesen wird. Lumen möchte es abreißen, weil es einfach nicht der Wahrheit entspricht.

Das ist Sachbeschädigung nach § 303 StGB und kann mit Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden. Plakatbeschädiger werden, v.a. im Zusammenhang mit der Beschädigung von Wahlkampfplakaten, regelmäßig angezeigt. Plakate, die andere Meinungen als die eigene ausdrücken, muss man in einer Demokratie einfach aushalten können.


Es ist schon fast tragikomisch. Erstens darf man eine gegenteilige Meinung vertreten. Das Poster war lediglich sinnbildlich gesprochen für die Tapezierung der Öffentlichkeit mit Aussagen von Religiösen. Zweitens wäre ein Plakat wie "Rauchen ist gesund" mit Sicherheit verboten.

(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält: ... http://www.gesetze-im-internet.de/uwg_2004/__5.html


....

Nanna hat geschrieben:Was sich konkret anbietet sind meiner Meinung nach:
  • Informationsveranstaltungen (etwa zu wissenschaftlichen Themen; gibt es im universitären Umfeld, im Bildungsfernsehen und bei weiteren Bildungseinrichtungen in Deutschland eigentlich genug).
  • ...


Wie ich vermutet habe, beläuft sich dein Maßnahmenkatalog auf auf 'alles in Ruhe lassen' und nur wenn Religion irgendwo reingeschrieben werden soll, wird mal was dazu gesagt. Ansonsten etwas Bildungpolitik. Das ändert wenig, denn niemand muss seine Ansichten hinterfragen.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Nanna » Mo 24. Feb 2014, 11:59

(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält: ... http://www.gesetze-im-internet.de/uwg_2004/__5.html

Religiös zu sein ist keine geschäftliche Handlung.

Lumen hat geschrieben:Wie ich vermutet habe, beläuft sich dein Maßnahmenkatalog auf auf 'alles in Ruhe lassen' und nur wenn Religion irgendwo reingeschrieben werden soll, wird mal was dazu gesagt. Ansonsten etwas Bildungpolitik. Das ändert wenig, denn niemand muss seine Ansichten hinterfragen.

Ich denke, dass es sehr viel ändert, wenn man konsequent dabei bleibt, und dass es, will man den Kern der demokratischen Freiheitsrechte achten, dazu auch nicht viele Alternativen gibt.
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Re: „Atheistischer Fundamentalismus“

Beitragvon Lumen » Mo 24. Feb 2014, 12:23

Nanna hat geschrieben:Ich denke, dass es sehr viel ändert, wenn man konsequent dabei bleibt, und dass es, will man den Kern der demokratischen Freiheitsrechte achten, dazu auch nicht viele Alternativen gibt.


Mit andern Worten, du findest, religionskritische Bücher zu schreiben, oder eine solche Sichtweise zu verbreiten würde den „Kern der demokratischen Freiheitsrechte“ missachten und sei gar „Atheistischer Fundamentalismus“. Nach wie vor eine steile These.

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P.S. Religion hat auch nichts mit Einatmen von Substanzen zu tun, außer Weihrauch vielleicht. Siehe auch: Analogie.
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