Atheismus als Ersatzreligion

Beitragvon Lesum » Di 27. Feb 2007, 15:51

AChrist hat geschrieben:Bei jedem vernünftigen Gemälde, ist die Rückseite unbemalt. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Rückseite bemalt ist. Darum habe ich diesen Vergleich gewählt. Es mag vielleicht keinen vernünftigen Grund dafür geben, etwas "hinter dr physischen" Realität zu vermuten.


Ganz genau so sehe ich das auch.

Ich sehe aber auch keinen vernünftigen Grund, Menschen zu kritisieren, nur weil sie es dennoch tun, solange dadurch niemand zu schaden kommt. Bei z.B. den "Neuen Atheisten" habe ich aber den Eindruck.


Wenn jemand seine Ansichten zum Thema "Was ist auf der Rückseite des Gemäldes" kundtut, muss er halt eventuell mit Widerspruch rechnen, selbst wenn er mit seinen Ansichten niemandem schadet. Wer damit nicht klar kommt, kann sich ja einfach nicht dazu äussern.

Ich meine, aus deinen Postings herauszulesen, dass du der Ansicht bist, religiöse Gefühle bedürfen eines besonderen Schutzes, der beispielsweise Astrologiegläubigen nicht zukommt. Oder würdest du James Randi auch als "Fundamentalisten auf der anderen Seite" bezeichen, wenn er Telepathie und Astrologie als hanebüchenen Unsinn abtut?

[/quote]
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Beitragvon molosovsky » Di 27. Feb 2007, 15:57

Hallo AChrist & alle.

@AChrist: Schöner Thread. Du verlangst viel Mut in der Auseinandersetzung um (Nicht-)Glaubensfragen. :up:
Du ›zwingst‹ mir einen unbequemen Konflikt auf. Ganz ähnlich wie Kurt schätze ich mich selbst eher als Nonkonformisten und Rebellen ein, und entsprechend ungern gehe ich das Risiko ein, als Sülz labernder Gutmensch dazustehen. Aber ich wandel mal das martialische »Hunde, wollt Ihr ewig leben!« ab zu einem »Rechthabenmüsser, wollt Ihr nicht auch mal peinlich ungewiss sein!«.

Prinzipiell: Meiner Überzeugung ist eines DER Menschen-bestimmenden Merkmale die Fähigkeit zum Glauben und zur Hoffnung. Mit diesen Resourcen umzugehen, können alle lernen, egal welches Weltbild indiviuell prägend ist. Deshalb sollte man sich — egal ob gläubig oder nicht — gewahr sein, dass, wer als Einzelner oder Gruppe ums Verrecken nicht abweichen will, von seiner/ihrer absoluten Deutungshoheit, schlechtes Stimmungsklima fördert. Und eine schwarzdonnerwolkenverursachende (lokales, globales) Stimmungswettermacherei liegt meiner Ansicht nach bestimm nicht im Interesse der Mehrheit. Sofort fallen mir da eher so ganz irdische, uralte Machterhaltungs-Maximen ein, wie »Teile und herrsche«, »Lärme im Osten und attakiere/gestalte/manipuliere im Westen« und »Sähe Angst/Neid und ernte Hoffnung/Treue«.

Ihr habst sicher schon aus dem bisherigen herausgehört, dass ich unbedingt davon ausgehe, dass es für Ethik an sich keiner Religion bedarf. Dennoch meine ich, dass selbst die eifrigsten Pfaffenfresser sich ein Mindesmaß an Respekt für die Beiträge der Religionen zu einem immer noch im Werden befindlichen Welt-Ethos pflegen sollten.

Zur Frage eines Sterbenden zum Leben nach dem Tod:
Meine Antwort geht von folgender ›Annahme‹ aus. Der Tod ist eine ungeheuerliche Grenze, und wir wissen (noch nicht) was, wenn überhaupt, jenseits davon abgeht. Das Wissen um die eigene Endlichkeit gehört (neben allseits auffälligen Ungerechtigkeiten, Leiden und Grausamkeiten) zu den erschütternsten Inventarien der Existenz. Diese Inventarien lassen sich zwar ignorieren, aber eben nicht auf Dauer, den wir sind alle sterblich und gefährdet. — Doch warum dieser großen Barriere mit nur Angst, Verzweiflung und Ekel begegnen. Einer mir nahestehenden Person würde ich in etwa antworten:

»Kein Mensch weiß wirklich, was nach dem Tod mit uns als Person geschieht. Sicher ist, dass unser Leib ins schnelle Karusell der sich wandelnden Materie zurückkehrt, aber um unser Wissen, was unser ›individuelles Bewußtsein‹ eigentlich ist, und was damit nach dem Tod gescheht sieht es schon gemischter aus. Auch unsere fortgeschrittensten Wege der Erkenntnis, können (noch) nichts Gewisses zum Rätsel des Jenseits sagen. Die Meinungen gehen auseinander. Andere mögen ganz fest von einer irgendwie gearteten Weiter-Existenz nach dem Tod überzeugt sein, oder doch stark darauf hoffen; ich selbst aber bin da skeptisch und möchte meine Hoffnungskapital gestaltend ins Diesseits investieren. Mein mir blühender persönlicher Tod dient mir also als Spiegel, der meinen zuweilen ab- & umherschweifenden Blick bezüglich der Folgen meines Handels und Seins immer in Bezug auf diese tatsächliche Welt, dieses Diesseits mit seinem Hier und Jetzt lenkt. Doch gerade als Skeptiker muss ich einräumen, daß sich die Menschen, die an kein Leben nach dem Tod glauben, eben vielleicht auch irren können.
Lasse Dich also nicht von der Angst vor dem großen Unbekannten lähmen oder in die Verzweiflung treiben. So gut ich vermag, kann ich versuchen Dir zu helfen, dass Du aufrecht und souverän diesem größten aller menschlichen Abenteuer, der Begegnung mit dem Tod, entgegenschreitest.«


Man merkt vielleicht, ich komm aus Bayern :crazy:
Dieser schon fast schmalzige Ton ist natürlich jetzt so aus dem Stegreif dahergeschrieben, obwohl ich bereits seit meiner ersten Todeserkenntnis (überfahrene Lieblingskatze als ich 7 war, kurz darauf Tod der ersten Oma) fortwährend über Leben und Tod, Verantwortung und Fluchtwunsch nachdenk. — Zudem geht meine Beispielantwort davon aus, dass man noch klar und musenvoll mit dem Sterbenden reden kann.

Pragmatisch gesehen, hätte ich keinerlei Probleme, einem Sterbenden vollzulügen, und ihm meines festen Glaubens an Vergebung und Himmel zu versichern, wenn es denn die letzten Lebenseinheiten des Betreffenden stimmungswettermäßig verbessert.

So sehr ich alle Ambitionen der Bright-Bewegung mag, sich den globalen Fragen zu den Herausforderungen der Menschheit mit größtmöglicher ›Nüchternheit‹, Umsicht und Objektivität zu widmen, kann ich, würde ich, wenn es eine zwischenmenschliche Situtaion erfordert, meinen diesbezüglichen ›sekular-naturlistischen‹ Wahrheitsanspruch ohne Zögern auf Standby schalten.

Gaaaaanz anders schauts z.B. bei solchen Fragen aus, wie der, ob man den Konflikt zwischen Orient und Okzident anheizen sollte, damit die teleologischen Anforderungen für ein baldiges Eintreten des Jüngsten Gerichts erfüllt werden. Da kann mir nur ein »Nein und Nimmer« über die Lippen/Tasten kommen. :veg:

Ich hoffe, AChrist im einzelnen, und alle anderen, können diesem Beitrag etwas abgewinnen. Ein ander Mal mag ich den polemischen Radikalinski raushängen lassen, aber grad eben war mir nach stoischer Besonnenheit.

Grüße
Alex / molosovsky, der froh ist, das Wörtchen ›Ersatzreligion‹ vermieden zu haben. :pfeif:
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Beitragvon Klaus » Di 27. Feb 2007, 17:20

Molo hat geschrieben:...aber grad eben war mir nach stoischer Besonnenheit.


Danke für die Gelassenheit.
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Beitragvon AChrist » Di 27. Feb 2007, 18:17

Der Autor hat geschrieben:Nein, ich kritisiere die christliche Religion, so wie sie gemeint war und von den meisten auch verstanden wird. Die Theologie ist eine akademische Disziplin - eine äußerst sinnlose, schließlich gibt es auch keine Thorologie oder Zeusologie - und entspricht nicht dem, was die Leute glauben. Ich leite die wahre Religion aus der Bibel ab, in ihrer historisch-kritischen Lesung. Wenn du die Position eines brauchbaren Religionswissenschaftlers zum Thema lesen möchtest, empfehle ich dieses Buch hier:


Von wem wird das Christentum so verstanden, dass Nächstenliebe nur für das eigene Volk gilt? Ich kenne mich im Theologie-Studium nicht so aus... soweit ich weiß, werden durchaus auch andere Religionen und auch z.B. die griechischen Götter behandelt. Es geht da auch darum, wie es zur Bildung der Religionen im Allgemeinen kam.

Der Autor hat geschrieben:Klar, er hat ja auch nicht die Macht dazu. Er hat jedoch die Macht, gegen Homosexuelle, Abtreibung und Sterbehilfe zu wettern und tut dies so agressiv ("Euthanasie", "unnatürlich" etc.) wie möglich.


Und er bekommt von den angegriffenen Gruppierungen auch ordentlich Kontra, ohne, dass sie gleich das gesammte Konzept der Religion angreifen.

Der Autor hat geschrieben:Sagen können viele Leute viel. Es gut begründen können nur Wenige. Sam Harris hat ein paar Komplett-Aussetzer wie diesen, insgesamt hat er allerdings tatsächlich Recht.


Ich behaupte es ja auch nicht, da ich in Deinem Kopf keine solchen Aussetzer vermute. Worauf ich hinaus will, ist, dass ich es für falsch halte eine Weltanschauung wegen einer radikalen Minderheit dieser Weltanschauung zu verdammen. Bzw. den Moderaten die Schuld für das Verhalten der Radikalen zu geben.

Der Autor hat geschrieben:Kardinal Meisner sagte: "Menschlichkeit ohne Gottesglauben verkommt in Brutalität" und hält Atheisten für "Genossen im Antichrist".
Er darf sich alles erlauben. Atheisten sagen nicht mal ansatzweise solche kranken Sachen und bekommen nicht einmal ein 10tel der Sendezeit.


Also den von mir zitierten Aussetzer von Sam Harris fand ich schon ziemlich krank. Ich könnte jetzt auch hier sagen: "Kardinal Meisner hat ab und zu seine Aussetzer, über die man hinweg sehen muss." ... und dabei behaupte ich noch nicht einmal, dass er Recht hat. Diese Argumentation führt zu "Ihr habt angefangen"-Streitereien. Und ja, die kirche hat tatsächlich angefangen. Sie gibt es weit länger als Naturalisten., und sie ist früher alles andere als zimperlich mit Ansätzen zum Naturalismus umgegangen. Heute tut sie das nicht mehr.

Lesum hat geschrieben:Ich meine, aus deinen Postings herauszulesen, dass du der Ansicht bist, religiöse Gefühle bedürfen eines besonderen Schutzes, der beispielsweise Astrologiegläubigen nicht zukommt. Oder würdest du James Randi auch als "Fundamentalisten auf der anderen Seite" bezeichen, wenn er Telepathie und Astrologie als hanebüchenen Unsinn abtut?


Ja, ich halte religiöse Gefühle in gewissem Rahmen für schützenswert. So irrational die Gedanken da erscheinen mögen, so sollte man sich meiner Meinung nach bewusst sein, dass wirklich kein Mensch rein rational denkt. Auch Naturalismus kann aufgrund irrationaler Gedanken als Weltbild gewählt worden sein. Niemand springt wirklich gerne über den eigenen Schatten, auch Naturalisten nicht. Genausowenig, wie Ihr einen Grund seht, über Euren Schatten zu springen, wird ein Christ dafür einen Grund sehen... und in meinen Augen mit dem gleichen Recht. Natürlich ist es erlaubt, seine Meinung zu äußern, aber ich plädiere dafür, dabei eine gewisse Vorsicht zu bewahren, auf beiden Seiten.

Von James Randi habe ich mal einen schönen Satz gelesen, als er über ein Gespräch mit einem indischen Yogi schrieb: "We agreed that we disagree and parted as best friends." Randi kritisiert die Punkte, wo Glauben das Bild der physischen Realität beeinflusst... wo der Glauebn sozusagen nachprüfbar ist. Er pocht zu Recht auf die wissenschaftliche Methodik, die aufgrund Erfahrungen mit vielen Irrtümern entstanden ist. Er neigt zwar ab und zu auch Weltanschauungen anzugreifen, was ich nicht mag, aber in meinen Augen bleibt er da fair. Der Test kann als Provokation aufgefasst werden, aber ich bin überzeut, er wiürde das Geld bezahlen, sollte jemand mal bestehen. Ob er danach an Telephatie, oder was auch immer vorgeführt worden wäre, glaubt, bezweifle ich allerdings.

@molosovsky: Danke für den nette Antwort :up:

molosovsky hat geschrieben:Meiner Überzeugung ist eines DER Menschen-bestimmenden Merkmale die Fähigkeit zum Glauben und zur Hoffnung. Mit diesen Resourcen umzugehen, können alle lernen, egal welches Weltbild indiviuell prägend ist. Deshalb sollte man sich — egal ob gläubig oder nicht — gewahr sein, dass, wer als Einzelner oder Gruppe ums Verrecken nicht abweichen will, von seiner/ihrer absoluten Deutungshoheit, schlechtes Stimmungsklima fördert.


Sagt bescheid, wenn ich nerve. Das ist nicht meine Absicht. Mit dem "Rechthabenmüsser" hast Du bei mir nicht Unrecht. Ich bemühe mich, aus der Diskussion auszusteigen, sobald ich das Gefühl habe, sie laufe im Kreis, und ich stritte nur noch des Rechthabens willen.

molosovsy hat geschrieben:Ihr habst sicher schon aus dem bisherigen herausgehört, dass ich unbedingt davon ausgehe, dass es für Ethik an sich keiner Religion bedarf.


Da bin ich völlig Deiner Meinung.

molosovsky hat geschrieben:Dennoch meine ich, dass selbst die eifrigsten Pfaffenfresser sich ein Mindesmaß an Respekt für die Beiträge der Religionen zu einem immer noch im Werden befindlichen Welt-Ethos pflegen sollten.


Auch diesen Satz würde ich gerne doppelt unterschreiben.

molonosovsky hat geschrieben:Dieser schon fast schmalzige Ton ist natürlich jetzt so aus dem Stegreif dahergeschrieben, obwohl ich bereits seit meiner ersten Todeserkenntnis (überfahrene Lieblingskatze als ich 7 war, kurz darauf Tod der ersten Oma) fortwährend über Leben und Tod, Verantwortung und Fluchtwunsch nachdenk. — Zudem geht meine Beispielantwort davon aus, dass man noch klar und musenvoll mit dem Sterbenden reden kann.


Es ist jedenfalls eine schöne Antwort. Ich bezweifle zwar, dass das Dir so wörlich über die Lippen kommen würde (man schreibt ja oft anders als man redet), aber es kommt ja auf den Inhalt an.

molonosovsky hat geschrieben:So sehr ich alle Ambitionen der Bright-Bewegung mag, sich den globalen Fragen zu den Herausforderungen der Menschheit mit größtmöglicher ›Nüchternheit‹, Umsicht und Objektivität zu widmen, kann ich, würde ich, wenn es eine zwischenmenschliche Situtaion erfordert, meinen diesbezüglichen ›sekular-naturlistischen‹ Wahrheitsanspruch ohne Zögern auf Standby schalten.


Diesen Aspekt der Bright-Bewegung mag ich auch. Ich sehe nur nicht die Probleme für die Welt, wenn man z.B. an ein Weiterleben nach dem Tod glaubt.

molonosovsky hat geschrieben:Gaaaaanz anders schauts z.B. bei solchen Fragen aus, wie der, ob man den Konflikt zwischen Orient und Okzident anheizen sollte, damit die teleologischen Anforderungen für ein baldiges Eintreten des Jüngsten Gerichts erfüllt werden. Da kann mir nur ein »Nein und Nimmer« über die Lippen/Tasten kommen.


Mir ist zwar gerade nicht klar, wer solchen Unsinn verzapft hat... aber radikalen Christen traue ich das durchaus zu. Auch von mir käme da ein radikales Veto.

Viele Grüße
AChrist
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Beitragvon Klaus » Di 27. Feb 2007, 19:03

Ich erlaube mir mal zum Ausgangspunkt zurück zu gehen. Atheismus als Ersatz-Religion. Genau das ist Atheismus nicht, Atheismus hat keinen Religionsstifter und hat kein "Buch" in dem die Werte und Verhaltensnormen festgeschrieben sind. Atheismus ist eine vielmehr inhomogene Masse an empirischen Wissen, wissenschaftlichen Erkenntnissen und deren oft strittigen Interpretationen.
Religion ist Privatsache, sie sollte eines jeden Menschen freie Entscheidung sein! Wer soll religiöse Gefühle schützen, der Staat mittels Gesetz oder Verordnungen, insofern können religiöse Gefühle nicht geschützt werden und nebenbei sie bedürfen des Schutzes überhaupt nicht. Ganz konkret, ich bedarf des Schutzes vor Religion, weil sie in einer von mir nicht gewollten Form in mein Leben eingreift, in vielerlei Hinsicht , wenn ich nur die Fülle an geistlicher Musik in Oper und Operette nehme, oder alllein Kirchenmusik.

Also kein Schutz religiöser Gefühle, das ist prinzipiell abzulehnen, religiöse Menschen können sich aber sicher sein meinen Respekt für ihren Glauben zu haben, was leider sehr oft als meine Schwäche ausgelegt wird.

Wenn ein mal ein paar Atheisten im Fernsehen vertreten sind so ist das nichts gegen die Sendezeiten die den Religionen eingeräumt werden, insbesondere der christlichen. Das Argument zieht nicht, "Ungläubige, Skeptiker, Querulanten" oder was auch immer, sind eindeutig unterrepräsentiert.
Das heißt nicht, das wir unsere Zweifel haben, an der Erkennbarkeit der Welt, in der Evolutionstheorie, ich persönlich halte es für nicht normal, wenn wir uns im Zeitalter von Quantenphysik und Nano-Technoligie noch darüber Gedanken machen was wir nach dem Tod sind. Es ist grotesk, dass viele Menschen wissen wollen was nach dem Tod sein wird, gleichzeitig aber ziemlich uninteressiert sind woher sie gekommen sind, das wird hingenommen, das ist so und fertig.
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Beitragvon Kurt » Di 27. Feb 2007, 23:08

AChrist hat geschrieben:Stell Dir vor, es ginge darum, ein Bild im Museum zu beschreiben. Ein Naturwissenschaftler sucht nach Mustern und Gesetzmäßigkeiten, die es ihm erlauben, möglichst einfach die Vorderseite des Bildes, das, was wir sehen und erleben, zu beschreiben und vielleicht das Bild möglichst genau nachzumalen. Ein religiöser Mensch hat eine Vorsellung, wie die Rückseite des Bildes aussieht. Nun kann es zu albernen Streitigkeiten zwischen gläubigen Menschen kommen, weil sie verschiedene Vorstellungen über die Rückseite besitzen. Was auf der Rückseite zu finden ist, hat keinerlei oder höchstens sehr wenig Auswirkung auf die Vorderseite; einige Vorstellungen über die Rückseite können vielleicht ausgeschlossen werden... es wurden keine besonders deckenden farben verwendet... genauso, wie sich einzelne Gottesbilder widerlegen lassen. Die naturalistische Schlussfolgerung "Die Rückseite ist leer" oder "Wir wissen nichts über die Rückseite" ist für die Beschreibung der Vorderseite des Bildes (die physische Realität) sinnvoll. Sich aber hinzustellen und zu predigen, dass die Rückseite leer sei, geschieht in meinen Augen nicht mit mehr oder weniger Recht als irgendetwas anderes mit aggrissivem Eifer zu behaupten.


Ein wunderbarer Vergleich. Ist der von dir selber? Oben hatte ich ja Probleme, den Unterschied zwischen Wissenschaft und Religion objektiv darzulegen, hier hast du es selbst getan. Ich stelle mir gerade vor, ich stehe im Museum vor dem Bild und neben mir diskutieren zwei Leute, was auf der Rückseite ist. Der eine sagt "ein Strichmännchen", der andere "ein Fußball". Was denke ich mir dazu? Wie kann man nur über so unsinniges Zeug diskutieren. Man sieht nur die Vorderseite, man weiß nicht, was hinten drauf ist. Warum sollte überhaupt was drauf sein? Die Wissenschaft beschreibt Dinge, die man sieht. Religion stellt Behauptungen auf, die man nicht belegen kann. Kann man diese beiden Dinge wirklich auf eine Stufe stellen?

Anderer Punkt: Du sagst, manche Brights verteidigen ihren Standpunkt auf irrationale Weise. Aber zumindest die Wissenschaft und die Logik dahinter sind doch rational, im Ggs. zur Religion. Reicht es denn nicht zu wissen, dass ein Standpunkt stimmt (analog zur Mathematik "Beweis siehe...")? Und gibt es keine Menschen, die den Bright-Standpunkt rational verteidigen? Gibt es die auch in der Religion?

Dritter Punkt (falls es dir nicht zu persönlich ist): Glaubst du nur an ein Jenseits im Allgemeinen Sinne oder gehörst du einer bestimmten Religion an? Im zweiten Fall: Bist du konsistent mit allen Glaubensinhalten der Religion? Ist die widerspruchsfrei?
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Beitragvon HF******* » Di 27. Feb 2007, 23:48

AChrist schrieb:
Sich aber hinzustellen und zu predigen, dass die Rückseite leer sei, geschieht in meinen Augen nicht mit mehr oder weniger Recht als irgendetwas anderes mit aggrissivem Eifer zu behaupten.


copy/paste:
Die Aussage, dass es keine Gottheit gibt, ist plausibel, die Aussage, dass es die Gottheit gibt, ist nicht plausibel.

Wir können nicht bei einer solchen Beurteilung - wenn wir sie denn vornehmen - sämtlichen Erfahrungshorizont außer Acht lassen. Der sagt uns hier nämlich: Das gibt es nicht!

Es gibt es so etwas wie Plausibilität einer Theorie: Die Theorie, dass es keinen Gott gibt, ist plausibel, also von jedem normalen Menschen mit durchschnittlicher Intelligenz sofort nachvollziehbar. Umgekehrt wäre die Theorie, dass es einen Gott gibt, völlig unplausibel, weil der Umstand eines Gottes bereits völlig aus der Luft gegriffen ist. Je nähre ich eine Gottheit definiere und mit Phantasie ausschmücke, umso weniger plausibel wird sie.

Wenn Du von „irgendwelchen Außerirdischen“ im Universum sprichst ist das plausibler als wenn Du behauptest, sie hätten ihr Raumschiff auf der Rückseite des Mondes geparkt, sie sähen alle aus wie George W. Busch, nur mit langen rosa Zöpfen und Kleidung wie Angela Merkel.

Je weniger praltische Anhaltspunkte (Erfahrungswerte) für eine Theorie sprechen, umso weniger plausibel wird sie.
Je konkreter man eine Gottheit ausschmückt, umso weniger plausibel wird sie normalerweise.

Ich bin der Meinung, dass eine Gottheit so unwahrscheinlich ist, dass ein Sprechen von realer Wahrscheinlichkeit nur noch im denktheoretischen Sinne angebracht ist. Im normalen Sprachgebrauch verdichtet sich dieser Wahrscheinlichkeitsgrad zu sicherem Wissen.

Mit dem normalen Sprachgebrauch meine ich z. B. folgendes:
Bei einer Verurteilung muss der Richter auch überzeugt sein, dass der Verurteilte der Täter ist. Er sagt: Ich weiß, dass er die Tat begangen hat. Im Verhältnis zu unserem Wissen, dass es keine Gottheit gibt, ist das Wissen eines Richters in JEDEM FALL völlig unsicher, dennoch sprechen wir von sicherem Wissen.

Man spricht auch von Absicht in Form des sicheren Wissens, wenn der Täter es auf den Erfolg einer Tat zwar nicht anlegt, aber sicher weiß, dass er die Folge der Tat sein wird: Auch ein solches Wissen würde ich im Vergleich um das Wissen über die Nichtexistenz von Gottheiten für den Normalfall einer Straftat als vollkommen ungesichert ansehen.

Das Recht ist insofern auf der Seite der Naturalisten.

Gruß
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Beitragvon AChrist » Mi 28. Feb 2007, 00:16

Klaus hat geschrieben:Ich erlaube mir mal zum Ausgangspunkt zurück zu gehen. Atheismus als Ersatz-Religion. Genau das ist Atheismus nicht, Atheismus hat keinen Religionsstifter und hat kein "Buch" in dem die Werte und Verhaltensnormen festgeschrieben sind. Atheismus ist eine vielmehr inhomogene Masse an empirischen Wissen, wissenschaftlichen Erkenntnissen und deren oft strittigen Interpretationen.


Ok, dann führe ich den Begriff des Antitheismus ein, falls es den noch nicht gibt. Grundprinzip: "Der Glaube an irgendetwas gottartiges ist grundsätzlich abzulehnen." Atheismus in dieser Form hat zwar auch kein Buch, aber er nimmt durchaus fundamentalistische Züge an.

Klaus hat geschrieben:Religion ist Privatsache, sie sollte eines jeden Menschen freie Entscheidung sein!


Volle Zustimmung.

Klaus hat geschrieben:Wer soll religiöse Gefühle schützen, der Staat mittels Gesetz oder Verordnungen, insofern können religiöse Gefühle nicht geschützt werden und nebenbei sie bedürfen des Schutzes überhaupt nicht.


Hmmm... guter Punkt.

Klaus hat geschrieben:Ganz konkret, ich bedarf des Schutzes vor Religion, weil sie in einer von mir nicht gewollten Form in mein Leben eingreift, in vielerlei Hinsicht , wenn ich nur die Fülle an geistlicher Musik in Oper und Operette nehme, oder alllein Kirchenmusik.


Was magst Du an der Musik nicht? Man muss beim hören ja nicht an den religiösen Ursprung denken... naja, ich will nicht über Musik reden ;-) Ich verstehe schon, was Du meinst.

Klaus hat geschrieben:Also kein Schutz religiöser Gefühle, das ist prinzipiell abzulehnen, religiöse Menschen können sich aber sicher sein meinen Respekt für ihren Glauben zu haben, was leider sehr oft als meine Schwäche ausgelegt wird.


Ich sehe darin eher eine Stärke. Äußerungen, wie der Autor von Kardinal Meisner zitiert hat oder ich von Sam Harris, zeugen von großer Angst vor Andersdenkenden. Die abweichende Meinung eines Gegenüber wird als persönlicher Angriff gesehen, was den eigenen Hass auf das Gegenüber schürt, obwohl da kein Grund besteht. Das Gegenüber denkt nur was anderes und tut einem nichts Böses.

Wie sieht Dein Respekt vor persönlichem Glauben aus? Was für Verhaltensweisen wären respektlos in Deinen Augen?

Klaus hat geschrieben:Das heißt nicht, das wir unsere Zweifel haben, an der Erkennbarkeit der Welt, in der Evolutionstheorie, ich persönlich halte es für nicht normal, wenn wir uns im Zeitalter von Quantenphysik und Nano-Technoligie noch darüber Gedanken machen was wir nach dem Tod sind. Es ist grotesk, dass viele Menschen wissen wollen was nach dem Tod sein wird, gleichzeitig aber ziemlich uninteressiert sind woher sie gekommen sind, das wird hingenommen, das ist so und fertig.


Naja, woher das Interesse an "was kommt nach dem Tod" kommt, ist offensichtlich. Es wird im Leben fast jeden Menschen vorkommen, dass nahestehende Menschen sterben. Das ist unausweichlich.

Kurt hat geschrieben:Ein wunderbarer Vergleich. Ist der von dir selber? Oben hatte ich ja Probleme, den Unterschied zwischen Wissenschaft und Religion objektiv darzulegen, hier hast du es selbst getan. Ich stelle mir gerade vor, ich stehe im Museum vor dem Bild und neben mir diskutieren zwei Leute, was auf der Rückseite ist. Der eine sagt "ein Strichmännchen", der andere "ein Fußball". Was denke ich mir dazu? Wie kann man nur über so unsinniges Zeug diskutieren. Man sieht nur die Vorderseite, man weiß nicht, was hinten drauf ist. Warum sollte überhaupt was drauf sein? Die Wissenschaft beschreibt Dinge, die man sieht. Religion stellt Behauptungen auf, die man nicht belegen kann. Kann man diese beiden Dinge wirklich auf eine Stufe stellen?


Ja, der Vergleich ist von mir :-) . Das naturalistische Weltbild genießt sozusagen Heimvorteil, insofern ist es schon auf einer höheren Stufe. Allerdings sobald ein Naturalist anfänngt, doch Aussagen über die Rückseite zu machen, verschwindet dieser Heimvorteil. Die Aussage "Die Rückseite ist leer, weil es keinerlei Hinweis auf etwas anderes gibt." ist in gewissem Maß sinnvoll, aber mit anderen Behauptungen gleichwertig.

Kurt hat geschrieben:Anderer Punkt: Du sagst, manche Brights verteidigen ihren Standpunkt auf irrationale Weise. Aber zumindest die Wissenschaft und die Logik dahinter sind doch rational, im Ggs. zur Religion. Reicht es denn nicht zu wissen, dass ein Standpunkt stimmt (analog zur Mathematik "Beweis siehe...")? Und gibt es keine Menschen, die den Bright-Standpunkt rational verteidigen? Gibt es die auch in der Religion?


Natürlich gibt es Menschen, die den Bright-Standpunkt rational verteidigen; die Mehrheit würde ich schätzen. Was die physische Realität (Vorderseite des Bildes) angeht, ist es ungeschlagen. In meinen Augen rational ist die Aussage: "Ich glaube, die Rückseite des Bildes ist leer, weil die Rückseite jedes vernünftigen Bildes leer ist, und wir auch keinerlei Anzeichen (durchscheinende Farbe etc.) auf eine bemalte Rückseite besitzen." Als irrational empfinde ich: "Die Rückseite ist sicher leer. Jeder Gedanke an eine bemalte Rückseite ist abzulehnen." Auch, wenn eine bemalte Rückseite unplausibel erscheint, so bleiben doch Restzweifel... im Gegensatz zur Vorderseite, die immer besser beschreibbar ist. Ich hoffe, es its verständlich, was ich meine.

Kurt hat geschrieben:Dritter Punkt (falls es dir nicht zu persönlich ist): Glaubst du nur an ein Jenseits im Allgemeinen Sinne oder gehörst du einer bestimmten Religion an? Im zweiten Fall: Bist du konsistent mit allen Glaubensinhalten der Religion? Ist die widerspruchsfrei?


Ich glaube an ein Jenseits im allgemeinen Sinne. Ich fühle mich dem Christentum zwar nahe, bin aber bei weitem nicht konsisten in allen Glaubensinhalten dieser Religion. Wie weit mein persönliches Bild widerspruchsfrei ist... sagen wir mal so vorsichtig: Ich habe noch keinen inneren Widerspruch gefunden.

Viele Grüße
AChrist
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Beitragvon HF******* » Mi 28. Feb 2007, 00:18

@AChirst:
Ich gehe noch mal auf Deine Ursprungsantwort ein.

Es geht mir durchaus um die Frage, ob oder warum man etwas für wahr oder real hält. Wenn man die selbe Logik und Rationalität anwendet muss man ansich zum selben Ergebnis kommen. Insofern finde ich es auch nicht bedenklich, wenn jemand seinen Kindern von einem Gott erzählt - es ist aber etwas anderes, wenn man seinen Kindern das als Wahrheit verkauft.

Zu den Katholiken:
Nun ja: Spätestens beim Abendmal sollte etwa jeder Katholik wissen, wie es mit der Wahrheit gemeint ist, wenn sich Oblate in Fleisch und Wein in Blut verwandelt - ganz real. Es gehört dann zum Kult, nicht zuzugeben, dass es nicht wahr ist. Von daher müssten sich Atheisten und Katholiken ansich hervorragend verstehen.

zu den Evangelischen:
Bei den Evangelen verhält es sich mit der Wahrheit schwieriger, weil ohnehin alles im übertragenen Sinne verstanden werden kann und nicht unbedingt wörtlich: Allerdings ist da bei der Existenz der Gottheit und dem Leben nach dem Tode auch ganz schnell Schluss mit dem Sinnbild und übetragenen Sinn.

Es gibt eine objektive - wirkliche - Realität - und das ist die naturalistische Realität. Das ist die Realität, nach der ein kleines Kind fragt. Wenn sich jemand über Phantasie oder Märchen unterhalten will, dann soll er es dazu sagen.

Wenn mich jemand im Angesicht des Todes nach meiner wirklichen Vorstellung von der Realität fragt und sie hören will, auch wenn die Antwort vielleicht nicht genehm ist, werde ich die Person sicherlich nicht anlügen. Ich denke nicht, dass überhaupt ein Mensch wünscht, belogen zu werden. Jemand der die Realität nichr erträgt, wird nicht danach fragen wollen. Und wer nur den eigenen Glauben bestätigt haben will, der wird nicht jede Antwort hören wollen...

Gruß
HFRudolph
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Beitragvon molosovsky » Mi 28. Feb 2007, 00:23

(Hab lang mit schreibseln gebraucht. Dieser Beitrag ist auf dem Stand von diesem Klaus Beitrag verfasst.)

Als Phantast genieße ich dieses Spiel mit ›Bildrückseiten‹.

Ich meins nicht bös, bin ganz vergnügt, komm aber von der Zeichnerei und hab entsprechend vertiefstes Halbwissen über ›Rückseiten von Gemälden‹. Da finden sich meist nur so signaturische und andere ›Verwaltungs-Kritzelein‹ wie Besitzerstempel auf Ettiketten. Gibt freilich schon nen Schwung Gemälde, auf deren Rückseite sich Skizzen finden lassen, oder ein Probestück, bis hin zu Tollkühnheiten und Experimenten.

Gedankensprung:
Die Natur selbst hat ja Formen für ›Blinde Fleck‹-Metaphern hervorgebracht:
• Wo der Sehnervstrang am Augapfel austritt … die Fehlstelle wird extra- und intrapolativ ergänzt.
• Das nicht Beobachten-Können des eigenen Beobachtens. Beobachten läßt sich nur indirekt beobachen, indem man eben andere dabei beobachtet, wie die etwas beobachten.
• Ich führ zudem die berüchtigte Unschärferelation auf (messbar: Position ODER Bewegungsvektor). Glaubt aber bloß nicht, ich wäre sattelfest firm beim Ritt durch all die quantenphysik. Theorien.

Gedankensprung:
Religionen feiern das Geheimnis des Lebens und speisen Hoffnung angesichts des wohl unvergänglichen (weil sich immer in neuen Formen manifestierenden) Leides;
Wissenschaften lüften das Geheimnisvolle und installieren abgesicherte Kalkül-Denkräume.

Also: @Klaus zu seinem letzten 2)
Auf eine Stufe stellen von Religion und Wissenschaft: Das geht einfach so gar nicht zusammen, bzw. würde sich doch wunderbar ›ergänzen‹ (entsprechend anregende Wunschvorstellung einsetzen), mit uns Konsumenten als vermittelndem Ditten mittenmang. :ohm:
Aber ›Religion‹ und ›Wissenschaft‹ sind eben nicht nur Bezeichnungen, oder Ideen, sondern auch Mileus und handfeste ›Alltags‹-Interessen (bis hin zu Wasser im Fundament und Schadstoffen in der Klimaanlage).

Sprachlich verschärft ausgedrückt, versucht man ja abzugrenzen: Wer jeweils missbraucht Religion und/oder Wissenschaft, wer nicht, wer bedient sich ihrer sogar tugendhaft? — Klar ist wohl, dass es allseits, bei den Religiösen, den Nichtgläubigen und den dazwischen unentschlossen Zögerlichen eine Sehnsucht dafür brodelt, das ›die Guten‹ gewinnen und damit ›die Bösen‹ in die Schranken weisen, wenn mir dieser manichäische Schlenker erlaubt ist.



Das mit dem Jenseits ist mir jetzt zu heikel. Knapp frag ich mich manchmal: was bringt das Jenseits? Kann man damit konkret was machen? — Die Welt der Ahnen, der Erinnerungen und Sehnsüchte und Schrecknisse KANN man freilich mit Namen wie ›Himmel‹, ›Himmel‹ oder ›Haus das Menschen verrückt macht‹ bezeicnen. Die Möglichkeiten sind schier unerschöpflich.

Ich kann gut verstehen, dass einen die ›kalte harte Faken- und Experiment-Sicht‹ der Wissenschaft eher eine schrecklich beunruhigende Welt zeigt, und man einen Ersatz bevorzugt, ein handlicheres, narrativ und bildlich gestaltetes Metaphernsilo. Wunder bieten beide Wege, kommt halt darauf an, was man unter Wunder versteht :-)

Grüße
Alex / molo
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Beitragvon Andreas Müller » Mi 28. Feb 2007, 00:32

Ok, dann führe ich den Begriff des Antitheismus ein, falls es den noch nicht gibt.


Unnötig. Der Begriff, den du meinst, heißt "Igtheismus".

Was magst Du an der Musik nicht?


Na ja, dass in Gottesdiensten Kirchenmusik gespielt wird, das will sicherlich keiner verbieten oder auch nur kritisieren. Ist ja logisch.

Kardinal Meisner zitiert hat oder ich von Sam Harris, zeugen von großer Angst vor Andersdenkenden.


Man muss allerdings sagen, dass es niemanden gibt, der aufgrund seines Nichtglaubens an Gott Morde begeht. Es gibt jedoch Fundamentalisten, die so etwas aufgrund ihres starken Glaubens tun.
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Beitragvon Klaus » Mi 28. Feb 2007, 00:38

Es geht mir nicht um die Kirchenmusik, es geht mir darum wie tief verwurzelt Religion in der Musik oder in der Kultur ist. Beides, Religion und Wissenschaften können missbraucht werden und es geschieht auch, darüber bin ich mir im klaren.
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Beitragvon Andreas Müller » Mi 28. Feb 2007, 00:51

Na ja. Ich lese gerade ein 60 Jahre altes Standardwerk über die britische Geschichte (damals war alles besser :wink: ). Und ich muss schon zugeben: In der Entwicklung von einem wilden Gemisch sich bekriegender Stämme (Kelten, Angeln, Sachsen, Jüten, Dänen) zu einer modernen Demokratie war die Monarchie plus Kirche schon ein wichtiger Zwischenschritt in Großbritannien. Ich verstehe jetzt auch die Funktion, welche Rolle das Christentum bei diesen Stämmen hatte, warum es das Einzige war, was von der römischen Hochkultur in GB übrig geblieben ist. Die Leute standen teils unter akuter Lebensgefahr. Dass sie sich dann eine Religion aussuchen, die ihnen ein besseres Nachleben verspricht, kann man schon verstehen.

Man muss allerdings sagen, dass seitdem rund 1000 Jahre vergangen sind. :wink:
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Beitragvon Kurt » Mi 28. Feb 2007, 01:28

AChrist hat geschrieben:Natürlich gibt es Menschen, die den Bright-Standpunkt rational verteidigen; die Mehrheit würde ich schätzen. Was die physische Realität (Vorderseite des Bildes) angeht, ist es ungeschlagen. In meinen Augen rational ist die Aussage: "Ich glaube, die Rückseite des Bildes ist leer, weil die Rückseite jedes vernünftigen Bildes leer ist, und wir auch keinerlei Anzeichen (durchscheinende Farbe etc.) auf eine bemalte Rückseite besitzen." Als irrational empfinde ich: "Die Rückseite ist sicher leer. Jeder Gedanke an eine bemalte Rückseite ist abzulehnen." Auch, wenn eine bemalte Rückseite unplausibel erscheint, so bleiben doch Restzweifel... im Gegensatz zur Vorderseite, die immer besser beschreibbar ist. Ich hoffe, es its verständlich, was ich meine.

Volle Zustimmung von mir.

AChrist hat geschrieben:
Kurt hat geschrieben:Dritter Punkt (falls es dir nicht zu persönlich ist): Glaubst du nur an ein Jenseits im Allgemeinen Sinne oder gehörst du einer bestimmten Religion an? Im zweiten Fall: Bist du konsistent mit allen Glaubensinhalten der Religion? Ist die widerspruchsfrei?


Ich glaube an ein Jenseits im allgemeinen Sinne. Ich fühle mich dem Christentum zwar nahe, bin aber bei weitem nicht konsisten in allen Glaubensinhalten dieser Religion. Wie weit mein persönliches Bild widerspruchsfrei ist... sagen wir mal so vorsichtig: Ich habe noch keinen inneren Widerspruch gefunden.


so würde ich es auch bei mir ausdrücken.

Btw, ein bisschen off-topic: Kennt jemand das Buch von Frank Tipler "Die Physik der Unsterblichkeit"? Hat sich doch tatsächlich ein Physiker mit (bis dahin) gutem Ruf erdreistet, das Jenseits zu "beweisen". Ich habs gelesen. Halb. Dann wurde mir der Unfug zu viel. Falls es jemand haben will...?
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Beitragvon Klaus » Mi 28. Feb 2007, 01:45

@Kurt, off topic, behalte mal aus meiner Sicht das Buch :/ , ist alles sehr an Pierre Teilhard de Chardin und seine Noosphäre angelehnt.
In physikalischer Hinsicht erhält Tipler Unterstützung von D. Deutsch, der allerdings den religiösen Part in Tiplers Werk ablehnt.
Ich habe nur den Kopf geschüttelt, der "Heilige Geist" als Wellenfunktion, oder Ausdruck dessen.
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Beitragvon Nox » Mi 28. Feb 2007, 03:23

Kurt hat geschrieben:Btw, ein bisschen off-topic: Kennt jemand das Buch von Frank Tipler "Die Physik der Unsterblichkeit"? Hat sich doch tatsächlich ein Physiker mit (bis dahin) gutem Ruf erdreistet, das Jenseits zu "beweisen". Ich habs gelesen. Halb. Dann wurde mir der Unfug zu viel. Falls es jemand haben will...?


Bin mir nur fast sicher, dass es das ist was ich gelesen habe. (Teilweise nur überflogen, weils unerträglich wurde...)

Wenn ichs nicht verwechsle: Völliger Blödsinn. Eines der schlechtesten Bücher, dass ich je gelesen habe. Habs in irgendner Bücherei ausgeliehen, da ich an dem Titel nicht vorbeigehen konnte, aber es hat meine Erwartungen sogar noch übertoffen... :/
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Beitragvon molosovsky » Mi 28. Feb 2007, 12:27

AChrist hat geschrieben:Als irrational empfinde ich: "Die Rückseite ist sicher leer. Jeder Gedanke an eine bemalte Rückseite ist abzulehnen."

Kommt auf die Umstände an. Einer der tragischsten Aspekte des Spekulierens ist ja, daß man mit solchen Streitgesprächen über Bildrückseiten wunderbar von den ›eigentlich‹ wichigen Vorgängen und Problemen ablenken kann.

›Eigentlich‹ markiert schon, daß es eben im Grunde um verschiedene Auffassungen dazu geht, WAS denn wichtig ist.
Grüße
Alex / molo
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Beitragvon AChrist » Fr 2. Mär 2007, 14:31

Hallo,

ich will nochmal ein paar Gedanken äußern.

HFRudolph hat geschrieben:Das Recht ist insofern auf der Seite der Naturalisten.


Ja, na und? Ein Richter kann auch glauben, dass der Angeklagte schuldig ist, muss ihn aber mangels Beweien "in dubio pro reo" freisprechen. Ähnlich verhält es sich in meinen Augen für einen Wissenschaftler. Er darf an Gott glauben, sollte aber mangels Beweisen diesen Glauben z.B. nicht in Fachartikel aufnemen.

Kurt hat geschrieben:Btw, ein bisschen off-topic: Kennt jemand das Buch von Frank Tipler "Die Physik der Unsterblichkeit"? Hat sich doch tatsächlich ein Physiker mit (bis dahin) gutem Ruf erdreistet, das Jenseits zu "beweisen". Ich habs gelesen. Halb. Dann wurde mir der Unfug zu viel. Falls es jemand haben will...?


Das hier erwähnte Buch von Tipler habe ich auch gelesen, und hatte dabei ähnliche Gefühle, wie Kurt. Da wurde Spekulation und Wissen wild durcheinander gemischt. Allerdings dazu mal folgende Frage: Was ist es, was diese Aversion gegen das Buch auslöst? Ist es wirklich nur die holprige Argumentationsführung oder schon die tatsache, dass da jemand versucht Gott oder das Jenseits zu beweisen? Oder provokativ ausgedrückt: Wie sähe eine saubere Argumentation für Gott und ein Jenseits aus, wenn der Versuch schon bei Naturalisten Aversion hervorruft?

Im Lancet gab es mal einen Artikel über NTE, in dem die Autoren beschrieben haben, was NTE alles nicht sind. In der Schlussfolgerung schreiben sie, dass sie zumindest die Möglichkeit, dass es sich um ein Hinweis auf ein Weiterleben nach dem Tod handelt, in Erwägung ziehen. Ich will jetzt nicht darüber streiten, ob diese Schlussfolgerung übereilt ist oder nicht. Aber angenommen, ihr würdet diesen Artikel lesen und würdet über diese Schlussfolgerung stolpern: Würdet Ihr die Schlussfolgerung des Inhalts Willen oder nur wegen übereilter Argumentation, sofern Ihr die sehen würdet, ablehnen? Angenommen Ihr würdet keinen Argumentationsfehler bemerken?

Würdet Ihr jeglichen Versuch, nach durchscheinender Rückseitenfarbe des Bildes zu suchen, als sinnlos einstufen?

Zum Thema Kultur:

Klaus hat geschrieben:Es geht mir nicht um die Kirchenmusik, es geht mir darum wie tief verwurzelt Religion in der Musik oder in der Kultur ist.


Was erwartet Ihr? Es gibt religiöse Künstler, und natürlich werden diese in ihrer Kunst auch ihre religiösen Gefühle zum Ausdruck bringen, genauso, wie es atheistische Künster gibt, die keinerlei religiösen Gefühle äußern werden. Kunst ist nunmal ein Ausdruck von Gefühlen. Und rationale Gefühle gibt es schlicht nicht; auch bei Rationalisten nicht.

Der Autor hat geschrieben:Man muss allerdings sagen, dass es niemanden gibt, der aufgrund seines Nichtglaubens an Gott Morde begeht. Es gibt jedoch Fundamentalisten, die so etwas aufgrund ihres starken Glaubens tun.


Ganz sicher bin ich mir da nicht. Im Namen der Wissenschaft wurden auch schon einige Gräultaten begangen (z.B. Menschenversuche an KZ-Häftlingen). Wie weit diese Wissenschaftler religiös waren, weiß ich aber nicht.

Ich müsste auch nochmal genauer nachforschen... vielleicht weiß einer von Euch da genaueres: Wurden nicht im Rahmen einer kommunistischen Revolution ein Großteil des Klerus des Staates umgebracht? Ich meine mich da dunkel zu erinnern... wüsste aber gerade nciht, wie und wo ich da genauer nachforschen soll. Diese Morde (sofern es so war), fanden auch im Rahmen einer Ideologie statt, von der ein Teil die Religionslosigkeit ist.

By the way:
Der Autor hat geschrieben:Unnötig. Der Begriff, den du meinst, heißt "Igtheismus".


Ich habe nach diesem Begriff mal gegoogelt. Kein Treffer. Der Wikipediaartikel zu "Atheismus" enthält allerdings die Aussage, dass starker Atheismus auch manchmal "Antitheismus" genannt wird. Schade... ich dachte, ich hätte einen neuen Begriff erfunden ;-)

molosovsky hat geschrieben:Kommt auf die Umstände an. Einer der tragischsten Aspekte des Spekulierens ist ja, daß man mit solchen Streitgesprächen über Bildrückseiten wunderbar von den ›eigentlich‹ wichigen Vorgängen und Problemen ablenken kann.

›Eigentlich‹ markiert schon, daß es eben im Grunde um verschiedene Auffassungen dazu geht, WAS denn wichtig ist.


Das ist ein springender Punkt. Auch, wenn zwei Menschen eine ähnliche Fähigkeit haben, rational und logisch zu denken, werden sie immernoch verschiedene Auffassungen über die Wichtigkeit verschiedener Aspekte haben, so dass sie nicht notwendigerweise zu gleichen Schlussfolgerungen kommen. Vor allem in Sachen der Ethik nicht.

Viele Grüße
AChrist
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Beitragvon lorenz » Fr 2. Mär 2007, 14:43

AChrist hat geschrieben:Wie sähe eine saubere Argumentation für Gott und ein Jenseits aus, wenn der Versuch schon bei Naturalisten Aversion hervorruft?

Sie ist vermutlich gar nicht denkbar, weil es - nach allem was man weiß - einfach an guten Gründen dafür fehlt. Das fällt auf, wenn man ersatzweise z. B. formuliert: "Wie sähe eine saubere Argumentation für den Osterhasen, den Weihnachtsmann und den Klapperstorch aus, wenn der Versuch schon bei Naturalisten Aversion hervorruft?" Mit den Göttern ist es dasselbe.
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Beitragvon Klaus » Fr 2. Mär 2007, 14:52

Wie sähe eine saubere Argumentation für Gott und ein Jenseits aus, wenn der Versuch schon bei Naturalisten Aversion hervorruft?


Ich muss mir keine Gedanken darüber machen, wie eine saubere Argumentation für Gott und das Jenseits aussieht. Das ist Sache derer die solches behaupten.

Wurden nicht im Rahmen einer kommunistischen Revolution ein Großteil des Klerus des Staates umgebracht? Ich meine mich da dunkel zu erinnern... wüsste aber gerade nciht, wie und wo ich da genauer nachforschen soll. Diese Morde (sofern es so war), fanden auch im Rahmen einer Ideologie statt, von der ein Teil die Religionslosigkeit ist.


Der Klerus wurde in dem Rahmen dezimiert, wie er sich, auch aus ideologischen Gründen heraus, in die weltlichen Belange der Politik eingemischt hat. Gut nachzulesen im Schwarzbuch über den Kommunismus. Es war nicht der Klerus des Staates, es war der Klerus. Desweiteren haben sich genug hochrangige Vertreter des Klerus den jeweiligen Machtverhältnissen entsprechend, aus Gründen des Überlebens, angepasst und mitgemacht, das war immer so. Diese Anpassungsfähigkeit hat die Kirche über die Jahrtausende gerettet.
Siehe auch die jüngsten Enthüllungen in Polen.
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