Lyrik von Brights

Lyrik von Brights

Beitragvon Andreas Müller » Di 27. Feb 2007, 19:38

In einer Phase kreativen Wütens habe ich ein Gedicht über ein Thema geschrieben, das hier denke ich gut hinpasst:


Verfolgt

Eines schönen Tages, da lief ich hin und her
und da traf ich eine schöne Frau,
das war noch nicht mal schwer
und sie hielt meine Hand,
sagte: Wie wäre es mit uns Beiden?
Ich meinte: Liebend gerne
und wir mochten uns gut leiden

Wir lernten uns kennen, sie gab mir einen Kuss.
Das war auf dem Jahrmarkt.
Weil man viel Spaß dort haben muss,
ging sie dann, ja ging sie dort,
zu einer Wahrsagerin,
die sagte wahr, sagte klar,
dass ich nicht der Mann für sie bin!
Und sie hat mich verlassen!

Nicht weiter schlimm, werd's überleben
und mir erstmal eine Predigt geben
auf der Beerdigung meiner Oma
zu der sie mich eingeladen hat.
Da steht also dieser Knilch mit seiner Kutte
vor dem Sarg mit meiner Oma rum
und redet von Hölle und Folter,
die sie erwarten, wie dumm,
weil sie nicht katholisch war.
Na wunderbar.

Ich fahre also nach Hause mit dem Bus
weil ich immer an die Umwelt denken muss
dann sitzt da in dem Bus ein Islamist,
und sagt: "Leute, ich bin Terrorist.
Wie gut, dass sonst keiner einer ist.
Dann sind die 72 Jungfrauen für mich."
Das fand ich einfach lächerlich.
Und darum stieg ich aus und ging nach Hause,
er sprengt den Bus, ich brauch ne Pause.

Leg die Beine hoch, schalt den Fernseher ein,
na, das kann doch wohl nicht sein!
Jetzt hat die Wahrsagerin eine eigene Sendung,
das Wort zum Sonntag spricht der Oma-Priester,
doch ich habe ne Rente von Riester
und kauf mir eine Beerdigung ohne die Biester.

Ich schlafe ein und träume wieder
von den Dämonen aus China.
Sie verfolgen mich im Traum und sagen:
"Willst du dich an Aktien wagen?"
Na klar, es ist doch nur höflich,
wenn ich's versuche.
Chinas Dämonen müssen das wissen,
sie sind mit Aktien gerissen.

Am nächsten Tag dann an der Börse,
redet ein Astrologe mir rein,
meint, er verkauft mir die neuen Kurse,
denn die Sterne weihten ihn ein.
Gut, die Sterne werden nicht lügen,
die werden mich schon nicht betrügen.
Weit gefehlt: Jetzt bin ich pleite.
Kannte mich gar nicht von dieser Seite.

Ich werde verfolgt, verfolgt!
Von Dingen, die es gar nicht gibt!
Von Dämonen, Göttern, Teufeln
und Leuten, die mich mit Weihwasser beträufeln!
Ich habe genug! Ich habe genug von euch!
Verschwindet, grabt euch ein Loch!
Werft euren Bibelgespensterkoran hinein,
sonst mache ich es noch!



Was meint ihr?
Zuletzt geändert von Andreas Müller am So 4. Mär 2007, 17:44, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Klaus » Di 27. Feb 2007, 19:51

Gefällt mir, ist ja auch alles drin, irgendwelche Einwände werde ich veröffentlichen. Ist gut das Dingens. :gott:
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Beitragvon the jug of milk » Di 27. Feb 2007, 19:56

Der Schluss gefällt mir gut.
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Re: Verfolgt (von Dingen, die es gar nicht gibt)

Beitragvon Nox » Di 27. Feb 2007, 20:26

Der Autor hat geschrieben:Ich werde verfolgt, verfolgt!
Von Dingen, die es gar nicht gibt!


:^^: Sehr schön!
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Beitragvon Joe » Di 27. Feb 2007, 20:31

Es liest sich lustig, obwohl du zeigst, wie sehr der Aberglauben den Alltag beherrscht. Ist nicht immer gut gereimt.
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Beitragvon Andersdenker » Di 27. Feb 2007, 21:04

Cool. Auch mir gefällt das Ende sehr gut.
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Beitragvon Kurt » Di 27. Feb 2007, 22:40

Finde ich gut. An ein paar Stellen passt das Versmaß nicht recht, magst du das Ding nicht unter die CC-BY stellen?
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Beitragvon Andreas Müller » Di 27. Feb 2007, 22:44

magst du das Ding nicht unter die CC-BY stellen?


Unter eine freie Lizenz? Nein, bislang habe ich noch alle Rechte an meinen Texten behalten, wenn ich denn schon kein Geld damit mache.
Aber für Verbesserungsvorschläge bin ich natürlich offen.

Danke an alle für die Kommentare! =)
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Beitragvon Andreas Müller » Mi 28. Feb 2007, 19:47

Ich habe es mal mit einem netten Bild auf meine Website gestellt...
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Beitragvon lorenz » Fr 2. Mär 2007, 21:37

Mir scheint, der Rhythmus klingt nach Rap? Ist jedenfalls ein ungewöhnliches Versmaß. Aber es reimt sich auf jeden Fall. Doch, mit Rap-Musik würde das recht gut gehen!

Ich hab mal vor vielen Jahren ein thematisch ähnliches Ding verbrochen, nix für Ungut, hier ist es:



Ich wünsch' sie mir in einen Glaskastenkäfig,
die billigen Gemeindepfarrer,
die verhockten Religionsstundenhalter,
die über die knöchernen Kinderköpfe,
die in den Schulbänken stillsitzen müssen,
dornige Schleier aus Mysterium küssen.

Ich wünsch' sie mir in einen Glaskastenkäfig,
die sonntags in die Talare kriechen,
und die dann in ihren goßen Häusern
Weihrauchkessel und Avemarias
Kopftuchmüttern um die Ohren schlagen
und junge Mädchen in Beichtstühle jagen.

Ich wünsch' sie mir in einen Glaskastenkäfig,
die Monsignores und Kardinäle
und den vertrockneten Popen im Vatikan,
die in ihren bunten Meßgewändern
auf ihren wurmigen goldenen Thronen
über den Sünden der Menschheit wohnen.

Ich wünsch' sie mir in einen Glaskastenkäfig,
so wie den modrigen Benedikt,
den sie alle Jahre wieder enthüllen,
wenn sie mit Posaunen und sorgsam geordnet
nach Rang und Glauben durch die Straßen fließen,
unter Lautsprechersegen ihren Himmel hissen.

Ich wünsch' sie mir in einen Glaskastenkäfig,
die da predigen vom sündigen Fleisch,
all die verbogenen Häkchen und Zölibatäre,
all die Bombensegner und Kreuzlegionäre.

(In einem Terrarium bei Rotlicht und Sand
fände' ich das Geziefer vielleicht interessant.)
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Beitragvon Klaus » Sa 3. Mär 2007, 10:07

Gute Gedichte, und mit Rap kann ich mir das richtig vorstellen.

Mein Vorschlag, einen Thread für diese Poesie, sonst geht sie in der Fülle der Informationen hier verloren.
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Beitragvon Kiebitz » Sa 3. Mär 2007, 16:57

lorenz hat geschrieben:Mir scheint, der Rhythmus klingt nach Rap? Ist jedenfalls ein ungewöhnliches Versmaß. Aber es reimt sich auf jeden Fall. Doch, mit Rap-Musik würde das recht gut gehen!


@Andersdenker: Hättest du nicht lust, das als Rap zu vertonen - unter der voraussetzung natürlich, daß Der Autor damit einverstanden wäre?
(Andersdenker hat die möglichkeiten dazu sowas zu realisieren.)
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Beitragvon Andersdenker » Sa 3. Mär 2007, 17:49

Kiebitz hat geschrieben:
lorenz hat geschrieben:Mir scheint, der Rhythmus klingt nach Rap? Ist jedenfalls ein ungewöhnliches Versmaß. Aber es reimt sich auf jeden Fall. Doch, mit Rap-Musik würde das recht gut gehen!


@Andersdenker: Hättest du nicht lust, das als Rap zu vertonen - unter der voraussetzung natürlich, daß Der Autor damit einverstanden wäre?
(Andersdenker hat die möglichkeiten dazu sowas zu realisieren.)

Beats hab ich genug, Rapper allerdings nicht. Selber kann ich nicht wirklich rappen, könnte aber den ein' oder anderen fragen. :handy:
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Beitragvon Andreas Müller » Sa 3. Mär 2007, 18:28

Danke für das Angebot, aber bitte lass es bleiben. Da habe ich noch meine Punk-Schauklappen auf.
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Beitragvon Andersdenker » Sa 3. Mär 2007, 18:31

Der Autor hat geschrieben:Danke für das Angebot, aber bitte lass es bleiben. Da habe ich noch meine Punk-Schauklappen auf.

:up:

Wir können ja NOFX kontaktieren.
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Beitragvon ostfriese » Sa 3. Mär 2007, 22:32

Wenn wir schon bei Lyrik sind: Ihr kennt das folgende Gedicht von Heinz Kahlau sicherlich, das bei Jugendweihen gern als Gegenstück zum christlichen Glaubensbekenntnis feierlich verlesen wird:


Kein Gott

Ich lebe jetzt. Mein Tod ist zu erwarten.
Danach vergehe ich so schnell wie Gras.
Von mir bleibt nur, was andere verwenden
Zu ihrem Nutzen und zu ihrem Spaß.

Gedanken, Verse, ein paar Gegenstände,
durch mich entstanden, bleiben in der Welt.
Für eine Weile kann man sie noch brauchen,
bis das, was keinem nützlich ist, zerfällt.

Ich habe keinen Gott. Für alle Taten,
die ich begehe, muss ich Täter sein.
Kein Weltenrichter wartet, mich zu strafen –
Für jeden Irrtum steh ich selber ein.

Ich habe keinen Vater, der mich tröstet.
Es gibt kein Wort, dass unumstößlich ist.
Mich stützt kein Glaube. Keine weise Fügung
Besitzt ein Maß, dass meinen Nutzen misst.

Ich denke selbst. Ich habe keine Rettung
Vor meinen Zweifeln, wenn die Furcht mich schreckt.
Ich hab die Grenzen meiner Höhn und Tiefen
In meinen eigenen Träumen abgesteckt.

Ich hänge ab von der Natur, von Menschen,
von allen Kräften für und gegen mich.
Die Welt, in der ich bin, ist gut und böse,
doch weiß ich – alles um mich ändert sich.

Nichts bleibt sich gleich. Wer wagt, sich einzurichten,
der richtet sich für Augenblicke ein.
In einer Welt, bestehend aus Bewegung,
da kann ich selber nur Bewegung sein.

Ich fürchte Menschen. Was sind Eis, was Fluten,
was Pest und Feuer gegen die Gewalt
des Untiers Mensch? Die Schreie seiner Opfer
sind, seit es Menschen gibt, noch nie verhallt.

Ich liebe Menschen mehr als alle Tiere.
Sie suchen unaufhörlich einen Sinn
Für ihr Vorhandensein, verstrickt in Irrtum.
Es macht mich froh, dass ich beteiligt bin.

Ich bin allein. Für kurze Augenblicke
Bin ich Geliebter, Bruder oder Freund.
Um eine Arbeit, eine Lust zu machen,
wenn sich ein Weg mit meinem vereint.

Auf dieser Erde leben Ungezählte,
aus denen gleiche Furcht und Hoffnung spricht.
Ich weiß um sie. In glücklichen Sekunden
Seh ich mitunter einem ins Gesicht.

Da ist kein Mensch und keine Macht vorhanden,
nichts, das mich ganz für sich gewinnen kann.
Ich füge mich der Stärke und der Schwäche.
Nur wer mich tötet, hält mein Suchen an.

Ich bin missbrauchbar, ich bin zu gebrauchen,
denn ich muss sein und suche meinen Wert.
Ich will mich nähren, ich muss mich behausen
Und über Preise wurde ich belehrt.

Solange ich lebe, arbeite und liebe,
solange sich mein Geist, mein Blut noch regt,
bin ich dem Wesen meiner Zeit verhaftet,
denn mich bewegt, was meine Zeit bewegt.

Ich denke noch, und bin noch zu belehren.
Ich suche zweifelnd weiter nach dem Sinn,
der uns zu Menschen macht, wer will mich hindern,
die Welt zu lieben, bis ich nicht mehr bin.
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Beitragvon molosovsky » So 4. Mär 2007, 15:17

Ja sagt mal Ihr Lieben.
ich bin gehörig baff, dass hier der Mut vorhanden ist, sich mit eigener Lyrik zu ›entblöden‹. Hut ab. Was für ein Vergnügen. Das wiederlegt wohl alle eventuellen Vorurteile, dass Brights verkopft und unpoetisch sind.

Da möcht ich nicht hintanstehen, werde aber nicht ellenslang nun meinen Lyrikkram hier ausbreiten, sondern möchte nur folgenden Link zu einer Sammlung mit zehn Prosagedichten (größtenteils ohne Reim) anbieten, die ich Anfang der 90ger geschrieben habe. Ich denke, es könnte das ein oder andere dabei sein, was für Brights interessant ist, immerhin handelt es sich ›jugendliche‹ Weltbild-Wanderungen.

Bitteschön: hier gehts zu den Verborgenen Orten. Die einzelnen Stationen der Reise heißen: Exodus - Zugfahrt & Cafehaus - Wüste - Fluß - Archiv - Herren der Hölle - Vakuum - Presse - Brunnen - Horror Vakui

Viel Vegbügen (zu den hier bereits dargereichen Gedichen kommentier ich später, aber bald).

Grüße
Alex / molo

P.S.: VORSCHLAG: Kann man den Thread-Titel hier vielleicht neutraler umbenennen. Lyrik von Forenteilnehmern oder so. Nicht dass ich Der Autor ärgern will, aber vielleicht wäre ein neutralerer Threadtitel schneller verständlich. Man weiß, was man bekommt und es ließe sich in der Forenübersicht besser orientieren?
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Beitragvon lorenz » So 4. Mär 2007, 15:37

Zu Kahlau:
Es war wirklich nicht alles schlecht in der ehemaligen DäDäRädäh. Und immerhin hat sich Kahlau schon 1990, also praktisch sofort, zu seiner Tätigkeit als Stasi-IM bekannt.
Das Gedicht ist prima.
Allerdings frage ich mich, was genau es wohl mit einem 14-Jährigen gemacht hat, wenn er es anlässlich der Jugendweihe auswendig lernen und vor versammelter Mannschaft vortragen musste. Ein Überstülpen humanistischer Grundsätze unter Zwang: Das war auch nicht der wahre Jakob.
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Beitragvon the jug of milk » So 4. Mär 2007, 17:25

Sehr schön finde ich die "Grabrede" von Subway to Sally.
dass überm Himmel noch was sei
das ist Betrug, Hochstapelei
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Beitragvon Sisyphos » So 4. Mär 2007, 19:21

Lyrik weiß ich leider keine beizutragen.
Dafür bin ich mit der Tuschefeder vertraut und neige zum schnellen Strich.
Hier eine kleine Kostprobe:

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