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Joseph Ratzinger, Paolo Flores d'Arcais: Gibt es Gott?

BeitragVerfasst: Mi 25. Apr 2007, 19:55
von gavagai
Servus,
bei dem ganzen Rummel um die Jesus-Biografie des Papstes wird IMO übersehen, dass letztes Jahr ein sehr gutes kleines Büchlein vom Ratzinger Sepp herauskam (und kaum einer der Katholiken kaufte es :/ ).
Joseph Ratzinger, Paolo Flores d'Arcais: Gibt es Gott? Wahrheit, Glaube, Atheismus. Berlin: Wagenbach, 2006. Broschiert, 105 Seiten
Meine Besprechung ist hier: http://www.gavagai.de/philrezi/th/HHPRZTH01.htm
Über andere Besprechungen oder Diskussion darüber freue ich mich.

BeitragVerfasst: Do 26. Apr 2007, 10:10
von HF*******
In dem Buch scheint es auch um das Verhältnis der Religion zur Wahrheit zu gehen. Kennzeichnend finde ich dazu folgende Äußerung Ratzingers:

Ratzinger sagte:
Eine Aufgabe des absoluten Wahrheitsanspruches läßt den Glauben an Christus sich in mehr oder weniger frommes Geschwätz auflösen. (Josef Ratzinger, seinerzeit Kurienkardinal)

BeitragVerfasst: Do 26. Apr 2007, 10:18
von [C]Arrowman
Wo er recht hat... :lachtot:

BeitragVerfasst: Do 26. Apr 2007, 10:45
von gavagai
HFRudolph hat geschrieben:In dem Buch scheint es auch um das Verhältnis der Religion zur Wahrheit zu gehen. Kennzeichnend finde ich dazu folgende Äußerung Ratzingers:

Ratzinger sagte:
Eine Aufgabe des absoluten Wahrheitsanspruches läßt den Glauben an Christus sich in mehr oder weniger frommes Geschwätz auflösen. (Josef Ratzinger, seinerzeit Kurienkardinal)

Ja, das ist seine (bzw. das Postulat der KK) Forderung, den Wahrheitsanspruch eben nicht aufzugeben. Insofern ist diese Äusserung Ratzingers kohärent mit den sonstigen Ansprüchen der KK. Insofern kann man als bright wenig daraus herausschlagen, da doch die meisten Brights wohl ontologische Realisten sind. D.h. die meisten vertreten wohl die Überzeugung: "Die Sonne gibt es wirklich". Und deshalb erhebt ein Bright (oder die Mehrzahl der Brights) wohl auch einen Wahrheitsanspruch für die Behauptung: "Die Sonne ist Himmelskörper, der Energie abstrahlt" oder ähnliche Behauptungen über unsere Welt.

Du siehst: ich verstehe nicht die Stoßrichtung deines Postings: Widerspruch? Ergänzung? Oder nur mal ein Satz vom Ratzinger, dem viele Brights zustimmen können?

BeitragVerfasst: Do 26. Apr 2007, 10:55
von Kival
gavagai hat geschrieben:da doch die meisten Brights wohl ontologische Realisten sind.


1. Wie du richtig sagst: Die meisten, nicht alle.
2.. Auch ontologische Realisten können diesen als hypothetische Position verstehen und vertreten, ähnlich Mahner, Bunger und auch Albert beim Materialismus.

BeitragVerfasst: Do 26. Apr 2007, 11:10
von gavagai
Kival hat geschrieben:
gavagai hat geschrieben:da doch die meisten Brights wohl ontologische Realisten sind.

1. Wie du richtig sagst: Die meisten, nicht alle.
2.. Auch ontologische Realisten können diesen als hypothetische Position verstehen und vertreten, ähnlich Mahner, Bunger und auch Albert beim Materialismus.
Na klar, es bleiben aber ontologische Realisten. Auch ich bewege mich sozusagen auf der fast unangreifbaren sicheren Seite: alles ist letztlich nur hypothetisch und vermutlich.
Ich revidiere mich inzwischen eh insofern, als es ja nur um den Wahrheitsanspruch ging. Nicht-ontologische Realisten haben es ja da sogar einfacher: wer beispielsweise meint, die Sonne gäbe es nur in seiner Einbildung, der kann ja umso berechtigter einen Wahrheitsanspruch für die Überzeugung: "Die Sonne strahlt Energie ab" (index: alles in meiner Einbildung) erheben. Vielleicht war mein Übers-Ziel-Hinausschiessen dadurch bedingt, als die KK nicht nur einen Wahrheitsanspruch erhebt, sondern auch einen ontologischen Realismus vertritt: Gott gibt es wirklich und personaliter (und nicht nur mit dem Index: nur in meiner Vorstellung).

BeitragVerfasst: Do 26. Apr 2007, 13:02
von Mark
es erscheint mir auch naheliegend daß selbst ein kirchlicher intellektueller feststellen muss daß mit dem wahrheitsanspruch der eigenen position alles steht und fällt.

lediglich : es wirkt schon etwas undifferenziert. ich muss ja nicht immer und überall recht haben. mit dem wahrheitsanspruch steht und fällt ja nur der standpunkt zu einer gewissen sache/vorstellung.

hat er impliziert daß der eigene anspruch auch absolut und allüberall gültig zu sein hat ?

das bedeutet dann den eigenen hirntot...

BeitragVerfasst: Do 26. Apr 2007, 14:10
von HF*******
@gavagai: Die Stoßrichtung war Ergänzung.

Derartige Sätze Ratzingers zeigen, dass trotz aller liberalen Diskussion das Ergebnis für Ratzinger lange fest stand, und zwar unmissverständlich und radikal:
Er spricht von "absoluter" Wahrheit - gemeint ist wohl eine Wahrheit, die auch über der Naturwissenschaftlichen Erkenntnis steht, eben nicht bloß eine "Glaubenswahrheit", die keine Wahrheit ist. Im Zweifel ist dann die Naturwissenschaftliche Erkenntnis falsch, der Glaube richtig :gott:

BeitragVerfasst: Do 26. Apr 2007, 16:23
von [C]Arrowman
Das Lustigste am Wahrheitsanspriuch ist, dass es ihn erst seit wenigen hundert Jahren gibt.

BeitragVerfasst: Do 26. Apr 2007, 16:31
von Kival
[C]Arrowman hat geschrieben:Das Lustigste am Wahrheitsanspriuch ist, dass es ihn erst seit wenigen hundert Jahren gibt.


Das hätte ich gerne erläutert...

BeitragVerfasst: Fr 27. Apr 2007, 11:56
von Mark
[C]Arrowman hat geschrieben:Das Lustigste am Wahrheitsanspriuch ist, dass es ihn erst seit wenigen hundert Jahren gibt.


wahrscheinlich ungefähr genauso lange wie es menschen gibt die sich trauen der kirche öffentlich zu widersprechen ...?

BeitragVerfasst: Fr 27. Apr 2007, 12:23
von [C]Arrowman
Ich bin nicht ganz sicher, aber es hat mit einer Liste von Thesen zutun, in dem der Papst seinen Absolutheitsanspruch festhielt... wenn ich was gefunden hab melde ich mich

BeitragVerfasst: Fr 27. Apr 2007, 12:52
von LinuxBug
Wikipedia hat geschrieben:Die kirchenamtliche, geistliche Unfehlbarkeit bezieht sich nur auf als letztgültig (unwiderruflich) proklamierte Glaubens- (oder Moral-) Lehrentscheidungen. Sie wurde mit dem Konzilsdekret Pastor Aeternus auf dem 1. Vatikanischen Konzil am 18. Juli 1870 unter Papst Pius IX. selbst als (unfehlbarer) Glaubenssatz verkündet.

Das meintest du doch, oder?
Ich glaube, da ging es aber "nur" um die Unfehlbarkeit des Papstes =)

den Absolutheitsanspruch stellten aber schon die Juden, was die Christen natürlich übernommen haben :/

BeitragVerfasst: Fr 27. Apr 2007, 13:02
von gavagai
LinuxBug hat geschrieben:Ich glaube, da ging es aber "nur" um die Unfehlbarkeit des Papstes =)
ja, das sollten wir in der Diskussion schon auseinanderhalten. Das eine ist die Unfehlbarkeit des Papstes wenn er ex cathedra spricht (also nicht, wenn er morgens sagt: "Heute wird es wieder regnen!") .
Das andere ist der katholische Wahrheitsanspruch für die Grundaussagen.
Wie man letzte Woche erlebte (Widerruf der Vorhölle für ungetaufte Kinder), ist sogar die KK mal bereit, etwas von ihrem (zweite Art) Wahrheitsanspruch zurückzunehmen. :^^:

BeitragVerfasst: Fr 27. Apr 2007, 13:44
von [C]Arrowman
Aha, ok, dann hab ich da was verwechselt. :blush2:

BeitragVerfasst: Fr 27. Apr 2007, 14:51
von Mark
vielleicht hängt diese unart des wahrheitsanspruches auch ganz eng mit der bekannten un-demokratischen haltung der kirchen zusammen ;-)

BeitragVerfasst: Fr 27. Apr 2007, 23:05
von Kival
Mark hat geschrieben:vielleicht hängt diese unart des wahrheitsanspruches auch ganz eng mit der bekannten un-demokratischen haltung der kirchen zusammen ;-)


Ideologiekritik nach Albert =)

BeitragVerfasst: So 12. Aug 2007, 10:40
von emporda
Mark hat geschrieben:vielleicht hängt diese unart des wahrheitsanspruches auch ganz eng mit der bekannten un-demokratischen haltung der kirchen zusammen ;-)

Das Wort "vielleicht" war überflüssig, das hat der Vatikan schon lange erkannt und befürchtet. Hier der Beweis in Teilen
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http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/leser ... 50-54.html
Dekret des Hl. Offiziums „Lamentabili" (1907)

Die Verfassung der Kirche
52. Es war der Absicht Christi fremd, die Kirche als eine Gemeinschaft zu gründen, die auf Erden eine lange Reihe von Jahrhunderten dauern werde; ja, Christus war sogar der Meinung, das Himmelreich werde zugleich mit dem Ende der Welt alsbald anbrechen.
53. Die organische Verfassung der Kirche ist nicht unveränderlich; vielmehr ist die christliche Gemeinschaft ebenso wie die menschliche Gemeinschaft einer fortwährenden Entwicklung unterworfen.
54. Die Lehrsätze, Sakramente und die Hierarchie sind - sowohl was den Begriff als auch was die Wirklichkeit anbelangt - nur Auslegungen und Entwicklungen des christlichen Verständnisses, die den im Evangelium verborgenen unbedeutenden Keim durch äußere Zuwächse vermehrt und vervollkommnet haben.
55. Simon Petrus hatte niemals auch nur eine Ahnung, daß ihm von Christus der Primat in der Kirche übertragen wurde.
56. Die Römische Kirche wurde nicht aufgrund einer Anordnung der göttlichen Vorsehung, sondern aufgrund rein politischer Bedingungen das Haupt aller Kirchen.
57. Die Kirche erweist sich als feindlich gegenüber den Fortschritten der natürlichen und theologischen Wissenschaften.

Die Unveränderlichkeit religiösen Wahrheiten
58. Die Wahrheit ist nicht unveränderlicher als der Mensch selbst, da sie sich ja mit ihm, in ihm und durch ihn entwickelt.
59. Christus lehrte kein bestimmtes auf alle Zeiten und alle Menschen anwendbares Lehrsystem, sondern leitete vielmehr eine den verschiedenen Zeiten und Orten angepaßte bzw. anzupassende religiöse Bewegung ein.
60. Die christliche Lehre war in ihren Anfängen jüdisch, wurde aber durch die nachfolgenden Entwicklungen zunächst paulinisch, dann johanneisch, schließlich hellenisch und allgemein.
61. Man kann ohne Widerspruch sagen, daß kein Kapitel der Schrift, vom ersten der Genesis bis zum letzten der Apokalypse, eine Lehre enthält, die mit jener völlig zusammenfällt, die die Kirche über dieselbe Sache vorträgt, und daß deswegen kein Kapitel der Schrift denselben Sinn für den Kritiker wie für den Theologen hat.
62. Die hauptsächlichen Artikel des Apostolischen Bekenntnisses hatten für die Christen der ersten Zeiten nicht dieselbe Bedeutung, die sie für die Christen unserer Zeit haben.
63. Die Kirche erweist sich als unfähig, die Ethik des Evangeliums wirksam zu schützen, weil sie hartnäckig an unveränderlichen Lehren hängt, die mit den heutigen Fortschritten nicht vereinbart werden können.
64. Der Fortschritt der Wissenschaften erfordert, daß die Vorstellungen der christlichen Lehre von Gott, von der Schöpfung, von der Offenbarung, von der Person des Fleischgewordenen Wortes und von der Erlösung umgebildet werden.
65. Der heutige Katholizismus kann mit der wahren Wissenschaft nicht vereinbart werden, wenn er nicht in ein undogmatisches Christentum verwandelt wird, das heißt, in einen weiten und liberalen Protestantismus.
Zensur des Papstes: „Seine Heiligkeit hat das Dekret der Hochwürdigsten Väter gebilligt und bestätigt und geboten, daß die oben angeführten Sätze samt und sonders von allen für verworfen und geächtet gehalten werden."
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Man weiss also genau, was die Probleme des katholischen Glaubens sind. Die Menschen reden immer über das, was sie nicht haben, nicht können und/oder nicht dürfen. Darin unterscheiden sich die Suffköppe an der Thelke um nichts von den Schwarz- und Buntröcken im Vatikan.
Bezogen auf das Erscheinungsdatum 1907 sind wir jetzt 300 Jahre weiter, der Kalender wäre als auf das Jahr 1607 zu korrigieren - der nächste Glaubenskrieg mit 30 Jahren Dauer kommt bald, wahrscheinlich gegen den Islam, da die Evangelen keine mehr Lust haben.

BeitragVerfasst: Mo 13. Aug 2007, 11:03
von HF*******
Linux Big schrieb:
Das meintest du doch, oder?

Ich? Nein. Die Aussage hat er so irgendwann getroffen. Quelle habe ich nicht mehr.