Heute hab ich mal spaßeshalber den Aufstand geprobt.
In einer 8. Klasse mit über 30 Schülern sollte ich in einer 5. Stunde Mathe für Religion vertreten und habe mir gedacht: Quatsch, das machst Du anders. Mit einem Katalog von 20 Stichpunkten (Fragen bzw. Thesen) unter der Überschrift "Challenging Religion" bin ich in den Unterricht gegangen und hab kein Blatt vor den Mund genommen: Ich ließ meine Ausführungen in der Forderung nach Abschaffung des Religionsunterrichts an staatlichen Schulen gipfeln.
Die Reaktionen waren eher neugierig-erstaunt als wütend-schockiert, aber es ist ja nicht auszuschließen, dass die Sache ein Nachspiel hat, wenn Eltern davon Wind bekommen.
Interessant war, dass nur ganz wenigen Schülern überhaupt irgendetwas einfiel zu Fragen wie diesen:
- Was soll das Fach Religion in der Schule vermitteln? (Weltreligionen verstehen, Konflikte lösen)
- Wie viele unterschiedliche Religionen gibt es? (einige meinten: fünf!)
- Was verheißen Religionen, was bieten religiöse Riten und Gemeinschaften? ("Ich muss da immer hingehen, aber Spaß macht's nicht!")
- Woher kommen unsere Werte und Normen? ("Die das Grundgesetz gemacht haben, waren halt gläubig...")
- Was ist Fundamentalismus? (Schweigen im Walde...)
- Gibt es Argumente für einen Schöpfer / intelligenten Designer? ("Quatsch, daran kann man nur
glauben!")
- Was ist Gott? ("Man soll sich kein Bild machen!")
Offensichtlich ist der Beitrag des Religionsunterrichts zur humanistischen Bildung mehr als dürftig.
Ich hab die Schüler dann noch über die Beweislast bei Existenzbehauptungen aufgeklärt (Russell's teapot, das fliegende Spaghettimonster konnte ich leider vor dem Klingeln nicht mehr unterbringen...), über den Gegensatz von wissenschaftlichem Denken und religiösem Glauben, über Agnostizismus und Atheismus sowie über die wahre Herkunft unserer humanistischen (und mitnichten christlichen) Werte.
Falls die Schüler die Fragezeichen, die über ihren Köpfen hängen geblieben sind, in ihre nächsten Religionsstunden hinein tragen, ist schon viel gewonnen. Einen Versuch war mir die Aktion wert; die eventuellen Konsequenzen werden zeigen, ob wir wirklich in einem liberalen Staat leben oder ob kirchliche Repression immer noch wirksam ist...
Ach, das Witzigste hätte ich beinahe vergessen: Den meisten war der Begriff "Atheist" völlig unbekannt. Da ich ihn zunächst nicht angeschrieben und erläutert hatte, war er nicht von allen verstanden worden. Deshalb fragte ein Schüler nach: "Sind Sie Satanist?"
(Ich erklärte ihnen, dass Satanismus auch nur eine Religion sei, aber das wollten sie mir irgendwie nicht abkaufen...^^)