Politische Ansichten - genetisch verankert?

Politische Ansichten - genetisch verankert?

Beitragvon pinkwoolf » Sa 9. Feb 2008, 00:14

Laut einem Artikel im New Scientist sind politische Ansichten und Vorlieben genetisch verankert und entziehen sich damit allen Versuchen, durch Überzeugung einen Sinneswandel herbeizuführen.

http://www.newscientist.com/channel/bei ... genes.html

Leseprobe:
According to an emerging idea, political positions are substantially determined by biology and can be stubbornly resistant to reason. "These views are deep-seated and built into our brains. Trying to persuade someone not to be liberal is like trying to persuade someone not to have brown eyes. We have to rethink persuasion," says John Alford, a political scientist at Rice University in Houston, Texas.

Nach meinem Dafürhalten handelt es sich hier um einen Amoklauf des scientistischen Fundamentalismus. Erstens habe ich selbst in meinem Leben schon so manche politische Kehrtwendung vollzogen, und zweitens halte ich solch einen Determinismus für brandgefährlich. Nicht weniger gefährlich als irgendwelche dämlichen religiösen Offenbarungseide für die menschliche Vernunft.

Eigentlich sogar noch schlimmer, weil man sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse beruft.
Vielleicht sollte man neben wissenschaftlichen Erklärungsmodellen auch dem gesunden Menschenverstand eine Chance geben?
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Re: Politische Ansichten - genetisch verankert?

Beitragvon folgsam » Sa 9. Feb 2008, 00:21

Ohne den ganzen Artikel lesen zu können kann ich ihn auch nicht beurteilen.


Ich würde gern wisen was mit politischen Ansichten genau gemeint ist.
Eine genetisch ausgeprägte Vorliebe für autoritäre Strukturen oder eben nicht könnten denkbar sein.

Wobei noch nichtmal annähernd geklärt ist wie die Translation gewisser Proteine so komplexe Verhaltensweisen determinieren kann.
Es gibt unzweifelhaft artspezifische, allen gesunden Vertretern dieser Art gemeine, grundlegende Verhaltensmuster, doch wie genau diese Zustandekommen ist ungeklärt.

achja:

scientistischen Fundamentalismus


Wie meinst du das?
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Re: Politische Ansichten - genetisch verankert?

Beitragvon pinkwoolf » Sa 9. Feb 2008, 01:08

Mit "Scientistischem Fundamentalismus" meine ich hier die Forderung, menschliches Handeln und Fühlen einzig und allein durch biochemische Prozesse zu erklären.

Mag sein, dass diese Prozesse irgendwo immer dahinter stecken; aber meine Begeisterung für Beethovensche Sinfonien lässt sich, zum Beispiel, mit chemischen Formeln nur unbefriedigend beschreiben. Da gibt es andere Denkansätze, die mich weiter bringen.
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Re: Politische Ansichten - genetisch verankert?

Beitragvon folgsam » Sa 9. Feb 2008, 01:20

Grundlage aller menschlichen Äusserungen und Ausprägungen sind biochemische und physikalische Prozesse.

Das darf jedoch nicht dazu verleiten, es auch darauf zu reduzieren.

Die ungeheure, nicht vorstellbare Komplexität jeder noch so geringen Reaktion auf Umweltreize oder gar Introspektion und die unglaubliche Anzahl der daran beteiligten Prozesse lassen sich nicht Singulär betrachten. Die Reduktion des Lebens, oder anderer, emergenter Materiekomplexe, auf die einzelnen Bausteine, ist unzulässig. Es ist nicht einmal möglich die Phototaxis eines so simplen Organismus wie des einzelligen Pilzes Phycomyces in seine einzelnen chemischen Komponenten aufzugliedern und aus dieser Beschreibung die Reaktion auf den Reiz zu erklären.

Relativ einfache und simple Vorgänge mit beschreibbaren Gesetzen ergeben zusammengenommen einen nicht vorhersagbaren, ermergenten Effekt, der weit über den reduktionistischen Ansatz herausgeht.

Bachs "Goldberg Variationen" lassen sich nicht auf simple chemisch/physische Grundlagen reduzieren. Hier sind weit komplexere und unverstandene Naturgesetze am Werk.


Wobei natürlich nicht gesagt ist, das Leben an sich nicht auf bisher grundsätzlich, unentdeckten Naturgesetzen beruhen könnte, die nicht nur aus den emergenten Eigenschaften ihrer Bausteine entstehen.
Vielleicht wird in Zukunft in der Biologie etwas gefunden werden, dass dem Paradoxon des Lichts in der Phsyik gleicht.
Ein Grund, warum ich Biologie studiere.
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Re: Politische Ansichten - genetisch verankert?

Beitragvon Robert » So 10. Feb 2008, 15:22

pinkwoolf hat geschrieben:Mit "Scientistischem Fundamentalismus" meine ich hier die Forderung, menschliches Handeln und Fühlen einzig und allein durch biochemische Prozesse zu erklären.


:lachtot:

Hast du einen Flaschengeist im Kopf, der dich steuert?

Des Weiteren wäre die Behauptung, dass es mit den Genen einfach Schwachsinn ist, selbst wiederum zum "Scientistischem Fundamentalismus" gehörig. Entweder hast du dich deshalb unklar ausgedrückt oder diffamiert mit diesen Begriff einfach die Anschauungen, die dir zuwider sind.
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Re: Politische Ansichten - genetisch verankert?

Beitragvon Andreas Müller » So 10. Feb 2008, 15:49

Was, wenn auch die Veränderungen in unseren politischen Ansichten genetisch verankert sind?
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Re: Politische Ansichten - genetisch verankert?

Beitragvon webe » So 10. Feb 2008, 16:15

Gibt es nicht auch wissenschaftliche Berichte, die für ein religiöses Weltbild bestimmte Genen verantwortlich machen?

Mir ist es, als ob ich solches mal gelesen hätte.
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Re: Politische Ansichten - genetisch verankert?

Beitragvon Ari » So 10. Feb 2008, 16:34

webe hat geschrieben:Gibt es nicht auch wissenschaftliche Berichte, die für ein religiöses Weltbild bestimmte Genen verantwortlich machen?

Das hab ich auch vor nicht alzu langer Zeit gelesen


Ja die Gene, die sind für alles gut. Ich hab sicher nicht die Kompetenz um irgendwelche wissenschaftlicehN Untersuchungn in diesem Bereich zu kritisieren. Aber man liest schon sehr viel in den letzten Jahren, was den die Gene alles beeinflussen.

Mir kommt es da oft so vor, als suchte man auch hier nach einer Art Vorbestimmung. Nach einfachen Mustern warum Menschen so sind wie sie sind. Politische Ansichten sind ja nicht wie die Hautfarbe, AUgenfarbe oder die Haarfarbe. Die ändern sich und die gibt es ja nur weil wir sie als Menschen "erfunden" haben. Oder lieg ich da so falsch?
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Re: Politische Ansichten - genetisch verankert?

Beitragvon Jakob » Mo 11. Feb 2008, 14:44

Ich denke mir das so: Kann schon sein, daß gewisse politische Vorlieben angeboren sind. Aber der Mensch lebt halt nicht nur instiktiv. Die angeborene Vorliebe gibt nur eine Tendenz vor, ist aber nicht zwingend.

Bsp: Der Herr A würde am liebsten die Partei X wählen. Er hat sich schon immer als Xler gefühlt, das Programm der X klingt toll, X hat einen sympathischen Chef etc. Aber weil Herr A weiß, daß die X schon einige Wahlversprechen gebrochen hat und aufgrund seines Bildungsstandes erkannt hat, daß einige Programmpunkte der X zwar gut klingen, aber unrealistisch sind, wählt er dann doch Partei Y.

Das ist wie mit Intelligenz und Bildung. Ein Mensch kann verdammt intelligent sein (angeborener Leistungsrahmen), aber ohne Bildung bzw. mit wenig Bildung (individuelle Verortung in diesem Rahmen), kann er diese angeborene Intelligenz niemals voll ausnützen. Der hochintelligente Amazonasindianer wird (wahrscheinlich) niemals die Quantenpysik revolutionieren. Auch wenn er's könnte. Er wird nichtmal wissen, wie man ein Auto repariert, was mäßig intelligenter, aber entsprechend ausgebildeter Europäer (z.B.) kann.

Also, selbst wenn es angeborene Tendenzen gibt, sind diese nicht zwingend und eine Beeinflussung und Sinneswandel somit möglich.
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