von Jakob » Sa 26. Apr 2008, 11:28
OK, da bin ich wieder. Dann wollen wir mal:
Betriebsrat:
1. In kleinsten Pfarreien wird es schon deshalb keine Betriebsräte geben, weil ein solcher gem. § 1 I S.1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) erst in Betrieben mit mindestens fünf ständigen Arbeitnehmern eingerichtet werden müssen.
2. Auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen findet das BetrVG gem. § 118 II BetrVG keine Anwendung.
3. Für Religionsgemeinschaften bzw. deren Teile, die als öffentlich-rechtliche Körperschaften organisiert sind (verfaßte Kirche), gibt es eine sinngemäß gleiche Vorschrift, nämlich den § 112 BPersVG (Bundespersonalvertretungsgesetz).
Kündigungsschutz:
1. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 III WRV (Weimarer Reichsverfassung; ja, die gilt in Teilen noch!) gewährt die sogenannte Kirchenautonomie. Das ist eine Selbstordnungs- und -verwaltungsgarantie. Diese erfaßt alle der Kirche in irgendeiner Weise zugeordneten Einrichtungen, soweit sie nach kirchlichem Selbstverständnis (!) berufen sind, einen Teil des Auftrags der Kirche wahrzunehmen.
Sowohl Selbstverständnis, als auch Auftrag der Kirche werden allerdings nicht vom Gesetzgeber definiert, sondern von der Kirche selbst, so daß sie die Kirchenautonomie beliebig (!) begrenzen oder erweitern kann. (BAG - Urt. v. 21. 09. 06; NZA 07, 438)
2. Diese Autonomie gilt nur "innerhalb der für alle geltenden Gesetze". Dazu gehört auch das KSchG (Kündigungsschutzgesetz). (BVerfG, NJW 86, 367) Allerdings dadurch völlig ausgehöhlt, daß die Zulässigkeit einer Kündigung nicht an den für alle geltenden Maßstäben gemessen wird. Ausschließlicher Maßstab sind die von der Kirche selbst gesetzten Kriterien! (BVerfG, NJW 86, 367) Der Arbeitgeber selbst entscheidet somit, nach welchen Maßstäben die Kündigung zu beurteilen ist!
3. Die Grenze des kirchlichen Selbstverwaltungsrechtes ist erst erreicht, wenn der Arbeitgeber "in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung" tritt. Das wäre erst bei blanker Willkür oder ähnlichem der Fall.
Solange diese Grenze nicht überschritten ist, ist die deutsche Arbeitsgerichtsbarkeit uneingeschränkt (!) an das kirchliche Selbstverständnis gebunden. Sie darf dann nur den Sachverhalt feststellen und unter die kirchlichen Vorgaben subsumieren. (Weber, NJW 86, 370)
Liebe stine,
wie gezeigt gilt deutsches Arbeitsrecht für kirchliche Arbeitgeber nur eingeschränkt. Wenn in den Pfarreien, die Du kennst, so etwas ähnliches wie ein Betriebsrat existiert, dann ist das reine Kulanz des dortigen Chefs und rechtlich ohne Bedeutung. Aber immerhin nett.
Daß diese Zustände weder für Sekularisten, noch für jeden anderen gerecht denkenden Menschen hinnehmbar sind, wirst Du sicher einsehen. Vor allem, wenn man bedenkt, daß Caritas und Diakonie zu den größten Arbeitgebern in Deutschland gehören.
Das ist einer der Gründe, warum ich mich bei den Brights engagiere.
Grüße, jakob